Steiner - Ttb-19 - Das Mysterium Des Bösen

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R U D O L F STEINER

T h e m e n aus dem Gesamtwerk B a n d 19

Das W e r k R u d o l f Steiners gründet sich methodisch u n d erkenntniswissenschaftlich auf die Darstellung der grundlegenden Schriften: Die Philosophie der Freiheit. G r u n d z ü g e einer modernen Weltanschauung; Theosophie. E i n f ü h r u n g i n übersinnliche Welterkenntnis u n d Menschenbestimmung; Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? u n d Die Geheimwissenschaft im Umriß. Diese bilden zusammen m i t den übrigen Schriften u n d den Aufsatzbänden das geschriebene W e r k v o n überschaubarem U m f a n g , r u n d 40 B ä n d e . Daneben ist die Fülle der nachgeschriebenen Vorträge außerordentlich, i n der Gesamtausgabe mehr als 250 B ä n d e . D i e Vorträge waren alle frei gehalten u n d nicht z u m D r u c k bestimmt. Ihre Herausgabe erfolgt nach v o n R u d o l f Steiner nicht durchgesehenen Nachschriften. Sie enthalten jedoch den Ausbau u n d die Entfaltung der i n den Schriften entwickelten G r u n d k o n zeptionen nach den verschiedensten Richtungen u n d Lebensbereichen. Sie stellen i n ihrer thematischen Mannigfaltigkeit auch heute n o c h eine nicht bewältigte Aufgabe dar. So ist das M o t i v dieser Taschenbuchreihe: unter den i n unserer Zeit aktuellen Gesichtspunkten den Zugang zu verschiedenen i m Gesamtwerk verstreuten u n d nicht z u s a m m e n h ä n g e n d ausgearbeiteten Themenkomplexen z u eröffnen u n d damit z u gleich den Ansatz der anthroposophischen Erkenntnismethode an bestimmten Problemkreisen zu verdeudichen. D i e jeweilige Zusammenstellung beansprucht dabei i n h a l d i c h keine V o l l ständigkeit.

RUDOLF STEINER

Das Mysterium des Bösen Zehn Vorträge, ausgewählt und herausgegeben von Michael Kaiisch

VERLAG FREIES GEISTESLEBEN

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Steiner, Rudolf: Themen aus dem Gesamtwerk / Rudolf Steiner. Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben. N E : Steiner, Rudolf: [Sammlung] Bd. 19. Das Mysterium des Bösen: 10 Vorträge / ausgew. und hrsg. von Michael Kaiisch. - 1993 ISBN 3- 7725-0089-7 N E : Kaiisch, Michael [Hrsg.] Einbandentwurf: Martin Diethelm Alle Rechte an den Texten von Rudolf Steiner, insbesondere das Recht der Übersetzung, bei der Rudolf Steiner-Nachlaß Verwaltung, Dornach (Schweiz) © 1993 Verlag Freies Geistesleben G m b H , Stuttgart Herstellung: Clausen &c Bosse, Leck

Inhalt

Einführung des Herausgebers

1.

7

U R S P R U N G U N D W E S E N DES B Ö S E N

Das Böse i m Lichte der Erkenntnis v o m Geiste (15. Januar 1914)

23

Das Gute als schöpferisches, das Böse als todbringendes Prinzip (28. Dezember 1911) 2.

56

ALLES L E B E N ENTWICKELT SICH ZWISCHEN POLAREN KRÄFTEN - LUZIFERISCHES U N D AHRIMANISCHES

Über die Wesenheit von Christus, A h r i m a n und Luzifer in ihrem Verhältnis zum Menschen (7. Mai 1923)

79

Das Verhältnis ahrimanischer und luziferischer Wesen zu den normal entwickelten Hierarchien (4. Oktober 1918) 3.

99

D I E F O L G E N U N D D E R A U S G L E I C H DES « S Ü N D E N F A L L S »

Midgardschlange, Fenriswolf und H e i (15. Juni 1910)

127

D e r Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen (25. Juli 1915) 4.

146

D I E S T E I G E R U N G DES B Ö S E N U N D DIE A U F G A B E DES G E G E N W Ä R T I G E N BEWUSSTSEINSSEELENZEITALTERS

Das übersinnliche Element i n der Geschichtsbetrachtung

(26. Oktober 1918)

167

D i e drei Strömungen der materialistischen Zivilisation

(15. Dezember 1919)

189

5.

«666» U N D DIE Z U K U N F T DER M E N S C H H E I T

-

DIE A U F G A B E DES M A N I C H Ä I S M U S

W i e finde ich den Christus? (16. Oktober 1918)

215

Die Zukunft der Menschheitsentwicklung (25- Juni 1908) 2 4 5 Polarität und Steigerung des Bösen. Nachwort des Herausgebers

263

Anmerkungen (mit Literaturhinweisen)

311

Quellennachweis

327

Einführung des Herausgebers

Was ist das Böse — wie entsteht es? W e l c h e n S i n n hat es? Es sind dies Fragen, die die Menschheit seit Jahrtausenden beschäftigen, u n d u m so intensiver beschäftigt haben, je mehr sich das Bewußtsein abgeschnitten fühlte v o m Erleben göttlich-geistiger Welten. Jede Zeit stellte die Fragen anders u n d erhielt andere A n t w o r t e n ; ursprünglich kamen sie aus der Weisheitsquelle der Mysterien; nach ihrem Erlöschen übern a h m die Philosophie, dann die Theologie die Aufgabe, aus den Gedanken v o m W e r d e n des Kosmos u n d des Menschen A n t w o r t e n abzuleiten. Heute sind hinzugekommen Psychoanalyse, Verhaltensforschung, Soziologie, Biologie, die auf ihre A r t versuchen, das B ö s e i n seinem Wesen u n d Ursprung zu bestimmen — oder es zu relativieren. Dementsprechend hat sich die Betrachtungsweise v o m Geistigen auf das Psychische oder das äußerlich Verhaltensmäßige verlagert; m a n spricht heute von «Aggression», von «Todestrieb», v o n «Frustration», m a n identifiziert das B ö s e m i t Z e t s t ö r u n g an Gesellschaft oder U m w e l t durch den M e n s c h e n , aber i n d e m man es nur als F o r m e n menschlicher H a n d l u n g e n betrachtet, hat sich die Frage nach dem Wesen u n d Ursprung u m so mehr verdunkelt. M a n c h e r begüngt sich m i t der reduzierten Auffassung, das Böse sei eben ein quasi überbordender, an sich aber naturnotwendiger Aggressionstrieb. D a sich das B ö s e allem O r d n e n entzieht - man k a n n es allenfalls als Vernichtung v o n O r d n u n g definieren —, steht m a n eigentlich «ratlos vor dem Bösen». D i e christliche Theologie versucht z u m Teil heute noch, nach dem V o r b i l d der mittelalterlichen Theodizee die unbestreitbare Realität des Bösen m i t einem Gottesbild i n E i n k l a n g z u b r i n 7

gen, dem die absoluten Eigenschaften der G ü t e und A l l m a c h t und Allweisheit gegeben werden - u n d scheitert, auf das einzig verfügbare Werkzeug des spekulierenden u n d sich selbst «transzendierenden» Verstandes angewiesen, m i t eben diesem Verstand. D i e Frage bleibt ungelöst, man verwickelt sich i n Widersprüche. M a n m u ß sich schließlich damit begnügen, i n Bezug auf die Frage «Wie ist das Böse möglich?» eine A p o r i e , einen unlösbaren W i d e r s p r u c h m i t den erst gemachten V o r aussetzungen, stehenzulassen. 1 Es zeigt sich auch innerhalb des theologischen Denkens die Tendenz, den Gedanken an geistige Wesen, v o n denen das Böse seinen Ursprung n i m m t , abzuweisen. M a n m ö c h t e sich von allen Teufeln u n d D ä m o n e n , die das mittelalterliche G e m ü t n o c h intensiv beschäftigten, «verabschieden», begründet es damit, wie viel U n h e i l dadurch entstand. Biblische oder mythologische Bilder böser Wesen, gefallener Engel erklärt m a n z u «Metaphern»; allein, damit läßt man die Frage unbeantwortet stehen, wohet solche «Metaphern» k o m m e n konnten (Haag 1990). Das Böse bleibt dann nur n o c h aus der «Freiheit» des M e n s c h e n erklärbar, der sich i m «Sündenfall» v o n seinem G o t t abwandte. W o h e r allerdings der A n s t o ß z u dieser Tat kam, k a n n keiner erklären. D a m i t läßt m a n den Menschen m i t der ganzen Last der Schuld stehen - u n d die uralte Frage steht unbeantwortet wieder vor i h m : W i e k a n n G o t t das B ö s e zulassen, w e n n er doch allmächtig u n d reine G ü t e ist? Überblickt m a n die Geistesentwicklung, so lassen sich sieben Grundthesen aus der Vielzahl v o n A n t w o r t e n herausschälen, die man auf die Frage nach dem Ursprung des Bösen zu finden versucht hat (Schroeder 1984): 1. Das B ö s e ist gar nicht existent, es ist nichtig, besteht n u r i n einer Negation des G u t e n ; diese Auffassung ist auch heute n o c h sehr verbreitet, bis i n den Sprachgebrauch. Sie hat ihren w i c h tigsten Vertreter i m Kirchenvater Augustinus. 2. Es gibt v o n A n b e g i n n an zwei U r p r i n z i p i e n i n der W e l t das G u t e u n d das Böse, wie L i c h t u n d Finsternis. Diese auf eine 8

uralte persische K u l t u r zurückgehende Auffassung w i r d heute i m G r u n d e abgelehnt. 3. D e r schaffende G o t t hat das B ö s e selbst hervorgebracht; er läßt es zu, damit aus i h m größeres Gutes hervorgehe, oder w i l l es als ein Straf- u n d Erziehungsmittel für den Menschen. — 4. Das Böse wie das G u t e liegen i n G o t t selber ais zwei Kräfte. I n der jüdischen Kabbala wurde G o t t so vorgestellt, daß von seiner rechten H a n d Liebe u n d Gnade, v o n seiner linken aber Strenge u n d Z o r n ausgehen als das den M e n s c h e n treffende Übel. 5. Hauptursache des Bösen ist der A b f a l l v o n Engelwesen v o m göttlichen W i l l e n . Diese Auffassung wurde zu einem festen Bestandteil des katholischen Glaubens, w e n n ihr auch heute W i d e r s p r u c h entgegengebracht w i r d (Haag 1990). 6. Das Böse hat seine W u r z e l i n einer U n v o l l k o m m e n h e i t der S c h ö p f u n g . D i e Materie ist dabei das Unvollkommenste, ein «Schattenbild des Seienden», v o m Sein am weitesten entfernt; daher wurzelt das Böse eigentlich i n der Materie selber. 7 . D e r M e n s c h ist die Ursache des B ö s e n . Bei K a n t ist es ein angeborener, dennoch selbst verschuldeter H a n g z u m «radikal Bösen», der jedem Menschen neben der Anlage z u m G u t e n innewohnen soll; hier scheint nur die W a h l i n einem Dualismus freizustehen. Hegel dagegen k o m m t z u der sehr tiefen Auffassung, daß der U r s p r u n g des Bösen i n der Erkenntnisfähigkeit des Menschen liege, da i n ihr der grundlegende A k t einer E n t zweiung m i t der W e l t vollzogen w i r d . N u n ist es natürlich u n m ö g l i c h , i n d e m hier gegebenen R a h m e n auf die sieben Thesen einzugehen, u m den Erkenntnisgew i n n , aber auch die jeweiligen Grenzen zu zeigen, oder n u r u m Beispiele aufzuführen. D i e Absicht dieses Überblicks ist vielmehr, einen H i n t e r g r u n d z u zeichnen, vor den die Aussagen der anthroposophisch orientierten Geisteswissenschaft über U r sprung u n d Wesen, Z u k u n f t u n d S i n n des Bösen treten k ö n n e n . W e n n m a n R u d o l f Steiners Aussagen z u diesem T h e m a aufsucht, eröffnet sich allmählich ein so weites Panorama v o n 9

Aspekten, i n denen das Problem i m m e r neu gefaßt w i r d , daß m a n erkennt, wie die genannten Thesen wie herausgebrochene Splitter aus einem Gesamtbild erscheinen, denen gegenüber die Geisteswissenschaft gerade die Besonderheit besitzt, überhaupt erst durch die Vielfalt sich ergänzender Aspekte entfaltet z u werden. M a n w i r d also den Thesen wieder begegnen, allerdings nicht i n dialektischen Spiegelgefechten. U n d das k a n n m a n als eine wirkliche Erlösung auf dem Felde der Erkenntnis erleben, die durch das rein verstandesmäßige Ergrübein v o n Theodizeen u n d das Scheitern an unlösbaren Widersprüchen i n die Verzweiflung getrieben wurde — i n ein lebensfernes Gebiet der Abstraktion, oder aber i n eine wesenlose Relativierung des «sogenannten Bösen», wenn m a n der naturwissenschaftlichen Sichtweise folgt. H i e r sollen einige der wesentlichen Gedanken, durch die sich die Geisteswissenschaft v o n anderen F o r m e n des N a c h s i n nens über Wesen u n d U r s p r u n g des Bösen unterscheidet, hervorgehoben werden. Es gehört sogar zu den zentralen Aufgaben dessen, was R u d o l f Steiner als Anthroposophie i m Laufe v o n etwa drei Jahrzehnten entwickelt hat, eine neue u n d dem zeitgenössischen Bewußtsein angemessene Stellung z u m Problem des B ö s e n z u finden. D i e Geisteswissenschaft schöpft aus Quellen geistiger Erfahrung; sie versucht nicht, aus dem alten Offenbarungsgut, für den modernen Menschen eingetrocknet i n D o k u m e n t e n wie dem A l t e n u n d N e u e n Testament, durch die Kelter des Verstandes n o c h einige Tropfen abzupressen. Dagegen zeigt sie Wege der Ü b u n g , wie m a n selber z u diesen Erfahrungen gelangen k a n n . Das gilt auch für das B ö s e i n seiner Wesenhafiigkeit. D e n n das ist eines der zentralen Inhalte der Geisteswissenschaft, w o m i t allerdings These 1 zu streichen wäre: das B ö s e ist keineswegs «nichtig», sondern es erscheint durchsichtig für geistig Wesenhaftes, u n d das i n sehr konkreter, diffenzierter Weise. W e r k ö n n t e sich heute n o c h zufriedengeben m i t der Anschauung des Augustinus v o n der N i c h tigkeit des Bösen, das eine bloße « B e r a u b u n g am G u t e n » sein 10

soll (privatio boni) — nach Auschwitz, A t o m b o m b e n u n d allem anderen, was das 20. Jahrhundert hervorgebracht hat, so daß m a n eher z u dem E i n d r u c k k o m m e n kann, das B ö s e sei das einzig Reale heute. — W e r sich nicht zufriedengeben k a n n m i t relativierender Sichtweise, die das «sogenannte Böse» nur als Aggressionstrieb sehen w i l l oder es - i n F o r m v o n Verunfreiu n g u n d Minderheitenunterdrückung - als unvermeidliches Ü b e l einer sozialen O r d n u n g z u m W o h l e aller rechfertigt, der w i r d für den Gedanken offen sein, daß die Frage nach dem Ursprung des Bösen n u r beantwortet werden kann, wenn man v o n der Realität des Geistes ausgeht - z u allererst v o n der W i r k l i c h k e i t des eigenen geistigen Wesens. D e n n i n ihm w i r d m a n die Quellen erkennen, aus denen Kräfte wie H a ß , G e walttätigkeit, Überheblichkeit, Selbstsucht usw. entspringen auch, w e n n sie erst i n der materiellen W e l t als W i r k u n g e n sich manifestieren, sind sie dort i n statu nascendi z u beobachten. In der rein materiellen Welt ist es völlig sinnlos, von G u t u n d B ö s e z u sprechen. Es w i r d sinnvoll da, w o geistige Ich-Wesen — Menschen - aufeinandertreffen. Es ist unzweifelhaft, daß Menschen, die überhaupt nach den Quellen des Sittlichen suchen, immer weniger befriedigt sind durch ü b e r k o m m e n e N o r m e n u n d schematische Vorstellungen v o m «Richtigen». Immer mehr w i r d m a n heute vor die Aufgabe gestellt, Probleme z u lösen, die noch nie gelöst wurden, für die es keine Präzedenz gibt! H i e r k a n n die Tradition nicht mehr helfen. Es geht u m die reale Erfahrung dessen, was gut u n d was böse ist. Es geht u m das aus der Gegenwart, aus der Situation selbst geschöpfte E r k e n n e n . 2 H i e r bietet die Geisteswissenschaft M i t t e l , u m sich für eine solche Aufgabe z u rüsten. D i e vorliegende A u s w a h l v o n Vorttägen aus dem Gesamtwerk R u d o l f Steiners hat sich daher die Aufgabe gesetzt, einen nachvollziehbaren W e g zur Erkenntnis des Bösen z u zeigen. D i e Vorträge können dabei n u r der Anregung dienen, selber bestimmten Fragen u n d Ü b u n g s w e g e n nachzugehen; auf thematisch Verwandtes w i r d hingewiesen. Das T h e m a des B ö s e n ist keineswegs 11

ein «unangenehmer» Teil i n der an sich so positiven A n t h r o posophie; er ist ein Grundstein, der die tiefsten Impulse zur Selbst- u n d Welterkenntnis einschließt. D u r c h das Erkennen des Ursprungs des Bösen u n d seiner Formen w i r d erst das « G e wahrwerden des wirklichen Menschseins», das Anthroposophie sein soll, möglich. In gewisser Weise ist nämlich eine Ordnung des B ö s e n d o c h möglich. D a m i t ist auch der Auffassung entgegengetreten, es sei nicht gut, «den Teufel an die W a n d z u malen», m a n solle stattdessen sich u m das schlichte T u n des G u t e n b e m ü h e n . Das G u t e kann heute erst aus einer ganz konkreten geistigen Erkenntnis von M ä c h t e n getan werden, die v o m w i r k l i c h M e n s c h e n g e m ä ß e n m i t allerlei verführerischen A n g e boten ablenken wollen. D a r a n w i r d dieses M e n s c h e n g e m ä ß e erst bewußt, erst frei ergreifbar. D i e Geisteswissenschaft befreit die Frage nach dem Wesen des Bösen aus dem Gefängnis des Verstandes u n d macht sie z u einer Lebensfrage — u n d es ergeben sich aus dem Erleben des Geistigen ganz neuartige Impulse u n d Aufgaben i n Bezug auf das Verhältnis z u m B ö s e n i n der heutigen Z e i t . R u d o l f Steiner verfolgte niemals die Absicht, durch die Schilderung des B ö s e n u n d seiner apokalyptischen Entfaltung z u erschrecken (was i n Verb i n d u n g m i t Moralpredigten manche für das Wirksamste halten), sondern wollte die Grundlagen liefern, daß das Erkennen selber schon z u einem T u n w i r d , w o r i n sich Moralität verwirklicht. E i n solches Erkennen des B ö s e n ist daher auch nicht ein Kritisieren, sondern i n allererster L i n i e Selbsterkenntnis. A u f einen weiteren wesentlichen P u n k t m u ß hingewiesen werden. D i e Auffassung v o m Dualismus des G u t e n , dem das Böse gegenüberstehe ( H i m m e l u n d H ö l l e , Geist u n d Materie oder Seele u n d Leib sind andere Varianten dieses Dualismus), ist so sehr i m D e n k e n verankert, daß m a n gar nicht bemerkt, wie auf diesem Wege die Lebensfrage nach dem Bösen nicht fruchtbar beantwortet werden kann. Das «Gefängnis» des dialektischen Verstandes erlaubt nur, sozusagen v o n einer W a n d zur anderen z u gehen. E i n Bespiel: gibt es n u r einen schlechten 12

Gegensatz zur Tugend des Mutigseins? Es gibt zwei: nämlich einerseits die Feigheit, andererseits die Tollkühnheit. Das Schlechte oder B ö s e hat zwei Aspekte; sie sind allerdings i n sich v o n krassestem Gegensatz, nämlich M a n g e l u n d Übertreibung. So k a n n m a n es auf zahllosen Gebieten des Lebens sehen. D e r Dualismus m u ß erst ü b e r w u n d e n werden, u m überhaupt das Problem des Bösen gedanklich, dann aber auch i m Leben, lösen z u können. E r w i r d es durch die Anschauung, daß die A b w e i c h u n g v o m G u t e n i m m e r i n zwei Extreme getrieben werden k a n n . Das « G u t e » ist ein Mitte- oder Gleichgewichtsproblem u n d daher auch so schwer z u fassen. Dies zeigt sich beispielsweise am Problem der Gesundheit des M e n s c h e n : Gesundheit als Gegensatz zur K r a n k h e i t ist leere Abstraktion. Konkret w i r d es, w e n n m a n erkennt, daß der Organismus sich auseinanderzusetzen hat m i t kalten, verhärtenden Tendenzen einerseits, auflösenden u n d entzündlichen andererseits. I m richtigen Gleichgewicht, i m richtigen Pendeln zwischen Polarem entwickelt sich die Gesundheit. Sie ist kein Zustand, sondern ein Prozeß. W ä r e der Dualismus i n Bezug auf den M e n s c h e n richtig, so m ü ß t e m a n E i n a t m e n u n d Ausatmen als gut u n d böse (oder umgekehrt) beurteilen — ein unsinniger Gedanke! Beides ist eine E i n seitigkeit, das menschliche Leben — wie alles Leben - entfaltet sich zwischen Polaritäten. U n d ebenso entfaltet sich das höchste G u t des Menschen, die Freiheit, erst i n einem errungenen R a u m zwischen gegensätzlichen Vereinseitigungen (z.B. Trieben auf der einen, abstrakten M o r a l p r i n z i p i e n auf der anderen Seite), die jeweils z u m Verlieren des Menschlichen fuhren k ö n n e n . W ä r e dem nicht so, so wäre m a n gezwungen, w e n n m a n einen Triebtäter als böse handelnd beurteilt, dann den Gegensatz eines A d o l f E i c h m a n n , der ganz i n sich selbst auslöschender «Pflichttreue» u n d Befehlsgehorsam handelte, als gut z u bezeichnen. D i e höchste F o r m v o n Freiheit w i r d erst i m Balancefinden erlebt, nicht i m bloßen Wählen zwischen einer guten u n d einer bösen O p t i o n , wie es K a n t sah. D a m i t w i r d aber auch eine verbreitete theologische Anschauung v o m Verhältnis

13

zwischen Freiheit u n d B ö s e m v o m K o p f auf die F ü ß e gestellt: nicht ist das B ö s e seit dem ersten «Sündenfall» die Folge unseres Freiseins u n d unseres willkürlichen Abfalles v o n den göttlichen M ä c h t e n , sondern es w i r d sich umgekehrt erst i n dem schmerzhaften D u r c h l e b e n der U n v o l l k o m m e n h e i t e n , durch die w i r Quelle des B ö s e n sind, die wirkliche Freiheit entwickeln. H i e r i n liegt - so paradox, ja, lästerlich manchem dieser Gedanke erscheinen mag — die Mission des B ö s e n : es ist «Erziehungsmittel». In seinem Feuer w i r d erst die volle Ich-Kraft erhärtet, die sich am Widerstandleisten bildet. M a n c h e r mag vor diesem G e d a n ken zurückschrecken; er m ö c h t e d a n n vielleicht lieber die Freiheit als ein Geschenk der «Götter» empfangen, die i h m den Unrat des B ö s e n aus dem W e g r ä u m e n , der die so gut geschaffene S c h ö p f u n g verunstaltet. — Z u g e g e b e n e r m a ß e n ist das Menschliche, das ein M i t t e f i n d e n sein soll, viel schwerer faßbar, als ein solches, das innerhalb des Dualismus sich durch ein «Gutes» definieren läßt. H i e r m i t ist schon i n großen Z ü g e n angedeutet, welchen W e g die Vortragsauswahl n i m m t . Es beginnt noch i m durchaus «Dualistischen» eines Gegensatzes v o n G u t u n d B ö s e , Selbstsucht u n d Selbstlosigkeit, Wachstum u n d Verwesung. H i e r ist die Frage nach dem Ursprung dessen z u stellen, was das B ö s e genannt w i r d . Es gilt das Urphänomen herauszuschälen, aus dem das Böse entspringt. Es hängt zusammen m i t der Tatsache, daß der M e n s c h ein abgesondertes Ich-Wesen ist, u n d daß es auch über d e m M e n s c h e n solche Ich-Wesen gibt. Sie wurden i n der alten christlichen Tradition als hierarchische Engelwesen bezeichnet. — A u s diesem Ur-Gegensatz geht aber n u n — sozusagen sich ent-faltend - die Doppelnatur des Bösen, des Ü b l e n , alles Einseitigen hervor. R u d o l f Steiner nennt die polaren W e senheiten, die dahinterstehen, die luziferischen u n d die ahrimanischen Wesen. Sie werden i n einer k a u m übersehbaren Fülle v o n Charakterisierungen i m m e r neu vor uns hingestellt. V o r allem aber zeigt sich, daß diese Wesen nicht nur bei der H e r v o r bringung des B ö s e n durch den Menschen «Pate stehen», son14

d e m auch i n der objektiven N a t u r überall gestaltend m i t w i r k e n . H i e r k a n n nicht v o n B ö s e oder G u t gesprochen werden, nur v o n gegensätzlichen Tendenzen der B i l d u n g , wie sie i n Verhärtungsoder Auflösungserscheinungen sich zeigen. V o n außen an den Menschen herankommend wirken sie i n katastrophalen vulkanischen oder meteorologischen Naturereignissen, auf diese W e i se als «Übel» i n das Schicksal eingreifend. Das B ö s e ist sozusagen ein Spezialfall des W i r k e n s der genannten luziferischen u n d ahrimanischen M ä c h t e , die i m Kosmos ihre Aufgabe haben. D i e Krankheiten sind ein weiterer, u n d sie sind daher ambivalent, sie tragen das Siegel bestimmter luziferischer oder ahrimanischer M ä c h t e , aber zugleich s i n d sie ein M i t t e l des Schicksalsgesetzes (Karma), die i n vergangenen Erdenleben i n Einseitigkeiten geratene Individualität durch Erfahrung derselben i m Krankheitsgeschehen v o n außen an i h n herantretenden Einseitigkeiten zu heilen, indem sie die Gegenkräfte entwickeln m u ß . Das Sich-Erarbeiten der Erscheinungsformen des Lebens i n ihrem ideellen Wesen als Grundlage der Geisteswissenschaft ist das, was R u d o l f Steiner Goetheanismusnennt (so kann man etwa die polaren Typen von Sklerotisierung u n d Auflösung i n den Krankheiten finden). D i e Frage nach dem B ö s e n m u ß i n diesem Sinne goetheanistisch gestellt werden. W e n n m a n die Gesetze des Lebens versteht, beginnt m a n auch das B ö s e zu enträtseln. Alles Leben ist i n E n t w i c k l u n g ; so ist auch das B ö s e u n d das Ü b e l nur vor dem H i n t e r g r u n d der E n t w i c k l u n g - nicht n u r des M e n s c h e n , sondern des ganzen Kosmos — verstehbar. Das B ö s e ist nichts Statisches, sondern ein Entwicklungsphänomen. Im G r u n d e ist das B ö s e verwandt m i t Erscheinungen, w o ein O r gan oder eine Entwicklungsstufe nicht da auftreten, w o sie normalerweise i n der räumlichen oder zeidichen O r d n u n g hingehören. Sie treten räumlich «disloziert» auf, bzw. i m Zeitlichen verfrüht oder verschleppt. H i e r liegen geisteswissenschaftliche Grundbegriffe zur N a t u r des Bösen. Das Dualistische ist real, w e n n w i r die außermenschliche W e l t betrachten, die überall aus Gegensätzen aufgebaut ist. In diesem 15

Dualismus findet sich aber der M e n s c h nicht. E r tritt dazwischen, scheidet die Gegensätze — oder vereint sie, u n d wird dadurch erst M e n s c h . So w i r d dieser trinitarische Aspekt des M e n schen zwischen Luziferischem u n d A h r i m a n i s c h e m z u einem Leitgedanken für den U m g a n g m i t dem Bösen. D a m i t ist der Gedankenbogen bis i n die Gegenwart gespannt. D e n n der heutige M e n s c h steht i n der Situation, zwischen D u a lismen zerrieben zu werden (politische, religiöse, ethnische G e gensätze). Andererseits zeigt sich auch das Gegenteil, nämlich das Zusammenschmelzen v o n krassen Gegensätzen i m M e n schen - als zentrale Erscheinung könnte m a n nennen: die Todeskälte des Verstandes, amalgamiert m i t i m m e r heißer werdendem Triebleben. Das darin sich steigernde, selbstverwirklichende Ego ist die eine Seite - das gesteigerte Böse, das uns v o n allen Seiten umgibt (und das w i r hervorbringen), die Kehrseite dav o n . Das i m m e r stärker werdende Selbstbewußtsein ist an sich nichts Böses, es liegt i n der A r t , wie das Ich m i t den zut Verfügung stehenden Kräften umgeht. So m u ß auf eine gesteigerte F o r m des Bösen hingewiesen werden, die sich i n der Gegenwart i m m e r mehr entfaltet, Kehrseite dessen, was R u d o l f Steiner die E n t w i c k l u n g der Bewußtseinsseele nennt, den innersten K e r n des Selbstbewußtseins. Ihr stehen zwei Wege offen: i m m e r weiter i n der eingeschlagenen R i c h t u n g der Sonderungzu gehen — A b s o n derung v o m M i t m e n s c h e n , v o n der Natur, v o m Geistigen des ganzen Kosmos, das schon v o l l k o m m e n geleugnet w i r d (die N a t u r kann m a n nicht leugnen, aber sie durch Technik ersetzen) . O d e r es w i r d - m i t großen M ü h e n , wie eingestanden werden m u ß — ein W e g eingeschlagen, das abgesonderte Bewußtsein wieder zu erweitern über all das, was man i m Laufe der Geistesentwicklung verlieren mußte, u m frei werden z u können. D e r erste W e g w i r d i m m e r mehr Kräfte des Hasses u n d der Destruktion durch das Aufeinanderprallen der Egoismen freiserzen — es besteht kein Zweifel, daß dies heute schon so ist. D i e hier wirksam werdenden Wesen gehören n u n nach R u d o l f Steiner einer dritten G r u p p e v o n «Widersachermächten» an, die i n 16

der Theosophie als die Asuras bezeichnet wurden (oder i n anthroposophischer Bezeichnung als «Geister des E g o i s m u s » , «Geister der Finsternis»). In goetheanistischem Sinne sind die Asuras als eine steigernde D u r c h d r i n g u n g der luziferisch-ahrimanischen Polarität z u verstehen. A u c h i m Organischen findet m a n das Gesetz, daß eine Polarität sich zu einer höheren D u r c h dringungsform steigern m u ß . - Das B ö s e selber entfaltet sich damit i n seinem W i r k e n i n der Geschichte v o n einen polaren z u einem trinitarischen Aspekt. M i t den zwei Wegen, die der M e n s c h i n seiner E n t w i c k l u n g als Ich-Wesen gehen k a n n , ist das ausgedrückt, was i n der tiefen Bildersprache der Apokalypse des Johannes das «zweischneidige Schwert» genannt w i r d . Das Ich selber ist dieses Zweischneidige. U n d der B l i c k i n die Z u k u n f t , wie i h n der Apokalyptiker tat, k a n n auch durch Geisteswissenschaft getan werden. E r muß getan werden i m H i n b l i c k auf die Frage: was w i r d aus dem B ö s e n , was w i r d aus dem Menschen, w e n n er sich für den ersten der zwei Wege entscheidet - i m m e r tiefer i n die Sonderung, die Geistverleugnung, die selbstbezogene Egoität, w e n n er sich dam i t aber auch z u sich selbst als Wesen geistigen Ursprungs i m mer mehr i n inneren Widerspruch begibt? Das sich steigernde B ö s e m u ß einmal zur vollen «Blüte» k o m m e n , m u ß vollständig aufbrechen - aber dann, wie die Blüte auch, absterben. Das heißt nichts anderes als: es sondert sich aus der E n t w i c k l u n g aus. A b e r dies darf nicht mitleidlos angeschaut werden; es m u ß z u dem tiefen moralischen Impuls führen, daß n u n die eigene Kraft des Ich umgewendet w i r d . D i e Konsolidierung des Selbstbewußtseins ist zunächst notwendig verbunden m i t der Entsteh u n g v o n Antipathiekräften («Aggression»). F ü r diese ferne Z u kunft w i r d dem M e n s c h e n aber die Aufgabe gestellt sein, gesteigerte Liebekräfte z u entwickeln, die es m ö g l i c h machen, einmal die Sich-Absondernden, dem Bösen Verfallenen, zu erlösen. Daraus w i r d erst ein n o c h höheres Gutes entstehen. D e n n m i t dem Bösen ist n o c h ein weiteres Geheimnis verbunden, das erst d u r c h die Geisteswissenschaft wieder ins volle L i c h t gerückt 17

w i r d , nachdem es früher gewußt wurde: es ist das Geheimnis des Opfers. E n t w i c k l u n g ist nicht m ö g l i c h , ohne daß sich Wesen opfern, sich zur Grundlage machen, so daß andere Wesen sich höherentwickeln k ö n n e n . (Das darf aber nicht dahingehend mißverstanden werden, daß der, der aufsteigen w i l l , v o n anderen dieses Opfer verlangen dürfe.) D i e E n t w i c k l u n g k ö n n t e niemals ihre Vollreife Frucht erreichen, w e n n nicht die E r l ö s u n g der sich geopfert habenden Wesen erstrebt würde. Das setzt voraus, die Kräfte zur Umwandlung auf das H ö c h s t e zu steigern, damit Umwandelbares nicht verloren gehe. Dies ist i n Wahrheit der Inhalt des Manichäismus, der i m frühen Christentum n o c h nachzuweisen ist, dann aber verketzert wurde. M i t einem V o r trag aus dem Zyklus über die Apokalypse des Johannes, der auf diese zukünftige M i s s i o n des M a n i c h ä i s m u s hinweist, schließt daher die A u s w a h l . D e n n obgleich hier eine i n weiter Z u k u n f t liegende Aufgabe umrissen w i r d , v o n der man sich k a u m ein Vorstellung machen kann, ist es doch möglich, i m K l e i n e n eine manichäische H a l t u n g schon heute z u üben; m a n b e k o m m t ein ganz anderes Verhältnis zur Welt, w e n n man Kräften oder Energien gegenüber, die man als destruktiv oder böse beurteilt, an die Stelle der (heute so verbreiteten) H a l t u n g des Vernichtenwollens den Impuls des Umwandeins setzt. 3 A u c h gegenüber Pflanzen u n d Tieren - Wesen, die ein Opfer i n der E n t w i c k l u n g brachten — k a n n man manichäische Liebe üben. In der M e t h o d e «Vernichte das Böse» - ständig v o n den M e d i e n , v o n M a c h t politikern u n d religiösen Führern vorexer-ziert —, w i r d n u r i m Dualismus gehandelt, auch w e n n m a n nach dem Racheprinzip verfährt — u n d es w i r d i m m e r neues B ö s e geschaffen. U m w a n delnwollen ist i m Sinne eines wahren Christentums. D e n n das Göttliche w i r k t nicht als Gegenmacht zur A l l m a c h t des B ö s e n , sondern gerade i n der «ohnmächtigen» Liebe ( H ä r i n g 1985). Im letzten, fünften Teil der A u s w a h l w i r d die «Blüte» des Bösen behandelt, w o r i n die dreifaltige Widersacherwirkung sich bündeln w i r d — wesenhaft erfaßt als das «Tier m i t zwei H ö r nern», dessen okkulte Z a h l « 6 6 6 » ist. D e r Einfluß dieses Wesens 18

steht n u n ganz i m Z e i c h e n des sich verhärtenden Egoismus eines solchen, der nicht sich i n Liebe der W e l t zuwendet, sondern ihr sogar n o c h weitere Opfer abpreßt zur E r h ö h u n g seines «Lustgewinns». Das ist auch das Wesen der schwarzen Magie, z u der das «Tier» den M e n s c h e n verfuhren w i l l ; es ist heute ein wachsendes Interesse an solchen F o r m e n der «Selbstverwirklichung» festzustellen. O b w o h l i n apokalyptische Z u k u n f t weisend, ist die W i r k s a m k e i t dieser Wesenheit also dennoch v o n großer Aktualität. D e n n das «Tier» (der Sorat i n hebräischer Bezeichnung) ist ein Wesen, das schon i n der Vergangenheit rhythmisch i n die Geschichte eingegriffen hat. So beginnt m a n etwas v o n den apokalyptischen Z ü g e n der Gegenwart zu ahnen.

Michael

Kaiisch

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Ursprung und Wesen des Bösen

Das Böse im Lichte der Erkenntnis vom Geiste

Was uns heute hier beschäftigen soll, ist i m G r u n d e genommen eine uralte Frage der Menschheit: die Frage nach dem U r s p r ü n ge des Übels u n d des Bösen i n der Welt. U n d o b w o h l i n unserer Gegenwart zahlreiche M e n s c h e n der A n s i c h t sein werden, daß diese Frage i m G r u n d e genommen gar keine solche mehr darstellen kann, so w i r d d o c h die menschliche Seele i m m e r wieder u n d wieder sich gedrängt fühlen sie aufzuwerfen. D e n n es ist ja diese Frage keine solche, die n u r von theoretisch-wissenschaftlichen Gesichtspunkten aus an unsere Seele herantritt; es ist vielmehr eine Frage, welcher die Menschenseele auf Schritt u n d Tritt i m Leben begegnet, weil ihr Leben ebenso wie i n das G u t e, i n das Wohltätige, so auch i n das Ü b e l u n d i n das Böse h i n e i n gestellt ist. 4 M a n k a n n auf der einen Seite, m a n m ö c h t e sagen, die ganze Geschichte des menschlichen Denkens u n d Sinnens aufrollen, u m sich davon völlig zu überzeugen, daß unsere Frage i m m e r eine Frage der tieferen Geister der menschlichen E n t w i k kelung war, u n d m a n k a n n auf der anderen Seite n o c h bedeutende, hervorragende D e n k e r des neunzehnten Jahrhunderts u n d unserer Z e i t studieren, u n d man w i r d finden, daß selbst bei diesen hervorragendsten D e n k e r n H a l t gemacht w i r d m i t aller Philosophie, m i t allem Erkenntnisstreben gerade vor dieser Frage. So wollen w i r denn heute das, was sich i n dem VortragsZyklus dieses W i n t e r s ' aus der Geisteswissenschaft heraus ergeben hat, als eine Grundlage z u betrachten versuchen, v o n der ausgehend m a n sich vielleicht einer A n t w o r t auf das Rätsel des Übels u n d des Bösen nähern kann. Ich sage ausdrücklich «sich nähern kann»; denn was i c h oftmals betonte - dieser bedeutungsvollen Frage gegenüber m u ß es ganz besonders gelten: 23

Geisteswissenschaft eröffnet nicht nur die Blicke i n Gebiete des Daseins, welche der äußeren Wissenschaft nicht erreichbar sind, sondern sie macht i n einer gewissen Weise auch bescheiden. U n d gerade an einer solchen Frage werden w i r vielleicht erfühlen k ö n n e n , d a ß es ein Leichtes ist, die höchsten Fragen aufzuwerfen, wie sie ja gewöhnlich aufgeworfen werden, w e n n m a n gewissermaßen am Beginne des Erkenntnisstrebens ist, daß aber wirkliches Erkenntnisstreben dazu führt, vielfach n u r die ersten Schritte z u zeigen z u den Wegen, auf denen m a n sich der L ö sung der großen Lebensrätsel allmählich nähern kann. Zuerst gestatten Sie mir, daß ich einiges vorausschicke, was klar machen soll, wie tief einschneidend diese Frage die H e r z e n u n d Seelen bedeutender Denker durch lange Zeiten h i n d u r c h beschäftigt hat. W i r könnten weit zurückgehen i n der M e n s c h heitsentwickelung; w i r wollen aber zunächst nur hinweisen auf Denker i n den letzten Jahrhunderten vor der B e g r ü n d u n g des Christentums i n Griechenland: auf die Stoiker, 6 jene merkwürdige Denkergruppe, welche, auf den Anschauungen des Sokrates u n d des Plato fußend, die Frage z u beantworten versuchte: W i e m u ß sich der M e n s c h verhalten, der sich so i n das Leben hineinstellen w i l l , daß dies dem Innersten seines Wesens entspricht, gewissermaßen seiner i h m vorgezeichneten u n d für i h n erkennbaren Bestimmung? Dies k ö n n e n w i r als die Grundfrage der Stoiker bezeichnen. U n d als ein Ideal für den Menschen, der sich seiner Bestimmung g e m ä ß i n das Weltenall hineinzustellen bestrebt war, tauchte vor den Seelenaugen der Stoiker das Ideal des Weisen auf. - Es würde z u weit führen, wenn man i n ausführlicher A r t das Ideal des stoischen Weisen schildern wollte, u n d wie es z u s a m m e n h ä n g t m i t der ganzen stoischen Weltanschauung. A b e r das eine sei wenigstens hervorgehoben, daß i m Stoizismus uns ein Bewußtsein davon entgegentritt, daß die menschliche E n t w i c k e l u n g dahin gehe, i m m e r klarer u n d klarer des Menschen selbstbewußtes Wesen, des Menschen Ich-Bewußtsein herauszuarbeiten. Es sagte sich der stoische Weise: Dieses Ich, d u r c h welches der M e n s c h i n völliger Klarheit sich 24

i n die W e l t hineinzustellen vermag, dieses Ich k a n n getrübt werden, k a n n gleichsam sich selber betäuben; u n d es betäubt sich, w e n n der M e n s c h i n das W e l l e n - u n d Wogenspiel seines Vorstellens u n d Empfindens sein Affektleben z u stark hereinkommen läßt. W i e eine A r t geistiger O h n m a c h t erschien es dem Stoiker, w e n n der M e n s c h die Klarheit seines Ich überfluten läßt, benebeln läßt v o n seinem Leidenschafts- u n d Affektwesen. Daher: Niederhalten i n der menschlichen Seele Leidenschafts- u n d Affektwesen, Erstreben der Ruhe u n d des Gleichmaßes, das fuhrt i m Sinne der Stoiker zur Befreiung v o n den geistigen O h n m ä c h t e n der Seele. M a n sieht: was hier öfter hervorgehoben werden m u ß t e als die ersten Schritte auf dem Wege zu einer Erkenntnis der geistigen Welt, die ja auch darin bestehen, daß das wilde Gewoge des Affekt- u n d Leidenschaftswesens, das gleichsam eine geistige O h n m a c h t erzeugt, niedergehalten w i r d u n d die Klarheit des seelischen Schauens herausgezogen w i r d aus dem ganzen seelischen Erleben —, was so dargestellt wurde als die ersten Schritte auf dem Wege, der dann i n das geistige Schauen hineinführt, das schwebte den Stoikern vor. Gerade diese Seite des stoischen Wesens, das i n der Geschichte der Philosophie noch wenig herausgearbeitet worden ist, versuchte i c h i n der Neuauflage meiner «Welt- u n d Lebensanschauungen i m neunzehnten Jahrh u n d e r t » 7 m i t Bezug auf den Stoizismus herauszuarbeiten. So schwebt i n der charakterisierten A r t der Leidenschaftsbezwinger, der Affektbezwinger als der Weise wie ein Ideal dem Stoizismus vor. U n d derjenige, der so als Weiser sich i n die Weltenentwickelung hineinstellt, erkennt i m Sinne des Stoizismus, daß diese Weltenentwickelung fähig ist, i h n aufzunehmen, daß diese Weltenentwickelung w i r k l i c h auch v o n Weisheit durchdrungen ist, so daß er seine Weisheit gleichsam i n die Fluten der Weltenweisheit untertauchen m u ß . Immer, w e n n also die Frage auftaucht: W i e stellt sich das menschliche Selbst i n das ganze Gefüge der W e l t o r d n u n g h i n ein? - entsteht daher die andere Frage: W i e läßt sich m i t der 25

Weisheit der Weltenordnung, die der M e n s c h voraussetzen m u ß , w e n n er sich i n sie hineinstellen w i l l , dasjenige vereinigen, was als Ü b e l i n der Breite der Weltenerfahrung herrscht, u n d was als Böses sich dem Weisheitsstreben des Menschen entgegenstellen kann? N u n stand vor dem Seelenauge der Stoiker das, was m a n später genannt hat die göttliche Vorsehung. W i e findet sich n u n der Stoiker m i t dem Übel u n d dem Bösen gegenüber diesen seinen Voraussetzungen ab? D a taucht bei dem Stoiker schon etwas auf, was m a n auch heute n o c h , w e n n m a n nicht i n die Geisteswissenschaft selber eindringen w i l l , sondern gleichsam n u r bis zu den Pforten derselben geht, wie eine A r t Rechtfertigung des Übels u n d des Bösen vorbringen kann; es tauchte vor dem Stoiker auf die N o t wendigkeit der menschlichen Freiheit. U n d n u n sagte er sich: W e n n der M e n s c h das Ideal des Weisen aus seiner Freiheit heraus erstreben soll, m u ß i h m die Möglichkeit geboten sein, es auch nicht zu erstreben. Freiheit m u ß liegen i n seinem Streben nach dem Ideal des Weisen. D a m i t aber m u ß gegeben sein, d a ß er auch bleiben k ö n n e bei demjenigen, aus dem er herausstreben soll; damit m u ß gegeben sein, daß er gleichsam untertauchen k ö n n e i n das Affekt- u n d Leidenschaftswesen. D a n n taucht er eben unter, meinte der Stoiker, i n ein Reich, das zunächst nicht sein Reich ist, das eigentlich ein R e i ch unter seinem Wesen ist. U n d der weisen Weltenordnung vorwerfen z u wollen, daß der M e n s c h so untertauchen k ö n n e i n ein R e i c h , das unter i h m ist, das wäre ebenso gescheit, als w e n n m a n der weisen Weltenordn u n g vorwerfen wollte, daß es unter dem Menschen ein R e i c h der Tiere, Pflanzen u n d M i n e r a l i e n gibt. D a ß es ein R ei c h gibt, i n das der M e n s c h untertauchen k a n n , das seiner Weisheit entrückt ist, wußten die Stoiker; daß er selber aber aus i h m emportauchen kann, m u ß seine eigene freie W a h l , seine Weisheit sein. M a n sieht: der Begriff vieler vor dem Tore der Geisteswissenschaft gelegenen A n t w o r t e n nach der Bedeutung des Bösen liegt 26

schon i n der alten stoischen Weisheit; u n d man k a n n nicht sagen, daß i n bezug auf die Erfassung des B ö s e n als solchem die späteren Jahrhunderte einen w i r k l i c h e n Fortschritt zeigen. Das k a n n sich uns gleich herausstellen, w e n n w i r z u einem Geist gehen, der sonst ein außerordentlich bedeutender Geist ist, der i n der Z e i t nach der B e g r ü n d u n g des Christentumes lebte u n d auf die Gestaltung des abendländischen Christentums einen großen Einfluß genommen hat: zu Augustinus* A u c h Augustinus m u ß über die Bedeutung des B ö s e n i n der W e l t nachdenken, forschen; u n d er k o m m t z u einem eigentümlichen A u s druck: daß das Ü b e l ebenso wie das eigendiche B ö s e gar nicht eigentlich da seien, sondern daß sie etwas bloß Negatives seien, daß sie die Negation des G u t e n seien. Es sagte sich also Augustinus: Das G u t e ist etwas Positives; aber da ein endliches Wesen i n seiner Schwachheit das G u t e nicht i m m e r ausführen k ö n n e , so begrerrze sich das G u t e ; u n d dieses begrenzte G u t e brauche m a n ebensowenig als etwas Positives erklären, wie m a n den Schatten, der durch das L i c h t hervorgerufen w ü r d e , als etwas Positives erklären würde.Wenn m a n den Kirchenvater Augustinus also über das B ö s e reden hört, so w i r d m a n eine solche A n t w o r t gegenüber dem, was m a n heute bei einem schon durch einige Jahrhunderte vorgeschrittenem D e n k e n sich vorstellen könnte, vielleicht naiv finden. A b e r wie es eigendich m i t der Frage nach der Bedeutung des B ö s e n steht, k a n n uns daraus hervorgehen, daß n o c h i n unseren Tagen ein Gelehrter genau dieselbe A n t wort gegeben hat: Campbell, der die sogenannte « N e u e T h e o l o gie» geschrieben hat, u n d dessen Werke i n gewissen Kreisen großes Aufsehen gemacht haben. 9 A u c h er glaubt, daß m a n nach dem Ü b e l u n d dem B ö s e n nicht fragen k ö n n e , weil sie nichts Positives darstellten, sondern etwas bloß Negatives seien. A u f haarspalterische, philosophische D e d u k t i o n e n zur W i d e r l e gung der Augustinisch-Campbellschen A n s c h a u u n g wollen w i r uns nicht einlassen. D e n n für jeden, der unbefangen u n d vorurteilslos denken k a n n , steht ja diese A n t w o r t v o n der bloßen Negativität des Ü b e l s auf demselben B o d e n , wie die A n t w o r t ,

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die jemand geben würde, der da sagte: Was ist denn die Kälte? Kälte ist nur etwas Negatives, nämlich die Abwesenheit der W ä r m e . Deshalb k a n n man v o n ihr nicht als von etwas Positivem sprechen. Z i e h t m a n sich aber, w e n n es kalt ist, keinen Pelz oder W i n t e r r o c k an, so w i r d m a n d a n n schon dieses Negative als etwas sehr Positives verspüren! D u r c h dieses B i l d mag völlig klar werden, wie wenig m a n m i t der wahrhaftig nicht tiefgehenden A n t w o t t zurecht k o m m t , die ja auch große Philosophen des neunzehnten Jahrhunderts gegeben haben: daß m a n es gegenüber dem Ü b e l u n d dem Bösen m i t nichts Positivem zu t u n habe. M a g sein, daß m a n es dabei m i t nichts Positivem z u tun hat; aber dieses «Nicht-Positive» ist gerade ebenso negativ, wie etwa die Kälte gegenüber der W ä r m e . N u n könnte m a n auch eine ganze G r u p p e anderer Denker anfuhren, die durch die Vorbereitungen ihres Seelenlebens schon, m a n m ö c h t e sagen, demjenigen nahekommen, was n u n die Geisteswissenschaft zu sagen hat. M a n könnte unter diesen z u m Beispiel Plotin 10 anführen, den Neuplatoniker, der i n der nachchristlichen Zeit lebte u n d noch auf den Prinzipien des Plato fußte; u n d m i t i h m fuhrt m a n zugleich eine große Z a h l anderer Denker an, die über das B ö s e u n d das Ü b e l i n der W e l t nachgedacht haben. Sie versuchten sich klar zu machen: D e r M e n s c h sei zusammengefügt aus einem Geistigen u n d einem Materiell-Leiblichen. D u r c h das Untertauchen i n das Leibliche nehme der M e n s c h teil an den Eigenschaften der Materie, die von vornherein Hindernisse u n d Hemmnisse der Betätigung des Geistes entgegenstellt. In diesem Untertauchen des Geistes i n die Materie liegt eben der U r s p r u n g des Bösen i m menschlichen Leben; aber es liegt darin auch der Ursprung des Übels i n der äußeren W e l t . D a ß eine solche Anschauung nicht etwa bloß i n einzelnen Denkerköpfen wie etwas Befriedigendes auf die große Frage nach der Bedeutung des Übels u n d des Bösen i n der W e l t gefühlt wurde, sondern weit verbreitet ist, das mag eine Bemerk u n g erläutern, die i c h nicht unterdrücken w i l l , weil sie viel28

leicht gerade unsere Situation klar legt. Ich w i l l auf einen D e n ker aus einer ganz anderen Region verweisen: auf den bedeutenden japanischen Denker, den Schüler des chinesischen Denkers W a n g Y a n g - M i n g , Nakae Toju. n F ü r i h n besteht alles, was sich uns an Welterfahrungen darbietet, aus zwei D i n g e n , aus zwei, m a n m ö c h t e sagen, Wesenheiten. D i e eine Wesenheit ist für i h n so, daß er z u ihr aufschaut wie zu dem Geistigen, u n d er läßt die menschliche Seele an dem Geistigen teilnehmen; diese Wesenheiten nennt er Ri. D a n n sieht er h i n z u dem, was sich am M e n s c h e n leiblich darstellt, u n d läßt die Leiblichkeit an allem teilnehmen, woraus sie auferbaut ist aus der Materie heraus; diese Wesenheit nennt er Kl U n d aus der besonderen Z u s a m mensetzung von R i u n d K i entstehen i h m alle Wesen. D i e Menschheit ist für diesen D e n k e r des Ostens, der i n der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts gelebt hat, teilhaftig sow o h l an dem R i als an dem K i . D a d u r c h aber, daß die M e n schenseele i n ihrem Erleben m i t ihrem R i untertauchen m u ß i n das K i , strömt ihr aus dem K i das W o l l e n entgegen - u n d m i t d e m W o l l e n das Begehren. D a m i t ist die Menschenseele i n i h rem Leben verstrickt i m W o l l e n u n d Begehren, u n d damit steht sie vor der Möglichkeit des Bösen. — N i c h t weit ist dieser D e n k e r des Ostens, der erst verhältnismäßig kurze Z e i t vor uns, wie gesagt, i n der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts gelebt hat, nicht weit ist er von dem entfernt, was m a n i m Abendlande, i n den Zeiten des Neuplatonismus, des P l o t i n z u m Beispiel, als den U r s p r u n g des Bösen darzustellen versucht hat: die Verstrickung des Menschen i n die Materie. W i r werden nachher sehen, daß es w i c h t i g ist, einmal auf diese A r t hinzuweisen, sich die Frage nach dem Ursprung des B ö s e n z u beantworten m i t der Verstrickung des Menschen i n die Materie. In den weitesten Kreisen des menschlichen Denkens tritt uns gerade dieses entgegen. E i n D e n k e r des neunzehnten Jahrhunderts, der wahrhaftig zu den bedeutendsten gehört, versuchte sich m i t dem Ü b e l u n d dem Bösen auseinanderzusetzen, u n d die Hauptgedanken 29

seines Denkens m ö c h t e i c h k u r z darstellen. E r sah i n der W e l t u m sich h e r u m Teile des Ü b e l s , Teile des menschlichen B ö s e n , u n d er stand als ein Philosoph, bei dem insbesondere die G e mütseigenschaften tief ausgebildet waren, vor dem Ü b e l u n d dem Bösen: Hermann Lotze, einer der bedeutendsten Denker des neunzehnten Jahrhunderts, der den sehr bedeutenden « M i k r o k o s m o s » z u m Beispiel u n d andere für das neunzehnte Jahrhundert bedeutsame philosophische Werke geschrieben hat. 1 2 Versuchen w i r uns vor die Seele z u rufen, wie H e r m a n n Lotze, also einer unserer bedeutendsten Zeitgenossen,vor dem Problem des B ö s e n steht. E r sagt sich: Wegleugnen läßt sich das B ö s e nicht. W i e hat man sich die Frage nach dem Bösen z u beantworten versucht? M a n hat z u m Beispiel gesagt, daß das Ü b e l u n d das B ö s e i m Leben da sein m ü s s e ; denn n u r dadurch, daß sich die M e n schenseele aus dem Bösen herausarbeite, könne m a n sie erziehen. D a n u n Lotze nicht zu den Atheisten gehört, sondern einen die W e l t durchlebenden u n d durchwebenden G o t t ann i m m t , so sagt er: W i e m u ß m a n sich also i m Sinne der Erziehungsidee z u dem Bösen u n d dem Übel stellen? M a n m ü s se annehmen, daß G o t t das B ö s e u n d das Ü b e l gebraucht hätte, u m die M e n s c h e n herauszuarbeiten u n d z u m freien Gebrauch ihrer Seele zu erheben. Das konnte n u r geschehen, i n d e m sie selbst diese innere Arbeit verrichteten, i n d e m sie selbst diesen inneren Z u s t a n d erlebten, der i n dem Herausarbeiten aus dem Bösen besteht, u n d dadurch erst, selbstbewußt ihr wahres W e sen u n d ihren wahren Wert erkennen lernten. - Lotze wendet zugleich dagegen ein: W e r eine solche A n t w o r t gibt, berücksichtige vor allem nicht die Tierwelt, i n welcher uns wahrhaftig nicht nur das Ü b e l , sondern auch das B ö s e i m umfassenden Sinne entgegentreten. W i e tritt uns i n der Tierwelt Grausamkeit, wie tritt uns alles, was, i n das Menschenleben heraufgen o m m e n , z u den furchtbarsten Lastern werden kann, überall i n der Tierwelt entgegen! W e r aber vermöchte der Tierwelt gegenüber die Erziehung ins Feld zu fuhren, die ja bei der Tierwelt 30

nicht angeführt werden kann? So weist Lotze die Idee der Erzieh u n g ab. Insbesondere macht er darauf aufmerksam, daß der A l l m a c h t seines Gottes diese Erziehungsidee widersprechen würde; denn nur dann habe m a n nötig, meint Lotze, das Bessere i n einem Wesen aus d e m Schlechten herauszuarbeiten, w e n n m a n erst das Schlechte gegeben hat. A b e r das würde der A l l macht des Gottes widersprechen: erst das Schlechte herausarbeiten z u müssen, gleichsam zur Vorbereitung, u m dann das G u t e darauf auferbauen zu k ö n n e n . So wendet sich denn Lotze dahin z u sagen: Vielleicht m ü s s e m a n diejenigen mehr berücksichtigen, welche da sagen: Dasjenige, was böse, was schlecht ist, was ein Ü b e l ist, das ist dies nicht durch die A l l m a c h t Gottes, nicht d u r c h den W i l l e n irgend eines bewußten Wesens; sondern es ist m i t dem, was i n der W e l t existiert, das Ü b e l so verbunden, wie z u m Beispiel die Tatsache, daß die drei W i n k e l eines Dreieckes zusammen 1 8 0 ° betragen, m i t einem Dreieck verbunden ist.Wenn G o t t also überhaupr eine W e l t schaffen wollte, m u ß t e er sich richten nach dem, was ohne i h n wahr ist, daß m i t irgendeiner Welt, die er schaffen wollte, das Böse u n d das Übel verbunden ist. E r mußte also, w e n n er überhaupt eine W e l t schaffen wollte, das Böse u n d das Ü b e l mitschaffen. - Dagegen wendet Lotze ein: D a n n aber beschränken w i r erst recht das, was man als das W i r k e n u n d W e ben eines göttlichen Wesens durch die W e l t annehmen k ö n n e . D e n n wenn m a n die W e l t betrachtet, dann m u ß m a n sagen: N a c h den allgemeinsten Gesetzen, nach dem, wie man sich die Welterscheinungen durchdenken kann,wäre sehr w o h l eine W e l t denkbar ohne das Ü b e l u n d das B ö s e . W e n n man die W e l t betrachte, m ü s s e man gerade sagen, gegen eine eigentliche Freiheit verstoße das B ö s e ; es m ü s s e also gerade durch die Willkür, durch die Freiheit des göttlichen Wesens hervorgerufen werden. W i r könnten n o c h anderes anführen, was Lotze u n d andere D e n k e r - Lotze ist hier nur als Typus angeführt - gegenüber dem Problem u n d dem Rätsel des Bösen gesagt haben. Ich w i l l nur auf das aufmerksam machen, w o h i n Lotze zuletzt k o m m t , 31

weil das nachher für uns w i c h t i g sein w i r d . So wendet sich Lotze gegen den deutschen Philosophen Leibniz, der ja eine «Theodizee», das heißt die Rechtfertigung Gottes gegenüber dem Ü b e l , geschrieben hat u n d die Anschauung vertreten hat, daß diese Welt, w e n n sie auch viel Übel enthalte, doch die bestmöglichste der Welten sei. 1 3 D e n n wäre sie nicht die bestmöglichste, meint Leibniz, so m ü s s e entweder G o t t die bestmöglichste W e l t nicht gekannt haben - das verstößt gegen seine Allwissenheit; oder aber er m ü ß t e sie nicht haben schaffen wollen, das verstößt gegen seine Allgüte; oder er m ü ß t e sie nicht haben schaffen k ö n n e n - das verstößt gegen seine A l l macht. N u n sagt Leibniz, da m a n i m D e n k e n gegen diese drei Prinzipien Gottes nicht verstoßen könne, so m ü s s e m a n annehmen, daß die W e l t die bestmöglichste sei. - Dagegen wendet n u n Lotze ein: jedenfalls k ö n n e man nicht v o n einer A l l macht Gottes sprechen, wenn m a n i n der Welt, w o doch Ü b e l sind u n d Böses waltet, diese für einen Ausfluß Gottes halte. Daher m ü s s e m a n sagen, so meint Lotze, Leibniz habe die A l l m a c h t Gottes beschränkt u n d dadurch sich die Lehre v o n der bestmöglichsten der Welten erkauft. N u n meint Lotze, gebe es n o c h einen Ausweg. M a n m ü s s e sagen: I m großen ganzen zeige sich überall, w e n n m a n den Kosmos betrachtet, O r d n u n g u n d H a r m o n i e ; nur i m einzelnen sehe man Ü b e l u n d Böses. D a sagt Lotze: Was aber k a n n m a n auf eine A n s c h a u u n g geben, die eigentlich bloß v o n der A n schauung der M e n s c h e n abhängt? D e n n von einer Welt, w o i m großen u n d ganzen O r d n u n g u n d H a r m o n i e herrschen, die m a n bewundern k ö n n e , u n d w o i m einzelnen Ü b e l u n d Böses wie schwarze Flecken sich zeigen, k ö n n e man den A u s d r u c k gebrauchen: Was sagt es, w e n n i m großen u n d ganzen O r d n u n g und H a r m o n i e i n einer W e l t herrschen, u n d i m einzelnen überall Ü b e l u n d Böses zu finden ist? D a meint dann Lotze - u n d das ist die Spitze seinet Ausführungen, z u der w i r hintendieren wollen-, m a n sollte sich doch lieber das eine sagen: Das Ü b e l und das B ö s e sind doch i n der W e l t ; es m u ß weise sein, daß das 32

Ü b e l wie das Vortreffliche, das Böse wie das G u t e da seien; w i r k ö n n e n nur diese Weisheit nicht einsehen. A l s o sind w i r gezwungen, dem Ü b e l u n d dem Bösen gegenüber eine Grenze unseres Erkennens anzunehmen. Es m ü s s e d o c h Weisheit geben, welche nicht die menschliche Weisheit ist, meint Lotze, Weisheit, z u der w i r n u r nicht k o m m e n k ö n n e n , u n d die die Ü b e l rechtfertigt. A l s o i n eine unbekannte W e l t der Weisheit versetzt Lotze das weisheitsvolle Begreifen des Übels u n d des Bösen. Ich habe ausdrücklich wenigstens diese, für viele mehr oder weniger pedantischen Auseinandersetzungen gemacht, weil sie uns zeigen, m i t welchen Waffen m a n sich dem Begreifen des Übels u n d des Bösen i m philosophischen D e n k e n der M e n s c h heit zu nähern versucht hat, u n d wie m a n dort immer wieder u n d wieder zu dem G e s t ä n d n i s gekommen ist: diese Waffen erweisen sich gegenüber einem Rätsel, das uns auf Schritt u n d Tritt i m Leben begegnet, doch recht stumpf, ja, wie Lotze sagt, als völlig ungeeignet. N u n gibt es ja auch andere Denker, die n o c h weiter als etwa P l o t i n hineinzuschürfen versuchten i n das, was schon Untergründe des Daseins sind, die nur z u erreichen sind durch eine gewisse E n t w i c k e l u n g der Seele z u höherem Erkenntnisvermögen hinauf. E i n solcher D e n k e r ist Jakob Böhme? 4 U n d nähert m a n sich Jakob B ö h m e , so nähert m a n sich allerdings einem Geiste des sechzehnten, siebzehnten Jahrhunderts, i n den nicht viele mehr i n unserer Z e i t eindringen w o l l e n , o b w o h l m a n i h n heute wieder als eine A r t Kuriosität betrachtet. Jakob B ö h m e vetsuchte einzudringen i n die Tiefen der W e l t u n d ihre Erscheinungen bis dahin, w o er i n sich selber etwas aufgehend fühlte wie eine A r t Theosophie, v o n einer A r t Gottesanschauung i m eigenen Innern; u n d n u n versuchte er sich klar zu machen, wie das Böse u n d das Ü b e l hinein zu verfolgen sind bis i n die tiefsten U n t e r g r ü n d e der Welt, wie Ü b e l u n d Böses nicht bloß etwas Negatives sind, sondern gewissermaßen i n den Untergründen des Welt- u n d Menschendaseins wurzeln. Das gött33

liehe Wesen sieht Jakob B ö h m e so an, daß i n i h m , wie er sagt — m a n m u ß sich an seine Ausdrucksweise erst gewöhnen - eine «Schiedlichkeit» auftreten m u ß . E i n Wesen, welches gleichsam seine Tätigkeit nur hinausfluten läßt i n die Welt, k ö n n t e nie z u m Erfassen seiner selbst k o m m e n . Es m u ß t e sich diese T ä t i g keit an irgend etwas, man m ö c h t e sagen, stoßen. I m kleinen nehmen w i r i m G r u n d e genommen jeden M o r g e n beim A u f w a chen das wahr, was Jakob B ö h m e i n diese seine Vorstellung einbezieht.Wenn w i r aufwachen, sind w i r gewissermaßen i n der Lage, aus unserm Geistig-Seelischen i n unbegrenzte W e i t e n hinaus unsere geistig-seelische T ä t i g k e i t z u entfalten. D a stoßen wir m i t unserer geistig-seelischen Tätigkeit an unsere U m g e bung. D a d u r c h , daß w i r an unsere U m g e b u n g stoßen, werden wir unser selbst gewahr. D e r M e n s c h w i r d überhaupt nur i n der physischen W e l t seiner selbst gewahr, i n d e m er sich sozusagen an den D i n g e n stößt. Das göttliche Wesen k a n n k e i n solches sein, das sich an anderen stößt. Es m u ß seinen Widerpart, oder wie Jakob B ö h m e i n vielen W e n d u n g e n sich ausdrückt, sein « N e i n » seinem «Ja» gegenüber sich selbst setzen. Es m u ß seine ins Unendliche hinausflutende Tätigkeit i n sich begrenzen. Es m u ß i n sich «schiedlich», das heißt unterschieden werden, m u ß sich gleichsam an einem bestimmten Punkte des Umkreises seiner Tätigkeit den eigenen Gegensatz erschaffen; so daß sich für Jakob B ö h m e notwendig das göttliche Wesen, damit es seiner selbst gewahr werden kann, selbst seinen Widerpart erschafft. D u r c h die Teilnahme nun eines kreatürlichen Wesens, meint Jakob B ö h m e , nicht n u r an dem, was v o n dem götdichen Wesen herausströmt, sondern was sich das göttliche Wesen notwendigerweise als seinen Widerpart schaffen m u ß , entsteht das B ö s e , entstehen überhaupt alle Übel i n der Welt. Das göttliche Wesen setzt sich seinen Widerpart, u m seiner selbst gewahr z u werden. D a kann n o c h nicht v o m Übel u n d v o m Bösen gesprochen werden, sondern nur von den notwendigen Bedingungen des Gewahrwerdens des Göttlichen seiner selbst. A b e r i n d e m Kreatürliches entsteht, u n d i n d e m dieses Kreatürliche sich nicht 34

bloß hineinbettet i n das hinausflutende Leben, sondern teiln i m m t am Widerpart, entsteht das B ö s e u n d das Übel. Befriedigend w i r d gewiß für den, der geisteswissenschaftlich versucht i n die Geheimnisse des Daseins einzudringen, eine solche A n t w o r t nicht sein. Sie ist auch hier n u r angeführt, u m zu zeigen, bis zu welchen Tiefen ein sinniger Denker geht, w e n n er nach dem U r s p r ü n g e des Bösen i n der W e l t forscht. U n d so könnte ich vieles anführen, das uns mehr zeigen könnte, wie m a n sich den Rätseln, die i m Übel u n d B ö s e n liegen, zu nähern versucht, als daß man etwa aus det W e l t sich A n t w o r t entgegenleuchten gefunden hätte. W e n n w i r n u n an das anknüpfen, was uns gleichsam wie ein Bekenntnis eines hervorragenden Denkers des neunzehnten Jahrhunderts entgegengetreten ist, das Bekenntnis Lotzes, so können w i r etwa das Folgende sagen. Lotze ist der Ansicht, es m u ß irgendwo eine Weisheit geben, welche das Ü b e l u n d das B ö s e rechtferrigt. A b e r der M e n s c h ist i n seinem Erkenntnisverm ö g e n beschränkt; er k a n n nicht i n diese Weisheit eindringen. - Stehen w i r da nicht vor dem, was w i r oft erwähnen mußten: daß es sozusagen ein beliebtes Voturteil i n unseter Zeit ist, das menschliche Erkenntnisvermögen so hinzunehmen, wie es einmal ist, u n d gar nicht darauf zu reflektieren, daß es etwa aus dem Zustande, i n welchem es i n der Alltäglichkeit ist, herausk o m m e n k ö n n e , sich über sich selbst erheben k ö n n e , daß es sich entwickeln k ö n n e , u m i n andere W e l t e n h i n e i n z u schauen, als i n die W e l t des bloß Sinnlichen u n d des an die Sinne geknüpften Verstandes? Vielleicht stellt sich uns gerade heraus, daß so bedeutsame Fragen wie die nach dem U r s p r ü n g e des Bösen ihre A n t w o t t e n deshalb nicht finden konnten, weil m a n gegenüber der Erkenntnis, die sich an die Sinne wendet u n d an den Verstand, der an die Sinneswelt gebunden ist, sich sträubte, über diese Erkenntnis hinauszuschreiten zu einer anderen Erkenntnis, die auf den Wegen gefunden werden m u ß , v o n denen hier jetzt öfter gesprochen worden ist, auf den Wegen, d u r c h welche die Menschenseele hinübergelangt übet das, was sozusagen ihre

alltägliche u n d gewöhnliche wissenschaftliche Anschauung ist. W i r haben oft v o n der Möglichkeit gesprochen, daß die M e n schenseele sich losringt von ihrer Leiblichkeit, daß sie w i r k l i c h jene geistige C h e m i e vollziehen k ö n n e , die eben das GeistigSeelische i m M e n s c h e n loslöst v o n dem Leiblichen, wie die äußere C h e m i e den Wasserstoff aus dem Wasser. W i r haben davon gesprochen: W e n n der M e n s c h so sein Geistig-Seelisches loslöst v o n dem Körperlich-Leiblichen, so daß er sich erhebt i m Geistigen u n d seiner Leiblichkeit m i t seinem Geistig-Seelischen gegenübersteht, w e n n er also m i t dem Seelisch-Geistigen außerhalb des Leibes ist u n d i n einer geistigen W e l t wahrzunehmen vermag, d a n n allerdings kann er durch die unmittelbare Erfahrung, nicht inner-, sondern außerhalb seines Leibes, i n die T i e fen der W e l t hineinschauen, soweit sie i h m gegenüber dieser Erkenntnis zugänglich sind. D a dürfen w i r uns vielleicht fragen: Was tritt uns denn entgegen,wenn w i r diesen W e g der Geistesforschung w i r k l i c h z u gehen versuchen, den Weg, der öfter hier geschildert worden ist, u n d den Sie ausfuhrlich i n meinem B u che «Wie erlangt m a n Erkenntnisse der höheren Welten?» dargestellt finden? Z u welchen Erfahrungen gelangt man.wenn m a n diesen W e g w i r k l i c h geht, u m außersinnlicher W e l t e n teilhaftig zu werden? N u n w i r d uns insbesondere interessieren, wie sich z u diesem Wege dasjenige stellt, was m a n i m gewöhnlichen Leben das B ö s e nennt. W i r brauchen ja n u r auf das gewöhnliche B ö s e , was m a n i m Alltage das B ö s e nennt, etwas hinzuschauen. D a stellt sich heraus, w e n n der Geistesforscher sich auf seinen W e g begibt, u m i n höhere W e l t e n hinaufzusteigen, u m w i r k l i c h m i t seinem Geistig-Seelischen herauszukommen aus dem L e i b l i chen u n d leibfrei wahrzunehmen, daß dann alles dasjenige, auf was er zurückblicken m u ß als auf ein Böses, ja, nur auf ein Unvollkommenes i m Leben, i h m die schwersten Hindernisse auf seinen W e g gibt. D i e schwersten Hemmnisse k o m m e n v o n dem, worauf m a n zurückblicken m u ß als auf etwas U n v o l l k o m menes. D a m i t w i l l i c h nicht sagen, daß etwa die h o c h m ü t i g e 36

Lehre daraus folgte, daß jeder, der dazu gelangt, als Geistesforscher i n die geistige W e l t hineinzuschauen, sich einen v o l l k o m m e n e n Menschen nennen dürfe. Das soll damit nicht gesagt sein. A b e r es soll wiederholt sein, was schon einmal sehr eindringlich hervorgehoben worden ist: daß der W e g zur G e i stesforschung i n gewissem Sinne ein M a r t y r i u m ist, u n d dies auch gerade aus dem G r u n d e , weil m a n i n dem Augenblick, i n dem m a n m i t dem Geistig-Seelischen aus dem Leiblichen herauskommt u n d der geistigen Welt teilhaftig w i r d , zurückblickt auf sein Leben m i t seinen U n v o l l k o m m e n h e i t e n u n d n u n weiß: Diese U n v o l l k o m m e n h e i t e n trägst d u m i t dir wie der K o m e t seinen Kometenschweif; die trägst d u i n dir m i t hinüber i n andere Leben u n d m u ß t sie auszugleichen suchen i n späteren Leben. Das, worüber d u bis jetzt geschritten bist, ohne ein Bewußtsein davon z u haben, das schaust d u jetzt. D u weißt, was dir bevorsteht. — Dieses tragische Hinschauen auf das, was m a n i m gewöhnlichen Leben ist, hängt einem an, wenn m a n den W e g i n die geistige W e l t h i n a u f sucht. H ä n g t es einem nicht an, so ist es nicht der wahre W e g i n die geistige W e l t . In der Tat m u ß m a n sagen: ein gewisser Ernst des Lebens beginnt, wenn m a n i n die geistige W e l t hineinsteigt. U n d w e n n m a n auch nichts anderes gewinnt, das eine gewinnt man: daß m a n das eigene B ö s e u n d die eigenen U n v o l l k o m m e n h e i t e n m i t einer unendlichen Klarheit erblickt. So m ö c h t e m a n sagen: m a n gewinnt eine E r fahrungserkenntnis von U n v o l l k o m m e n h e i t u n d B ö s e m schon bei den allerersten Schritten, die man i n die geistige Welt h i n a u f macht. W o h e r k o m m t das? W e n n man näher zusieht, woher dies k o m m t , so findet m a n dabei den G r u n d z u g sozusagen alles menschlichen Bösen. In meiner letzten Schrift « D i e Schwelle der geistigen Welt» versuchte i c h gerade auf diesen G r u n d z u g des Bösen hinzudeuten, insofern es aus dem Menschen hervorgeht. D e r gemeinsame G r u n d z u g alles B ö s e n ist doch nichts anderes als Egoismus. — W e n n i c h dieses i m einzelnen nachweisen wollte, was i c h jetzt ausfuhren w i l l , so m ü ß t e i c h allerdings 37

viele Stunden sprechen; aber i c h w i l l es nur hinstellen, u n d jeder mag die angeschlagenen G e d a n k e n g ä n g e selbst weiterverfolgen. Sie werden ja auch weiter verfolgt werden i m nächsten Vortrage, w o über die «Sittliche Grundlage des Menschenlebens» gesprochen werden s o l l . 1 5 I m G r u n d e genommen geht alles menschliche Böse aus dem hervor, was w i r den Egoismus nennen. W i r m ö g e n v o n den geringsten Kleinigkeiten, die w i r als menschliche Versehen ansehen, bis zu den stärksten Verbrechen h i n alles verfolgen, was menschliche U n v o l l k o m m e n h e i t e n u n d menschliches Böses sind, ob es sich uns darstellt scheinbar mehr v o n der Seele h e r k o m m e n d oder scheinbar mehr v o n der Leiblichkeit k o m m e n d , der gemeinsame G r u n d z u g , v o n dem Egoismus herrührend, ist überall da. W i r finden die eigentliche Bedeutung des B ö s e n , w e n n w i r es verknüpft denken m i t dem menschlichen Egoismus; u n d w i r finden alles Hinausstreben über U n v o l l k o m m e n h e i t e n u n d Böses, w e n n w i r dieses H i n a u s streben i n der B e k ä m p f u n g dessen sehen, was w i r den Egoismus nennen. V i e l ist nachgedacht worden über diese oder jene ethischen Prinzipien, über diese oder jene Moralgrundlagen; gerade das zeigt sich abet, je tiefer m a n i n ethische Prinzipien u n d i n Moralgrundlagen untertaucht, daß der Egoismus die gemeinsame Grundlage alles menschlichen B ö s e n ist. U n d so darf m a n sagen: der M e n s c h arbeitet sich aus dem Bösen hier i n der physischen W e l t u m so mehr heraus, je mehr er den Egoismus überwindet. Dieses Resultat stellt sich n u n neben ein anderes h i n ; u n d es stellt sich, m a n m ö c h t e sagen, i n der Geistesfoischung wie bedrückend h i n , w i r k l i c h wie bedrückend. Was m u ß man denn ausbilden, w e n n man den W e g i n die geistigen Welten h i n a u f finden w i l l , i n jene Welten, die m a n anschauen m u ß m i t dem Geistig-Seelischen außer dem Leibe? W e n n Sie alles zusammennehmen, was i c h i m Laufe dieser Vorträge angeführt habe als seelische Ü b u n g e n , die angewendet werden m ü s s e n , u m i n die geistige W e l t h i n e i n z u k o m m e n , 1 6 so werden Sie finden, daß sie darauf hinauslaufen, gewisse Seelen38

eigenschaften z u erstarken, welche die Seele i n der Sinneswelt hat, die Seele stärker u n d kräftiger z u machen, sie i m m e r mehr u n d mehr auf sich selbst zu stellen. Was n u n i n der physischsinnlichen W e l t als Egoismus hervortritt, das m u ß erkraftet werden, m u ß intensiver gemacht werden, w e n n der M e n s c h i n die geistige W e l t hinaufsteigt. D e n n nur die i n sich erstarkte Seele, welche die Kräfte i n sich erstarkt, die die ihrigen sind, die i n ihrem Ego, i n ihrem Ich wurzeln, nur diese Seele k o m m t i n die geistigen W e l t e n hinauf. Gerade das m u ß auf dem Wege i n die geistigen W e l t e n h i n a u f verstärkt werden, was der M e n s c h ablegen m u ß , der sich moralische Prinzipien für die physische W e l t aneignen w i l l . E i n bedeutender Mystiker hat den Aussptuch getan: W e n n die Rose selbst sich schmückt, s c h m ü c k t sie auch den G a r t e n . 1 7 Es ist dies gewiß innerhalb gewisser Grenzen richtig. A b e r i m Menschenleben w ü r d e dennoch der Egoismus auch hervortreten, wenn die Menschenseele sich nur als «Rose» betrachtete, die selbst sich schmückt. Für die geistige W e l t aber gilt das v o l l k o m m e n . In der geistigen W e l t ist i n einem höheren M a ß e das vorhanden, was i n dem Ausspruche liegt: «Wenn die Rose selbst sich schmückt, s c h m ü c k t sie auch den G a r t e n » . W e n n die Seele i n die geistige W e l t hinaufkommt, ist sie dort ein dienendes G l i e d u m so mehr, je mehr sie i n sich erstarkt ist u n d das herausgearbeitet hat, was i n ihrer inneren Fülle liegt. W i e man ein Instrument nicht gebrauchen kann, das nicht v o l l k o m m e n ist, so k a n n sich die Seele selbst nicht brauchen, die nicht alles aus ihrem Ich, aus ihrem Ego herausgetrieben hat, was i n ihr liegt. A u s dieser Gegenüberstellung, die uns v o n aller Phrase h i n wegfuhrt u n d hineinführt i n den Tatsachenbestand, der nicht verhehlt werden soll, sehen w i r zunächst, d a ß diese W e l t des Geistigen der W e l t des Physisch-Sinnlichen so gegenübersteht, d a ß die letztere gegenüber der ersteren ihre volle Aufgabe haben m u ß . K ö n n t e der M e n s c h nur i n der geistigen Welt leben, so 39

würde er, weil das Gesetz gelten m u ß : «Wenn die Rose selbst sich schmückt, schmückt sie auch den G a r t e n » , nur die inneren Fähigkeiten entwickeln k ö n n e n ; er k ö n n t e nicht jene Fähigkeiten entwickeln, die i h n als Altruisten m i t den Menschen, m i t der weiten W e l t zusammenbringen. D i e Stätte müssen w i r gerade i n der physischen W e l t finden, die uns den Egoismus überw i n d e n läßt. W i r sind nicht umsonst i n der Welt z u m A l t r u i s mus verpflichtet, sondern deshalb, daß w i r uns den Egoismus gründlich aberziehen, wenn i c h dieses triviale W o r t gebrauchen darf. Dasselbe nun.was der Geistesfotscher als das M a ß g e b e n d e findet, nämlich die Erstarkung seiner Seele z u m Hinaufgehen i n die geistige Welt, das ist auch das M a ß g e b e n d e , w e n n der M e n s c h durch die Pforte des Todes auf naturgemäße Weise i n diejenige W e l t eintritt, welche zwischen dem Tode u n d einet neuen G e b u r t liegt. D a versetzen w i r uns i n jene Welt, die eben det Geistesforscher durch seine Seelenentwickelung erreicht. D a hinein müssen w i r daher diejenigen Eigenschaften bringen, welche die Seele innerlich stark erscheinen lassen, welche innerhalb der Seele den Satz bewahrheiten: «Wenn die Rose selbst sich schmückt, schmückt sie auch den Garten». In dem Augenblick, w o w i r durch die Pforte des Todes gehen, tteten w i r i n eine W e l t ein, i n welcher es auf höchste E r h ö h u n g u n d Erkraftung unseres Ich a n k o m m t . Was w i r i n dieser W e l t zu tun haben, werden w i r in dem Vortrage «Zwischen T o d u n d Wiedergeburt des M e n schen» h ö r e n . 1 8 Jetzt soll nur daraufhingedeutet werden, daß es i n dieser geistigen Welt i m wesentlichen darauf a n k o m m t , daß sich die Seele dazu anschickt, u m nach M a ß g a b e dessen, was sie i n früheren Erdenleben erlebt hat, sich die folgenden z u z i m mern. Sie m u ß , wie es ihrem Schicksale entspricht, vorzugsweise zwischen dem Tode u n d der neuen G e b u r t i n der geistigen W e l t m i t sich selbst beschäftigt sein. W e n n w i r so die menschliche Seele betrachten, dann erscheint sie uns v o n diesen zwei Gesichtspunkten aus folgendermaßen. Sie erscheint uns i n ihrer Bedeutung für die physisch-sinnliche 40

W e l t so, daß diese für sie die große Lehrstätte ist, w o sie aus sich herausgehen m u ß , wo Egoismus sich i n Altruismus verwandeln kann, so daß sie etwas w i r d für den weiten Umkreis des Daseins. U n d die W e l t zwischen dem Tode u n d der nächsten Geburt erscheint uns als diejenige, i n welcher die Seele i n sich erkraftet leben m u ß , u n d für welche die Seele gerade wertlos sein würde, w e n n sie i n diese W e l t schwach u n d nicht erkraftet eintreten würde.. Was folgt daraus, daß die Seele diese zwei Wesenszüge hat? Es folgt daraus, daß sich der M e n s c h i n der Tat w o h l hüten m u ß , dasjenige, was auf dem einen Felde, i n der einen W e l t ein Vbtzügliches ist, nämlich die E r h ö h u n g des Seeleninnern, i n der anderen W e l t z u etwas anderem anzuwenden als höchstens auch zut Erreichung der geistigen Welt; daß es abet v o m Ü b e l sein m u ß u n d i n das Schlimmere umschlägt, w e n n der M e n s c h das, was hier i n der physisch-sinnlichen W e l t sich als sein Wesen ausleben m u ß , v o n dem durchdringen läßt, was i h m gerade i m R e i c h des Geistes zur würdigen Bereitung dient. Gerade deshalb m ü s s e n w i r stark sein i m Geistigen zwischen T o d u n d neuer' Geburt, i n der Erstarkung u n d Erkraftung unseres Ich, daß w i r uns ein solches physisch-sinnliches Dasein vorbereiten, das i m äußeren Dasein, i n den Taten u n d Gedanken der physischen W e l t möglichst unegoistisch ist. W i r m ü s s e n unseren Egoismus vor unserer Geburt i n der geistigen W e l t dazu verwenden, u m uns so selbst z u bearbeiten, m ü s s e n so auf uns selbst hinschauen, daß w i t i n der physischen W e l t selbsdos, das heißt moralisch werden. H i e r an diesem Punkte liegt alles, was m a n nennen k a n n das Wertvollste für den, der i n die geisdge W e l t vordringen w i l l . In der Tat m u ß m a n sich klar sein, daß man sein Böses u n d U n v o l l kommenes nicht umsonst wie sein Schattenbild sieht, w e n n m a n i n der geistigen W e l t ist. Das ist es, was uns zeigt, wie w i r m i t der Sinneswelt verbunden bleiben m ü s s e n , wie unser Karma, unser Schicksal uns an die Sinneswelt binden m u ß , bis w i r es i n der geistigen W e l t so weit gebracht haben, daß w i r nicht 41

nur m i t uns allein, sondern m i t der ganzen W e l t leben können. Es zeigt sich, wie es v o m Übel ist, dasjenige, was i m geistigen Fortschritt das Wesentliche ist, nämlich Selbstvervollkommnung, unmittelbar auf die D i n g e des äußeren Lebens anzuwenden. Geistigen Fortschritt zu suchen ist nicht etwas, w o v o n w i r uns abhalten lassen können. Das ist vielmehr unsere Pflicht. U n d Pflicht ist für den Menschen die Entwickelung, die für alle übrigen Lebewesen Gesetz ist. A b e r v o m Übel ist es, das, was für die geisdge E n t w i c k e l u n g ziemt, unmittelbat auf das äußere Leben anzuwenden. Diese beiden, äußeres physisches Leben m i t seiner Moralität, müssen sich notwendigerweise wie eine zweite W e l t hinstellen neben das, was die Seele innerlich anstrebt, w e n n sie sich der geistigen W e l t nähern w i l l . N u n liegt aber etwas vor, was wiederum wie ein W i d e r s p r u c h erscheinen könnte. A b e r man m ö c h t e sagen: v o n solchen lebendigen Widersprüchen lebt die Welt. Es m u ß t e betont werden: m a n m u ß sich i n der Seele erkraften; gerade das Ego, das Ich m ü s s e stärker werden, u m i n die geistige Welt einzudringen. A b e r w e n n m a n n u n bei seinem geistigen Aufstieg n u r den Egoismus entwickeln wollte, so würde man nicht weit k o m m e n . Was heißt das aber? Es heißt: m a n m u ß schon ohne den Egoismus i n die geistige W e l t eintreten; respektive man k a n n nicht ohne den Egoismus eintreten — was w e h m ü t i g jeder bekennen m u ß , der i n die geistige W e l t h i n e i n k o m m t —, so m u ß m a n alles Egoistische so objektiv vor sich haben, daß m a n es als sein E g o i stisches, m i t d e m m a n verbunden ist i n der äußeren Welt, schaut. M a n m u ß also ein unegoistischer M e n s c h zu werden trachten m i t den M i t t e l n des physischen Lebens, weil m a n i n der geistigen W e l t nicht mehr Gelegenheit hat, unegoistisch zu werden, weil es dort auf die Erkraftung des seelischen Lebens ankommt. Das ist der n u r scheinbare W i d e r s p r u c h . W i r m ü s s e n i n der geistigen Welt, auch w e n n w i r durch die Pforte des Todes i n die geistige W e l t schreiten, dort m i t dem leben, was i n unserem Inneren an Stärke vorhanden ist. A b e r w i r k ö n n e n diese nicht erlangen, w e n n w i r sie nicht erlangen durch das altruisti42

sehe Leben i n der physischen Welt. Altruismus i n der physischen Welt spiegelt sich als der richtige, den W e r t erhöhende Egoismus der geistigen W e l t . W i r sehen, wie schwierig die Begriffe werden, wenn m a n sich der geistigen W e l t nähert. A b e r jetzt sieht m a n zugleich, u m was es sich i m menschlichen Leben handeln k a n n . D e n n nehmen w i r n u n an, der M e n s c h trete durch die G e b u r t ins physische Dasein. In diesem Falle, das heißt, w e n n er das Wesen, das er i n der geistigen W e l t vot der Geburt oder der E m p f ä n g n i s , zwischen dem letzten Tode u n d der jetzigen Geburt, war, umkleidet m i t dem physischen Leib, so ist die Möglichkeit vorhanden, daß er m i t dem, was gleichsam Lebenskraft der geistigen W e l t sein m u ß , ungerechtfertigterweise sein Physisch-Leibliches durchzieht; daß sich der Geist verirrt i m Leiblichen, indem er das, was gut ist i n der geistigen Welt, herunterträgt i n die physische W e l t . D a n n w i r d , was gut ist i n der geistigen Welt, z u m Übel, z u m Bösen i n der physischen Welt! Das ist ein bedeutsames G e h e i m nis des Daseins, daß der M e n s c h das, was er notwendig braucht, u m ein geistiges Wesen zu sein, was gewissermaßen sein H ö c h stes darstellt für sein geistiges Wesen, heruntertragen kann i n die physische Welt, u n d daß sein höchstes, sein bestes Geistiges sogar die tiefste V e r i r r u n g werden k a n n i m Physisch-Sinnlichen. W o d u r c h tritt das B ö s e i m Leben ein? W o d u r c h ist das sogenannte Verbrechen i n det Welt? Das ist dadurch vorhanden, daß der M e n s c h seine bessere Natur, nicht die schlechtere, untertauchen läßt i m PhysischLeiblichen, das als solches nicht böse sein k a n n , u n d dort diejenigen Eigenschaften entwickelt, die nicht i n das PhysischLeibliche hineingehöten, sondern die gerade i n das Geistige gehören. W a i u m k ö n n e n w i r Menschen böse sein? W e i l w i r geistige Wesen sein dürfen! W e i l w i r i n die Lage k o m m e n müssen, sobald w i r uns i n die geistige W e l t hineinleben, diejenigen Eigenschaften zu entwickeln, die z u m Schlechten werden, w e n n w i r sie i m physisch-sinnlichen Leben anwenden. Lassen Sie diejenigen Eigenschaften, die sich i n Grausamkeit, 43

meinetwillen i n H e i m t ü c k e u n d i n anderem i n der physischen W e l t ausleben, herausgenommen sein aus der physisch-sinnlichen Welt, lassen Sie die Seele sich von ihnen durchdringen u n d sie ausleben statt i n der physisch-sinnlichen W e l t i n der geistigen Welt, dann sind sie dort die uns weiterbringenden, die uns vervollkommnenden Eigenschaften. D a ß der M e n s c h das Geistige verkehrt i m Sinnlichen anwendet, das führt zu seinem Bösen. U n d könnte er nicht böse werden, so könnte er ein geistiges Wesen nicht sein. D e n n die Eigenschaften, die i h n böse machen können, er m u ß sie haben; sonst k ö n n t e er nie i n die geistige W e l t h i n a u f k o m m e n . D i e V o l l k o m m e n h e i t besteht darin, daß der M e n s c h lernt, sich innerlich m i t der Einsicht z u durchdringen: D u darfst die Eigenschaften, die d i c h i m physischen Leben z u m bösen M e n schen machen, nicht i n diesem physischen Leben anwenden; denn so viel d u v o n ihnen dort anwendest, so viel entziehst d u dir v o n den erkraftenden Eigenschaften der Seele für das Geistige, so viel schwächst d u d i c h für die geistige Welt. D o r t sind diese Eigenschaften am rechten Platze. So sehen wir, wie die Geisteswissenschaft zeigt, daß das Ü b e l u n d das B ö s e d u r c h ihre eigene N a t u r daraufhinweisen, daß w i r neben der physischen W e l t eine geistig-seelische W e l t annehmen m ü s s e n . D e n n w a r u m bleibt denn das menschliche Erkenntnisvermögen etwa eines Lotze oder anderer D e n k e r stehen, w e n n sie die sinnliche W e l t betrachten u n d sagen: m a n dringe nicht h i n e i n i n den Ursprung des Übels u n d des Bösen? W e i l da das vorliegt - da das Erkenntnisvermögen nicht vordringen w i l l zur geistigen W e l t - , daß es das B ö s e nicht aufklären k a n n aus der physischen W e l t heraus, weil es M i ß b r a u c h ist v o n Kräften, die i n die geistige W e l t hineingehören! Was W u n d e r also, d a ß kein Philosoph, der von der geistigen W e l t absieht, i n der physisch-sinnlichen W e l t jemals das Wesen des Bösen finden kann! U n d w e n n m a n v o n vornherein abgeneigt ist z u einer weiteren W e l t vorzudringen, u m i n ihr den U r sprung des Bösen z u finden, d a n n k o m m t man auch n i c h t z u *44

einer Erkenntnis des äußeren Übels, desjenigen, was uns als das Schlechte u n d U n v o l l k o m m e n e i n der äußeren Welt, z u m Beispiel i n der tierischen Welt, begegnet. W i r m ü s s e n uns eben klar sein, daß das Ü b e l i m menschlichen H a n d e l n dadurch entsteht, daß der M e n s c h das, was für eine andere W e l t ein Großes, ein Vollkommenes ist, gleichsam i n eine andere W e l t versetzt,wo es i n sein Gegenteil verkehrt w i r d . W e n n m a n aber das v o n den M e n s c h e n unabhängige Ü b e l i n der W e l t betrachtet, das Ü b e l , das etwa durch die Tierwelt flutet, dann m u ß m a n sagen: Ja, dann müssen w i r uns eben darüber klar sein, daß nicht n u r Wesen da sind wie die Menschen, welche d u r c h ihr Leben das, was i n die geistige W e l t hineingehört u n d dort groß ist, i n eine andere W e l t hineintragen, wo es deplaciert ist; sondern es m u ß auch andere Wesen geben - u n d der B l i c k auf die Tierwelt zeigt uns eben, daß es außer den Menschen geistige Wesen geben m u ß , welche auf das Gebiet, w o der M e n s c h sein Böses nicht hineintragen kann, n u n ihr Böses hintragen u n d so dort das Ü b e l erzeugen. Das heißt, w i r werden m i t der Erkenntnis, wo der U r s p r u n g des Bösen sitzt, zugleich dazu gefuhrt, anzuerkennen, daß nicht nur der M e n s c h ein Unvollkommenes i n die W e l t hineinstellen k a n n , sondern daß auch andere Wesen da sind, welche U n v o l l k o m m e n h e i t e n i n die W e l t hineinbringen k ö n n e n . U n d so sagen w i r uns, daß es nicht mehr unverständlich ist, w e n n der Geistesforscher sagt: D i e Tierwelt ist i m G r u n d e genommen eine Ausgestaltung einet unsichtbaren Geisteswelt; aber i n dieser Geisteswelt waren Wesen da, welche vor dem Menschen dasselbe gemacht haben, was der M e n s c h jetzt macht, i n d e m er das Geistige unberechtigterweise i n die physische W e l t hineingezogen hat. D a d u r c h ist alles Übel i n der Tierwelt entstanden. Das sollte heute ausgeführt werden, d a ß diejenigen Unrecht haben, welche glauben, aus dem materiellen Dasein heraus, weil die Seele i n ein materielles Dasein verstrickt ist, k ö n n e m a n d u r c h dieses Verstricktsein gleichsam der Materie den Impuls des Bösen zuschreiben. N e i n , das Böse entsteht gerade durch die 45

geistigen Eigenschaften u n d durch die geistigen Betätigungsmöglichkeiten des Menschen. U n d w i r mußten uns sagen: W o bliebe die Weisheit i n der Weltenordnung, die den M e n s c h e n darauf beschränken wollte, bloß i n der Sinneswelt das G u t e zu entfalten - u n d nicht das Böse, w e n n sie i h m dadurch, wie w i r gesehen haben, notwendigerweise die Kraft nehmen m ü ß t e , u m i n der geistigen W e l t vorwärts z u kommen? D a d u r c h daß w i r ein Wesen sind, das der physischen W e l t u n d der geistigen W e l t zugleich angehört, u n d daß i n uns nicht die U n v o l l k o m m e n heit, sondern die V o l l k o m m e n h e i t das geistige Gesetz ist, sind w i r i n die Lage versetzt, wie ein Pendel, das nach der einen Seite ausschlagen k a n n ; u n d w i r sind i n die Lage versetzt nach der anderen Seite ausschlagen zu k ö n n e n , weil w i r Geistwesen sind, welche Geistiges i n die physische W e l t hereintragen k ö n n e n , u m es dort als Böses zu verwirklichen, wie andere, vielleicht gegenüber dem Menschen höher stehende Wesen das Böse dadurch verwirklichen konnten, daß sie i n die Sinneswelt hereingetragen haben, was nur der Geisteswelt angehören soll. Ich weiß sehr w o h l , daß m i t einer solchen Darstellung des Ursprungs des Bösen u n d des Übels heute etwas gesagt w i r d , was vielleicht n u r einer geringen A n z a h l von M e n s c h e n einleuchtend sein kann, was sich aber i m m e r mehr u n d mehr i n das menschliche Seelenleben einleben w i r d . D e n n m a n w i r d finden, daß das Fertigwerden m i t den Problemen der Welt überhaupt n u r möglich ist, wenn m a n dieser unserer W e l t eine geistige zugrundeliegend denkt. M i t den V o l l k o m m e n h e i t e n der sinnlichen W e l t mag der M e n s c h - er gibt sich dabei allerdings auch einer Illusion h i n — n o c h fertigwerden; m i t den U n v o l l k o m m e n h e i t e n aber, m i t dem B ö s e n u n d dem Ü b e l , w i r d er nicht fertig werden, w e n n er nicht aufzusuchen vermag, inwiefern dieses Böse u n d das Übel i n der W e l t sein müssen. U n d er sieht ein, daß sie i n der Welt sein müssen, w e n n er sich sagt: es ist das Böse i n der physischen W e l t n u t deplaciert. W ü r d e n die Eigenschaften, die der M e n s c h ungerechtfertigt i n der physischen W e l t verwendet, u n d die dort 46

Böses stiften, i n der geistigen W e l t angewendet werden, so w ü r d e er dort vorwärts schreiten. Ich brauche w o h l nicht z u sagen, daß es völliger U n s i n n wäre, w e n n jemand aus dem eben Gesagten den Schluß ziehen wollte: also stellst d u dar, daß n u r der Bösewicht i n der geistigen W e l t vorwärts k o m m t . Das wäre eine vollständige Verkennung des Gesagten. D e n n nur dadurch sind die Eigenschaften böse, daß sie i n der Sinneswelt angewendet werden, während sie sofort eine Metamorphose durchmachen, w e n n sie i n der geistigen W e l t angewendet werden. W e r solchen E i n w a n d machen w o l l te, der gliche dem, der da sagte: d u behauptest also, es ist ganz gut, wenn der M e n s c h die Kraft hat, eine U h r zu zerschlagen? G e w i ß ist es gut, w e n n er diese Kraft hat; er braucht aber die Kraft nicht anwenden, u m die U h r z u zerschlagen. W e n n er sie z u m Heile der Menschheit anwendet, dann ist sie eine gute Kraft. U n d i n diesem Sinne m u ß man sagen: D i e Kräfte, welche der M e n s c h ins B ö s e hineinfließen läßt, s i n d n u r an diesem O r t e böse; am richtigen O r t e richtig angewendet, sind es gute Kräfte. Es m u ß tief hineinführen i n die Geheimnisse des Menschendaseins, w e n n m a n sich sagen kann: W o d u r c h w i r d der M e n s c h böse? D a d u r c h , daß er die Kräfte, die i h m z u seiner V o l l k o m menheit verliehen sind, am unrechten O r t e anwendet! W o durch ist das B ö s e , ist das Ü b e l i n der Welt? D a d u r c h , daß der M e n s c h die Kräfte, die i h m verliehen sind, nicht i n einer für diese Kräfte geeigneten W e l t anwendet. In unserer Gegenwart k ö n n t e m a n geradezu sagen: Es ist für die Seelenuntergründe schon handgreiflich die Tendenz, die H i n n e i g u n g z u den geistigen W e l t e n vorhanden. Das k ö n n t e einem ein genauerer intimerer B l i c k auf das neunzehnte Jahrhundert lehren, auf die Z e i t bis i n unsere Gegenwart herein. D a treten einem i m neunzehnten Jahrhundert unter den Philosophen auch Vertreter dessen entgegen, was m a n den Pessimismus genannt hat, jene Weltanschauung, die geradezu h i n b l i c k t auf die i n der W e l t vorhandenen Ü b e l u n d auf das B ö s e , u n d die 47

daraus den S c h l u ß zieht - einzelne haben i h n ja gezogen —, daß diese W e l t ü b e r h a u p t nicht als eine solche angesehen werden kann, die etwas anderes v o n dem M e n s c h e n w i l l , als eben dem Ende zugeführt zu werden. Ich w i l l n u r auf Schopenhauer 19 oder auf Eduard von Hartmann 20 hinweisen, welche gleichsam die Erlösung für den Menschen darin gesehen haben, daß sie sagten: n u r i n d e m Aufgehen i m Weltprozesse kann der einzelne sein H e i l finden, nicht aber i n einem, persönliche Befriedigung gewährenden Z i e l . Aber i c h m ö c h t e auf etwas anderes h i n weisen: daß die Seele i m Zeitalter der Materie von dem Materialismus gefangen ist, u n d daß i n diesem Zeitalter die stärkste Trostlosigkeit eintreten m u ß gegenüber den Ü b e l n der Welt, gegenüber dem Bösen; denn der Materialismus lehnt eine geistige Welt ab, aus der uns erst das L i c h t heraus leuchtet, was dem Übel u n d dem Bösen seine Bedeutung gibt. W i r d diese W e l t abgelehnt, so ist es ganz notwendig, daß uns diese W e l t der Ü b e l und des B ö s e n i n ihrer Zwecklosigkeit trostlos entgegenstarrt. — Ich w i l l heute nicht auf Nietzsche hinweisen, sondern auf einen anderen Geist des neunzehnten Jahrhunderts. V o n einem gewissen Gesichtspunkte aus möchte i c h auf einen tragischen D e n k e r des neunzehnten Jahrhunderts hinweisen: von dem Gesichtspunkte aus, daß der M e n s c h , i n d e m er i n seine Z e i t hineingestellt ist, notwendigerweise m i t seiner Zeit leben m u ß . Das ist das Eigentümliche unseres Wesens, daß sich unser Wesen z u sammenfindet m i t dem Wesen der Z e i t . So war es nur natürlich in der letzten Zeit, daß tief veranlagte Geistet, ja, gerade die, welche ein offenes H e r z hatten für das, was sich i n ihrer U m g e bung abspielte, tief ergriffen w u r d e n von jener Welterklärung, die nur i n den äußeren Erscheinungen das U m u n d A u f des Weltendaseins sehen w i l l . A b e r solche Geister konnten sich oft nicht der Illusion hingeben, daß m a n dann ungettöstet durch die W e l t gehen kann, wenn m a n hinschauen m u ß auf dieses Weltendasein, die Ü b e l betrachten m u ß - u n d nicht aufblicken kann zu einer geistigen Welt, i n welcher sich die Übel rechtfertigen, wie w i r gesehen haben. 48

E i n Geist, der ganz, i c h m ö c h t e sagen, die Tragik des Materialismus durchmachte, trotzdem et nicht selbei Materialist geworden ist, war Philipp Mainländer, der 1841 geboren ist. 2 1 M a n kann i h n , wenn m a n die D i n g e äußerlich betrachtet, einen Nachfolger Schopenhauers nennen. Z u einer eigenartigen Weltanschauung kam Mainländer. E r war i m gewissen Sinne ein tiefer Geist, aber ein K i n d seiner Z e i t , das also nur hinschauen konnte auf das, was die W e l t materiell darbietet. N u n wirkte ja, darüber soll m a n sich nicht täuschen, dieser Materialismus gerade auf die besten Seelen ungeheuer gefangennehmend. Ja, die Menschen, die sich nicht u m das k ü m m e r n , was die Z e i t u n d ihr Geist bieten, die egoistisch dahinleben i n einem religiösen Bekenntnis, das ihnen einmal lieb geworden ist, die «religiösesten» Leute sind manchmal i n diesem Punkte die alleregoistischsten; jedes Hinausgehen über die D i n g e , i n die sie sich eingelebt haben, lehnen sie ab, k ü m m e r n sich nicht u m anderes, als ihnen bekannt ist. M a n kann i m m e r wieder,wenn m a n auf die Tragik unzähliger Menschen hinweist, die A n t w o r t bekommen: Ja, k a n n denn nicht das alte C h r i s t e n t u m die Seelen viel besser befriedigen als eure Geisteswissenschaft? Solche Fragen stellen Geister, die nicht mitgehen m i t der Z e i t u n d sich intolerant auflehnen gegen alles, was z u m H e i l der Menschheit i n die K u l tutentwickelung eindringen soll. P h i l i p p M a i n l ä n d e i schaute h i n auf das, was i h m die äußere Wissenschaft, was i h m unsere Zeit von ihrem materialistischen Gesichtspunkte aus zu sagen wußte, u n d da konnte er eben n u r finden die übelvolle W e l t u n d den M e n s c h e n , mit dem Bösen veranlagt. E r konnte es nicht ableugnen,daß der D r u c k dieser neueren Weltanschauung so statk ist, d a ß er die Seele verhindert, z u einer geistigen Welt hinaufzuschauen. D e n n wollen w i r es uns hier n u r nicht verhehlen: w a r u m k o m m e n denn heute sowenig M e n s c h e n zur Geisteswissenschaft? Das ist deshalb, weil der D r u c k der Vorurteile des Materialismus oder, wie man es heute nobler nennt, des M o n i s m u s so stark ist, daß er die Seelen verfinstert, u m i n die geistigen Welten einzudringen. W e n n m a n die 49

Seelen u n a b h ä n g i g sich selber überließe u n d nicht durch die materialistischen Vorurteile betäubte, so würden sie sicher zur G e i steswissenschaft k o m m e n . A b e r der D r u c k ist groß, u n d erst v o n unserer Z e i t an k a n n man sagen: Es ist die Epoche herangerückt, i n welcher m a n m i t einiger Aussicht Geisteswissenschaft vor den M e n s c h e n vertreten kann, weil die Sehnsucht der Seelen so stark geworden ist, d a ß die Geisteswissenschaft ein Echo i n den Seelen finden m u ß . In dem zweiten u n d dritten D r i t t e l des neunzehnten Jahrhunderts konnte dieses E c h o nicht vorhanden sein. D a war der D r u c k des Materialismus so stark, daß selbst eine so sehr z u m Geiste hinstrebende Seele wie diejenige P h i l i p p Mainländers niedergehalten wurde. U n d da k a m er denn z u einer eigenartigen Anschauung, z u der Anschauung: i n der gegenwärtigen W e l t finde man allerdings kein Geistiges.Wir haben i n Mainländer i m neunzehnten Jahrhundert einen Geist vor uns, der n u r deshalb keinen großen E i n d r u c k auf die Zeitgenossen gemacht hat, weil der Geist des neunzehnten Jahrhunderts, trotz der großen Fortschritte auf materiellem Gebiete, ein oberflächlicher Geist war. Aber was die Seele i m neunzehnten Jahrhundert fühlen m u ß t e , das hat Mainländer, selbst w e n n er allein stand, gefühlt, weil er gewissermaßen der Weise war gegenüber denj enigen, die sich wie i n einer geistigen O h n m a c h t über das hinwegsetzten, was die Seelen i n einer materialistischen oder monistischen W e l t a n schauung unbefriedigt lassen m u ß . M a n braucht nicht die etwas dicken B ä n d e der «Philosophie der Erlösung» Mainländers sich vorzunehmen, sondern nur das verhältnismäßig recht gute B ü c h lein von Max Seiling, u m sich v o n dem zu unterrichten, was ich jetzt sage. 2 2 P h i l i p p M a i n l ä n d e r sah also i n die W e l t hinaus, u n d er konnte sie unter dem D r u c k des Materialismus nur so sehen, wie sie sich den Sinnen u n d dem Verstände darstellt. A b e r er m u ß t e eine geistige W e l t voraussetzen. Sie ist aber nicht da, sagte er sich; die Sinneswelt m u ß aus sich selbst erklärt werden. U n d n u n k o m m t er z u der Anschauung, daß die geistige W e l t der unsrigen vorangegangen ist, d a ß es einst ein geistig-götdiches 50

Dasein gegeben hat, d a ß unsere Seele i n einem geistig-göttlichen Dasein d r i n n e n war, d a ß das göttliche Dasein aus einem früheren Sein i n uns übergegangen ist, u n d d a ß unsere W e l t n u r da sein k a n n , weil G o t t gestorben ist, bevor diese geistige W e l t vor uns hingestorben ist. So sieht M a i n l ä n d e r eine geistige Welt, aber nicht i n unserer W e l t ; sondern i n unserer W e l t sieht er nur den m i t dem Ü b e l u n d dem Bösen beladenen L e i c h n a m , der nur da sein kann, damit er seiner V e r n i c h t u n g übergeben w i r d , damit das, was dazu geführt hat, G o t t u n d seine Geisteswelt z u m Absterben z u bringen, zuletzt auch n o c h i m Zugrundegehen des Leichnams i n das Nichtsein treten k ö n n e . - M ö g e n M o n i s t e n oder andere D e n k e r darüber mehr oder weniger lächeln; wer sich aber auf die menschliche Seele besser versteht u n d weiß, wie Weltanschauung inneres Schicksal der Seele werden k a n n , wie die ganze Seele die Nuance der Weltanschauung annehmen k a n n , der weiß, was ein M e n s c h erleben m u ß t e , der, wie Mainländer, die geistige W e l t i n eine Vorzeit versetzen m u ß te u n d i n der gegenwärtigen W e l t nur den materiell zurückgebliebenen L e i c h n a m derselben sehen konnte. U m m i t den Ü b e l n dieser W e l t fertig z u werden, hat M a i n l ä n d e r zu einer solchen Weltanschauung gegriffen. D a ß er mehr d r i n n e n war i n dieser seiner Weltanschauung als Schopenhauer oder Nietzsche, als Bahnsen 15 oder E d u a r d v o n H a r t m a n n , das sehen w i r daran, daß i h m i n dem Augenblicke seines fünfunddreißigsten Jahres, als er seine «Philosophie der Erlösung» beendet hatte, der G e danke k a m : D e i n e Kraft w i r d jetzt leiblos gebraucht, damit d u das, was dir zur Erlösung der Menschheit erscheint, schneller förderst, als wenn d u nach der M i t t e des Lebens den Leib n o c h benutzest. D a ß M a i n l ä n d e r es m i t seiner Weltanschauung i m tiefsten Ernste meinte, zeigt sich daraus, daß er, als er zu diesem Gedanken kam: D u nutzest jetzt mehr, w e n n d u deine Kraft ausgießest i n die W e l t u n d nicht auf deinen Leib konzentrierst, w i r k l i c h die Konsequenz gezogen hat, die Schopenhauer u n d die anderen nicht gezogen haben, u n d durch Selbstmord, u n d zwar Selbstmord aus Ü b e r z e u g u n g , starb. 51

M ö g e n Philosophen u n d andere über ein solches Menschenschicksal hinwegschauen: für unsere Zeit ist ein solches Menschenschicksal doch unendlich bedeutsam, weil es uns zeigt, wie die Seele leben m u ß , die w i r k l i c h z u ihren Tiefen vordringen k a n n , zu dem, was als die Sehnsucht i n unserer Z e i t wieder erstehen k a n n — wie die Seele leben kann, die dem Problem des Bösen u n d des Übels i n der W e l t gegenübersteht, u n d keinen A u s b l i c k hat i n die Welt, w o sich geistiges L i c h t ausbreitet u n d den S i n n des Bösen u n d des Ü b e l s erleuchtet. Es war notwendig, daß die menschliche Seele eine Zeitlang die materialistischen Fähigkeiten entwickelte. M a n w i r d i n einer gewissen Z u k u n f t das geistige Leben auch, i c h m ö c h t e sagen, unter «psycho-biologische Gesichtspunkte» stellen, Gesichtspunkte des Seelenlebens, u n d sich klar werden, daß, nur ins Geistige heraufgehoben, für das Menschenwesen das gilt, was wie i n einem physischen A b b i l d e unten, bei tierischen Wesen z u m Beispiel, erscheint. Gewisse tierische Wesen k ö n n e n lange h u n gern u n d hungern auch lange. Kaulquappen z u m Beispiel k a n n m a n durch längeres H u n g e r n dazu bringen, daß sie schnell die Gestalt i n Frösche umwandeln. Ähnliche Verhältnisse zeigen sich bei gewissen Fischen bei längerem H u n g e r n , weil dann Rückbildungsprozesse eintreten, die sie fähig machen, das auszuführen, was sie auszuführen haben; sie hungern, weil sie die Kräfte, welche sie sonst i n die Nahrungsaufnahme hineinnehmen, zurücknehmen, u m eben andere Formen auszubilden. Das ist ein B i l d , das sich auf die Menschenseele anwenden läßt: D u r c h Jahrhunderte hat sie eine Zeit durchlebt, w o m a n i m m e r v o n den «Grenzen menschlicher Erkenntnis» gesprochen hat; u n d selbst viele, die heute glauben spirituell zu denken, sind n o c h ganz den materialistischen Vorstellungen hingegeben — die man nur, weil m a n sich ihrer schämt, heute gern monistisch nennt - , u n d selbst Philosophen sind hingegeben dem G r u n d satz: Es k a n n die menschliche Erkenntnis nicht anders als H a l t machen, w o sie gerade vor den größten Rätseln steht. D i e Fähigkeiten, die zu dem allen führten, mußten eine Zeitlang

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ausgebildet werden; das heißt die Menschheit m u ß t e eine Z e i t geistiger Aushungerung durchmachen. Dies war die Z e i t des Heraufkommens des Materialismus. D i e Kräfte aber, die dad u r c h i n den Seelen zurückgehalten w u r d e n , sie werden n u n nach einem psycho-biologischen Gesetz die Menschenseele dazu führen, den W e g i n die geistigen W e l t e n h i n e i n z u suchen. Ja, finden w i r d m a n , d a ß das menschliche G r ü b e l n die F o r m annehmen mußte, wie sie uns bei M a i n l ä n d e r entgegentritt, der nicht mehr die geistige W e l t i n der physischen W e l t finden konnte, weil sie i h m der Materialismus genommen hatte, u n d der daher vor der physischen Welt stehen bleiben mußte, dabei nur den Fehler machte z u übersehen, daß das, was unserer W e l t vorliegt, uns doch die MögÜchkeit gibt, i n unserer Seele etwas aufzufinden, was ebenso i n die Z u k u n f t verweist wie die äußere W e l t i n die Vergangenheit weist. D e n n nicht z u leugnen ist es, daß Mainländer i n einem gewissen Sinne recht hatte: d a ß das, was unsere W e l t ringsherum darbietet, die Reste einer ursprünglichen E n t w i c k e l u n g sind. Selbst die gegenwärtigen Geologen m ü s s e n heute schon zugeben, daß wir, i n d e m w i r über die Erde wandeln, über einen L e i c h n a m hinwegschreiten. A b e r was M a i n l ä n d e r n o c h nicht zeigen konnte, das ist, d a ß wir, i n d e m w i r über einen L e i c h n a m schreiten, zugleich i n unserem Innern etwas entwickeln, was geradeso K e i m ist für die Z u k u n f t , wie das, was u m uns herum ist, Hinterlassenschaft der Vergangenheit ist. U n d i n d e m w i r a u f das blicken, was die Geisteswissenschaft der einzelnen Seele ist, kann i n uns Wiederaufleben, worauf Mainländer n o c h nicht schauen konnte, u n d daher verzweifeln m u ß t e . So stehen w i r an der Grenzscheide zweier Zeitalter: des Zeitalters des Materialismus u n d desjenigen der Geisteswissenschaft. U n d vielleicht k a n n uns nichts so sehr i n populärer F o r m beweisen, wie wir, w e n n w i r unsere Seele recht verstehen, dem spirituellen Zeitalter der Z u k u n f t entgegenleben müssen, als die Betrachtung des Ü b e l s u n d des Bösen, w e n n w i r den B l i c k i n die lichten H ö h e n der Geisteswelt hinaufwenden k ö n n e n . O f t habe 53

ich gesagt, daß man sich m i t solchen Betrachtungen i m E i n klänge fühlt m i t den besten Geistern aller Zeiten, die ersehnt haben, wie i n i m m e r klarerer Weise die Menschheit gegen die Z u k u n f t h i n leben müsse. W e n n n u n ein solcher Geist, m i t dem man sich i n vollem Einklänge fühlt, gegenüber der äußeren Sinneswelt einen Ausspruch getan hat, der wie ein A p p e l l an eine geistige Erkenntnis ist, so dürfen w i r auch damit zusammenfassen, was heute an unsere Seele hat herantreten k ö n n e n , u n d dieses als eine A r t U m w a n d l u n g eines solchen Ausspruches anführen. Goethehat i n seinem «Faust» etwas sagen lassen, was zeigt, wie der M e n s c h v o n dem Geiste a b k o m m e n kann. Paradigmatisch zusammengefaßr i n einen schönen Spruch ist das Fernstehen des Menschen gegenüber der geistigen Welt i n den W o t t e n : Wer w i l l was Lebendigs erkennen u n d beschreiben, Sucht erst den Geist herauszutteiben, D a n n hat er die Teile i n seiner H a n d , Fehlt, leider! nur das geistige B a n d . 2 4 So ist es gewissermaßen gegenüber aller Erkenntnis der W e l t . Das Schicksal der Menschheit war es, durch einige Jahrhunderte hindurch sich den Teilen zu w i d m e n . Immer mehr und mehr w i r d m a n es aber nicht bloß als einen theoretischen M a n g e l , sondern als eine Tragik det Seele empfinden, daß das geistige B a n d fehlt. Deshalb m u ß der Geistesforscher i n den Seelen heute überall erblicken, was die meisten Seelen n o c h nicht selber wissen: die Sehnsucht nach der geistigen Welt. U n d w e n n man so etwas ins Auge faßt, wie es die Beleuchtung der N a t u r des Übels u n d des Bösen ist, so k a n n man vielleicht den Goetheschen Ausspruch erweitern, i n d e m man wie eine Z u s a m m e n fassung des Gesagten das Folgende n i m m t . Goethe meinte, wer nach einer Weltanschauung stieben w i l l , der darf sich nicht nur an die Teile halten, sondern m u ß vor allem auf das geistige Band sehen. Derjenige aber, der sich so bedeutsamen Lebensfragen nähert, wie es die Rätsel des Übels 54

u n d des Bösen sind, der darf aus geisteswissenschaftlichen Untergründen heraus sagen, seine Ü b e r z e u g u n g empfindungsg e m ä ß zusammenfassend: D e r löst der Seele Rätsel nicht, D e r verweilt i m bloßen Sinneslicht; W e r das Leben w i l l verstehen, M u ß nach Geisteshöhen streben!

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Das Gute als schöpferisches, das Böse als todbringendes Prinzip

W i r sind gestern 2 5 angelangt bei der Bettachtung jenes Seelenzustandes, den w i r als die Ergebung bezeichneten u n d der uns erschien als der zunächst höchste der Seelenzustände, die erreicht werden m ü s s e n , w e n n D e n k e n , w e n n das, was man i m gewöhnlichen S i n n Erkenntnis nennt, i n die W i r k l i c h k e i t eintreten soll, w e n n es mit der W i r k l i c h k e i t , m i t dem wahthaft W i r k l i c h e n etwas zu tun haben soll. M i t anderen W o r t e n : ein D e n k e n , das sich ethoben hat zu den Seelenzuständen, w o w i r uns zuerst angeeignet haben das Staunen, dann dasjenige, was wir verehrende Hingabe an die W e l t des W i r k l i c h e n nennen, dann das, was w i r nennen sich i n weisheitsvollem E i n k l a n g wissen m i t den Welterscheinungen. E i n D e n k e n , welches sich nicht dann auch n o c h i n jene Region erheben k ö n n t e , die i n dem Seelenzustand der Ergebung charakterisiert ist, ein solches D e n k e n könnte nicht z u m W i r k l i c h e n k o m m e n . N u n , diese Ergebung, sie ist eigendich nur dadurch z u erringen, daß m a n i n ganz energischer Weise versucht, sich das Unmaßgebliche des bloßen Denkens i m m e r wieder u n d wiederum vor A u g e n zu führen, u n d daß man sich ferner b e m ü h t , eine S t i m m u n g i m m e r reger u n d energischer zu machen, die uns unaufhörlich sagt: D u sollst gar nicht v o n deinem D e n k e n erwarten, daß es d i r Erkenntnisse des Wahren geben kann, sondern d u sollst von deinem D e n k e n zunächst bloß erwarten, d a ß es d i c h erzieht. Das ist außerordentlich wichtig, daß w i r diese S t i m m u n g i n uns entwickeln, daß uns unser D e n k e n erzieht. Sehen Sie, wenn Sie diesen Grundsatz w i r k l i c h praktisch durchführen, dann werden Sie i n einer ganz anderen Weise über mancherlei hinauskommen, als m a n gewöhnlich glaubt, daß m a n hinauskommen müsse. 56

Ich glaube es ja gerne, daß nicht viele v o n Ihnen gründlich den Philosophen Kant studiert haben. Das ist auch nicht notwendig. Es braucht zunächst ja hier n u r gesagt zu werden, daß Sie i n Kants bedeutendster, bahnbrechendster Schrift, i n der «Kritik der reinen Vernunft», 2 6 den Nachweis immer geführt finden auf der einen Seite fiir u n d auf der andern Seite gegen. N e h m e n w i t einen Satz, z u m Beispiel: die W e l t habe einmal i n der Z e i t einen A n f a n g genommen, dann setzt K a n t auf der andern Seite desselben Blattes vielleicht den Satz: die W e l t habe i m m e r bestanden v o n Ewigkeit her. U n d für diese beiden Sätze, von denen man ja leicht einsehen k a n n , daß sie das gerade Gegenteil einer v o n dem andern z u m A u s d r u c k bringen, da bringt er gültige Beweise sowohl für den einen Satz wie für den andern. Das heißt: er beweist i n derselben A r t , daß die W e l t einen A n f a n g genommen habe, u n d dann, daß sie keinen A n fang genommen habe. K a n t nennt dies A n t i n o m i e n u n d w i l l dadurch die Begrenztheit des menschlichen Erkenntnisvermögens dartun, w i l l zeigen, daß der M e n s c h notwendigerweise zu solchen einander widersprechenden Beweisführungen k o m m e n müsse. Ja, solange m a n die M e i n u n g hat, daß m a n dutch D e n ken oder Verarbeiten v o n Begriffen oder, sagen wir, denkendes Verarbeiten von Erfahrungen zur Wahrheit, das heißt zur Übereinstimmung m i t irgendeiner objektiven W i r k l i c h k e i t k o m m e n soll, solange m a n sich dieser M e i n u n g hingibt, solange ist es tatsächlich eine recht schlimme Sache, w e n n einem gezeigt w i r d , wie m a n das eine beweisen k a n n u n d auch das genaue Gegenteil beweisen k a n n . D e n n wie soll m a n da durch die Beweise zur W i r k l i c h k e i t k o m m e n ! W e n n m a n sich aber erzogen hat dazu, daß das D e n k e n überhaupt gerade da, wo die entscheidenden D i n g e i n Betracht k o m m e n , nichts entscheidet über das W i t k l i c h e , w e n n man sich energisch dazu erzogen hat, das D e n k e n bloß aufzufassen als M i t t e l , u m weiser zu werden, als ein M i t t e l , seine Selbsterziehung zur Weisheit i n die H a n d zu nehmen, dann stört das nicht, daß das eine M a l das eine u n d dann das andere bewiesen werden k a n n . D e n n dann merkt m a n

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sehr bald, daß gerade dadurch, daß einem i n bezug auf die Verarbeitung der Begriffe eigendich die W i r k l i c h k e i t gar nichts anhaben k a n n , m a n i n det freiesten Weise innerhalb der Begriffe u n d der Ideen arbeiten u n d sich erziehen kann. W ü r d e m a n fortwährend v o n der W i r k l i c h k e i t korrigiert werden, dann würde m a n i n der Verarbeitung der Begriffe kein freies Selbsterziehungsmittel haben. Bedenken Sie das w o h l , daß w i r n u r dadurch i n dem Verarbeiten unserer Begriffe ein wirksames, freies Selbsterziehungsmittel haben, daß w i r niemals durch die W i r k lichkeit gestört werden i n dem freien Verarbeiten der Begriffe. Was heißt das: w i r werden nicht gestört ? Ja, was wäre denn eigentlich eine solche S t ö r u n g durch die W i r k l i c h k e i t i m freien Verarbeiten der Begriffe? E i n e solche S t ö r u n g k ö n n e n w i r uns ein wenig vor die Seele führen, w e n n w i r zunächst einmal rein hypothetisch - w i r werden später n o c h sehen, daß das für uns nicht hypothetisch zu bleiben braucht — unserem menschlichen D e n k e n das göttliche D e n k e n gegenüberstellen. D a k ö n n e n w i r sagen: Das göttliche D e n k e n , v o n dem k ö n n e n w i r uns zunächst nicht den Begriff bilden, daß es auch nichts zu t u n habe m i t dem W i r k l i c h e n , sondern v o n dem g ö t d i c h e n D e n k e n - nehmen w i r es zunächst also nur hypothetisch an - k ö n n e n w i r uns nur den Begriff bilden, daß es w o h l eingreift i n die W i r k l i c h k e i t . N u n , daraus folgt aber nichts Geringeres als das: W e n n der M e n s c h einen Fehler macht i n seinem D e n k e n , so ist es ein Fehler, so ist es nicht weiter s c h l i m m , denn es ist ein bloßer Fehler, sozusagen ein logischer Fehler. U n d wenn der M e n s c h später dann d a r a u f k o m m t , daß er einen Fehler gemacht hat, so kann er i h n korrigieren u n d er hat damit etwas getan z u seiner Selbsterkenntnis, er hat sich weiser gemacht. A b e r nehmen w i r das götdiche D e n k e n : Ja, w e n n das göttliche D e n k e n richtig denkt, dann geschieht etwas, u n d w e n n es falsch denkt, d a n n w i r d etwas zerstört, etwas vernichtet. W ü r d e n w i r also ein göttliches D e n k e n haben, dann würden w i r bei jedem falschen Begriff, den w i r fassen, sogleich einen Vernichtungsprozeß hervorrufen, zunächst i n unserem astralischen Leib, dann i n unserem 58

Ätherleib u n d v o n da aus auch i n unserem physischen Leib, u n d die Folge eines falschen Begriffes w ü r d e sein - w e n n w i r ein wirksames göttliches D e n k e n hätten, w e n n unser D e n k e n m i t der W i r k l i c h k e i t etwas zu t u n hätte —, daß w i r sozusagen etwas hervorriefen i n unserem Innern wie einen kleinen Vertrocknungsprozeß i n irgendeinem Teile unseres Leibes, einen Verknöcherungsprozeß. N u n , da dürfen w i r wahrhaftig recht wenig Fehler machen, denn der M e n s c h würde sehr bald so viele Fehler gemacht haben, daß er seinen Leib dürr gemacht hätte, so daß er vollständig zerfallen würde, er w ü r d e i h n sehr bald zerm ü r b t haben, w e n n er umgesetzt hätte i n die W i r k l i c h k e i t , was Fehler i n seinem D e n k e n waren. W r erhalten uns tatsächlich nur dadurch i n der W i r k l i c h k e i t , daß unser D e n k e n nicht eingreift i n diese W i r k l i c h k e i t , daß wir bewahrt sind vor dem E i n greifen unseres Denkens i n die W i r k l i c h k e i t . U n d so k ö n n e n w i r Fehler über Fehler machen i n unserem D e n k e n : w e n n w i r diese Fehler später korrigieren, so haben w i r uns selbst erzogen, wir sind weiser geworden, aber w i r haben nicht gleich verheerende W i r k u n g e n angerichtet m i t unseren Fehlern. W e n n w i r uns immer mehr u n d mehr durchdringen von der moralischen Kraft eines solchen Gedankens, dann k o m m e n w i r z u jener Ergebung, die uns endlich dazu bringt, gar nicht mehi, u m über äußere D i n g e etwas z u erfahren, an den entscheidenden Pu nk ten des Lebens das D e n k e n anzuwenden. Das klingt sonderbar, nicht wahr, u n d es scheint zunächst, wie wenn es unmöglich wäre, überhaupt so etwas auszuführen. U n d dennoch: w i r k ö n n e n es zwar nicht absolut ausführen, aber w i r können es i n einer gewissen Beziehung ausführen. W i e w i r schon einmal geartet sind als Menschen, k ö n n e n w i r uns ja i n der W e l t nicht ganz das Urteilen über die D i n g e abgewöhnen; w i r müssen urteilen — w i r werden i n diesen Vorträgen n o c h sehen, w a r u m - , das heißt, w i r m ü s s e n etwas tun z u m Leben, zur Lebenspraxis, was eigentlich w i r k l i c h nicht vordringt bis zu den Tiefen der W i r k l i c h k e i t . W i r m ü s s e n also schon urteilen, aber w i r sollten allem Urteilen gegenüber durch eine weise 59

Selbsterziehung i n uns bewirken Vorsicht i m Fürwahrhalten dessen, was w i r urteilen. W i r sollten uns unausgesetzt b e m ü h e n , sozusagen uns über die Schulter z u schauen u n d uns klarzumachen, daß wir, w o w i r unseren Scharfsinn anwenden, i m G r u n de genommen überall i m Unsicheren tappen, überall irren k ö n nen. Das trifft hart die Sicherlinge des Lebens, welche überhaupt nicht mehr recht fortzukommen glauben, w e n n sie daran zweifeln m ü s s e n , daß das, was sie anheften als ihr U r t e i l an ein jegliches Ereignis, an ein jegliches Geschehnis, m a ß g e b e n d sein soll für sie. Beobachten w i r n u r einmal das Leben vieler M e n schen, ob sie n i c h t als das Wichtigste eigendich ansehen, überall zu sagen, w e n n das oder jenes auftritt: Ich glaube aber das, i c h glaube aber jenes, oder wenn sie etwas sehen: Das gefällt m i r nicht, das gefällt m i r u n d so weiter. Das sind die D i n g e , die m a n , w e n n m a n nicht z u den Sicherlingen des Lebens gehören w i l l , sich a b g e w ö h n e n m u ß , a b g e w ö h n e n m u ß dann, w e n n m a n m i t seinem Seelenleben der W i r k l i c h k e i t zusteuert. A l s o u m das E n t w i c k e l n einer solchen G e s i n n u n g handelt es sich, die sich etwa m i t folgenden W o r t e n charakterisieren läßt: N u n ja, ich m u ß eben leben, deshalb m u ß i c h urteilen; daher werde i c h m i c h des Urteilens bedienen, insofern die Lebenspraxis das notwendig macht, aber nicht insofern i c h Wahrheit erkennen w i l l . Insofern i c h Wahrheit erkennen w i l l , werde i c h m i r i m m e r sorgfältig über die Schulter schauen u n d i m m e r m i t gewissem Z w e i fel ein jegliches U r t e i l , das i c h fälle, aufnehmen. Ja, wie sollen w i r dann überhaupt z u irgendeinem Gedanken über die W a h r h e i t k o m m e n , w e n n w i r n u n nicht urteilen sollen? N u n , es ist i n gewisser Beziehung schon gestern angedeutet worden: W i r sollen die D i n g e reden lassen, i m m e r mehr u n d mehr passiv uns z u den D i n g e n verhalten u n d die D i n g e ihre Geheimnisse aussprechen lassen. Es würde ja vieles vermieden werden, w e n n die Menschen nicht urteilen würden, sondern die D i n g e ihre Geheimnisse aussprechen lassen würden. I n einer wunderbaren Weise kann man lernen dieses Aussprechenlassen der Geheimnisse der D i n g e bei Goethe, der eigentlich geradezu 60

da, w o er forschen w i l l über die Wahrheit, sich verbietet z u urteilen u n d die D i n g e selber ihre Geheimnisse aussprechen lassen w i l l . N e h m e n w i r einmal an, der eine M e n s c h urteilte, der andere ließe die D i n g e selbst ihre Geheimnisse aussprechen. W i r k ö n n e n das an einem konkreten Beispiel anschaulich machen: D e r eine urteilt, er sieht einen W o l f , sagen wir, u n d n u n beschreibt er den W o l f . E r findet, daß es n o c h andere Tiere gibt, die auch so aussehen wie dieser W o l f , u n d k o m m t z u dem allgemeinen Begriff des Wolfes auf diese Weise. U n d n u n k a n n ein solcher M e n s c h z u folgendem Urteil k o m m e n . E r k a n n sagen: Ja, i n W i r k l i c h k e i t sind nur einzelne W ö l f e vorhanden. D e n allgemeinen Begriff des Wolfes, den bilde i c h m i r i n m e i n e m Geiste, der W o l f als solcher ist nicht vorhanden; es sind nur einzelne W ö l f e vorhanden i n der W e l t . — E i n solcher M e n s c h w i r d leicht das U r t e i l fällen, m a n habe es n u r m i t Einzelwesen zu t u n , u n d das, was m a n i m allgemeinen Begriff, i n der Idee hat, dieses allgemeine B i l d des Wolfes, das sei nichts W i t k l i c h e s . Das würde i m eminentesten Sinne ein bloß urteilender M e n s c h sein, der solche Vorstellungen sich bildet. E i n M e n s c h aber, der die W i r k l i c h k e i t sprechen läßt, wie w i r d der über jenes Unsichtbare des Wolfes denken, das m a n i n jedem W o l f findet, das alle W ö l f e zugleich charakterisiert? N u n , der würde ungefähr so sagen: Ich vergleiche einmal ein L a m m m i t einem W o l f , oder eine A n z a h l v o n L ä m m e r n m i t einem W o l f . Ich w i l l jetzt gar nicht urteilen, sondern w i l l lediglich die Tatsachen sprechen lassen. Ja, nehmen w i r an, es spielte sich die Tatsache so recht anschaulich vor diesem M e n s c h e n ab: der W o l f frißt die L ä m m e r . Das wäre recht anschaulich. D a w ü r d e der Betreffende sagen: Ja, n u n ist dasjenige, was früher als L a m m herumgesprungen ist, i m W o l f u n d ist i m W o l f aufgegangen. A b e r es ist sehr merkwürdig, daß gerade dieses Anschauen der D i n g e zeigt, wie real das ist, was Wolfsnatur ist. D e n n das, nicht wahr, was m a n äußerlich verfolgen k ö n n t e , das k ö n n t e zu dem U r t e i l führen: W e n n der W o l f n u n abgesperrt w i r d v o n aller übrigen N a h r u n g u n d lauter L ä m m e r frißt nach u n d nach, so 61

m u ß ja, weil der Stoffwechsel das m i t sich bringt, der W o l f nach u n d nach den Stoff von lauter L ä m m e r n i n sich haben. Tatsächlich w i r d er aber nie ein L a m m , er bleibt ein W o l f . Das zeigt ganz anschaulich, w e n n w i r richtig urteilen, daß da das M a t e r i elle nicht bloß durch einen unrealen Begriff eingefangen w i r d i m W o l f . W e n n w i r uns unterrichten lassen, was uns die äußere Tatsachenwelt gibt, so zeigt sie uns, daß außer dem, was w i r vor uns haben als Materielles i m Wolf, dieser W o l f noch über dies Materielle hinaus etwas ganz W i r k l i c h e s ist, daß also das, was man da nicht sieht, etwas höchst W i r k l i c h e s ist. D e n n das, was nicht i m Stofflichen aufgeht, das bewirkt gerade, daß der W o l f , wenn er lauter L ä m m e r frißt, kein L a m m w i r d , sondern eben ein W o l f bleibt. Das rein Sinnliche ist aus den L ä m m e r n i n den W o l f hinübergegangen. Es ist schwierig, sich ganz klarzumachen, welcher Unterschied zwischen Urteilen u n d Sichunterrichtenlassen von der W i r k lichkeit besteht; aber wenn m a n dieses erfaßt hat u n d dann das Urteilen n u r verwendet für die Zwecke des praktischen Lebens, u n d das Sichunterrichtenlassen v o n den D i n g e n verwendet, u m an die W i r k l i c h k e i t heranzukommen, dann gelangt m a n allmählich i n die S t i m m u n g h i n e i n , die uns sagt, was Ergebung ist. Ergebung ist eben jene Seelenverfassung, die nicht v o n sich aus die Wahrheit erforschen w i l l , sondern die alle Wahrheit v o n det Offenbarung erwartet, die aus den D i n g e n strömt, u n d die warten kann, bis sie reif ist, diese oder jene Offenbarung zu empfangen. Das U r t e i l w i l l auf jeder Stufe z u der Wahrheit k o m m e n . D i e Ergebung, die arbeitet nicht, u m i n diese oder jene W a h r heiten m i t Gewalt einzudringen, sondern sie arbeitet an sich, an der Selbsterziehung, u n d wartet r u h i g ab, bis auf einer bestimmten Stufe der Reife die Wahrheit durch die Offenbarungen aus den D i n g e n einströmt, uns ganz durchdringend. Arbeiten m i t G e d u l d , die i n weiser Selbsterziehung uns weiter u n d weiter bringen w i l l - das ist die S t i m m u n g der Ergebung. N u n handelt es sich darum, daß w i r uns die Früchte dieser Ergebung vor die Seele führen. Was erlangen w i r dadurch, daß 62

w i r m i t unserem D e n k e n fortgeschritten sind v o m Staunen durch die Verehrung, d u r c h das Sichfuhlen i n weisheitsvollem E i n k l a n g m i t der W i r k l i c h k e i t , i n die Seelenverfassung der E r gebung, was erlangen w i r dadurch? D a d u r c h erlangen w i r z u m Schluß dieses: W e n n w i r n u n hingehen, die Pflanzenwelt i n ihrer G r i i n h e i t u n d i n ihren wechselnden Blütenfarben u n d sonstiges betrachten, das Firmament betrachten i n seiner B l a u heit, die Sterne betrachten i n ihrem Goldglanz, ohne n u n v o n innen heraus z u urteilen, uns offenbaren lassend, was die D i n g e sind — w e n n w i r es z u dieser Ergebung gebracht haben, dann werden alle D i n g e für uns etwas ganz anderes, als sie vorher waren innerhalb der Sinneswelt, dann offenbart sich uns i n der Sinneswelt etwas, für das es kein anderes W o r t gibt als ein W o r t , das aus unserem Seelenleben selbst e n t n o m m e n ist. A l l e D i n g e offenbaren sich, u n d i c h m ö c h t e geradezu die Sinneswelt, wie sie vor uns auftritt, durch diese N i v e a u l i n i e charakterisieren (a-b, siehe Z e i c h n u n g Seite 70). N e h m e n Sie an, Sie stehen hier (c) vor der Sinneswelt, Sie schauen diese Sinneswelt an, die sich wie ein Schleier vor Ihnen ausbreitet. Das also, was i n dieser L i n i e hier (a-b) charakterisiert sein soll, das seien die T ö n e der Sinneswelt, die auf unser O h r wirken, die Farben u n d F o r m e n , die auf unser Auge w i r k e n , die G e r ü c h e u n d G e s c h m ä c k e , die auf unsere sonstigen Organe wirken, das sei H ä r t e u n d W e i c h heit usw., kurz das alles sei i n dieser L i n i e charakterisiert. Diese L i n i e sei die W e l t der Sinne. A l s o i m gewöhnlichen Leben, so wie w i r i n dieser Sinneswelt stehen, wenden w i r unsere Urteilskraft an. U n d w o d u r c h entstehen die äußeren Wissenschaften? D a d u r c h , d a ß die Wissenschaften herantreten an diese Sinneswelt, d a ß sie durch verschiedene M e t h o d e n sozusagen erforschen, was da i n den D i n g e n dieser Sinneswelt für Gesetze walten u n d dergleichen. W i r haben aus dem ganzen Geist der bisherigen Auseinandersetzungen gesehen, d a ß m a n dadurch nicht i n die Welt der W i r k l i c h k e i t h i n e i n k o m m t , weil das U r t e i len überhaupt kein F ü h l e r ist, sondern d a ß man durch die Erziehung des Denkens durch das Staunen, die Verehrung u n d 63

so weiter h i n d u r c h allein herandringen k a n n an die W e l t des W i r k l i c h e n . D a n n verändert sich das, was Sinneswelt ist, dann w i r d diese Sinneswelt zu etwas völlig N e u e m . Das ist wichtig, daß w i r an dieses Neue herankommen, w e n n w i r ü b e r h a u p t das Wesen der Sinneswelt erkennen wollen. N e h m e n w i r an, ein M e n s c h , der i n gewissem h o h e m Grade dieses Gefühl, diese Seelenverfassung der Ergebung entwickelt hat, er tritt entgegen, sagen wir, dem frischen, vollen G r ü n einer Wiese. Sie zeigt sich i h m zunächst, weil keine einzelnen Pflanzenfarben hervorstehen über das allgemeine G r ü n , sie zeigt sich i m allgemeinen frischen G r ü n . E i n solcher M e n s c h , der w i r k l i c h bis zu einem höheren Grade die Seelenverfassung der Ergebung ausgebildet hat, der w i r d gar nicht anders k ö n n e n , als, i n d e m er diese Wiese betrachtet, etwas z u empfinden, was i h n i n innerer Seelenstimmung eines gewissen Gleichgewichtes berührt — aber eines belebten Gleichgewichtes, so wie leises harmonisches, gleichmäßiges Wellenrieseln des Wassers. E r w i r d gar nicht anders k ö n n e n , als dieses B i l d vor seine Seele zu zaubern. U n d so, sagen wir, w i r d ein solcher M e n s c h nicht anders k ö n n e n , als empfinden bei jeglichem Geschmack, bei jeglichem G e r u c h i n seiner Seele so etwas wie eine innere Regsamkeit. Es gibt keine Farbe, keinen T o n , die nichts sagen, sondern alles sagt etwas u n d alles sagt so etwas, d a ß der M e n s c h die Notwendigkeit fühlt, m i t innerer Regsamkeit auf das Gesagte z u antworten - nicht m i t einem U r t e i l z u antworten, sondern m i t innerer Regsamkeit. K u r z , der M e n s c h k o m m t darauf, d a ß sich die ganze Sinneswelt für i h n entpuppt als etwas, was er nicht anders bezeichnen k a n n denn als W i l l e n . Alles ist strömender, waltender W i l l e , insofern wir der Sinneswelt entgegentreten. Das bitte ich Sie sehr w o h l zu fassen, daß derjenige, der i n einem höheren Grade die Ergeb u n g sich angeeignet hat, überall i n der Sinneswelt waltenden W i l l e n entdeckt. Daher verstehen Sie, daß für einen M e n s c h e n , der auch nur bis zu einem geringen Grade diese Ergebung i n sich ausgebildet hat, es so s c h l i m m ist, sagen wir, w e n n er irgendeine impertinente Modefarbe etwa auf der Straße sich 64

entgegenkommen sieht, weil er nicht andets kann, als diese innerlich regsam zu empfinden gegenüber all dem, was da draußen ist. E r ist i m m e r durch einen W i l l e n , den er i n allem empfindet, i n allem fühlt, m i t der ganzen W e l t verbunden. D a durch naht er sich dem W i r k l i c h e n , daß er verbunden ist durch den W i l l e n m i t allem, was Sinneswelt ist. U n d so w i r d das, was Sinneswelt ist, wie z u einem M e e r v o n i n der mannigfaltigsten Weise differenziertem W i l l e n . D a d u r c h aber w i r d dieses, was wir sonst wie ausgebreitet n u r fühlen, wie v o n einer gewissen D i c k e sein. W i r sehen gleichsam hinter die Oberfläche der D i n ge h i n , hören hinter sie u n d hören überall strömenden W i l l e n . Für diejenigen, die einmal Schopenhauer gelesen haben, bemerke i c h , daß Schopenhauer i n einseitiger Weise nur i n der T o n welt diesen waltenden W i l l e n geahnt hat; dahet beschreibt et die M u s i k überhaupt als sozusagen differenzierte Willenswirk u n g e n . 2 7 A b e r i n Wahrheit ist für den ergebenen Menschen alles i n der Sinneswelt waltender W i l l e . W e n n der M e n s c h dann gelernt hat, i n der Sinneswelt überall waltenden W i l l e n zu spüren, dann kann er n u n auch weiterdringen. D a n n k a n n er gleichsam durch die Sinneswelt h i n d u r c h i n die hinter der Sinneswelt befindlichen Geheimnisse dringen, die i h m sonst zunächst entzogen sind. U m das zu verstehen, was jetzt k o m m e n soll, müssen w i r uns zuerst die Frage aufwerfen: W o d u r c h wissen w i r denn überhaupt etwas von der Sinneswelt? N u n , die A n t w o r t ist einfach: durch unsere Sinne; durch das O h r von der Tonwelt, durch das Auge v o n der Farben- u n d Formenwelt u n d so weiter. W i r wissen durch unsere Sinnesorgane von der Sinneswelt. Derjenige M e n s c h , der zunächst i n der alltäglichen Weise dieser Sinneswelt gegenübersteht, der läßt diese auf sich wirken u n d urteilt. D e r ergebene M e n s c h , der läßt die Sinneswelt zunächst auf die Sinne wirken. D a n n aber fühlt er, wie v o n den D i n g e n waltender W i l l e zu i h m überströmt, wie er gleichsam schwimmt m i t den D i n g e n i n einem gemeinschaftlichen M e e r v o n waltendem W i l l e n . W e n n der M e n s c h diesen waltenden W i l l e n den 65

D i n g e n gegenüber fühlt, dann treibt i h n sozusagen seine E n t wickelung wie v o n selbst z u einer nächsthöheren Stufe. D a n n lernt er nämlich, weil er ja durchgemacht hat bis zu dieser Ergebung h i n die Vorstufen, die w i r genannt haben das Sich-inEinklang-Fühlen m i t der Weltenweisheit, die Verehrung, das Staunen, d a n n lernt er durch das H i n e i n w i r k e n dieser Z u s t ä n d e i n dem zuletzt erlangten Zustand der Ergebung die M ö g l i c h keit, n u n auch m i t seinem Ätherleib, m i t dem, was als Ätherleib hinter dem physischen Leib steht, m i t den D i n g e n gleichsam zusammenzuwachsen. In dem waltenden W i l l e n wächst der M e n s c h zunächst m i t seinen Sinnesotganen, das heißt m i t dem physischen Leib m i t den D i n g e n zusammen. W e n n w i r die D i n ge sehen, hören, riechen usw., dann w i r k t das so, daß w i r als ergebene M e n s c h e n den waltenden W i l l e n wie durch unser Auge, durch unser O h r i n uns einströmen, uns selber i n der Korrespondenz m i t den D i n g e n fühlen. A b e r hinter dem physischen Auge ist der Ätherleib des Auges u n d hinter dem physischen O h r der Ätherleib des Ohres. W i r sind ganz durchdrungen v o n unserem Ätherleib. So k a n n geradeso, wie der physische Leib durch den waltenden W i l l e n zusammenwächst m i t den D i n g e n der Sinneswelt, auch der Ätherleib m i t den D i n g e n zusammenwachsen. A b e r i n d e m der Äthetleib m i t den D i n g e n zusammenwächst, k o m m t über den Menschen eine ganz neue A r t der Anschauung. D i e Welt ist dann i n einem viel erheblicheren M a ß e verändert, als sie verändert ist dadurch, daß w i r v o n dem Sinnenschein vordringen z u m waltenden W i l l e n . D a k o m men w i r dazu, w e n n w i r m i t unserem Ätherleib sozusagen z u sammenwachsen m i t den D i n g e n , d a ß die D i n g e i n der Welt, wie sie dastehen, auf uns einen E i n d r u c k machen, so daß w i r sie i n unseren Vorstellungen, i n unseren Begriffen nicht so lassen können, wie sie sind, sondern sie verändern sich uns, i n d e m w i r m i t ihnen i n Beziehungen treten. N e h m e n Sie einmal einen solchen Menschen, der durch die Seelenverfassung der Ergebung gegangen ist. E r schaut sich, sagen wir, ein grünes, vollsaftiges Pflanzenblatt an u n d er 66

wendet n u n den Seelenblick auf dieses Blatt. D a n n kann er es n u n nicht so lassen, dieses grüne, vollsaftige Pflanzenblatt, sondern er fühlt i m M o m e n r , w o er es anschaut, daß es über sich selbst hinauswächst. E r fühlt, daß dieses grüne, vollsaftige Pflanzenblatt die Möglichkeit i n sich hat, etwas ganz anderes z u werden. W e n n Sie das grüne Pflanzenblatt nehmen, so wissen Sie, daß, w e n n es nach u n d nach i n die H ö h e wächst, daraus das farbige Blumenblatt w i r d . D i e ganze Pflanze ist eigentlich ein verwandeltes Blatt. 2 8 Das k ö n n e n Sie schon aus Goethes N a t u r forschung sich vor die Seele führen. K u r z , derjenige, der also ein Blatt ansieht, der sieht i m Blatt, daß das n o c h nicht fertig ist, daß es über sich hinaus w i l l , u n d er sieht mehr, als das grüne Blatt i h m gibt. E r w i r d durch das grüne Blatt so berührt, daß er i n sich selber etwas wie sprossendes Leben empfindet. So wächst er m i t dem grünen Pflanzenblatt zusammen u n d empfindet sprossendes Leben. N e h m e n w i r aber an, er sieht eine dürre Baumrinde an, dann kann er nicht anders m i t der dürren Baumrinde zusammenwachsen als dadurch, daß i h n etwas überk o m m t wie Todesstimmung. E r sieht weniger i n der dürren Baumrinde, als sie i n W i r k l i c h k e i t darstellt. Derjenige, der n u r dem Sinnenschein nach die R i n d e ansieht, der k a n n sie bewundern, sie kann i h m gefallen, jedenfalls sieht er nicht das Zusammenschrumpfende, das i n der Seele sich gleichsam Spießende, das die Seele wie m i t Todesgedanken Erfüllende der abgestorbenen Baumrinde gegenüber. Es gibt kein D i n g i n der Welt, dem gegenüber bei einem solchen Zusammenwachsen des Ätherleibes m i t den D i n g e n nicht entstehen würden überall Gefühle des Wachsens, des Werdens, des Sprossens oder aber Gefühle des Vergehens, der Verwesung. So schaut m a n i n die D i n g e hinein. N e h m e n w i r z u m Beispiel an, m a n richtet als solch ergebener M e n s c h , der sich dann weiter erzieht, den S i n n auf den menschlichen K e h l k o p f i n irgendeiner Weise, dann erscheint einem der menschliche K e h l k o p f i n einer merkwürdigen Weise wie ein O r g a n , das ganz i m A n f a n g des Werdens ist, das eine große Z u k u n f t vor sich hat, u n d m a n 67

empfindet es unmittelbar durch das, was der K e h l k o p f selber als seine Wahrheit ausspricht, daß er wie ein Same ist, nicht wie eine Frucht oder wie etwas Abdorrendes, sondern wie ein Same. U n d es m u ß einmal — das weiß m a n unmittelbar durch das, was der K e h l k o p f ausspricht - für die Menschheitsentwickelung etwas k o m m e n , wo der K e h l k o p f ganz umgestaltet ist, w o er so sein w i r d , daß, während der M e n s c h jetzt durch den K e h l k o p f nur das W o r t aus sich hervorbringt, er einmal den M e n s c h e n gebären w i r d . 2 9 E r ist das zukünftige Geburtsorgan, das H e r v o r b r i n gungsorgan. W i e der M e n s c h durch den K e h l k o p f jetzt hervorbringt das W o r t , so ist der K e h l k o p f die Anlage, das Samenorgan, das künftig sich dazu entfalten w i r d , den Menschen, den ganzen Menschen hervorzubringen, w e n n er vergeistigt sein w i r d . Das drückt der K e h l k o p f unmittelbar aus, w e n n man sich v o n i h m sagen läßt, was er ist. Andere Organe am menschlichen Leibe erscheinen so, daß w i r sehen, sie s i n d längst über ihre H ö h e h i n übergeschritten; daß w i r sehen, sie werden künftig sich gar nicht mehr am menschlichen Organismus finden. E i n e m solchen Anschauen drängt sich unmittelbar etwas auf wie W e r d e n i n die Z u k u n f t u n d wie Absterben i n die Z u k u n f t hinein. Sprossendes Leben u n d Verwesung, Absterben, das sind die zwei D i n g e , die sich ineinanderschieben gegenüber allem, w e n n w i r z u diesem Verbinden unseres Ätherleibes m i t der W e l t der W i r k l i c h k e i t k o m m e n . Es ist dies etwas, was für den M e n schen dann, w e n n er ein wenig weiterkommt, eine schwere, schwere Prüfung bedeutet. D e n n ein jegliches Wesen k ü n d i g t sich i h m so an, daß er i m m e r gewissen D i n g e n gegenüber an dem Wesen das Gefühl des Werdens, des Sprossens, Sprießens hat; anderen D i n g e n gegenüber an diesem Wesen hat er das Gefühl des Absterbens. U n d aus diesen zwei Grundkräften k ü n digt sich alles das an, was w i r hinter der Sinneswelt sehen. M a n nennt i m O k k u l t i s m u s das, worauf m a n da schaut, die W e l t des Entstehens u n d Vergehens. G e g e n ü b e r der Sinneswelt also schaut m a n h i n e i n i n die Welt des Entstehens u n d Vergehens, u n d das, was dahinter ist, ist die waltende Weisheit. 68

H i n t e r dem waltenden W i l l e n die waltende Weisheit! Waltende Weisheit sage i c h ausdrücklich, aus dem einfachen G r u n d e , weil die Weisheit, die der M e n s c h i n seine Begriffe hereinbringt, gewöhnlich keine waltende Weisheit ist, sondern eine gedachte Weisheit. D i e Weisheit, welche sich der M e n s c h aneignet, i n dem er hinter den waltenden W i l l e n schaut, die steht m i t den D i n g e n i n V e r b i n d u n g , u n d i m Reiche der D i n g e herrscht da, w o Weisheit waltet, die waltende Weisheit, die ihre W i r k u n g e n w i r k l i c h äußert, die w i r k l i c h da ist. D a , w o sie sich sozusagen abzieht von der W i r k l i c h k e i t , da entsteht das Sterben; w o sie einfließt, da entsteht Werden, da ist Entstehung, sprießendes, sprossendes Leben. Sehen Sie, die W e l t , auf die w i r hier schauen u n d die w i r sozusagen als die zweite charakterisieren k ö n n e n , w i r können sie begrenzen u n d k ö n n e n sagen: W i r schauen zunächst auf die Sinneswelt als auf die W e l t A u n d auf die der waltenden Weisheit als B, die hinter der Sinneswelt ist. A u s dieser ist die Substanz unseres eigenen Ätherleibes genommen. Das, was w i r da draußen nämlich sehen als waltende Weisheit, das erblicken w i r i n unserem eigenen Ätherleib. U n d i n unserem eigenen physischen Leib erblicken w i r nicht das bloß, was der Sinnesschein ist, sondern auch waltenden W i l l e n , weil w i r überall i n unserer Sinneswelt waltenden W i l l e n sehen. Ja, das ist das Eigenartige: wenn w i r als ergebene Menschen einem andern gegenübertreten u n d i h n anschauen, dann erscheint uns seine Leibesfarbe, ob sie einmal rödich oder gelblich oder grünlich ist, nicht bloß rötlich, gelblich oder grünlich, sondern so, daß w i r dann z u m Beispiel m i t seiner Rotwangigkeit gleichsam zusammenwachsen, m i t der W i r k l i c h k e i t zusammenwachsen u n d den waltenden W i l l e n d r i n n e n haben, das heißt, daß w i r all das, was i n i h m lebt u n d webt, wie z u uns herüberschießen sehen durch seine Rotwangigkeit. D i e M e n schen, die gerade selber gestimmt sind auf Rotwangigkeit z u sehen, die werden sagen: E i n rotwangiger M e n s c h ist eben der einzig Gesunde. A l s o dem Menschen selber tritt man so gegenüber, daß man diesen waltenden W i l l e n i n i h m sieht, u n d man

k a n n n u n sagen: Unser physischer Leib, w e n n w i r i h n zunächst hier durch diesen Kreis schematisch andeuten, ist aus der W e l t A entnommen; aus der W e l t des waltenden W i l l e n s — physischer Leib! Dagegen ist unser Atherleib, den ich hier durch den zweiten Kreis andeuten w i l l , aus der W e l t der waltenden Weisheit, aus der W e l t B entnommen. H i e r haben Sie also den Z u s a m menhang charakterisiert zwischen der W e l t der waltenden Weisheit, die draußen sich ausdehnt, u n d unserem eigenen Ätherleib - u n d der W e l t des waltenden W i l l e n s , die draußen sich ausdehnt, u n d unserem eigenen physischen Leib.

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N u n , für das gewöhnliche Leben ist dem Menschen die M a c h t entzogen, tatsächlich einen Z u s a m m e n h a n g zwischen dem einen u n d dem andern z u wissen. Sie sehen: wie i c h hier die D i n g e aufgezeichnet habe, so ist ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der äußeren Sinneswelt u n d unserem physischen Leibe, u n d zwischen der W e l t der waltenden Weisheit u n d unserem Ätherleib. D a sind Z u s a m m e n h ä n g e . A b e r dem M e n s c h e n ist dieser Z u s a m m e n h a n g entzogen, er kann darauf keinen E i n fluß haben. W i e s o hat er darauf keinen Einfluß? Ja, es gibt 70

nämlich eine Gelegenheit, wo unsere G e d a n k e n u n d unser ganzes Leben, wie w i r es i n der Seele als Urteilsleben entwickeln, nicht so, i c h m ö c h t e sagen, unschädlich sind für unsere eigene W i r k l i c h k e i t wie i m Alltag. I m Alltag, i m wachenden Zustande, da haben gute G ö t t e r dafür gesorgt, daß unsere Gedanken nicht allzu s c h l i m m wirken auf unsere eigene W i r k l i c h k e i t , sie haben uns die M a c h t entzogen, die unsere Gedanken ausüben könnten auf unseren physischen Leib u n d auf unseren Ätherleib, sonst w ü r d e es w i r k l i c h recht s c h l i m m i n der W e l t stehen. W e n n Gedanken - i c h betone es nochmals - w i r k l i c h das bedeuten w ü t d e n i n der W e l t des Menschen, was sie eigentlich als Göttergedanken bedeuten i n Wahrheit, dann w ü r d e der M e n s c h m i t jedem Irrtum einen kleinen Absterbeprozeß hervorrufen i n seinem Innern, u n d er wäre bald vertrocknet. U n d eine L ü g e gar! W e n n der M e n s c h m i t jeder L ü g e das entsprechende Gehirnstück verbrennen m ü ß t e , wie es sein m ü ß t e , wenn er i n die W e l t i n Wahrheit eingriffe, dann würde er schon sehen, wie lange sein G e h i r n standhielte. G u t e G ö t t e r haben sozusagen unserer Seele die M a c h t entzogen über unseren Ätherleib u n d physischen Leib. A b e r es kann das nicht i m m e r sein. W e n n w i r nämlich immerfort v o n unserer Seele aus gar keinen Einfluß ausüben würden auf unseren physischen u n d Ätherleib, d a n n würden w i r sehr bald fertig sein m i t den Kräften, die i n unserem physischen u n d Ätherleibe sind, dann w ü r d e n w i r eine sehr kurze Lebensdauer haben; denn i n unserer Seele sind, wie w i r sehen werden i m weiteren Verlauf der Vorträge, diejenigen Kräfte, die wiederum hineinfließen müssen i n den physischen u n d Atherleib, die w i r da brauchen i n dem letzteren Leibe. Daher müssen i n gewissen Z e i t e n Kräfteströme fließen v o n unserer Seele i n den Ätherleib u n d physischen Leib. Das geschieht n ä m l i c h i n der N a c h t , w e n n w i r schlafen. D a fließen aus d e m U n i v e r s u m auf dem Umwege durch Ich u n d Astralleib die S t r ö m e , die w i r brauchen, u m die E r m ü d u n g fortzuschaffen. D a ist tatsächlich dieser lebendige Zusammenhang zwischen der W e l t des W i l l e n s u n d der 71

W e l t der Weisheit u n d unserem physischen Leibe u n d Ätherleibe. D e n n da h i n e i n , i n diese W e l t e n entschwinden während des Schlafes Asttalleib u n d Ich. D i e gehen da hinein, u n d da d r i n nen bilden sie Anziehungszentren für die Substanzen, die jetzt hereinströmen müssen aus der W e l t der Weisheit i n den Atherleib u n d aus der W e l t des waltenden W i l l e n s i n den physischen Leib. Das m u ß i n der N a c h t geschehen. W e n n nämlich der M e n s c h w i r k l i c h bewußt dabei wäre, da würden Sie sehen, wie dieses Hereinströmen geschehen würde! W e n n der M e n s c h i m allgemeinen bewußt dabei wäre m i t seinen Irrtümern u n d L a stern, m i t all dem, was er Böses u n d so weiter verübt i n der W e l t , dann würde das ein sonderbarer Fangapparat für die Kräfte sein, die da einströmen sollten. D a w ü r d e n greuliche Zerstörungen angerichtet werden müssen i m Ätherleib u n d physischen Leib durch das, was der M e n s c h da hineinsenden würde aus seinem Ich u n d Astralleib i n den physischen u n d Ätherleib aus der W e l t der waltenden Weisheit u n d der W e l t des waltenden W i l l e n s . Daher haben wieder gute G ö t t e r dafür gesorgt, daß w i r nicht bewußt dabei sein können, w e n n i n der N a c h t hineinströmen m u ß die richtige Kraft i n unseren physischen u n d Ätherleib. Sie haben nämlich für diesen Zustand das Bewußtsein des M e n schen a b g e d ä m p f t wähtend des Schlafes, damit er durch seine Gedanken, die dann wirken würden, nicht verderben kann, was er ganz zweifellos verderben w ü r d e . Das ist auch das, was bei dem Aufstiege i n die höheren W e l t e n auf dem Erkenntnispfad, w e n n w i r gründlich z u Werke gehen, uns die meisten Schmerzen macht. Sie finden ja beschrieben i n der Schrift «Wie erlangt m a n Erkenntnisse der höheren Welten?», wie sozusagen das Nachtleben, das schlafende Leben i n gewisser Weise z u H i l f e genommen w i r d , u m aus der W e l t der äußeren W i r k l i c h k e i t i n die höheren W e l t e n aufzusteigen. D a m u ß der M e n s c h , w e n n er beginnt aus der W e l t der Imagination heraus sich das Schlafbewußtsein zu durchleuchten mit Wissen, m i t Erfahrungen, m i t Erlebnissen, i n der Tat sehen, wie er wegkommt, damit er richtig ausschaltet aus seinem Bewußtsein alle Quellen für die 72

Zerstörung seines physischen u n d seines Ätherleibes. Das ist es, was die Notwendigkeit hervorruft bei diesem Aufsteigen i n die höheren Welten, sich n u n w i r k l i c h ganz genau zu kennen. W e n n man sich ganz genau kennt, dann hört m a n meistens auf, sich zu lieben. D i e Selbstliebe hört meistens auf, w e n n man anfängt, sich zu kennen, u n d dieses Sichlieben, das ja bei dem Menschen, der nicht zur Selbsterkenntnis gekommen ist, i m mer vorhanden ist — denn es ist T ä u s c h u n g , w e n n jemand glaubt, daß er sich nicht liebt, er liebt sich mehr als alles andere i n der W e l t - , diese Selbstliebe m u ß m a n überwunden haben, u m sich selbst ausschalten zu können. M a n m u ß tatsächlich bei diesem Aufsteigen i n die Lage k o m m e n , sich zu sagen: W i e d u n u n einmal bist, m u ß t d u d i c h beseitigen. M a n hat dazu schon viel getan dadurch, daß m a n ergebener M e n s c h geworden ist. A b e r m a n m u ß sich gar nicht lieben. M a n m u ß also i m m e r die Möglichkeit haben, z u empfinden: D u m u ß t d i c h auf die Seite schieben. D e n n w e n n d u das, was d u sonst an dir liebst, was d u an Irrtümern, Kleinlichkeiten, Voturteilen, Sympathien, A n t i pathien usw. hast, w e n n d u das nicht beiseiteschieben kannst, dann w i r d das Aufsteigen so vor sich gehen, daß durch deine Irrtümer, Kleinlichkeiten, Vorurteile - Kräfte sich mischen i n das, was einströmen m u ß , damit m a n hellsichtig werden kann. D i e strömen i n deinen physischen u n d Ätherleib ein; soviel Irrtümer, soviele zerstörende Ptozesse gibt es dann. Solange w i r kein Bewußtsein i m Schlaf haben, solange w i r nicht vermögen, i n die Welten der Hellsichtigkeit aufzusteigen, solange schützen uns gute Götter davor, daß diese Kräfte i n die S t r ö m u n g e n aus der W e l t des waltenden W i l l e n s u n d der W e l t der waltenden Weisheit i n unseren physischen u n d Ätherleib einströmen. D a n n aber, wenn w i r unser Bewußtsein hinauftragen i n die Welt der Hellsichtigkeit, dann schützen uns keine Götter mehr - denn der Schutz, den sie uns geben, besteht gerade darin, daß sie uns unser Bewußtsein nehmen - , dann müssen w i r alles selber beseitigen, was Vorurteile, Sympathien, A n t i p a t h i e n usw. sind. Alles das m ü s s e n w i r beiseiteschieben; denn w e n n w i r da 73

n o c h etwas haben v o n Eigenliebe, v o n W ü n s c h e n , die uns als Persönliches anhaften, wenn w i r i n der Lage sind, aus dem Persönlichen heraus dieses oder jenes U r t e i l zu fällen, dann sind alle diese D i n g e G r ü n d e , daß w i r unsere Gesundheit, nämlich unseren physischen Leib u n d Atherleib, schädigen, i n d e m w i r uns i n die höheren W e l t e n hinaufentwickeln. Es ist ungeheuer wichtig, daß w i r dies scharf ins Auge fassen. Deshalb k ö n n e n w i r die Ü b e r z e u g u n g i n uns aufnehmen, wie bedeutsam es ist, daß dem M e n s c h e n i m gewöhnlichen Leben bei Tag ein jeglicher Einfluß auf seinen physischen u n d Ätherleib entzogen ist, i n d e m unsere Gedanken, so wie w i r sie fassen, w e n n w i r innerhalb des physischen u n d Ätherleibes sind, m i t der W i r k l i c h k e i t gar nichts zu tun haben, unwirksam sind u n d daher auch keine Entscheidung hetbeiführen können über das W i r k l i c h e . In der N a c h t können sie schon eine Entscheidung herbeiführen. Jeder falsche Gedanke würde den physischen Leib u n d Ätherleib zerstören. D a würde uns alles das vor A u g e n treten, was jetzt beschrieben worden ist. D a würde uns die Sinneswelt erscheinen als ein M e e r v o n waltendem W i l l e n , u n d dahinter würde erscheinen, wie wirksam durch diesen W i l l e n u n d diesen W i l l e n auf- u n d abpeitschend, die die Welt konstruierende Weisheit, aber so, daß sie m i t ihrem Wellenschlag fortwährend die Prozesse des Entstehens u n d Vergehens, der Geburt u n d des Todes hervorruft. Das ist die W e l t des Wahrhaftigen, i n die w i r da hineinblicken, die W e h des waltenden W i l l e n s u n d die W e l t der waltenden Weisheit; die letztere aber ist die W e l t des Entstehens u n d Vergehens, der fortwährenden Geburten u n d der fortwährenden Tode. Das ist ja die Welt, die die unsrige ist u n d die zu erkennen ungeheuer w i c h t i g ist. D e n n erkennr m a n sie einmal, dann fängt m a n an, tatsächlich ein wichtiges M i t t e l zu i m m e r höher u n d höher gehender Ergebung z u finden, weil m a n sich eingeflochten fühlt i n fortwährende Geburten u n d fortwährende Tode, u n d weil m a n weiß: m i t allem, was m a n tut, steht man i n irgend etwas v o n Entstehen u n d Vergehen. U n d was gut ist, w i r d dann für den Menschen nicht nut 74

etwas, w o v o n er sagt: Das ist gut, das erfüllt m i c h m i t Sympathie. N e i n , jetzt fängt der M e n s c h an zu wissen: Das G u t e ist etwas i m Weltenall, das schöpferisch ist, das die Welt des Entstehens überall bedeutet. U n d v o n dem B ö s e n fühlt der M e n s c h überall, daß es sich ausgießende Verwesung ist. Das ist ein w i c h tiger Ubergang z u einer neuen Weltanschauung, i n det m a n das B ö s e nicht mehr anders fühlen w i r d k ö n n e n denn als den W ü r gengel des Todes, der durch die W e l t schreitet, i n der m a n das G u t e nicht anders w i r d fühlen k ö n n e n denn als den Schöpfer fortwährender Weltengeburten i m großen u n d kleinen. U n d aus der Geisteswissenschaft soll dem M e n s c h e n , i n d e m er das begreift, was so gesagt weiden kann, eine A h n u n g davon aufgehen, wie sehr m a n d u r c h diese Geisteswissenschaft, durch diese spirituelle Weltanschauung, seine Weltanschauung überhaupt vertiefen kann, i n d e m unmittelbar i n das Gefühl fließt: D i e W e l t des G u t e n u n d die W e l t des B ö s e n sind nicht bloß das, als was sie i n der äußern M a j a uns erscheinen, wo wir m i t der Urteilskraft nur vor dem Bösen u n d dem G u t e n stehen u n d nichts anderes finden, als daß das eine sympathisch u n d das andere antipathisch ist. N e i n , die W e l t des G u t e n ist die Welt des Schöpferischen, u n d das Böse ist der Würgengel, der m i t der Sense durch die W e l t geht. U n d m i t jedem Bösen werden w i r Helfer des Würgengels, nehmen w i r selber seine Sense u n d beteiligen uns an den Todes-, an den Verwesungsprozessen. Kräftigend wirken auf unsere ganze Weltanschauung die Begriffe, die w i r aufnehmen aus spiritueller Grundlage. Das ist das Starke, das die Menschheit aufnehmen soll von der Gegenwart an i n die Kulturentwickelung det Z u k u n f t , denn das werden die M e n schen brauchen. Bisher sorgten gute G ö t t e r für die Menschen, jetzt aber ist die Z e i t gekommen i n unserer fünften nachatlantischen Kulturepoche, w o dem Menschen mehr oder weniger die Schicksale, wo i h m wieder G u t u n d B ö s e i n die H a n d gegeben werden. D a z u ist nötig, daß die Menschen wissen werden, was das G u t e bedeutet als schöpferisches, u n d was das B ö s e bedeutet als todbringendes Prinzip.

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Alles Leben entwickelt sich zwischen polaren Kräften Luziferisches und Ahrimanisches

Über die Wesenheit von Christus, Ahriman und Luzifer in ihrem Verhältnis zum Menschen G u t e n M o r g e n , meine Herren! Ist Ihnen etwas eingefallen, was heute n o c h besprochen werden soll?

Fragestellung: Vielleicht würde H e r r D o k t o r über die Wesenheit v o n Christus, A h r i m a n u n d Luzifer i m Verhältnis z u m M e n schen etwas sagen. 3 0 Dr. Steiner: D a m u ß m a n n o c h von einer anderen Seite auf die Wesenheit des M e n s c h e n übethaupt eingehen, sonst k o m m t Ihnen das n a t ü d i c h als eine A r t von Aberglauben vor. D a m ö c h te i c h Ihnen auf G l u n d dessen, was w i r schon durchgesprochen haben, das Folgende sagen. Sehen Sie, meine H e r r e n , man hat heute so das Bewußtsein, als ob der M e n s c h ein durch u n d durch ganz gleichartiges W e sen sei. Das ist er nicht; sondern der M e n s c h ist eigendich fortwährend i n einem Zustande, i n dem er auflebt u n d wiederum stirbt. M a n lebt nicht bloß bei der Geburt auf u n d stirbt nicht bloß m i t dem Tode, sondern - i c h habe es Ihnen auch schon öfter auseinandergesetzt - m a n stirbt fortwährend u n d lebt wiederum auf. N u n , w e n n w i r z u m Beispiel unseren K o p f anschauen, so ist ja der K o p f eigentlich innerlich ganz u n d gar aus demjenigen bestehend, was man Nervensubstanz nennt. Sie wissen ja, die N e r ven laufen sonst nur als F ä d e n durch den Organismus, aber der K o p f ist innerlich ganz Nerv. W e n n man das zeichnet, so schaut es eigendich so aus (Zeichnung S. 80): der K o p f , die Stirne; da ist der K o p f innerlich ganz Nerv, eine starke Nervenmasse; dann geht noch etwas v o n dieser Nervenmasse durch das Rückenmark. D a n n aber gehen die Nervenfäden durch den ganzen 79

Körper. A l s o dasjenige, was nur i n F ä d e n durch den ganzen Körper geht, das ist i m Kopfe als eine einheitliche Masse vorhanden. Das ist die Nervenmasse. W e n n Sie z u m Beispiel n u n n o c h das Innere des menschlichen Bauches anschauen, so haben Sie darinnen auch n o c h sehr viele N e r v e n . D a ist dann das sogenannte Sonnengeflecht. D a ist sehr viel N e r v n o c h drinnen. A b e r i n die A r m e u n d H ä n d e u n d i n die Beine u n d F ü ß e , da laufen eben die N e r v e n ganz fadenförmig aus.

W e n n Sie n u n wiederum nach etwas anderem hinschauen, nach den Blutgefäßen, dann werden Sie finden: Im Kopfe verlaufen die Blutgefäße ziemlich fein. Dagegen sind die Blutgefäße besonders stark i n der Herzgegend ausgebildet; u n d dann 80

sind ja dicke Blutadern i n den Gliedern. So daß man sagen k a n n : W i r haben auf der einen Seite das Nervensystem, auf der anderen Seite das Blutsystem. N u n ist die Sache so, daß w i r aus dem Blut i m m e r wiederum, jeden Tag, jede Stunde, neu geboren werden. Das Blut bedeutet i m m e r die Erneuerung. W ü r d e n w i r also bloß Blut i n uns haben, so würden w i r wie Wesen sein, die fortwährend wachsen, größer werden, frisch sind u n d so weiter. A b e r sehen Sie, meine Herren, würden w i r bloß Nerven sein, w ü r d e n w i r also n u r aus Nerven bestehen, dann würden w i r fortwährend abgespannt, m ü d e sein, w i r w ü r d e n eigentlich fortwährend absterben. So daß w i r zwei entgegengesetzte Prinzipien i n uns haben, das N e r vensystem, das uns fortwährend alt werden läßt, sogar dem Tode fortwährend überliefert, u n d das Blutsystem, das m i t dem N a h rungssystem i n Z u s a m m e n h a n g steht, das uns fortwährend j u n g werden läßt u n d so weiter. D i e Sache, die i c h Ihnen jetzt erklärt habe, die k a n n man n u n auch noch weiter ausführen. Sie wissen ja, i m Alter werden manche Menschen so, daß man sagen m u ß , sie sind verkalkt. Verkalkung tritt ein, Sklerose. D i e M e n s c h e n k o m m e n dann sehr leicht, wenn ihre A d e r n , wie m a n sagt, verkalken, also gerade die Blutgefäßwände verkalken, dazu, sich nicht mehr recht bewegen zu können. U n d wenn dann eine besonders starke Verkalkung eintritt, dann w i r d der M e n s c h v o m Schlag getroffen, wie m a n sagt. E r b e k o m m t einen Schlag. D e r Schlag, den der M e n s c h bekommt, besteht ja nur darinnen, daß seine Blutgefäße verkalken u n d eben nicht mehr halten. Was ist denn da eigendich über den Menschen gekommen, w e n n er verkalkt, w e n n er sklerotisch witd? Sehen Sie, da ist es so, als ob seine Blutgefäßwände zu N e r v e n werden wollten. Das ist das Merkwürdige. D i e Nerven, die müssen fortwährend absterben. D i e Nerven m ü s s e n gewissermaßen das ganze Leben i n demselben Zustande sein, i n dem die Blutgefäße gar nicht sein dürfen. D i e Blutgefäße müssen frisch sein. D i e Nerven müssen fortwährend z u m Absterben geneigt sein. W e n n dagegen der 81

M e n s c h N e r v e n bekommt, die z u weich sind, die also nicht genügend, w e n n i c h m i c h so ausdrücken darf, verkalkt sind, die z u weich sind, dann w i r d er verrückt. A l s o Sie sehen, die Nerven dürfen nicht wie die Blutgefäße sein u n d die Blutgefäße nicht wie die N e r v e n . Das ist eben das, was uns zwingt, z u sagen, der M e n s c h hat zwei Prinzipien i n sich. Das eine ist das Nervenprinzip. Das verursacht, daß er eigentlich fortwährend alt w i r d . V o m M o r g e n bis z u m A b e n d w i r d man eigentlich i m m e r ein bißchen älter. In der N a c h t frischt sich das wieder v o m Blut hetein auf. So geht das immer, wie der Pendelschlag der U h r : alt werden, j u n g werden, alt werden, jung werden. Natürlich, wenn wir v o m M o r g e n bis A b e n d wachen, dann werden w i r eben älter, u n d wenn w i r v o m A b e n d bis z u m M o r g e n schlafen, werden w i r wieder j ü n ger; aber ein bißchen etwas bleibt i m m e r übrig. A l s o es bessert schon die N a c h t die Sache aus; aber v o n jedem Tag Altwerden bleibt ein bißchen übrig. U n d w e n n dann das beim M e n s c h e n eine g e n ü g e n d große Summe gibt, dann stirbt er eben w i r k l i c h . Das ist die Geschichte. W i r haben also zwei D i n g e i m M e n schen, die sich einander entgegenarbeiten, das Altwerden, das Jungwerden. N u n k ö n n e n w i r uns das aber auch seelisch anschauen. Ich habe es Ihnen jetzt köiperlich erklärt. Sehen Sie, w e n n das Jungwerden gar zu stark i m M e n s c h e n Platz greift, dann bek o m m t er Rippenfellentzündung oder L u n g e n e n t z ü n d u n g . Es ist nämlich so, daß die Sachen, die ganz gut sind, die ausgezeichnet sind, w e n n sie i n ihren Grenzen bleiben, dann, w e n n sie ü b e r h a n d n e h m e n , zur Krankheit werden. D i e Krankheit ist i m M e n s c h e n nichts anderes, als daß etwas, was er i m m e r braucht, überhand n i m m t . Fieber rührt davon her, daß das Jungwerden viel zu stark i n uns w i r d . Das können w i r nicht mehr vertragen. W i r fangen an, z u frisch zu werden m i t u n serem ganzen Leib. D a n n haben w i r Fieber oder eine Pleuritis, das ist eine Rippenfellentzündung, dabei, oder eine Lungenentzündung. 82

N u n , das Ganze k a n n m a n aber auch seelisch anschauen. Sehen Sie, seelisch k a n n der M e n s c h auch vertrocknen, oder er k a n n so werden, wie er sonst körperlich i m Fieber w i r d . D a gibt es gewisse Eigenschaften des Menschen — m a n hört sie nicht gerne, weil sie besonders heute so viele M e n s c h e n haben-, das ist: m a n w i r d pedantisch, m a n w i r d ein Philister. Sie wissen, daß es ja heute i m m e r h i n Philister gibt. Philister gibt es schon. M a n w i r d Philister, m a n w i r d Pedant. M a n w i r d , w ä h r e n d d e m man eigentlich als Schulmeister ein ganz frischer K e r l sein sollte, gerade als Schulmeister vertrocknet. Ja, das ist wiederum dasselbe, wie w e n n unsere Blutgefäße verkalken, vertrocknen. W i r k ö n n e n auch seelisch vertrocknen. U n d dann wiederum k ö n nen w i r auch seelisch erweichen. Das ist, w e n n m a n ein Schwärmer w i r d , ein M y s t i k e r oder ein Theosoph w i r d . Ja, was w i l l m a n denn da? D a w i l l m a n nicht ordendich denken. D a w i l l m a n m i t der Phantasie i n alle Welten hinausgreifen, ohne ordentlich z u denken. Das ist dasselbe, wie w e n n man körperlich Fieber kriegt. M y s t i k e r werden, Theosoph werden, heißt seelisch Fieber kriegen. A b e r alle zwei Bedingungen müssen w i r i m m e r i n uns haben. W i r können gar nicht erkennen, w e n n w i r nicht die Phantasie gebrauchen k ö n n e n , u n d w i r können gar nicht itgendwie etwas zusammenarbeiten, w e n n w i r nicht ein bißchen Pedanten sind, w e n n man nicht allerlei einregistriert u n d so weiter. M a c h t m a n es z u viel, ist m a n ein Pedant, ein Philister. M a c h t m a n es gerade i m rechten M a ß , ist m a n eben eine richtige Seele. Das ist es, daß m a n i m m e r irgend etwas hat, was eben i m rechten M a ß e i m M e n s c h e n sein m u ß , was aber, wenn es überh a n d n i m m t , körperlich oder seelisch krank macht. Ebenso ist das Geistige, meine Herren. W i r k ö n n e n nicht i m m e r schlafen, w i r m ü s s e n auch manchmal aufwachen. D e n ken Sie sich, was das für ein R u c k ist, w e n n m a n aufwacht! Stellen Sie sich nur vor, wie das beim Schlaf ist: Sie liegen da, Sie wissen nichts von Ihrer U m g e b u n g . W e n n Sie einen guten Schlaf haben, kann Sie einer sogar kitzeln u n d Sie wachen nicht 83

einmal auf. D e n k e n Sie, was das für ein Unterschied ist! N a c h her wachen Sie auf, sehen alles, was u m Sie herum ist, hören alles, was u m Sie herum ist. Das ist ein großer Unterschied. W e n n Sie n u n aufwachen — ja, diese Kraft z u m Aufwachen müssen w i r i n uns haben; w e n n Sie aber zu stark ist, w e n n m a n i m m e r aufwacht, w e n n m a n gar nicht schlafen k a n n z u m Beispiel, dann ist eben die Aufwachekraft zu stark i n uns. W i e d e r u m gibt es solche Leute, die überhaupt gar nicht recht aufwachen k ö n n e n . Es gibt ja solche Menschen, die ihr ganzes Leben h e r u m d ä m m e r n u n d h e r u m t r ä u m e n , die immerwährend schlafen m ö g e n . Ja, diese Menschen k ö n n e n nicht aufwachen. W i r m ü s s e n die Fähigkeit haben, richtig einschlafen z u k ö n n e n ; aber w i r dürfen diese Fähigkeit, richtig einzuschlafen, auch nicht z u stark haben. Sonst schlafen w i r ewig, wachen gar nicht mehr auf. So k a n n m a n sagen: W i r k ö n n e n i n dreierlei Weise gewisse Z u s t ä n d e beim Menschen unterscheiden. Erstens körperlich. D a haben w i r auf der einen Seite das Nervensystem. Das ist fortwährend etwas, was zur Verhärtung hinneigt, zur Verkalkung. W i r sagen also: körperlich:

Verhärtung Verkalkung

Sehen Sie, Sie sind ja alle schon so alt, mit Ausnahme des einzigen, der da unrer Ihnen sitzt, daß Sie Ihr Nervensystem ein bißchen verkalkt haben müssen. D e n n hätten Sie heute n o c h Ihr Nervensystem, wie Sie es hatten, als Sie ein halbes Jahr alt waren, da wären Sie alle verrückt. Sie können nicht mehr ein so weiches Nervensystem haben. Diejenigen Leute, die verrückt sind, die haben eben ein kindliches Nervensystem. A l s o w i r müssen die Kraft der Verhärtung, der Verkalkung i n uns haben. U n d auf der anderen Seite müssen w i r die Kraft der Verweichung, der Verjüngung haben. Diese zwei Kräfte müssen sich das Gleichgewicht halten. 84

körperlich:

Verhärtung Verkalkung

Verweichung Verjüngung

W e n n man die Sache seelisch anschaut, dann können w i r sagen: D e r Verhärtung entspricht seelisch Pedanterie, Philisterhaftigkeit, Materialismus, trockener Verstand. Das alles m u ß man überschauen. E i n bißchen Philister m ü s sen w i r sein, sonst wunden w i r ein Springingerl sein. E i n bißchen Pedanten m ü s s e n w i r sein, sonst würden w i r gar nicht richtig unsere Sachen aufheben. Statt daß w i r unseren R o c k i n den richtigen Schrank hängen, würden w i r i h n i n den O f e n oder i n den Schornstein hineinhängen. A l s o ein bißchen P h i l i ster u n d ein bißchen Pedant sein ist ganz schön, aber es darf eben nicht zu stark sein. D a n n haben w i r seelisch auch die Kraft i n uns zur Phantastik, zur Schwärmerei, zur M y s t i k , zur T h e o sophie. W e n n die alle z u stark werden, diese Kräfte, dann werden w i r eben ein Phantast, ein Schwärmer. Das dürfen w i r nicht werden. A b e r w i r dürfen auch nicht alle Phantasie weg haben. Ich kannte einmal einen Menschen, der hat alle Phantasie gehaßt, u n d er ging niemals ins Theater z u m Beispiel, i n eine O p e r schon gar nicht, weil er sagte: Das ist ja alles nicht wahr. E r hatte eben gar keine Phantasie. Ja, w e n n m a n aber gar keine Phantasie hat, dann w i r d m a n eben ein ganz trockenes Subjekt, d a n n w i r d m a n ein Schleicher durchs Leben, nicht ein richtiger, wirklicher M e n s c h . A l s o das darf wieder n i c h t ausarten. seelisch:

Pedanterie Philisterhaftigkeit Materialismus Trockener Verstand

Phantastik Schwärmerei Mystik Theosophie

W e n n w i r es n u n geistig ansehen, so haben w i r die Kraft zur Verhärtung i m Aufwachen. Im Aufwachen nehmen w i r unseren Körper fest i n die H a n d , gebrauchen unsere Glieder. U n d die Kraft, die sonst i m Körper i n der Verweichung, i n der 85

Verjüngung ist, die haben w i r i m Einschlafen. D a sinken w i r i n die T r ä u m e hinüber. D a haben w i r unseren Körper nicht mehr i n der H a n d . geistig:

Aufwachen

Einschlafen

M a n k a n n sagen, der M e n s c h ist eigentlich fortwährend der Gefahr ausgesetzt, i n die eine oder i n die andere Sache h i n e i n z u fallen, entweder z u stark der Verweichung oder z u stark der Verhärtung z u verfallen. W e n n Sie einen Magneten haben, so wissen Sie, der Magnet zieht das Eisen an. W i r sagen, w i r haben zweierlei Magnetismus i m Magneten. D i e haben w i r auch. W i r haben positiven M a gnetismus u n d negativen Magnetismus. D e r eine zieht die M a gnetnadel an, der andere stößt sie ab. Sie sind entgegengesetzt. N i c h t wahr, i m Physischen, i m Körperlichen geniert m a n sich durchaus nicht, den Sachen N a m e n zu geben. M a n braucht N a m e n . Ich habe Ihnen jetzt etwas beschrieben, körperlich, seelisch u n d geistig, was jeder v o n Ihnen immer wahrnehmen kann, i m m e r sieht, worüber jeder v o n Ihnen sich klar sein kann. Aber w i r brauchen N a m e n . W e n n w i r positiven Magnetismus haben, m ü s s e n w i r uns klar sein, das ist nicht das Eisen; das ist i m Eisen drinnen. Etwas Unsichtbares ist i m Eisen d r i n n e n . W e r das nicht zugibt, daß etwas Unsichtbares i m Eisen d r i n nen ist, der w i r d sagen: D u bist ein dummer Kerl! D a soll ein Magnetismus i m Eisen drinnen sein? Das ist ein Hufeisen. D a m i t beschlage i c h m e i n R o ß . - N i c h t wahr, so einer ist ein Idiot, der nicht zugibt, daß da i m Eisen etwas Unsichtbares d r i n n e n ist, der sein R o ß damit beschlägt. M a n k a n n dieses Hufeisen z u etwas ganz anderem als z u m Hufebeschlagen verwenden, w enn der Magnetismus d r i n n e n ist. N u n , ebenso, sehen Sie, ist etwas Unsichtbares, Übersinnliches, i n dem Verhärten drinnen. U n d dieses Unsichtbare, Ü b e r sinnliche, Wesenhafte, das m a n beobachten kann, w e n n m a n dazu die Gabe hat, nennt m a n ahrimanisch. A h r i m a n i s c h sind also die Kräfte, die aus dem Menschen fortwährend eine A r t v o n 86

L e i c h n a m machen m ö c h t e n . Wären n u r ahrimanische Kräfte da, würden w i r fortwährend Leichnam werden, u n d w i r würden Pedanten werden, ganz versteinerte M e n s c h e n . W i r würden fortwährend aufwachen, w i r w ürden nicht schlafen können. D i e Kräfte, die uns n u n verweichen, verjüngen, die uns zur Phantasie bringen, das sind die luziferischen Kräfte, das sind diejenigen Kräfte, die w i r brauchen, damit w i r eben nicht ein lebender L e i c h n a m werden. A b e r w e n n n u r die luziferischen Kräfte da wären, ja, da blieben wir unser ganzes Leben lang Kinder. A l s o i n der W e l t braucht es die luziferischen Kräfte, damit w i r nicht schon m i t drei Jahren Greise sind. I n der W e l t braucht es die ahrimanischen Kräfte, damit w i r nicht fortwährend K i n d e r bleiben. Diese zwei entgegengesetzten Kräfte m ü s sen i m Menschen sein.

ahrimoirwscf] . *********

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körperlich \ Verhärtung Verkalkung .seelisch

geistig .•

luziferisch,

*S*¥W '

Peöanterie

Verweichung Verjüngung

Phili'sterhafrigkeit Materialismus Trockener Verstand

Phanfqstik ichwärmerei Alysfik Theo sophie

Aufwachen

Einschlafen

N u n handelt es sich darum, daß diese zwei entgegengesetzten Kräfte ausgeglichen sein müssen. W o r i n liegt n u n die Ausgleichung? Es datf nichts v o n diesen Kräften ü b e r h a n d n e h m e n . Sehen Sie, w i r schreiben jetzt, nicht wahr, 1923. Diese ganze Zeit v o n der Zeitenwende bis 1923 ist eigentlich so, daß die Menschheit i n der Gefahr steht, den ahrimanischen Kräften zu

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verfallen. Sie m ü s s e n nur bedenken, eigentlich w i r d man heute da, wo es keine Geisteswissenschaft gibt, ahrimanisch erzogen. D e n k e n Sie nur, unsere K i n d e r k o m m e n i n die Volksschule, müssen da D i n g e lernen, die i h n e n ganz komisch v o r k o m m e n müssen — i c h habe es Ihnen schon angedeutet - , an denen sie gar kein Interesse haben k ö n n e n . Sie haben den Vater i m m e r gesehen, habe i c h Ihnen gesagt; ja, der schaut so aus, hat Haare, O h r e n , A u g e n , u n d nachher sollen sie lernen, das da hier (geschrieben): Vater, das ist der Vater. Es isr ihnen ganz fremd. Sie haben k e i n Interesse dafür. U n d so ist es m i t allem, was die K i n d e r zunächst i n der Volksschule lernen sollen. Sie haben gar kein Inreresse dafür. U n d dies ist ja der G r u n d , w a r u m m a n wiederum vernünftige Schulen einrichten m u ß , wo die K i n d e r zunächst das lernen, wofür sie ein Interesse haben k ö n n e n . W ü r d e das Unterrichten so fortgehen, wie m a n es heute macht, dann würden die M e n schen eben sehr früh vergreisen, greisenhaft werden, alt werden, weil das ahrimanisch ist. Das macht den Menschen alt. So wie heute die K i n d e r i n der Schule erzogen werden, so ist das alles ahrimanisch. Das ist eben i n diesen neunzehnhundert Jahren so, daß die ganze Entwickelung det Menschheit nach dem A h r i m a nischen hingeht. Vorher war es anders. W e n n Sie n u n zurückgehen, sagen wir, v o m Jahre 8000 bis zur Zeitenwende, da war es anders, da waren die M e n s c h e n der Gefahr ausgesetzt, daß sie nicht alt werden konnten. Schulen gab es ja nicht i n dem heutigen Sinne i n diesen alten Z e i t e n . Schulen gab es nur für diejenigen M e n s c h e n , die schon ein respektables A l t e r erlangt hatten, u n d die dann richtige Gelehrte werden sollten. F ü r die gab es Schulen. F ü r die K i n d e r gab es ja i n alten Zeiten keine Schulen. D i e lernten eben i m Leben. Dasjenige, was sie sahen, das lernten sie. A l s o es gab weder Schulen, noch b e m ü h t e m a n sich, den K i n d e r n irgend etwas beizubringen, was i h n e n fremd war. D a war die Gefahr vorhanden, daß die M e n s c h e n ganz ins Luziferische kamen, daß sie i n die Schwärmerei, also ins Luziferische kamen. U n d es war auch so. 88

In diesen alten Zeiten, da war viel Weisheit vorhanden, das habe ich Ihnen schon gesagt. A b e r natürlich, da m u ß t e erst dieses Luziferische gezügelt werden, sonst hätten sie eigentlich den ganzen Tag Gespenstergeschichten erzählen wollen! Das war dasjenige, was die Leute besonders geliebt haben. So daß m a n sagen k a n n : V o r sehr alten Zeiten, etwa von 8000 bis zur Zeitenwende, war ein luziferisches Zeitalter, u n d dann k a m ein ahrimanisches Zeitalter. Schauen wir uns jetzt einmal das luziferische Zeitalter an. Sehen Sie, da haben diejenigen, die damals i n diesen alten Z e i ten Gelehrte waren, gewisse Sorgen gehabt. D i e damals Gelehrte waren, die lebten ja i n solchen turmförmigen G e b ä u d e n . D e r babylonische T u r m , v o n dem Ihnen i n der Bibel erzählt w i r d , ist ja nur eines v o n diesen G e b ä u d e n . D a lebten diese Gelehrten. Diese Gelehrten sagten: N u n ja, w i r haben es hier gut. M i t uns w i l l auch unsere Phantasie durchgehen. W i r m ö c h t e n i m m e r ins Gespenstische, i m m e r ins Luziferische herein. A b e r da haben wir unsere Instrumente. D a schauen w i r i n die Sterne hinaus und sehen, wie die Sterne sich bewegen. Das zügelt unsere Phantasie. D e n n w e n n i c h einen Stein anschaue u n d w i l l , daß er so geht, so geht er eben nicht so. D a w i r d also die eigene Phantasie gezügelt. Also die Gelehrten, die wußten, sie lassen sich durch die W e l tenerscheinungen ihre Phantasie zügeln. O d e r sie hatten physikalische Instrumente. Sie wußten: W e n n i c h m i r vorstelle, i c h habe ein ganz kleines Stückchen H o l z , heize ein bißchen ein, da w i r d ein Riesenfeuer — so k a n n i c h das i n der Vorstellung sagen, aber w e n n i c h es w i r k l i c h mache, w i r d eben aus dem kleinen Stückchen H o l z ein kleines Feuer. Das war also eigentlich der S i n n dieser alten Lehranstalten, die wuchernde Phantasie dieser M e n s c h e n z u zügeln. U n d die Sorge, die diese Leute hatten, die bestand darinnen, daß sie sagten: Ja, da sind n u n die anderen alle, es k ö n n e n ja nicht alle Gelehrte werden! U n d da gaben sie die Lehren heraus, die manchmal ehrlich waren, manchmal unehrlich. Das sind die 89

alten Religionslehren, die durchaus v o n der Wissenschaft ausgehen, n u r natürlich arteten auch die Priester aus. U n d so sind auch die unehrlichen Lehren - die ehrlichen sind z u m Teil, z u m größten Teil verlorengegangen — auf die Nachwelt gekommen. Das war die Z ü g e l u n g des Luziferischen. U n d wie es i m Ahrimanischen ist, das wissen Sie ja. D i e W i s senschaft von heute strebt i m m e r mehr u n d mehr dem A h r i m a nischen z u . Eigentlich ist unsere ganze Wissenschaft etwas, das uns heute vertrocknet macht. D e n n diese Wissenschaft, die kennt eigentlich nur eben das Körperliche, das heißt das Verkalkte, das Materielle. U n d das ist dasjenige, was eben i n unserer ganzen Zivilisation das Ahrimanische ist. Zwischen beiden steht dasjenige d r i n n e n , was man n u n i m wirklichen Sinne das Christliche nennt. Sehen Sie, meine H e r ren, das wirkliche Christliche kennt man ja zu wenig i n der W e l t . W e n n m a n dasjenige christlich nennt, was m a n i n der W e l t kennt, da m ü ß t e man ja natürlich das Christliche b e k ä m p fen, das ist ja selbstverständlich. Aber diejenige Wesenheit, v o n der i c h Ihnen auch das letzte M a l einiges gesprochen habe, 3 1 die eben i n der Zeitenwende geboren ist u n d dreiunddreißig Jahre gelebt hat, diese Persönlichkeit, die war ja nicht so, wie es die Leute beschreiben, sondern sie hatte eigentlich die Absicht gehabt, für alle M e n s c h e n solche Lehren z u geben, die einen Ausgleich, ein Gleichgewicht zwischen dem Ahrimanischen u n d dem Luziferischen m ö g l i c h machten. U n d christlich sein heißt eben, den Ausgleich z w i schen dem Ahrimanischen u n d dem Luziferischen suchen. C h r i s t l i c h sein k a n n man nämlich w i r k l i c h nicht so, wie es heute die M e n s c h e n oftmals nennen. Was heißt denn z u m Beispiel christlich sein i m körperlichen Sinne? C h r i s t l i c h sein i m körperlichen Sinne heißt, i c h eigne m i r Kenntnisse über den Menschen an. D e r M e n s c h kann auch krank werden. D e r M e n s c h bekommt Rippenfellentzündung. Was heißt das, er bekommt Rippenfellentzündung? Das heißt: z u viel Luziferisches ist i n i h m . Weiß i c h das, daß z u viel Luzife90

risches i n i h m ist — w e n n er also Rippenfellentzündung bek o m m t , ist z u viel Luziferisches i n i h m - , dann m u ß i c h sagen: W e n n i c h eine Waage habe (s. Zeichnung) u n d die schnellt hier z u stark herauf, dann m u ß i c h die Gewichte wegnehmen. W e n n sie z u stark heruntersinkt, m u ß ich da Gewichte zugeben. Jetzt sage i c h mir: H a t ein M e n s c h Rippenfellentzündung, so ist das Luzerische z u stark, das Ahrimanische z u schwach. Ich m u ß etwas Ahrimanisches dazutun, dann gleicht sich das wieder aus.

N e h m e n w i r also an, i c h sage m i r ganz richtig: Dieser M e n s c h hat Rippenfellentzündung; wie kann i c h i h m helfen? Ich nehme, sagen wir, ein S t ü c k Birkenholz. D a s Birkenholz wächst i m Frühling stark. Gerade Birkenholz ist etwas sehr Gutes, namentlich wenn es gegen die R i n d e z u liegt; es sind i n der R i n d e sehr gute Wachstumskräfte drinnen. D i e töte i c h ab, das heißt, i c h verkohle das Birkenholz. D a n n habe i c h Birkenholzkohle. Was habe i c h denn da gemacht aus d e m frischen, immerfort sich verjüngenden Birkenholz? Birkenholzkohle habe i c h daraus gemacht, Ahrimanisches habe i c h daraus gemacht. U n d jetzt m a che i c h ein Pulver aus dieser Birkenholzkohle u n d gebe es demjenigen ein, der i n der Rippenfellentzündung z u viel Luziferisches i n sich hat. D a n n habe i c h das Ahrimanische z u d e m hinzugefügt, was er z u viel an Luziferischem hat. 91

Sehen Sie, dann habe i c h den Ausgleich geschaffen. W i e i c h bei der Waage etwas hinzufügen m u ß , w e n n sie z u h o c h h i n aufschnellt auf der einen Seite, ebenso habe i c h , w e n n z u viel Luziferisches i n der Rippenfellentzündung da ist, Birkenholzkohle hinzugefugt. Das Birkenholz habe i c h mineralisch gemacht dadurch, daß i c h es verkohlte. A h r i m a n i s c h ist es gemacht worden. O d e r nehmen Sie einmal an, ein M e n s c h bekommt so ein m ü d e s , gelähmtes Aussehen, so daß ich m i r sagen k a n n : den trifft nächstens der Schlag. D a ist z u viel Ahrimanisches i n i h m . Jetzt m u ß i c h Luziferisches i n i h n hineingeben, damir es sich ausgleicht. Was werde i c h denn da tun? Sehen Sie, w e n n i c h eine Pflanze habe: D a ist die W u r z e l . Sie wissen, die W u r z e l ist hart. D i e enthält viele Salze. Das ist nicht luziferisch.

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D e r Stamm u n d die Blätter sind auch noch nicht luziferisch. A b e r ich gehe da weiter hinauf, u n d da habe i c h eine riechende, eine stark riechende Blüte. Das w i l l fort, geradeso wie die Phantasie fort w i l l , sonst würde i c h es gar nicht riechen können. N u n 92

nehme i c h aus der Blüte den Saft. D e r ist luziferisch. D a n n gebe ich es i n der richtigen Weise ein, gleiche so das Ahrimanische aus, u n d i c h k a n n i h n heilen. Was tut die heutige M e d i z i n ? D i e heutige M e d i z i n , ja, die probiert. Es k o m m t ein C h e m i k e r darauf, daß er das Acetylphenetidin entdeckt. Ich brauche Ihnen nicht auseinanderzusetzen, was das ist; das ist ein komplizierter Stoff. N u n n i m m t m a n den i n ein Krankenhaus. D a sind meinetwillen dreißig Patienten. M a n gibt allen dreißig Patienten Acetylphenetidin ein, n i m m t das Fieberthermometer, mißt, notiert, u n d w e n n dabei etwas herauskommt, betrachtet m a n es als ein H e i l mittel. A b e r man hat gar keinen Begriff, wie das i m menschlichen K ö r p e r eigentlich zugeht. M a n guckt nicht h i n e i n i n den menschlichen Körper. Erst w e n n man weiß: bei der Rippenfelle n t z ü n d u n g ist zu viel Luziferisches, da m u ß man A h r i m a n i sches h i n z u t u n ; beim Schlag ist zu viel Ahrimanisches, da m u ß m a n Luziferisches dazutun — dann ist es das Richtige. Das ist es, was heute der Menschheit fehlt. D i e Menschheit ist i n diesem Sinne zu wenig christlich, weil das Christliche der Ausgleich ist. Sehen Sie, ich zeige Ihnen, w o r i n das Christliche i n ganz körperlichem H e i l e n besteht. D a r i n besteht das Christliche, daß m a n den Ausgleich sucht. Sehen Sie, das wollte i c h ja auch i n dieser Holzfigur darstellen, 3 2 die i m B a u sein soll. D a ist oben Luzifer, das Luziferische, das ist alles dasjenige, was beim M e n s c h e n Fieberhaftes, Phantasie, Einschlafen ist: u n d nach unten alles dasjenige, was sich verhärten w i l l , das Ahrimanische. U n d zwischen drinnen der Christus. Das ist dasjenige, was einen darauf bringt, was m a n i n der M e d i z i n , i n der Naturwissenschaft, i n der Soziologie, was m a n überall tun soll. U n d heute gehört es eben z u den Menschen, daß sie verstehen, wie Luziferisches u n d Ahrimanisches i n der Menschennatur drinnen ist. Aber was verstehen denn die Menschen v o n den Dingen? D a 93

hat einmal ein i n Basel u n d auch noch datüber hinaus sehr berühmter Pastor, Frohnmeyer hat er geheißen, ein sehr berühmter Pastor, vorgetragen. D e r hat sich zwar nicht die M ü h e genommen, diese Figur anzuschauen, aber er hat wiedetum bei einem anderen gelesen, der es vielleicht auch nicht angeschaut hat, sondern wieder abgeschrieben hat, daß hier eine Figur gemacht w i r d , oben luziferisch, i n der M i t t e Christus, u n d unten ahrimanisch. Es sind ja drei Figuren, die übereinander sind, u n d , nicht wahr, es sind sogar mehrere, A h r i m a n zweimal, L u z i fer auch zweimal. N u n aber, dieser Frohnmeyer hat es so gut gewußt, daß er geschrieben hat: D e r Steiner macht da draußen in D o r n a c h etwas ganz Schreckliches, eine Christus-Figur, die oben luziferische Z ü g e hat, u n d nach unten tierische M e r k m a l e . N u n , die Christus-Figur hat gar keine luziferischen Z ü g e , sondern einen ganz menschlichen Kopf. A b e r das hat er verwechselt. E r hat geglaubt, eine Christus-Figur, die nach oben luziferische Z ü g e hat u n d nach unten tierische M e f k m a l e . N u n ist der Christus nach unten überhaupt nicht fertig, sondern es ist n o c h ein H o l z k l o t z ! So hat dieser nach Wahrheit strebende christliche Pastor die Sache beschrieben, u n d die ganze W e l t sagt n u n , das m u ß d o c h wahr sein, denn das ist doch ein Pastor, der das geschrieben hat! — Es ist eben schwet, dagegen aufzukommen, w e n n die Leute nicht einsehen, nicht begreifen wollen. Sie laufen i m m e r zu den Pastoren, weil sie glauben, was die Pastoren sagen. A b e r da haben Sie ein Beispiel von Verleumdung, das also so jämmerlich ist, daß m a n sich überhaupt etwas größeres gar nicht denken kann. U n d merkwürdige Ansichten haben diese Menschen. D e r Pastor Frohnmeyer, der hat dies also geschrieben. N u n war damals noch, als er dies geschrieben hat, D r . Boos hier am Goetheanum. Sie wissen ja, D r . Boos hat die M a n i e r , ein bißchen m i t der Keule dreinzuschlagen. M a n mag ja darüber seine A n s i c h t haben, ob m a n m i t der Keule dreinschlagen soll oder m i t dem Bartwisch. D e r Bartwisch ist weicher, mehr luziferisch, die Keule ist hart, 94

mehr ahrimanisch. A l s o es k o m m t darauf an, m i t was man dreinschlagen soll. A b e r n u n , da hat et also dem Frohnmeyer einmal die "Wahrheit gesagt, etwas m i t der Keule die Wahrheit gesagt. — W e r kriegt einen B r i e f v o n Frohnmeyer? Ich! Ich kriege einen langen B r i e f v o n D r . Frohnmeyer, daß i c h doch den D r . Boos veranlassen soll, nicht so unartig z u sein gegen D r . Frohnmeyer. D e n k e n Sie sich einmal, was die M e n s c h e n für Begriffe haben. M a n kann es gar nicht fassen, was sie für Begriffe haben. Sie verleumden jemanden, wie i c h es Ihnen erzählt habe, u n d nachher wenden sie sich an einen, daß m a n gegen den, der die Unwahrheit richtigstellt, vorgehen soll! Das ist eben das Schwierige, daß sich das P u b l i k u m , namentl i c h das bürgerliche P u b l i k u m , gar nicht irgendwie bequemt dazu, i n diesen D i n g e n selber zu sehen, sondern es w i r d eben hingenommen; weil i h n e n amtlich die Betreffenden hingesetzt sind, so ist es richtig. Deswegen ist unsere Zivilisation ja so ungeheuer frivol, so gemein i n vielen D i n g e n . Es handelt sich darum, daß die ganze Denkweise v o n heute i n ein solches Fahrwasser k o m m e n m u ß , daß m a n wieder einsieht: m i t all diesem Gerede v o m Christlichen ist es nichts, sondern m a n m u ß es sachlich nehmen. M a n m u ß also wissen, die M e d i z i n kann christlich werden, w e n n m a n z u m Beispiel folgendes weiß. Sagen wir, einer zeigt ganz genau, daß, w e n n i n regelmäßiger Weise der M e n s c h Z u c k e r gegessen hat, vielleicht schon als K i n d , er den Leberkrebs kriegt - das ist ein Ahrimanischwerden der Leber —, u n d n u n m u ß m a n wissen, was man dagegen anwenden soll: das entsprechende Luziferische. Geradeso wie ein M e n s c h unterscheidet zwischen W ä r m e u n d Kälte, m u ß m a n unterscheiden zwischen Luziferischwerden u n d A h r i m a n i s c h werden. N i c h t wahr, w e n n einem die Glieder erstarrt sind, da ist man ahrimanisch geworden. W e n n m a n n u n warme U m s c h l ä ge, warme T ü c h e r auflegt, so ist das das Luziferische, das gegenwirkt. U n d so m u ß m a n eben auf allen Gebieten unter allen U m s t ä n d e n wissen, wie es m i t dem M e n s c h e n beschaffen ist. D a n n w i r d die M e d i z i n christlich.

Ebensogut m u ß die Pädagogik, das Schulwesen christlich werden. Das heißt, m a n m u ß so erziehen, daß die K i n d e r nicht greisenhaft werden schon v o n frühester K i n d h e i t an. A l s o m a n m u ß sie i n der Schule mit solchen D i n g e n anfangen lassen, die ihnen naheliegen, für die sie Interesse haben u n d so weiter. Sie sehen, w e n n m a n die Sache so auffaßt, so liegt i n d e m Gebrauch der A u s d r ü c k e ahrimanisch, luziferisch, chrisdich, gar nicht irgend erwas Abergläubisches, sondern etwas v o l l k o m m e n Wissenschaftliches. U n d das ist es ja auch. W i e ging denn die geschichtliche Entwickelung? Ja, nicht wahr, da war eine Z e i t v o n den ältesten christlichen Zeiten bis ins 12., 13. Jahrhundert h i n , n o c h ins 14. Jahrhundert, da war es ja den C h r i s t e n verboten, die Bibel zu lesen. Das N e u e Testament z u lesen war verboten. Das durften ja nur die Priestet lesen. D i e allgemeinen G l ä u b i g e n durften nicht die Bibel lesen. Warum? Ja, weil allerdings die Geistlichen wußten, die Bibel m u ß m a n richtig lesen. D i e Bibel ist noch i n einet Z e i t entstanden, i n welcher die M e n s c h e n nicht so gedacht haben, wie sie heute denken, sondern i n der die Menschen bildlich gedacht haben. A l s o m u ß m a n die Bibel richtig lesen. W ü r d e n n u n die Menschen, ohne daß sie richtig vorbereitet sind, die Bibel lesen, so w ü r d e n sie darauf k o m m e n , daß die Bibel vier Testamente hat, das M a t t h ä u s - E v a n g e l i u m , das Markus-Evangelium, das Lukas-Evangelium, das Johannes-Evangelium. N u n , die widersprechen einander. W a r u m widersprechen die einander? Ja, meine Herren, das m u ß m a n nur richtig verstehen. Das «EinanderWidersprechen» konnte w i r k l i c h ein halbwegs nicht auf den K o p f gefallener M e n s c h auch schon i m 4., 5. Jahrhundert einsehen. Natürlich widersprechen sie einander. Aber denken Sie sich, i c h habe den H e r r n Burle v o n vorne photographiert u n d zeige Ihnen allen das B i l d . N u n , da kennen Sie v o n dem Bilde aus den H e r r n Burle. N u n k o m m t einer u n d photographiert i h n v o n der Seite, so daß m a n das Profil sieht, nicht wahr. Ich zeige Ihnen das, u n d Sie würden alle sagen: « D a s ist nicht der H e r r Burle, der schaut ja ganz anders aus; v o n vorne 96

m u ß man i h n anschauen, da schaut er so aus. A b e r was d u m i r zeigst v o n der Seite, das ist nicht der H e r r Burle!» - Ja, das ist auch der H e r r Burle, aber er ist es nur von zwei verschiedenen Seiren! U n d gar, w e n n i c h i h n von h i n t e n photographieren würde, würden Sie sagen: «Aber er hat doch auch eine Nase, nicht lauter Haare!» A b e r das ist ja v o n verschiedenen Seiten her ! W e n n man n u n geistige Vorgänge v o n verschiedenen Seiten het «photographiert», so nehmen sie sich auch verschieden aus. M a n m u ß eben wissen, daß die Evangelien von vier verschiedenen Seiten her schildern. Daher m ü s s e n sie sich einander widersprechen, so wie sich ein B i l d v o n H e r r n Burle von vorne, v o n der Seite, von hinten voneinander unterscheidet. A b e r n u n sind ja die Zeiten gekommen, i n denen die Leute gesagt haben: Das gibt es nicht, sich erst vorbereiren, u m die Evangelien zu lesen. Vorbereiten tun w i r uns heute überhaupt für nichts mehr. W i r lassen uns i n der Schule vorbereiten, da lassen w i r uns dressieren; aber w e n n w i r einmal über die Dressur hinaus sind, so über vierzehn, fünfzehn Jahre, da gibt es nichts mehr vorzubereiren, da müssen w i r alles verstehen. - N u n , das ist ja so die normale A n s i c h t von heute. W a r u m soll denn auch das nicht dazu fühlen, daß die Leute sehen: D a ist ein Goetheanum, da gehen zur Vorbereitung nicht K i n d e r h i n e i n , sondern uralte Kerle m i t Glatzen wollen n o c h i m m e r votbereitet sein. Ja, eine Schule, i n die nicht K i n d e r gehen, sondern n u r alte Leute, das m u ß ja ein Narrenhaus sein! — Sehen Sie, so sagen sie, weil sie sich das gar nicht vorstellen können, daß die Leute noch etwas lernen wollen. So ist es schon heute. U n d das ist es, daß w i r uns klar sein müssen: U m so etwas, wie die Evangelien z u lesen, m u ß m a n richtig sich erst dazu vorbereiten, weil es bildhaft gemeint ist. Geradeso wie w e n n heute einer ein chinesisches Schriftstück lesen wollte, so m ü ß t e er ja auch erst die Buchstaben kennenlernen. W e n n man heute die Evangelien so nehmen wollte, wie die Evangelien geschrieben sind, so wäre es natürlich ein U n s i n n , geradeso wie die chinesische Schrift ein Kritzekratze ist, wenn man sie nicht 97

vernünftig anschaut. W e n n m a n aber die D i n g e richtig versteht, dann k o m m t m a n eben datauf, daß alles i m C h r i s d i c h e n dahin geht: D u sollst lernen, i m m e r das Ahrimanische m i t dem L u z i ferischen richtig ins Gleichgewicht z u bringen, nicht daß das eine heraufschlägt, das andere hinunterschlägt. U n d deshalb geniert sich die Anthroposophie auch nicht, v o n dem Christlichen i n diesem Sinne zu reden. Sie betont, daß das Christliche nicht darinnen besteht, daß m a n fortwährend den Christus-Namen i m M u n d e führt u n d so weiter. Das werfen ja die Leute der Anthroposophie vor, daß sie so wenig v o n Christus spricht. N u n , i c h sage immer: Ja, seht ihr, die A n t h r o posophie redet nicht viel von Chtistus, weil sie die Z e h n Gebote kennt. U n d i h r reder so viel v o n Christus, weil ihr nicht einmal das G e b o t kennt: D u sollst den N a m e n des H e r r n , deines G o t tes, nicht u n n ö t i g aussprechen. W e n n einer heute als christlicher Pastor predigt, so w i r d der Christus-Name fortwährend ausgesprochen. M a n soll i h n n u r aussprechen, w e n n m a n w i r k l i c h richtig versteht, worauf es ank o m m t ! Das ist es, nicht wahr, w o d u r c h sich die Anthroposophie davon unterscheidet, die w i r k l i c h i m richtigen Sinne christlich sein w i l l , aber ohne abergläubisch, ohne f r ö m m e l n d zu sein, n u r w i r k l i c h wissenschafdich sein w i l l , i n diesem Sinne w i r k l i c h nur wissenschaftlich sein w i l l . U n d i n dieser Weise betrachtet sie auch dasjenige, was sich hineingestellt hat z w i schen die alte Zeit, die luziferisch war, u n d die neue Zeit, die ahrimanisch ist, betrachtet sie eben dieses Ereignis i n Palästina als das M a ß g e b e n d e für die Weltgeschichte. U n d w e n n m a n wiederum richtig verstehen w i r d , was da eigentlich auf der Erde geschehen ist, dann w i r d m a n eben eigentlich erst wiederum, i c h möchte sagen, z u sich k o m m e n . D i e Menschen sind ja jetzt außer sich m i t ihrer ganz äußerlichen Wissenschaft. D a v o n wollen w i r dann am nächsten M i t t w o c h u m neun U h r weitersprechen. 3 3 Das ist dasjenige, was i c h auf die Frage zur A n t w o r t geben wollte. Ich glaube, m a n k a n n die ganze Sache schon verstehen. 98

Das Verhältnis ahrimanischer und luziferischer Wesen zu den normal entwickelten Hierarchien Heute u n d i n den nächsten Tagen m ö c h t e i c h einige Folgerungen aus den Betrachtungen der letzten Zeit, die hiet gepflogen worden s i n d , 3 4 für das menschliche Leben selber ziehen. Ich bemerke i m voraus, namentlich m i t Bezug auf gewisse Gedanken, welche der Anthroposophie als solcher entgegengebracht werden v o n der Außenwelt, wie hinsichtlich dieser Gedanken gewisse Anschauungen eigentlich gewonnen werden sollten u n d v o n uns betont werden sollten. I m Leben der Natur, i n der O r d n u n g der N a t u r erkennt heute jeder M e n s c h genau dasselbe an, allerdings abgestimmt für die O r d n u n g der Natur, was w i r durch die anthroposophische Geisteswissenschaft für das geistige Leben, für die geistige O r d n u n g geltend machen wollen. Allerdings m u ß anthroposophische Anschauung mißverstanden werden, w e n n sie sich irgendwie darauf einläßt, moderne Geisteswissenschaft z u verquicken m i t irgendwelchem althergebrachtem, an Aberglauben grenzenden Irrtum odet Mystizismus. W i i müssen uns gewöhnen, solche Bezeichnungen wie ahrimanisch, luziferisch, die uns geläufig geworden sind für die geistige O r d n u n g , so z u gebrauchen, allerdings dann auf einer höheren Stufe des Daseins, wie der Naturforscher auf seinem Gebiete, sagen wir, positive u n d negative Elektrizität, positiven u n d negativen Magnetismus oder Ä h n liches gebraucht. W i r m ü s s e n uns nur wiederum i m Unterschied v o n der landläufigen u n d vorurteilsvollen Naturwissenschaft klar darüber sein, daß natürlich i n dem Augenblick, wo man heraufk o m m t zur Bettachtung det geistigen O r d n u n g der Welt, solche Begriffe, die für die Naturwissenschaft einen gewissen bestimmten, man kann sagen, sogar stark abstrakten Inhalt haben, k o n kreter, eben geistiger gefaßt werden m ü s s e n .

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N u n wissen wir, daß das Menschenwesen, so wie es uns zunächst i m Leben zwischen Geburt u n d T o d entgegentritt, uns darbietet dasjenige, was wir gewohnt worden sind, den physischen L e i b zu nennen, dann darüber hinaus dasjenige, was w i r Atherleib nennen, oder was i c h versuche, u m gewissermaßen einen gangbareren Ausdruck z u gewinnen, Bildekräfteleib z u nennen, dann dasjenige, was schon Bewußtseinscharakter hat, was w i r gewohnt worden sind, den astralischen Leib zu nennen, was aber noch nicht jenen Bewußtseinscharakter hat, der unser uns zunächsrstehendes heutiges Bewußtsein durchzieht. Dasjenige, was w i r heute das Unterbewußte nach dem Brauch vieler Leute nennen, das würde dem astralischen Leib angehören. D a n n das, was w i r als unser gewöhnliches Bewußtsein bezeichnen, welches wechselt zwischen Schlaf- u n d Wachzuständen, welches i n die Schlafzustände h i n e i n nut die chaodschen Träume sendet, welches i n den Wachzuständen sich nicht m i t A n schauungen begnügt, sondern z u Urteilen u n d Begriffen, die abstrakt sind, Z u f l u c h t n i m m t , das alles bezeichnen w i r als jenes G l i e d der menschlichen Wesenheit, welches w i r das Ich nennen. N u r i n diesem letzten Gliede der menschlichen Wesenheit, i m eigentlichen Ich, könnte man sagen, kennt sich der M e n s c h der Gegenwart aus. Dieses Ich w i r d i h m gespiegelt v o n seinem Bewußtsein. Dieses Ich ist dasjenige, i n dem sich alles D e n k e n , Fühlen u n d W o l l e n der Seele eigentlich abspielt. Alles übrige, astralischer Leib, Ätherleib u n d der physische Leib i n seiner wahren Gestalt, liegt unterhalb des Bewußtseins u n d auch u n terhalb des Ich. D e n n dasjenige, was die gewöhnliche Wissenschaft, A n a t o m i e , Physiologie u n d so weiter, v o m physischen L e i b konstatieren kann, das ist ja n u r seine Außenseite; das ist i m G r u n d e genommen auch nichts anderes als unser Bewußtseinsinhalt v o n dem menschlichen physischen Leib, den w i r geradeso gewinnen, wie w i r einen andern sinnenfälligen Inhalt gewinnen. Das ist das äußere B i l d des physischen Leibes für unser Bewußtsein, das ist aber nicht der physische Leib selber. A l s o , die drei Glieder der menschlichen Wesenheit, die w i r 100

nach der E n t w i c k e l u n g als vorirdisch bezeichnen — Sie kennen diese E n t w i c k e l u n g aus meiner «Geheimwissenschaft i m U m riß» —, diese drei Glieder sind zunächst außerhalb des Feldes menschlicher Bewußtheit gelegen. N u n wissen Sie, daß w i r bezüglich der geistigen O r d n u n g hinweisen auf Wesenheiten, die sich nach oben h i n als Hierarchien, als Mitglieder der Hierarchien so anschließen an den Menschen, wie sich nach unten h i n die drei Naturreiche, das tierische, pflanzliche, mineralische R e i c h anschließen. In dem Augenblicke, w o w i r n u n geistig den M e n s c h e n betrachten, k ö n n e n w i r nicht mehr nur v o n denjenigen Inhalten des astralischen, des ätherischen, des physischen Leibes sprechen, v o n denen die gewöhnliche Wissenschaft oder auch die Anthroposophie spricht, w e n n sie nur Rücksicht n i m m t auf dasjenige Leben des Menschen, das i n der sinnenfälligen W e l t offenbar w i r d . U n d i c h habe deshalb schon i n früheren Betrachtungen dieses Herbstes erwähnt, daß m i t diesen, nennen w i r sie n u n untere Glieder der menschlichen Natur, daß m i t diesen unteren G l i e d e r n der menschlichen Natur, w e n n w i r sie ihrer Wahrheit nach betrachten, i m wesendichen verbunden sind die Geister der einzelnen H i e r a r c h i e n . 3 5 N u n können wir, i m Sinne dessen, was i c h Ihnen gerade i n A n k n ü p f u n g an Goethes Weltanschauung neulich vorbrachte, 3 6 sagen: Insofern sich der M e n s c h durch diese seine drei Glieder i n der Z e i t entwickelt, insofern er jene E n t w i c k e l u n g durchmacht, welche m a n verfolgen kann v o n seiner Geburt bis z u seinem Tode, insofern hängt er zusammen m i t gewissen geistigen Kräften, die hinter seiner E n t w i c k e l u n g liegen. Ich habe es Ihnen dadurch klarzumachen versucht, daß i c h sagte: W e n n w i r dieses (siehe Zeichnung) als Wesenheit des heutigen Menschen

weiss

betrachten, so m ü s s e n w i r rückgängig i n der E n t w i c k e l u n g m i t dieser seiner Wesenheit verbunden denken die geistigen Kräfte, die w i r als die Glieder der höheren Hierarchien erkannt haben. Diese geistigen Kräfte wirken ja n u n , wie Sie wissen, unmittelbar i n sein Ich beim normalen M e n s c h e n nicht herein, außer den Geistern der F o r m , denjenigen, die man Exusiai nennt. Also außer diesen Geistern der F o r m , jenen Kräften, welche dem M e n s c h e n seine i h m ureigene F o r m geben, w i r k e n i n das gegenwärtige Bewußtsein des M e n s c h e n die andern geistigen Kräfte nicht herein. W i r bekommen einen zwar spärlichen, aber d o c h i m m e r h i n einigermaßen möglichen Begriff von den G e i stern der F o r m , w e n n w i r den B l i c k wenden auf diejenige Form u n g des M e n s c h e n - es ist nut ein Teil, ein G l i e d seiner allgemeinen F o r m u n g - , die er n o c h während der Zeit seines physischen Lebens a n n i m m t . W i r werden alle geboren als mehr oder weniger kriechende Wesen. W i r haben die Vertikale nicht i n unserer Gewalt. N u n hängt m i t dem Aufrechten des M e n s c h e n — nicht gerade m i t dem mathematisch Aufrechten, aber m i t der Kraft, die aufrechte Lage als seine Lage zu haben — ungeheuer viel i n der Gesamtwesenheit des Menschen zusammen. U n d w e n n m a n den Unterschied des M e n s c h e n v o m Tiere betrachtet nach rein äußeren M e r k m a l e n , so sollte m a n nicht auf diejenigen D i n g e sehen, auf die gewöhnlich gesehen w i r d , auf die Z a h l der K n o c h e n u n d der M u s k e l n u n d so weiter, die ja der M e n s c h i m wesentlichen m i t dem Tiere gemein hat, sondern m a n sollte gerade auf diese Aufrichtekraft, die dem werdenden M e n s c h e n seine F o r m u n g gibt, achten. Es ist n u r ein Teil dessen, was i n Betracht k o m m t , abet es ist ein wesentlicher Teil. Dieselbe Kraft, die da als Aufrichtekraft i n unser physisches Werden eingreift, sie ist v o n der A r t wie alle die Kräfte, die uns als M e n schen, als Erdenmenschen unsere F o r m geben. U n d n u r diese Kräfte, die v o n solcher A r t sind, greifen i n unser Ich ein. Dagegen greifen andere Kräfte, w i r nennen sie die Kräfte der kosmischen Bewegung, der kosmischen Weisheit, des k o s m i schen W i l l e n s , bezeichnen sie als D y n a m i s , Kyriotetes, T h r o n e , 102

alte N a m e n gebrauchend für diese i m modernen Geiste gesehenen D i n g e , ein i n dasjenige, was nicht ins Bewußtsein des M e n schen hereinfällt, was also angehört seinem astralischen Leibe, seinem Bildekräfteleib oder Atherleib u n d seinem physischen Leib. So daß man, w e n n m a n diese Glieder der Menschennatur ohne diesen geistigen Inhalt betrachtet, den i c h eben angeführt habe, dann eigentlich v o n einer bloßen Illusion, v o n einem bloßen Scheingebilde redet. In Wahrheit stecken w i r nicht i n dem, was sich als äußerer Schein darbietet, sondern i n den angedeuteten geistigen Kräften darinnen. N u n wirken aber auf den Menschen gewissermaßen zeitlich wie ich neulich i n A n k n ü p f u n g an Goethes Weltanschauung gesagt habe —, ohne daß sie m i t seiner E n t w i c k e l u n g unmittelbar z u s a m m e n h ä n g e n , jene beiden Kräftearten herein, die w i r als luziferische oder ahrimanische bezeichnen. W i r k ö n n e n sagen: mehr geistig die luziferischen Kräfte (siehe Z e i c h n u n g , rot), mehr v o m Unterbewußten her die ahrimanischen Kräfte (lila). Daher haben w i r eine Dreigliedrigkeit i m kosmischen

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Hineingestelltsein des Menschen i n das Dasein. So daß w i r sagen: Es gibt i n der Menschennatur gewisse geistige Kräfte, die unmittelbar m i t seiner Entwickelungsströmung z u s a m m e n h ä n gen. Es gibt zwei andere Kräfteströmungen, die luziferische u n d die ahrimanische, die nicht m i t seiner unmirtelbaren Entwickel u n g s s t r ö m u n g z u s a m m e n h ä n g e n , sondern zeitlich auf i h n einwirken, die also h i n z u k o m m e n z u dem, was eigentlich z u m Menschen gehört. Betrachten w i r n u n das Leben. W e n n w i r das Leben betrachten — denken Sie doch, w i r sehen nicht nur den Kräftestrom, der eigentlich zu uns gehört, w i r sehen i m m e r etwas, was aus den drei Kräfteströmen zusammengeflossen ist. Was i m m e r w i r überschauen, sei es die äußere Sinneswelt, sei es das zwischen Lust u n d L e i d , Freude u n d Schmerz, Tat u n d Trägheit verlaufende menschliche geschichtliche Leben, w i r sehen es so, daß die drei S t r ö m u n g e n ineinandergeflossen sind. W i r unternehmen i m gewöhnlichen Leben nicht dasjenige, was z u m Beispiel der C h e m i k e r unternimmt, w e n n er Wasser nicht einfach als die Flüssigkeit h i n n i m m t , als die sie sich i m Äußeren darbietet, sondern es zerlegt i n Wasserstoff u n d Sauerstoff. Geisteswissenschaft m u ß diese Zerlegung unternehmen. Geisteswissenschaft m u ß sich einlassen auf diese geistige C h e m i e , sonst wind niemals das menschliche Leben durchdrungen werden können. N u n haben w i r ja v o n den verschiedensten Gesichtspunkten aus hingewiesen auf die besondere Eigenart jener Wesenheit, die wir als luziferisch bezeichnen, u n d die besondere Eigenart jener Wesenheit, die w i r als ahrimanisch bezeichnen. Es handelt sich n u n darum, n o c h von einem andern Gesichtspunkte, v o n dem Gesichtspunkte des unmittelbaren Menschenlebens auch einmal auf diese D i n g e einzugehen. W i r k ö n n e n dann fragen: W o ist denn eigentlich i m Menschenleben der Punkt, w o die luziferischen Kräfte besonderen Einfluß gewinnen, u n d w o ist wiederum der Punkt, wo die ahrimanischen Kräfte besonderen Einfluß gewinnen? Ja, wenn sich der M e n s c h überlassen k ö n n t e seiner ruhigen, i n 104

seinem ureigenen Wesen gelegenen E n t w i c k e l u n g — er k a n n es aber nicht, Sie wissen es aus früheren Betrachtungen, er würde erst i n der zweiten Lebenshälfte zu einiger Selbsterkenntnis k o m m e n können —,37 dann w ü i d e er nicht ausgesetzt sein dem zeitlichen Eingreifen der luziferischen u n d ahrimanischen M ä c h t e . A b e r i m wirklichen Leben, so wie w i r es zu durchleben haben, ist der M e n s c h eben diesem zeitlichen Eingreifen der luziferischen u n d ahrimanischen M ä c h t e ausgesetzt, ja, er m u ß sogar m i t den luziferischen u n d ahrimanischen M ä c h t e n rechnen. In alldem n u n , was beim Menschen mehr i n das Gebiet des Bewußten gehört, aber so, daß der M e n s c h diese Bewußtheit nicht durch N a t u r bloß anstrebt, sondern über diese N a t u r h i n ausgeht — w i r gehen über die N a t u t hinaus, w e n n w i r z u m Beispiel i n der ersten Lebenshälfte schon Selbstetkenntnis haben —, i n alldem, was der M e n s c h d u r c h sein Bewußtsein anstrebt, liegt etwas, was w i r nicht anders nennen können als Uberbewußtes. Unser Bewußtsein würde ganz anders aussehen, w e n n nicht i n diesem Bewußtsein eben Überbewußtes liegen würde. Überbewußtheit ist es, was den M e n s c h e n dazu veranlaßt, mehr hereinzutragen i n das geschichtliche Leben, als er hereintragen würde, w e n n er sich nur seiner bloßen physischen E n t w i c k e l u n g überließe. W i r wären heute i n diesem Zeitpunkte der menschlichen Erdenentwickelung i n einer ganz andersgearteten K u l t u r darinnen, w e n n nicht eingeflossen wäre i n dasjenige, was sich n u r durch die Menschheit an Bewußtheit entwikkelt hat, Überbewußtes. A b e r m i t diesem Überbewußten ist schon durchaus gegeben die Möglichkeit des Eingriffes luziferischer M ä c h t e . M a n m u ß n u r i n der richtigen Weise erkennen, wie luziferische M ä c h t e ins Bewußtsein hereinwirken. D e r M e n s c h würde niemals veranlaßt sein, ein anderes D e n k e n z u entwickeln als ein solches, welches i c h Ihnen als das Ideal der Goetheschen Weltanschauung neulich charakterisiert habe, w e n n nicht luziferische M ä c h t e hereinspielten. D u r c h die luziferischen M ä c h t e bildet det M e n s c h Hypothesen, durch die l u ziferischen M ä c h t e bildet der Mensch Phantasien über die 105

W i r k l i c h k e i t . E r ergreift nicht bloß die W i r k l i c h k e i t , er vereint m i t dem Bewußten das Ü b e r b e w u ß t e . E r macht sich allerlei Ideen über die W i r k l i c h k e i t , Ideen, die i h n dann wiederum befähigen, gründlicher m i t dieser W i r k l i c h k e i t zusammenzuwachsen, als et sonst zusammenwachsen würde. U n d w e n n w i r erst das ganze Gebiet der Kunst ins Auge fassen, m ü s s e n w i r ja betonen, daß innerhalb der Kunst, i n der das Ü b e r b e w u ß t e eine so große Rolle spielt, wenn die K u n s t nicht ausarten w i l l i n reinen Naturalismus, das luziferische Element i m höchsten G r a de sich wirksam erweisen m u ß . Es geht nicht an - das habe i c h i m m e r wieder u n d wiederum betont - , einfach z u sagen, der M e n s c h soll i n seinem Leben sich dem Luziferischen fernhalten. W e n n er sich dem Luziferischen fernhielte, würde der M e n s c h nicht ein wirkliches Leben führen k ö n n e n , sondern er würde z u m Urphilister werden müssen. Dasjenige, was i m m e r wieder u n d wiederum wie ein Sauerteig die Menschheit tettet, sie aus dem Philistertum herauszusrreben anspornt, das ist schon die luziferische Regsamkeit. A b e r diese ganze luziferische Regsamkeit, sie verursacht zu gleicher Zeit, daß der M e n s c h i n einer gewissen Weise, m a n k a n n sagen, die W e l t aus der Vogelperspektive zu betrachren geneigt ist. Alles das, was i m Laufe der Z e i t auftritt als Programme, als sehr schöne Ideen, m i t denen m a n i m m e t glaubt, das goldene Zeitalter i n der einen oder i n der andern Weise herbeiführen z u k ö n n e n , alles das rührt v o n den i n den M e n s c h e n einströmenden luziferischen Neigungen her. Alles das, w o d u r c h der M e n s c h aus dem Zusammengewachsensein m i t der W i r k lichkeit herausstrebt, durch das er gewissermaßen seine S c h w i n gen höher heben würde, als es der Zusammenhang ist, i n den er als M e n s c h hineingestellt ist, alles das weist auf Luziferisches. Luziferisch i n der Menschennatur ist derjenige Trieb, der uns immerfort veranlaßt, unser Interesse gegenüber unseren M i t menschen zu verringern. W e n n w i r unserer ureigenen M e n schennatur folgen würden, also denjenigen Entwickelungskräften, die i n des M e n s c h e n eigener S t r ö m u n g liegen, würden w i r 106

ein weit über das M a ß dessen hinausgehendes Interesse für u n sere M i t m e n s c h e n haben, als w i r es i n W i r k l i c h k e i t haben. D i e luziferische Wesenheit i n der N a t u r des Menschen, die bewirkt eine gewisse Interesselosigkeit gegenüber den andern M e n schen. U n d m a n sollte, w e n n man den M e n s c h e n i n seiner Wesenheit studiert, gerade auf diesen P u n k t einen großen Wert legen. Vieles i n der W e l t w ü t d e anders sein, w e n n w i r seiner Realität nach anerkennen würden diesen unseren D r a n g , ein viel z u großes Interesse für dasjenige z u haben, was w i r selber auskochen, u n d ein viel zu geringes Interesse für dasjenige, was andere Menschen denken u n d fühlen u n d wollen. Menschenkenntnis i n rechtem Sinne eilangt m a n nur, wenn man seine Menschenanschauung durchstrahlt m i t der Frage: Was tteibt m i c h hinweg von dem Interesse, das i c h an andern Menschen entwickeln kann? U n d es m u ß eine Aufgabe der M e n s c h e n k u l rur i n der Z u k u n f t sein, gerade diese Menschenkenntnis zu entwickeln. Heute nennt man vielfach n o c h Menschenkenntnis dasjenige, was einet sagt über die Menschen, je nachdem er sich einbildet, sie seien so oder so, oder sie sollten so oder so sein. D i e M e n s c h e n nehmen, wie sie sind, u n d sich klar darüber sein, daß jeder, wie er ist, selbst der Verbrecher — auch das m u ß gesagt werden - , n o c h i m m e r etwas Wichtigeres uns sagt übet die Welt, als es die E i n b i l d u n g e n sind, die w i r uns über die M e n schenwesenheit machen, w e n n w i r uns n o c h so schöne Gedanken aushecken: dieses sich sagen, das heißt, dem Luziferischen die richtige Gleichheitslage i n uns geben. Es würde ein solches Streben nach Menschenkenntnis unendlich viel offenbaren. U n d aus der N a t u r der menschlichen Erdenentwickelung war eigentlich keine Z e i t weiter entfernt v o n dem wirklichen, echten Interesse an der unmittelbaren Menschennatut als die heutige Zeit. M a n verwechsle dasjenige, was hier gemeint ist, nicht m i t einer Kritiklosigkeit gegenüber dem M e n s c h e n . W e r freilich wiederum v o n der Idee ausgeht: A l l e M e n s c h e n m u ß t d u als gut ansehen u n d alle M e n s c h e n gleich lieben —, der macht sich die Sache ja allerdings recht luziferisch bequem, denn er geht erst 107

recht v o n seinen Phantasien aus. A l l e Menschen gleich zu betrachten, das ist erst recht eine luziferische Phantasie. Es handelt sich nicht darum, eine allgemeine Idee z u pflegen, sondern gerade darum, auf das Konkrete jedes einzelnen Menschen einzugehen u n d dafür ein liebevolles, vielleicht besser gesagt, interessevolles Verständnis z u entwickeln. N u n k ö n n e n Sie fragen: Was soll denn dann eigentlich diese ganze luziferische Kraft i n uns, w e n n sie uns abhält davon, gegen die Menschennatur i m weisheitsvollen Sinne tolerant z u sein u n d Interesse zu entwickeln? Sie hat ihre gute Berechtigung i m Haushalte des Geistes, w e n n i c h m i c h des philiströsen A u s druckes bedienen darf. Diese luziferische Kraft m u ß schon auch da sein, weil wir, wenn w i r n u r i n der fortlaufenden S t r ö m u n g wären u n d die natur- u n d geistgemäße H i n n e i g u n g zur E r kenntnis eines jeden Menschen entwickeln würden, i n unserer Menschenkenntnis - verzeihen Sie den harten Ausdruck ersaufen würden. W i r würden ertrinken, w i r würden nicht recht zu uns k o m m e n können. Gerade das ist z u s a m m e n h ä n g e n d m i t vielen Geheimnissen des Daseins, daß i n diesem Dasein nichts eigentlich ist, was nicht, wenn es i n der Konsequenz verfolgt w i r d , bis i n seine Extreme i n der Konsequenz verfolgt w i r d , dann z u m B ö s e n w i r d , z u m U n g l ü c k . Dasjenige, was uns so recht m i t Menschen zusammenbringt, was uns finden läßt den andern M e n s c h e n i n uns selbst, das würde bewirken, daß w i r ertrinken i n unserer Menschenkenntnis, w e n n nicht fortwährend der luziferische Stachel da wäre, der uns i m m e r wieder u n d wiederum hinweghebt v o m Ertrinken, der uns i m m e r wieder u n d wiederum an die Oberfläche heraufhebt u n d z u uns bringt u n d das Interesse nachher an uns selbst erweckt. Gerade i n unseren Beziehungen z u den M e n s c h e n leben w i r i n einem fortwährenden Wechselspiel zwischen unserer ureigenen Kraft u n d der luziferischen Kraft. U n d derjenige, der da sagt, es wäre gescheiter, w e n n die Menschen n u r ihrer ureigenen Kraft folgen u n d gar nicht v o m Luziferischen berührt würden —, der soll auch gleich behaupten, wenn er eine Waage har m i t zwei Waage108

balken u n d zwei Waageschalen, er nehme lieber die eine Waagschale weg u n d wiege bloß m i t der andern, m i t einer Waagschale also. Das Leben geht eben i n Gleichgewichtszuständen ab, nicht i n absoluten dinglichen Verhältnissen. Das ist dasjenige, was m a n zunächst mit Bezug auf das menschliche Leben v o m luziferischen Einschlag sagen k a n n : E r ergreift das Bewußtsein, aber so, d a ß sich Überbewußtes i n das Bewußtsein hereinmischt. D e r ahrimanische Einschlag ergreift zunächst hauptsächlich das Unterbewußte i m menschlichen Leben. In all dasjenige, was die unterbewußten, oftmals so raffinierten Triebe der M e n schennatur sind, da h i n e i n mischen sich die ahrimanischen Kräfte. In all das, was i m Menschenleben spielt aus dem Unterbewußten heraus, da mischen sich h i n e i n die ahrimanischen Kräfte. W i l l man, i c h m ö c h t e sagen, persönlich A h r i m a n u n d Luzifer charakterisieren, so kann m a n sagen: Luzifer ist ein hochmütiger Geist, der am liebsten i n die Vogelperspektive h i n auf enteilt u n d vieles überblickt; A h r i m a n ist ein moralisch einsamer Geist, der sich nicht leicht sehen läßt, der i m Unterbewußten des M e n s c h e n sein Wesen treibt, auf das Unterbewußte des Menschen wirkt, Urteile heraufzaubert aus diesem Unterbewußten. D i e M e n s c h e n glauben dann, daß sie aus ihrem Bewußtsein urteilen, während sie nur aus ihren unterbewußten Trieben u n d aus ihren unterbewußten, raffinierten Impulsen oftmals das U r t e i l heraufzaubern, oder auch heraufzaubern lassen eben durch die ahrimanischen Kräfte. Religiöse Darstellungen sind ja, wie w i r wissen, oftmals aus alten, heute überholten geisteswissenschaftlichen Anschauungen hervorgegangen. U n d Petrus nennt nicht m i t Unrecht gerade A h r i m a n den herumschleichenden L ö w e n , der zu verschlingen sucht, w e n er nur erhaschen k a n n . Aus diesem G r u n d nennt Petrus den A h r i m a n so, weil i n der Tat A h r i m a n i m Verborgenen, das heißt, i m Unterbewußten der menschlichen N a tur herumschleicht u n d dadurch sein Weltenziel zu erreichen strebt, daß er die unterbewußte Kraft des Menschen an sich 109

heranlotst, u m m i t ihr i n der Weltenentwickelung geistig andere Ziele z u erreichen, als sie i n der geradlinigen Menschens t r ö m u n g selbst liegen. In bezug auf das geschichtliche Leben sind es i m m e r luziferische Kräfte, die uns große, aber m i t der Menschennatut nicht rechnende Weltenträume aushecken lassen. W i e v i e l ist ausgeheckt worden i m Laufe des menschlichen Denkens an Weltbeglückungsideen! U n d nach der Ü b e r z e u g u n g derjenigen, die solche Weltbeglückungsideen aushecken, k a n n die W e l t eben nur glücklich werden durch diese Ideen. Es rührt das davon her, daß solches luziferisches D e n k e n perspektivischer A r t ist, sich i n die Vogelperspektive erhebt u n d all dasjenige, was da drunten herumwimmelt, unberücksichtigt läßt u n d glaubt, nach den L i n i e n der Gedanken, die i n der Vogelperspektive gefaßt werden, ließe sich die W e l t einrichten. Solche Weltbeglückungsideen, die eben i m m e r auf mangelnder Menschenkenntnis beruhen, sind luziferischer A r t . Weltmachtsträume, die aus gesonderten menschlichen Gebieten herkommen, sind ahrimanischer A r t . D e n n aus dem Unterbewußten herauf entwickeln sich diese Weltmachtsträume. A h r i m a n i s c h ist es, ein gewisses Gebiet des menschlichen Daseins zu umfassen u n d i n diesem einzelnen Gebiet eigentlich die ganze W e l t umspannen u n d umfassen zu wollen. Alles, was m i t Herrschaftsgelüsten des Menschen über andere M e n s c h e n z u s a m m e n h ä n g t , alles, was einem gesunden sozialen W o l l e n widerstrebt, ist ahrimanischer Natur. Derjenige M e n s c h , von dem man sagen k ö n n t e aber jetzt nicht i m abergläubischen, sondern i n unserem Sinne —, daß er v o n Luzifer besessen ist, verliert das Interesse für seine M i t m e n s c h e n . Derjenige M e n s c h , der von A h r i m a n besessen ist, m ö c h t e möglichst viele M e n s c h e n beherrschen, geht dann darauf aus, w e n n er k l u g ist, die menschliche Schwäche zu benützen, u m gerade durch die menschliche Schwäche die M e n s c h e n zu beherrschen. D e n n das ist ahrimanisch: i m Unterirdischen, i m Unterbewußten menschliche Schwächen aufzusuchen, u m die Menschen z u beherrschen. 110

N u n müssen w i r fragen: W o h e r k o m m t denn das alles? Das ist ja vor allem die Frage, die uns interessieren m u ß : W o h e r k o m m t denn das alles? Weichet A r t sind denn solche Wesenskräfte wie die ahrimanischen u n d die luziferischen? N i c h t wahr, w i r wissen, unsere Erde ist die Metamorphose - u m diesen Goetheschen A u s d r u c k z u gebrauchen - vorhergehender kosmischer Weltenkörper, die vierte Metamorphose. U n d u m Ausdrücke z u haben, haben w i r gesagt: D i e E i d e war zuerst verkörpert als Saturn, dann als Sonne, dann als M o n d u n d ist jetzt als Erde verkörpert. Also w i r wissen, diese Erde ist die vierte Verkörper u n g ihrer kosmischen Wesenheit, die vierte Metamorphose. Sie w i r d weitete Metamorphosen durchmachen. Das alles m ü s s e n w i r i n E r w ä g u n g ziehen, wenn w i r n u n weiter fragen wollen: Welche Bedeutung i m ganzen kosmischen Zusammenhange, i n dem der M e n s c h drinnensteht, haben die ahrimanischen u n d die luziferischen Kräftewesenheiten? - W i r wissen, m i t der G e staltung, welche det uns zunächst berührende Teil des Kosmos, unsere Erde, angenommen hat, hängen die Geister der F o r m zusammen. U n d w e n n man das ganz besonders Charakteristische der E r d e n b i l d u n g ins Auge faßt, so ist es identisch m i t dem Wesenhaften, was - wie i c h v o r h i n sagte - allerdings n u r z u m kleinsten Teile, aber d o c h i n dem liegt, wie w i r die Schwerkraft überwinden i n unserer eigenen Aufrichtekraft. Diese Geister der F o r m sind gewissermaßen die regierenden Kräfte des irdischen Daseins, der gegenwärtigen Metamorphose unseres Planeten. Diese Geister der F o r m , sie wirken aber, wie w i r wissen, durch andere Geister, die w i r A r c h a i , Archangeloi, A n g e l o i nach alten Benennungen i n unserer modernen Weise benennen. N u n interessieren uns v o n diesen Wesenheiten zunächst die A r c h a i oder Urkräfte, die Urbeginne. W i r wissen, i n der Rango r d n u n g der geistigen Wesenheiten stehen gewissermaßen die Geister der F o r m unmittelbar über den Urkräften. D a d u r c h ist i n dem Entwickelungsgange, der des M e n s c h e n ureigener ist — den ich hier weiß schematisiert habe m i t einfachen Kreidestrichen (siehe Z e i c h n u n g e n S. 101 u n d 103) - , die Sache so, 111

daß die Kräfte der Archai gewissermaßen dienende Kräfte sind der Geister der F o r m . In unserer menschlichen Wesenheit w i r ken A r c h a i , wirken Exusiai: Geister, die w i r als Urkräfte bezeichnen, Geistet, die w i r als Geister der F o r m bezeichnen. A b e r außerdem ist i m m e r noch das Folgende vorhanden: D a sind gewisse geistige Kräfte der F o r m , Formgeister vorhanden, die sich maskieren als Urkräfte, als A r c h a i . D i e könnten also Exusiai sein, machen sich abet nicht als Exusiai geltend, sondern machen sich als A r c h a i geltend; sie maskieren sich. Das ist das Wesentliche, daß w i t dahinterkommen, wie i n der Welteneinrichtung geistige Wesenheiten, die eigentlich auf einer andern Stufe der E n t w i c k e l u n g stehen, sich maskieren. Das hat aber eine ganz bestimmte Folge. Diese Urkräfte, die eigentlich nicht Urkräfte sind, sondern Geister der F o r m , v o n denen k a n n n u n ebenso abhängig sein dasjenige, was i n der äußeren Erdenform lebt, wie es abhängig ist von den eigentlichen Geistern der F o r m . A b e r das Bedeutsame ist, daß i n unserem irdischen Dasein alles das, was m i t dem R ä u m e zusammenhängt, i n d e m es i m R a u m sich gestaltet, aus dem Raumlosen hetaus sich gestaltet. Das R ä u m l i c h e begreifen w i r nur vollständig, w e n n w i r es i n seiner Bildhaftigkeit auf Urbilder zurückführen, die raumlos sind. Das ist ja natürlich das Schwierige für das abendländische D e n k e n , daß es sich das Raumlose so schwer vorstellen kann. A b e r dennoch ist es so, daß sich alles dasjenige, was m i t unserem ureigenen M e n s c h e n t u m z u s a m m e n h ä n g t , was hervorgeht aus den Geistern der F o r m , i n d e m es Gestaltung i m R ä u m e a n n i m m t , die W i r k u n g ist des Raumlosen. K o n k r e t gesprochen, i n d e m w i r uns als einzelner M e n s c h , der w i r zuerst auf allen vieren kriechen, aufrichten, die Schwerkraft i m auffechten Gestalten überwinden, stellen w i r uns i n den R a u m hinein; aber die Kraft, die dem zugrunde liegt, die strebt aus dem Raumlosen i n den R a u m h i n e i n . A l s o wenn w i r als M e n schen n u r unterworfen wären den z u uns gehörigen Geistern der F o r m , so w ü r d e n w i r i n aller A r t , uns i n den R a u m h i n e i n zustellen, verwirklichen das Raumlose i m R ä u m e ; denn die 112

Geister der F o r m leben nicht i m R ä u m e . W e r das G ö t d i c h e i m R ä u m e sucht, findet es nicht; selbstverständlich findet er es nicht. Dasjenige, was i m R ä u m e als Gestaltung auftritt, ist eine V e r w i r k l i c h u n g des Raumlosen. Diejenigen Wesenheiten, welche eigentlich Geister der F o r m sind, aber sich als A r c h a i , als Urkräfte maskieren, die wären also eigentlich nach ihrer Wesenheit bestimmt für das Raumlose. A b e r sie treten i n den R a u m ein, sie wirken i m R ä u m e . U n d das ist der eigentliche ahrimanische Charakter, daß geistige Wesenheiten, die durch ihre Wesenheit bestimmt sind, raumlos z u sein, vorgezogen haben, i m R ä u m e z u wirken. D a d u r c h entsteht i m R ä u m e die Möglichkeit, so zu gestalten, daß die Gestaltung nicht aus dem Raumlosen direkt hereinstrahlt, sondern daß das R ä u m l i c h e i m R ä u m l i c h e n wieder abgebildet w i r d , das eine durch das andere i m R ä u m e . W e n n i c h einen konkreten Fall sagen darf: W i r Menschen sind alle voneinander verschieden, weil w i r alle aus dem R a u m losen ins Leben hereingestellt sind. Unsere U r b i l d e r sind i m Raumlosen. Alles ist überhaupt verschieden. Sie kennen die ber ü h m t e Erzählung, wie unter der A n l e i t u n g Leibnizens 38 — P r i n zessinnen haben manchmal nichts anderes zu tun - Prinzessinnen gesucht haben i m Garten nach zwei vollständig sich gleichenden Baumblättern u n d keine gefunden haben, weil es w i r k l i c h nicht einmal zwei gleiche Blätter gibt. W i r alle also sind i n gewisser Beziehung Gestalten aus dem Raumlosen heraus, insofern w i r uns nicht gleichen. A b e r dennoch gleichen w i r uns; namentlich wenn w i r blutsverwandt sind, gleichen w i r uns. W i r gleichen uns, weil es auch geistige Wesenheiten gibt, die das R ä u m l i c h e nach dem R ä u m l i c h e n bilden, die nicht bloß das R ä u m l i c h e nach d e m Raumlosen bilden, sondern das R ä u m l i che nach dem R ä u m l i c h e n bilden. W i r gleichen uns, i n d e m ahrimanische Kräfte uns durchziehen. Das m u ß schon der M e n s c h sich gestehen, sonst w i r d er i m m e r bloß über ahrimanische u n d luziferische Kräfte schimpfen, aber sie nicht verstehen wollen. 113

A n diesem Beispiel sehen Sie am anschaulichsten, wie A h r i man ins Leben hereinspielt. Sofern Sie sich getrauen, sich z u sagen: Ich b i n ein M e n s c h für sich meiner Gestalt nach, u n d i c h gleiche keinem andern - , insofern liegen Sie i n der geraden Entwickelungslinie. U n d w e n n n u r die geltend wäre i n der Welt, wenn nicht die ahnmanische Seitenströmung a n k o m m e n würde, dann k ö n n t e keine M u t t e r sich freuen darüber, daß ihr das T ö c h t e r c h e n so furchtbar ähnlich sieht, denn es w ü r d e ihr auffallen, wie jeder einzelne M e n s c h ein räumliches A b b i l d eines Raumlosen ist, u n d kein R ä u m l i c h e s einem andern R ä u m l i chen gleicht. Das Eintreten v o n gewissen Geisrern der F o r m i n den R a u m gibt Veranlassung z u m Ahrimanischen. Natürlich beschränkt sich dieses Ahrimanische nicht bloß auf das Gleiche der M e n s c h e n , sondern es erstreckt sich auf vieles; aber w i r konnten das aus einem Beispiele anführen. N u n bitte ich Sie, sich an diejenige Betrachtung zu erinnern, die ich angeknüpft habe, nicht z u Ihrem Tröste, sondern aus der Sache heraus, nachdem ich ausgeführt habe, daß der M e n s c h eigentlich zur Selbsterkenntnis eist gescheit w i r d i n der zweiten Hälfte seines Lebens. 3 9 Ich habe gesagt: Insofern unser Leben einen solchen zeitlichen Verlauf hat, u n d wenn es nur diesen zeitlichen Verlauf hätte u n d nichts anderes auf uns wirkte, so könnten w i r i n der Tat zur Selbsterkenntnis erst k o m m e n i n unserer zweiten Lebenshälfte. A b e r n u n wirken, sagte i c h dazumal, i n der ersten Lebenshälfte luziferische Kräfte u n d erzeugen eine Selbsterkenntnis, die nicht aus unserer ureigenen M e n schennatur folgt. Ich habe aber entgegengestellt dem, was das menschliche Leben wäre, w e n n es n u r seiner ureigenen N a t u r folgte, dasjenige, was ich genannt habe das Reich der Dauer. In bezug auf alles dasjenige, was z u der ureigenen Menschennatur gehört, sind w i r als Fünfzigjähriger ein anderer M e n s c h , als w i r als Zwanzigjähriger sind; w i r entwickeln uns. M i t Bezug auf alles dasjenige, i n dem w i r uns nicht entwickeln, gehören w i r nicht unserer Leiblichkeit, sondern dem Geistig-Seelischen an u n d hängen zusammen m i t dem Reich der Dauer, m i t jenem 114

R e i c h , i n dem die Z e i t keine Rolle spielt. So wie zugrunde liegt allem R ä u m l i c h e n ein Raumloses, so liegt zugrunde allem Zeitlichen ein Dauerndes. W i r wären ganz andere Menschen, w e n n w i r nicht zusammenhingen m i t dem R e i ch der Dauer. W i r würden gewissermaßen m i t dem achtundzwanzigsten oder neunundzwanzigsten Jahre erst, wie i c h vor einiger Zeit sagte, aus einer gewissen Lebensträumerei heraus aufwachen. A b e r w i r leben i m Reich der Dauer, u n d so w i r d ausgeglichen das H i n d ö s eri der ersten Lebenshälfte u n d das furchtbare Gescheitsein i n der zweiten Lebenshälfte durch das R e i ch der Dauer. Diesem Reich der Dauer gehören n u n an alle geistigen W e senskräfte der höheren Hierarchien, die w i r kennen, m i t einziger Ausnahme der Geister der F o r m . D i e spielen herein i n das Reich der zeitlichen E n t w i c k e l u n g . A b e r sie schaffen herein i n d e m sie raumlos-räumlich leben, i n d e m sie gewissermaßen ihr Leben zwischen der Raumlosigkeit u n d Räumlichkeit z u b r i n gen - die Gestalten aus dem Raumlosen ins R ä u m l i c h e . Das unterliegt einem Zeitprozesse, es spielt ihr Leben i n die Z e i t h i n e i n . A b e r die andern Wesenheiten, die i n der Hierarchieno r d n u n g höher h i n a u f liegen als die Geister der F o r m , die sind rein der Dauer angehörige Wesenheiten. V o n ihnen als Zeitwesenheiten z u sprechen, k a n n nur vergleichsweise geschehen; meint man es der W i r k l i c h k e i t nach, so ist es ein U n s i n n . Es ist eben schwierig, über diese D i n g e z u reden, aus dem einfachen G r u n d e , weil i n der gegenwärtigen Zeitentwickelung die wenigsten Menschen eine regsame E m p f i n d u n g haben für Begriffe u n d Ideen, die m a n entwickelt, i n d e m m a n aus dem R a u m u n d aus der Z e i t hinausgeht. Raumloses werden die meisten M e n schen heute überhaupt n u r für Phantasie erklären, ebenso Zeitloses, Dauerndes, Unvergängliches, aber dann auch U n w a n d e l bares. N u n gibt es also über den Wesenheiten der Exusiaiordnung h i n a u f n u r Wesenheiten, die dem Reich der Dauer angehören. A b e r es gibt solche unter i h n e n , die sich als Zeitenwesen maskieren, die i n die Z e i t eintreten. So wie die andern Wesen, die 115

ahrimanischen, die i c h charakterisiert habe, i n den R a u m eintreten, so gibt es Wesenheiten, die i n die Z e i t eintreten. Das sind luziferische Wesenheiten, Wesenheiten, die eigentlich i n der Hierarchienordnung z u den Geistern der Weisheit gehören, aber als Geister der F o r m w i r k e n , weil sie i n der Z e i t wirken. U n d dasjenige, was sonst i m Leben zeitlos i n der Menschenseele wirken würde, das w i r d durch diese Geister i n die Z e i t hereingerückt. Daher k o m m t es, daß z u m Beispiel gewisse D i n g e , die für uns i m m e r da sein könnten, w e n n w i r nur dem Reich der Dauer folgen dürften, auch der Z e i t unterliegen; z u m Beispiel v o n uns vergessen werden können, oder besser oder schlechter erinnert werden k ö n n e n u n d dergleichen, was ja nur m i t unserer leiblich-seelischen N a t u r z u s a m m e n h ä n g t , nicht m i t unserer geistig-seelischen Natur; das E r i n n e r n , das Gedächtnis. Also Geister der Dauer, die sich als Geister der Z e i t maskieren, sind die luziferischen Kräfte; eigentlich Wesenheiten, W e senskräfte i n der kosmischen O r d n u n g v o n einer sehr hohen Natur, höhere Kräfte als diejenigen, von denen, w e n n sie auch noch so theologisch durchgebildet z u sein glauben, manche Pastoren reden, w e n n sie v o m Göttlichen sprechen. N u n , das, wovon die Pastoren sprechen, sind i n W i r k l i c h k e i t viel geringere Kräfte, wie w i r ja schon gerade auch hier an diesem O r t e erwähnt haben. Diese luziferischen Kräfte haben i n sich die Möglichkeit, dasjenige, was sonst für unsere menschliche Anschauung uns rein geistig dauerhaft erscheinen würde, gewissermaßen i n die Z e i t z u übersetzen, i h m den Schein des zeidichen Verlaufes z u geben. U n d durch diesen Schein des zeitlichen Verlaufes gewisser E r scheinungen i n uns selbst k o m m t einzig u n d allein die Behauptung des Menschen, daß seine geistige Betätigung zusammenhinge m i t stofflichen Vorgängen. W ü r d e n w i r nicht i n unserer Seele gewissermaßen durchsetzt sein v o n luziferischer Wesenheit, dann w ü r d e uns unsere geistige Betätigung als Geistiges unmittelbar erscheinen. W i r würden gar nicht auf die Idee k o m m e n , d a ß dasjenige, was geistige Betätigung ist, am Stoffe 116

hängen könnte. W i r würden uns bewußt werden, daß das einzige B i l d , welches i c h oftmals gebrauche, auch das einzig richtige ist: daß der, welcher glaubt, seine geistige Betätigung gehe aus dem Stoffe hervor, einem Menschen gleicht, der sich vor einen Spiegel hinstellt u n d glaubt, daß das Spiegelbild v o n einer W e senheit hinter dem Spiegel herrührt. G e w i ß , das B i l d ist davon abhängig, wie der Spiegel geformt ist; so ist unser D e n k e n abhängig v o n unserer Leiblichkeit. A b e r der Leib wirkt nicht anders als ein Spiegel. Das w ü r d e dem M e n s c h e n i n der A n schauung selbst unmittelbar sich offenbaren, wenn nicht der luziferische Schein da wäre, daß aus dem Stofflichen heraus die geistige Betätigung gestaltet w i r d . So sehr Luzifer sich hineinmischt ins Überbewußte, so sehr ruft er wieder den Schein hervor, der uns i n ähnlicher Weise nasführt, wie wenn w i r einem Spiegel entgegengehen u n d den Spiegel zerschlagen, u m z u sehen, wie sich der angreift, der dahinter ist. Dieser Schein, daß Geistiges aus dem Stofflichen stammen k ö n n e , das ist i m wesentlichen ein luziferischer Schein. U n d m a n kann sagen: Der, welcher behauptet, Geistiges sei stoffliches Produkt, erklärt, w e n n er es auch nicht ausspricht, Luzifer z u seinem G o t t . — D i e Behauptung, Geistiges gehe hervor aus Stofflichem, die ganz identisch ist m i t der Behauptung, der Spiegel bringt die Spiegelbilder hervor i n dem Sinne, als ob die Wesenheiten hinter dem Spiegel wären, diese Behauptung, Stoff bringt Geistiges hervor, menschliches Geistiges, die ist ganz identisch m i t der Erklärung, wenn sie auch nicht ausgesprochen w i r d : Luzifer ist G o t t . W i r k ö n n e n auch nach dem Gegenpol fragen. E i n e luziferische Vorspiegelung ist diese, daß der Spiegel, das Stoffliche, ein Geistiges aus sich herausströmen lasse. D e r Gegenpol ist der, daß auch die T ä u s c h u n g b e i m Menschen vorhanden ist, als ob das, was i n der sinnenfälligen Welt ist, jemals auf das menschliche Innere w i r k l i c h wirken könnte. W ä r e nicht die ahrimanische Illusion da, die durch Kräfte entsteht, welche aus dem Raumlosen i n das R ä u m l i c h e eintreten, dann würde der 117

M e n s c h durchschauen, wie niemals auf seine Wesenheit die Kräfte Einfluß gewinnen k ö n n e n , die i m Stofflichen verankert sind. D i e Behauptung, daß i m Stofflichen Kräfte verankert sind, Energien verankert sind, die i m Menschen weiterwirken k ö n n e n , diese Behauptung ist eine rein ahrimanische, u n d der sie tut, erklärt A h r i m a n zu seinem Gotte, auch wenn er es nicht ausspricht. D e n n o c h , der M e n s c h schwebt zwischen diesen beiden Illusionen; der M e n s c h schwebt zwischen der einen Illusion, die i h m i m m e r wieder u n d wiederum vorgaukelt, daß der Spiegel die Bilder als Wesenheiten aus sich herausströmen läßt, als ob der Stoff geistige Betätigungen hervorbringen könnte. D i e andere Illusion ist diese, daß i n dem äußeren sinnenfälligen Dasein Energien enthalten sind, die irgendwie umgesetzt z u der menschlichen Betätigung führen können. Das eine ist die luziferische, das andere ist die ahrimanische Illusion. Dasjenige, was unsere heutige Z e i t so charakterisiert, ist, daß sie keine N e i g u n g hat, auf das Geistige ebenso einzugehen, wie sie auf die N a t u r o r d n u n g eingeht. Es ist ja allerdings leichter, so über den Geist v o m Standpunkt eines nebulosen Mystizismus oder v o m Standpunkt abstrakter Naturbegriffe zu reden, als sich i n w i r k l i c h wissenschaftlicher Weise, so wie man das für die N a t u r selber tut, auf die geistigen Vorgänge u n d geistigen I m pulse konkret einzulassen. W i r leben n u n einmal i n dem Zeitalter, i n dem der M e n s c h anfangen m u ß , bewußt sich über das aufzuklären, was i n seinem Seelischen wirkt. W i r kennen die G r ü n d e , w a r u m die Z e i t abgelaufen ist, i n welcher der M e n s c h i m U n b e w u ß t e n die Impulse finden konnte, die i h n weiter lenkten; heute m u ß der M e n s c h beginnen, bewußt einzutreten i n das Feld, i n dem eben sein Seelisches lebt, u n d dieses Seelische die Bewußtheit erzeugt. W i r k ö n n e n also sagen, daß der M e n s c h eigentlich ein ganz anderes Wesen wäre, wenn er nur seiner ureigenen N a t u r u n d den guten geistigen Kräften i n der W e l t folgen w ü r d e i n seiner Entwickelung, als er jetzt ist, da er i n W i r k l i c h k e i t dieser urzeit118

liehen E n t w i c k e l u n g folgt i m Z u s a m m e n w i r k e n m i t den zeitl i c h auf i h n wirkenden luziferischen u n d ahrimanischen Kräfren. D i e Frage ist n u n diese: W i e stellt sich ein Gleichgewichtszustand her zwischen diesen drei Kräften? U m diesen Gleichgewichtszustand herzustellen, oder wenigstens, u m zu etkennen, wie er herzustellen ist, m u ß man auf folgendes sehen. D i e äußere Naturwissenschaft macht es sich sehr bequem, i n d e m sie für gewisse Gebiete so nach d e m Prinzip urteilt: E i n Messer gehört z u m Essen, also n i m m t m a n , i n d e m man z u m Rasieretui geht, ein Rasiermesser heraus u n d schneidet sich dam i t dasjenige, was auf den Tisch k o m m t . So sind sehr viele heutige naturwissenschaftliche Urteile gebildet, z u m Beispiel das über den T o d . N i c h t viel mehr verwendet die heutige Naturwissenschaft von zunächstliegenden Begriffen für die Erschein u n g des Todes, als das Aufhören eines Organismus. Das ist bequem, denn man k a n n dann, wie das ja heute manche, die sich Forscher nennen, i n grotesker Weise machen, v o m Pflanzentode, v o m T i e r t o d u n d Menschentod i m gleichen Sinne sprechen. A b e r das ist w i r k l i c h nichts anderes, als wenn m a n sprechen würde v o m Messer u n d meinte das Tischmesser u n d das Rasiermesser i n einer Kategorie. In Wahrheit ist dasjenige, was T o d genannt werden kann, etwas anderes bei der Pflanze, etwas anderes beim Tier, etwas anderes b e i m Menschen. N u r weil man bei allen dreien das Aufhören der organischen F u n k tionen sieht, generalisiert m a n . W e n n man den T o d i n der Menschennatur studiert - u n d w i r haben ja öfter von der Erscheinung des Menschentodes gesprochen - , dann zeigt innerhalb der Menschennatur dieser T o d ein solches Wesen, daß man i h n als die Ausgleichskraft für die luziferischen Kräfte i n einer gewissen Weise ansehen kann. N i c h t wahr, der T o d ist ja nicht nut die einmalige Erscheinung, denn der M e n s c h beginnt eigentlich z u sterben, i n d e m er geboren w i r d ; i n d e m die Impulse des Sterbens schon i n i h m liegen, vollzieht der T o d sich i n einem gewissen Zeitpunkte. Alles was an Kräfteimpulsen z u m Tode führt, das s i n d zugleich diejenigen 119

Kräfte, welche das Gleichgewicht herstellen m i t den luziferischen Kräften. D e n n durch den T o d w i r d der M e n s c h aus dem Zeitlichen hinausgeführt i n das R e i c h der Dauer. N u n wissen wir, daß die luziferischen Kräfte getade darinnen ihr Wesen haben, daß sie eigentlich dem Reich der Dauer angehören u n d das, was sie i m Reich der Dauer machen sollten, ins Reich der Z e i d i c h k e i t hereintragen. Das würde keinen A u s gleich haben, w e n n nicht dem Reich der Zeitlichkeit der T o d eingefügt wäre, der den M e n s c h e n wiederum herausfuhrt aus dem Reich der Zeidichkeit i n das Reich der Dauer. D e r T o d ist der Ausgleicher gegenüber dem Luziferischen. Das Luziferische trägt die Dauer i n die Zeit herein; der T o d trägt die Z e i t i n die Dauer hinaus. So ist es abstrakt ausgesprochen, allein i n dieser Abstraktion liegt eben eine U n s u m m e v o n K o n k r e t e m . Was haben w i r sagen müssen v o n A h r i m a n ? E r macht ähnlich das Ähnliche. Ich habe Ihnen den konkreten Fall des Ähnlichen i n der Menschennatur angeführt, das m i t dem Ahrimanischen z u s a m m e n h ä n g t . Diesem Ähnlichen, dem m u ß ebenso ein G e gengewicht geschaffen werden oder geschaffen sein - m a n kann natürlich nicht teleologisch sprechen, also geschaffen sein - , es m u ß da sein dieses Gegengewicht, welches eigentlich gegen die Ähnlichkeit w i r k t . N u r führt m a n sonderbarerweise vielfach die Ähnlichkeit zurück auf dieses Gegengewicht durch einen der verworrenen Begriffe, die da k o m m e n , w e n n m a n sich nicht einläßt auf tiefere Z u s a m m e n h ä n g e . Das Gegengewicht für die Ähnlichkeit ist die Vererbungskraft: w i r sind nicht nur ähnlich i n der F o r m , die auf unsere Gestaltung führt, sondern w i r tragen i n uns innere Vererbungskräfte. D u r c h diese Vererbungskräfte, die w i t i n uns tragen, wirken w i r eigentlich der Ähnlichkeit der F o r m entgegen. N u r eine verworrene Wissenschaft schiebt Ä h n lichkeit u n d Vererbung zusammen. W i r sehen unseren Eltern ähnlich, b e k o m m e n aber zu gleicher Zeit v o n unseren Eltern i n unsetem inneren Menschen gewisse Kräfte mitvererbt, die danach streben, uns wiederum z u m U r b i l d e des M e n s c h e n zurückzuführen. Eigendich ist das, was w i r vererbt bekommen, i m 120

Kampfe gegen die Ähnlichkeit. Eine feinere Betrachtung des Menschenlebens k a n n schon d a r a u f k o m m e n , selbst ohne übersinnliche Betrachtung, ganz durch äußerliche Betrachtung. Versuchen Sie einmal, das Leben i n der rechten Weise zu fragen, versuchen Sie einmal, M e n s c h e n zu betrachten, die ihren E l tern, Großeltern u n d so weiter nach dieser oder jener Formeigenschaft besonders ähnlich sehen, u n d sehen Sie dann auf die vererbten moralischen Impulse: dann werden Sie sehen, daß die vererbten moralischen Impulse i n der Regel entgegengesetzt w i r k e n den gleichen Formgestaltungen. W e n n Sie gerade bei den v o n der Geschichte verzeichneten hervorragenderen Persönlichkeiten sich die Bilder ansehen, welche deren Formgestaltung als ähnlich dem Vorfahren erscheinen lassen, so werden Sie überall sehen, daß z u gleicher Z e i t i n der Biographie seelische Eigenschaften verzeichnet sind - u n d die gerade vererbte Eigenschaften sind - , die sich auflehnen gegen diejenigen, von denen diese Formähnlichkeiten hergekommen sind. Dies ist wesentlich eines der Geheimnisse des Lebens. U n d es würden Vorfahren ihre N a c h k o m m e n , es würden Eltern ihre K i n d e r viel, viel besser versrehen, wenn sie i n völliger Vorurteilslosigkeit solch ein F a k t u m ins Auge fassen könnten. W e n n z u m Beispiel - verzeihen Sie, daß i c h solche D i n g e sage, aber w i r sind ja nicht i n einer Philistergesellschaft - eine M u t t e r ein S ö h n chen hat, das ihr ganz besonders ähnlich ist, so k a n n sie sich darüber freuen, daß ihr das S ö h n c h e n ähnlich ist; aber für die Erziehung könnte es sehr nützlich sein, wenn sie sich n u n sagt: Was w o l l e n sich da i n diesem S ö h n c h e n für Eigenschaften entw i c k e l n , die ähnlich denen sind, weswegen i c h m i c h m i t meinem M a n n e so oft zanken muß? - A u f solche konkreten I m p u l se, die i m Leben eine ungeheure Bedeutung haben, sollte man den B l i c k richren. M a n w i r d die Erkennrnis solcher Impulse für die Erziehungsaufgabe der Z u k u n f t , der zukünftigen menschlichen Entwickelung, ganz besonders nötig haben. D e n n m a n w i t d nicht aus abstrakten Grundsätzen heraus i n der Z u k u n f t erziehen k ö n n e n , sondern m a n w i r d nach Unterlagen, nach 121

empirischen, konkreten Unterlagen erziehen müssen. U n d diese konkreten, empirischen Unterlagen ergeben sich nicht, w e n n m a n das Leben nicht lesen k a n n . M a n m u ß es lesen k ö n n e n ; aber dazu m u ß m a n die Buchstaben kennen. Im Konkreten sind es ja, wie Sie wissen, viel mehr, aber z u m notwendigsten B u c h stabieren für die nächste Z u k u n f t genügt schon, wenn m a n die drei Buchstaben: die normale Entwickelung, das Ahrimanische u n d das Luziferische kennt. A b e r wer sie nicht kennt, k a n n nicht lesen, so wie derjenige, der nicht das A b c kennt, kein B u c h lesen k a n n . Das sind einfach die Buchstaben, durch die m a n das Leben kennen, das Leben lesen lernt. U n d der Geist des U t o p i schen, der i n der Menschheit so vielfach verbreitet ist, er w i r d sich nur besiegen lassen dadurch, daß m a n das Leben w i r d lesen lernen. D a n n m u ß man sich aber einlassen darauf, die i m Leben spielenden Kräfte zu studieren. N u n kann natürlich jemand sagen: D u erklärst uns hiet etwas als die ureigene Menschenwesenheit, was m a n aber nirgends findet. - Das ist ja selbstverständlich; aber das isr kein anderer E i n w a n d , als den derjenige macht, welcher sagt: D u erklärst m i r hier, daß i n dem dahinfließenden Flußwasser Wasserstoff u n d Sauerstoff darinnen ist; i c h finde nichts davon. — Es ist eben nötig, auf diese D i n g e einzugehen, vor allen D i n g e n sich einen richtigen Begriff von dem z u machen, was F o r m ist. Ich habe früher einmal folgenden Vergleich gebraucht, den i c h wiederholen m ö c h t e . M a n k a n n i n Koblenz oder irgendwo ankommen, auch i n Basel, u n d k a n n den R h e i n bewundern u n d kann sich veranlaßt fühlen z u dem Ausdruck: Dieser R h e i n , n u n fließt er, man weiß nicht wie lange, gewiß seit Jahrhunderten, vielleicht aber seit unvordenklichen Zeiten dahin. W i e alt ist dieser R h e i n ! — Was ist denn da eigentlich alt? Das Wasser, das Sie anschauen, das w i r d i n einigen Tagen ganz woanders sein, das w i r d weg sein: das ist sicher nicht alt, denn es war vor einigen Tagen n o c h gar nicht da, sondern ganz woanders. Was Sie da sehen, ist sicher nicht alt, das dürfen Sie nicht für jahrhundertealt halten. U n d w e n n 122

Sie v o m R h e i n sprechen, sprechen Sie wahrscheinlich auch n i c h t v o n der R i n n e i n der Erde, die da ist, wo das Wasser d r i n n e n fließt; Sie sprechen w i r k l i c h v o n etwas, das Sie eigentl i c h gar nicht vor sich haben. Sie k ö n n e n nämlich nicht, w e n n Sie v o n der W i r k l i c h k e i t sprechen, v o n demjenigen sprechen, was Sie vor sich haben, denn das, was Sie vor sich haben, ist ein Z u s a m m e n f l u ß v o n durch die W e l t wirkenden S t r ö m u n g e n , u n d ist nur der Gleichgewichtszustand. U n d übetall, wo Sie hinsehen, sehen Sie n u r Gleichgewichtszustände. D i e W i r k l i c h keiten, i n die müssen Sie erst eindringen. A b e r nur durch das E i n d r i n g e n i n die W i r k l i c h k e i t e n ist auch ein Buchstabieren des Lebens möglich. M o r g e n werde i c h n u n sprechen v o n dem Zusammenhang des luziferischen u n d ahrimanischen Impulses m i t dem C h r i stus-Jahve-Impuls, damit Sie sehen, wie sich dieser ChristusJahve-Impuls i n W i r k l i c h k e i t i n diese S t r ö m u n g e n hineinstellt.

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Die Folgen und der Ausgleich des «Sündenfalls»

Midgardschlange, Fenriswolf und Hei

W e n n unter Ihnen Zuhörer sind, die den Vortrag v o n gestern philosophisch analysieren w o l l t e n , 4 0 so könnten Sie vielleicht Schwierigkeiten, scheinbare Schwierigkeiten haben, u n d zwar aus dem G r u n d e , weil Sie ja aus früheren Darstellungen, die über ähnliche T h e m e n gegeben worden sind, gehört haben, daß unser gesamter nachatlantischer Z e i t r a u m u n d eigentlich schon die letzten Zeiten der atlantischen E n t w i c k e l u n g dazu da waren, das menschliche Ich als solches nach u n d nach zu entwickeln, i m m e r mehr u n d mehr zur Bewußtheit zu bringen. I m Z u s a m menhang damit wurde gesagt, daß gewissermaßen die A n g e h ö rigen der alten indischen K u l t u r die allerersten waren, welche, nachdem sie i n der alten Atlantis noch durch das i n der M e n s c h heit sich findende alte Hellsehen den E i n b l i c k i n eine geistige W e l t hatten, unmittelbar aus diesem Hellsehen heraus i n die physische W e l t versetzt waren. Sie sahen diese physische W e l t so, daß n u n die S t i m m u n g über die ganze erste nachatlantische Kulturperiode k a m : Dasjenige ist die wahre W i r k l i c h k e i t , was hinter uns liegt i n der geistigen Welt darinnen. Draußen aber i n der W e l t ist M a j a oder Illusion. N u n wurde gestern auseinandergesetzt - wie es auch den Tatsachen entspricht - , daß die Angehörigen dieser alten indischen K u l t u r gewissermaßen eine reiche Seelenentwickelung durchgemacht hatten, u n d es wurde gesagt, daß sie sie erlangt hatten mehr oder weniger bei schlafendem Ich, das heißt, daß das Ich etst erwacht ist, nachdem diese teife Seelenentwickelung schon erreicht war. Sie könnten sich jetzt vielleicht fragen: Was hat es denn eigentlich für diese indische Bevölkerung i n der Zwischenzeit gegeben? D a m u ß ja sozusagen die indische Bevölkerung i n einer 127

ganz anderen Weise diese ganze Seelenentwickelung durchgemacht haben, als die europäische, namentlich die germanische Bevölkerung, die m i t dem Ich dabei war, während sich die Fähigkeiten nach u n d nach entwickelten, die zugesehen hat, wie die göttlich-geistigen M ä c h t e i n ihre Seele hereingewirkt haben. Das könnten Sie vielleicht schwer i n E i n k l a n g bringen m i t dem Gesagten, w e n n Sie über den gestrigen Vortrag philosophisch denken wollten. N u t für diejenigen, die nicht aus völliger U n b e fangenheit, sondern aus einem solchen philosophischen D e n ken heraus den Vortrag analysieren wollen, m u ß i c h noch etwas i n Parenthese zur Aufklärung sagen. Sie werden den scheinbaren W i d e r s p r u c h sofort auflösen, w e n n Sie wie folgt z u Werke gehen, w e n n Sie sich sagen: In bezug auf das Ich u n d seine Erkennbarkeit ist der M e n s c h i n einer ganz anderen Lage als i n bezug auf ein jegliches anderes Objekt. W e n n Sie irgendein anderes Objekt erkennen, einen anderen Gegenstand oder ein anderes Wesen als das Ich, d a n n haben Sie es eigendich i n der Erkenntnistätigkeit i m m e r m i t zweierlei z u t u n : m i t dem Erkenner, der Erkenntniskraft, u n d m i t dem, was erkannt w i r d . O b das, was erkannt w i r d , M e n s c h , Tier, B a u m oder Stein ist, d a r a u f k o m m t es nicht an für den rein formalen Erkenntnisakt. Anders steht die Sache aber i n bezug auf das Ich. D a ist dasjenige, was etkennt, u n d das, was erkannt w i r d , ein u n d dasselbe. Das Bedeutungsvolle ist, daß i n der menschlichen E v o l u t i o n , der menschlichen Entwickelung, diese zwei D i n g e auseinanderfallen. Diejenigen, die die reife indische K u l t u r i n der nachatlantischen Periode entwickelt hatten, die entwickelten das Ich subjektiv als ein erkennendes, u n d dieses subjektive Hinaufheben des Ich auf eine gewisse H ö h e innerhalb der menschlichen Seelenkraft k a n n lange vorhanden sein, ehe der M e n s c h auch die Fähigkeit erlangt, das Ich objektiv, als Wesenheit, z u schauen. Dagegen entwickelten die Völker E u r o pas verhältnismäßig außerordentlich früh, n o c h als sie i m alten Hellsehen darinnen steckten, das Anschauen des objektiven Ich, das heißt, sie erschauten innerhalb dessen, was sie hellseherisch 128

überschauten, als ein Wesen unter anderen Wesen auch das Ich. W e n n Sie dies genau auseinanderhalten, so werden Sie auch philosophisch, wie m i t allen geisteswissenschaftlichen D i n g e n , zurechtkommen, w e n n Sie es nur richtig machen. M a n k ö n n t e es, wenn m a n gerade seine Freude an philosophischen F o r m e l n hätte, so ausdrücken: D i e indische K u l t u r stellt eine solche Seele dar, welche eine H o c h b l ü t e des subjektiven Ich erlangt, lange bevor die A n s c h a u u n g des objektiven Ich da war. D i e germanisch-europäischen Völker entwickelten, lange bevor sie sich des eigentlichen inneren Antriebes z u m Ich bewußt wurden, die A n s c h a u u n g des Ich. Sie sahen hellseherisch das M o r g e n r o t des eigenen Ich, das imaginative B i l d des Ich. In der Welt, die sie als eine astralische u m sich hatten, sahen sie das Ich objektiv längst unter den andeten Wesen, die sie hellseherisch wahrnahmen. — So m ü s s e n w i r uns den Gegensatz rein formal vorstellen; dann werden w i r auch begreifen, daß gerade der europäische Boden dazu berufen war, das Ich des Menschen i n einer solchen Weise, wie i c h das i n bezug auf die M y t h o l o g i e gestern hervorhob, i n Beziehung z u bringen z u den anderen Wesenheiten, den Engeln u n d Erzengeln. W e n n Sie dies ins Auge fassen, so begreifen Sie, daß der europäische B o d e n dazu bestimmt war, i n der verschiedensten Weise dieses Ich auch z u der Welt, die als sinnenfällige W e l t vor den Menschensinn trat, i n Beziehung z u setzen, u n d daß das Ich, der eigentliche Wesenskern des Menschen, die verschiedensren Verhältnisse zur Außenwelt eingehen k a n n . Früher, bevor der M e n s c h sein Ich schaute, bevot er es wahrnahm, waren dem M e n s c h e n diese Verhältnisse durch die höheren Wesen angewiesen, u n d er selbst konnte dazu nichts t u n . Es wat ein instinktives Verhältnis, i n das er zur Außenwelt gesetzt war. Das ist das Wesentliche i n der E n t w i c k e l u n g des Ich, daß es i m m e r mehr u n d mehr selbst i n die H a n d n i m m t , die Verhältnisse des Ich zur Außenwelt zu gestalten. I m wesentlichen wat es die A u f gabe der europäischen N a t i o n e n , dieses Verhältnis des Ich zur ganzen W e l t i n irgendeiner Weise zu gestalten, u n d die führende 129

Volksseele hatte u n d hat die Aufgabe, den europäischen M e n schen anzuweisen, sein Ich i n Beziehung zur Außenwelt u n d zu den anderen M e n s c h e n u n d z u der W e l t der göttlich-geistigen Wesenheiten z u setzen, so daß m a n i m G r u n d e genommen erst innerhalb der europäischen K u l t u r anfing, v o n dem Verhältnisse des Ich-Menschen z u m gesamten U n i v e r s u m zu sprechen. D a her der ganz andere G r u n d t o n , w e n n innerhalb der altindischen K u l t u r kosmologisch gesprochen w i r d u n d wenn innerhalb der europäisch-mythologischen K u l t u r kosmologisch gesprochen w i r d . D r ü b e n i m O r i e n t ist alles unpersönlich, u n d vor allen D i n g e n w i r d verlangt, unpersönlich z u werden i n seinem E r kennen, z u unterdrücken sozusagen das Ich, u m aufzugehen i n Brahma u n d u m i n sich selber A t m a z u finden. Es ist also da als eine höchste Forderung diejenige der Unpersönlichkeit. H i e r i n Europa w i r d überall mitten hineingestellt i n das Menschenleben gerade dieses menschliche Ich, wie es veranlagt ist v o n A n f a n g an, u n d wie es sich nach u n d nach i n der E v o l u t i o n ausgestaltet. Daher hat m a n gerade hier i n E u r o p a ein ganz besonderes Interesse daran, alles das w i r k l i c h i m Verhältnis z u m Ich z u betrachten, sich alles hellseherisch klarzumachen i m Verhältnis z u m Ich, was an dieser E n t w i c k e l u n g des Ich i m Erdendasein einen A n t e i l hatte. N u n wissen Sie alle, daß an det E n t w i c k e l u n g des Erdenmenschen, der dazu berufen war, nach u n d nach zu seinem Ich zu k o m m e n , zwei Kräfte v o n verschiedenen Seiten her A n t e i l gen o m m e n haben. Seit der lemurischen Z e i t 4 1 prägten sich ein dem Innern des Menschen, i n seinen Astralleib, diejenigen Kräfte, die w i r die luziferischen Kräfte nennen. V o n diesen Kräften wissen Sie, daß sie vor allen D i n g e n ihren Angriffspunkt innerhalb des M e n s c h e n dadurch gesucht haben, daß sie sich einschlichen i n die menschlichen Begierden, Triebe u n d Leidenschaften. D a d u r c h hat sich der M e n s c h zweierlei errungen: Erstens hat er die Fähigkeit errungen, ein selbständiges, freies Wesen z u werden, i n Enthusiasmus z u etglühen für das, was er denkt, fühlt u n d w i l l , während er sonst für seine eigenen Ange130

legenheiten von göttlich-geistigen M ä c h t e n geführt worden ist. A b e r auf der anderen Seite m u ß t e der M e n s c h gerade durch die luziferischen M ä c h t e i n K a u f nehmen, durch Triebe, Begierden u n d Leidenschaften i n das Böse zu verfallen. Luzifer sitzt also i n unserem Erdendasein so, daß er seinen Angriffspunkt i m menschlichen Innern hat, da, wo das menschliche Astrale spielt. D a ist auch das Ich, w o sich das Astralische eingegliedert hat, v o n der luziferischen M a c h t durchsetzt worden. Sprechen w i r also v o n Luzifer, so sprechen w i r v o n dem, was den Menschen tiefer hinuntergesenkt hat i n das materielle, sinnliche Dasein, als er ohne diesen Einfluß gekommen wäre. So ist ein Bestes i m Menschen: die Freiheit, u n d ein Verfängliches für die Menschennatur: die Möglichkeit des Bösen, den luziferischen M ä c h t e n zu verdanken. N u n wissen w i r aber ferner, daß dadurch, daß diese luziferischen M ä c h t e eingegriffen haben i n das ganze Gefüge der M e n schennatur, später andere M ä c h t e i n die Menschennatur hereink o m m e n konnten, die nicht gekommen wären, w e n n Luzifer sich nicht i n des M e n s c h e n Organisation hineingesetzt hätte. D e r M e n s c h würde die W e l t anders sehen, w e n n er nicht unterworfen worden wäre dem Einfluß v o n Luzifer u n d anderen Wesen, die i n dessen Gefolgschaft waren, w e n n er nicht n o c h eine andere M a c h t an sich hätte herankommen lassen müssen, nachdem er der luziferischen M a c h t den Z u g a n g möglich gemacht hatte. A h r i m a n k a m v o n außen heran u n d schlich sich ein i n den großen Umkreis der den M e n s c h e n umgebenden Sinnenwelt, so daß also der ahrimanische Einfluß eine Folge des luziferischen Einflusses ist. D e r M e n s c h w i r d gleichsam von innen ergriffen v o n Luzifer, u n d infolge davon w i r d er ergriffen durch das, was v o n außen auf i h n wirkt, v o n A h r i m a n . D i e Geisteswissenschaft aller Zeiten, die w i r k l i c h die Tatsachen kennt, spricht auch w i r k l i c h von luziferischen u n d v o n ahrimanischen M ä c h t e n . N u n werden Sie es höchst merkwürdig finden, daß i n den Anschauungen der verschiedenen Völker, da w o sich diese Anschauungen mythologisch ausleben, nicht

immer i n gleicher Weise ein deutliches Bewußtsein vorhanden isr v o n Luzifer auf der einen Seite u n d A h r i m a n auf der anderen Seite. E i n deudiches Bewußtsein davon ist z u m Beispiel überall da nicht vorhanden, wo über das A l t e Testament herauf, aus der ganzen semitischen Tradition heraus, sich eine religiöse A n schauung bildete. D a hat man n u r ein gewisses Bewußtsein v o n dem luziferischen Einfluß. Das k ö n n e n Sie schon aus der Erzählung des A l t e n Testamentes v o n der Schlange entnehmen, die nichts anderes ist als ein B i l d für Luzifer. Daraus k ö n n e n Sie entnehmen, daß ein deutliches Bewußtsein vorhanden ist dav o n , daß Luzifer teilgenommen hat an der Entwickelung. D i e ses Bewußtsein ist i n allen Traditionen, die verwandt sind m i t der Bibel, deutlich vorhanden. A b e r das Bewußtsein des ahrimanischen Einflusses ist da nicht i n gleicher Weise vorhanden. N u r da ist es vorhanden, wo m a n geisteswissenschaftlich unterrichtete. Deshalb haben diejenigen, welche die Evangelien geschrieben haben, dies auch berücksichtigt. Sie finden daher, weil zur Z e i t der Evangelienschreiber das W o r t « D ä m o n » aus dem Griechischen hergenommen ist, daß i m Markus-Evangelium da, wo nicht v o n der Versuchung des Jesus die Rede ist, v o n einem « D ä m o n » gesprochen w i r d . D a aber, w o v o n A h r i m a n die Rede ist, ist das W o r t «Satan» gebraucht. 4 2 Aber wer beachtet den wichtigen Unterschied dieser Bezeichnungen i m M a r k u s u n d i m Matthäus-Evangelium? I m Exotetischen beachtet man solche Feinheiten gat n i c h t . 4 3 Bei den äußeren Traditionen ist dieser Unterschied nicht vothanden. Bemerkenswert tritt dieser Unterschied hervor i n dem Gegensatz zwischen Indertum u n d Persertum. D a k o m m t er i n einer gewissen Z e i t i n ganz auffälliger Weise z u m Ausdruck. Das Persertum kennt weniger den luziferischen Einfluß; m a n sah da mehr den ahrimanischen. D a ist insbesondere der K a m p f gegen die M ä c h t e , die uns ein äußeres, falsches W e l t b i l d geben u n d die uns i n D u n k e l h e i t u n d Finsternis hineinbringen, also dasjenige, was das Verhältnis des M e n s c h e n zur Außenwelt angeht. Vorzugsweise als ein Gegner des G u t e n u n d Lichtvollen w i r d 132

A h r i m a n genannt. W o h e r k o m m t das? W e i l i n der zweiten nachatlantischen Kulturperiode das menschliche Anschauungsvermögen sich entwickelte m i t Bezug auf die Anschauung der Außenwelt. Bedenken Sie, daß Zoroaster darauf ausgeht, den Sonnengeist, den Geist des Lichtes erkenntlich zu machen. E r also m u ß zuerst darauf hinweisen, daß i n diese W e l t hineingemischt ist neben dem Geiste des Lichtes der Geist der Finsternis, der unsere Erkenntnis der äußeren W e l t trübt. D e r Perser richtet sein Hauptaugenmerk darauf, A h r i m a n z u besiegen u n d sich m i t den Geistern zu verbinden, welche auf diesem Gebiete die großen M ä c h t e , die Lichtvollen sind. E r ist darauf organisiert, sich auf dem Felde, das nach außen liegt, z u betätigen. Daher hat er seine Ahuras oder Asuras. Dagegen ist es für den A n g e h ö rigen der persischen Religion eine gefährliche Sache, i n die W e l t hineinzusteigen, die der M e n s c h durch das Untertauchen i n das eigene Innere erreichen kann; da, wo die luziferischen M ä c h t e verborgen sind, da läßt er sich auch nicht auf die guten M ä c h t e ein. D a hat er eine Gefahr gesehen. E r wendet den B l i c k nach außen u n d stellt sich den dunklen Asuras gegenüber die L i c h t Asuras vor. Gerade umgekehrt machen es i n dieser Z e i t die Inder. D i e sind i n einer Periode, w o sie versuchen, durch Versenkung i n das eigene Innere sich zu erheben, u m i n die höheren Gebiete z u k o m m e n . Sie sehen darin das H e i l , sich m i t den Kräften z u verbinden, die gefunden werden auf d e m Gebiete des inneren Schauens. Daher bettachten sie es als gefährlich, i n die äußere W e l t hineinzuschauen, w o sie m i t A h r i m a n z u kämpfen hätten. D i e äußere W e l t fürchten sie, die betrachten sie als gefährlich. W ä h r e n d die Devas dasjenige waren, was der Perser meidet, werden sie für den Inder dasjenige, was er sucht, dasjenige, auf dessen Feld er sich z u betätigen sucht. 4 4 D e r Perser aber geht von diesem Felde hinweg u n d meidet das Gebiet, w o vor allen D i n g e n der K a m p f gegen Luzifer ausgefochten w i r d . Sie k ö n n e n an die verschiedensten M y t h o l o g i e n u n d Weltanschauungen herangehen, u n d Sie werden nirgends eine so klare 133

u n d tiefgehende Anschauung davon finden, daß zweierlei E i n flüsse an den Menschen herantreten, wie i n der germanischnordischen M y t h o l o g i e . D a der germanisch-nordische M e n s c h hellseherisch n o c h schauen konnte, so sah er diese zwei M ä c h t e w i r k l i c h u n d stellte sich zwischen beide hinein. E r sagte sich: Der M e n s c h , wie er sich entwickelt hat, hat herankommen sehen gewisse M ä c h t e , die i n sein Inneres, i n seinen Astralleib hereinfahren. D i e wirkten aus der Welt, aber auf den Astralleib ein, u n d er fühlte, weil er berufen war, das Ich, die Selbständigkeit des M e n s c h e n auszubilden, nicht bloß die Möglichkeit des Bösen, er fühlte vor allen D i n g e n i n diesen M ä c h t e n , die an den Astralleib herankamen, u m i h n zur Freiheit u n d Selbständigkeit zu bringen, das Freiheitliche; m a n m ö c h t e sagen, das empörerische Element fühlte er i n diesen Kräften sich offenbaren. Das luziferische Element wurde i n derjenigen M a c h t gefühlt, die sogar n o c h i n den germanisch-nordischen Gebieten an der H e r stellung der Rassen beteiligt war, insofern sie dem M e n s c h e n äußere Gestalt u n d Farbe gab u n d i h n z u m selbständigen, i n der W e l t wirkenden Wesen machte. Z u n ä c h s t fühlte i n seiner hellseherischen A n s c h a u u n g der germanisch-nordische M e n s c h den Luzifer als das, was den Menschen z u einem freien Menschen macht, der sich nicht bloß an irgendwelche äußeren M ä c h t e hingeben w i l l , sondern der i n sich selber den festen Wesenskern hat u n d aus sich heraus handeln w i l l . Diesen luziferischen E i n fluß empfand der germanisch-nordische M e n s c h als einen wohltätigen Einfluß. N u n aber w i r d er gewahr, daß auch n o c h anderes v o n diesem Einfluß herkommt. Luzifer verbirgt sich hinter der Loki-Figur, die eine merkwürdig schillernde Gestalt hat. 4 5 W e i l m a n die W i r k l i c h k e i t sah, so sah man, daß m a n auf L o k i zurückführen k a n n die Gedanken der Freiheit u n d Selbständigkeit des M e n schen. M a n wußte abet auch durch das alte Hellsehen, daß dasjenige, was den Menschen i m m e r wieder i n seinen Begierden und H a n d l u n g e n dazu bringt, i n seiner ganzen Wesenheit niedriger zu stehen, als wenn er n u r an O d i n u n d an die Asen 134

hingegeben wäre, daß das auf den Einfluß des L o k i zurückzuführen war. U n d n u n fühle man vor allen D i n g e n das Schauerlich-Großartige dieser germanisch-nordischen Mythologie. M a n fühlte m i t zwingender Richtigkeit das, was erst nach u n d nach d u t c h die Geisteswissenschaft wieder z u m Bewußtsein der Menschen k o m m e n w i r d . W i e wirkt n u n der luziferische Einfluß? E r schließt sich i n den astralischen Leib ein, w i r k t aber dadurch auf alle drei Glieder des Menschen, sowohl auf den Astralleib als auch auf den Ätheru n d den physischen L e i b . N u r Andeutungen kann man heute außerhalb unserer Gesellschaft über diesen Luzifer-Einfluß machen. Was Sie i m m e r mehr verstehen werden, ist, daß der L u z i fer-Einfluß sich dreifach geltend macht: i m Astralleibe, i m ätherischen u n d i m physischen Leibe des M e n s c h e n . I m Ätherleibe w i r d hervorgerufen das, was i m Menschen als Trieb zur UnWahrhaftigkeit, zur L ü g e w i r d . L ü g e u n d U n w a h r haftigkeit sind etwas, was über das Innere des Menschen hinausgeht. Im Astralleibe, dem reinen Innern des M e n s c h e n , w i r d das Selbst durchdrungen v o n dem luziferischen Einfluß, u n d dieser erscheint dann als Selbstsucht i m Menschen. D e r Ätherleib w i r d v o n innen heraus m i t dem Triebe, unwahrhaftig zu sein, durchsetzt u n d dadurch zur Möglichkeit det L ü g e bestimmt. Im physischen Leib w i r d hervorgerufen Krankheit u n d T o d . Für diejenigen, die an meinem letzten Ku r s us 4 6 teilgenommen haben, w i r d das leicht verständlich sein. A b e r hier w i l l i c h doch n o c h einmal daraufhinweisen, daß alles, was i m menschlichen physischen Leibe als K r a n k h e i t u n d T o d auftritt, karmisch m i t dem verknüpft ist, was w i t luziferischen Einfluß nennen. W e n n w i r alles das n o c h einmal kurz zusammenfassen, so bewirkt Luzifer i m Astralleibe: Selbstsucht, i m Ätherleibe: L ü g e u n d U n w a h thaftigkeit, i m physischen Leibe: Krankheit u n d T o d . Natürlich werden sich alle materialistisch denkenden M e n s c h e n der G e genwart ungeheuet verwundern, daß i n der Geisteswissenschaft Krankheit u n d T o d auf einen luziferischen Einfluß zurückgeführt werden. A u c h das hängt nämlich m i t K a r m a zusammen. 135

A n den M e n s c h e n träte niemals Krankheit u n d T o d heran, wenn nicht der luziferische Einfluß stattgefunden hätte. Das ist eben die karmische A u s w i r k u n g des luziferischen Einflusses, daß der M e n s c h tiefer hinuntersteigt i n das Physische, u n d das w i r d auf der anderen Seite ausgeglichen durch Krankheit u n d Tod. W i r k ö n n e n daher sagen: Indem der luziferische Einfluß h i n einkam i n den Menschen, wurden der physische, Äther- u n d Astralleib v o n Krankheit u n d T o d , L ü g e u n d Unwahrhaftigkeit u n d Selbstsucht ergriffen. - Ich m ö c h t e n o c h darauf aufmerksam machen, daß die heutige materialistische Wissenschaft für den T o d i m tierischen u n d i m pflanzlichen Leibe dieselbe Erklärung gibt, wie für den T o d der M e n s c h e n . 4 7 Diese materialistisch denkenden Menschen k ö n n e n nicht begreifen, daß eine äußere Erscheinung ebenso aussehen kann wie eine andere u n d doch ganz andere Ursachen haben k a n n . Das, was äußerer Tatbestand ist, k a n n aus ganz verschiedenen G r ü n d e n herrühren. So tritt der T o d beim Tiere nicht aus denselben Ursachen ein wie beim Menschen, trotzdem er dieselbe äußere Erscheinung hat. Das sind D i n g e , die, w e n n m a n sie erkenntnistheoretisch beweisen wollte, viel z u viel Zeit beanspruchen würden. I m G r u n d e wollte i c h hier nur sagen, daß es m i t dem, was die Wissenschaft Kausalität nennt, sehr schief steht. Fehler, die i n solchen Unklarheiten wurzeln, werden n ä m l i c h fast i m m e r gemacht auf Schritt u n d Tritt. D e n k e n Sie sich z u m Beispiel einmal: E i n M e n s c h ist aufs D a c h hinaufgestiegen, fällt herunter, hat sich eine todbringende W u n d e geschlagen u n d w i r d tot aufgefunden. Was liegt n u n näher, als z u sagen: D e r M e n s c h ist hetuntergefallen, hat sich eine todbringende W u n d e geschlagen u n d ist an der Verletzung gestorben. - Es könnte der Fall aber auch ganz anders liegen. D e r M e n s c h könnte ja oben v o m Schlage getroffen u n d tot heruntergefallen sein; die V e r w u n d u n g könnte durch den Fall eingetreten sein, so daß der Fall äußerlich gerade so läge wie der vorher geschilderte, der T o d aber aus einer ganz anderen Ursache eingetreten wäre. 136

D e r Fall ist hier sehr kraß dargestellt, aber die Wissenschaft macht häufig diese A r t Fehler. D i e äußeren Tatbestände k ö n n e n oft ganz gleich sein, u n d doch sind die inneren Ursachen vollständig verschieden. Das wollen w i r also einmal einfach als Ergebnis der geisteswissenschaftlichen Forschung hingestellt sein lassen, daß der luziferische Einfluß i m Astralleibe: Selbstsucht, i m Ätherleibe: L ü g e u n d Unwahrhaftigkeit, i m physischen Leibe: Krankheit u n d T o d bewirkt. Was m ü ß t e n u n die germanisch-nordische M y t h o logie gesagt haben, w e n n sie dem L o k i , dem Luzifer, zugeschrieben hätte, daß dieses dreifache W i r k e n v o n i h m h e r k o m m e n kann? Sie mußte sagen: L o k i hat drei Sprößlinge. D e r erste ist der, welcher Selbstsucht bewirkt. Das ist die Midgardschlange, dasjenige, w o m i t der Einfluß des luziferischen Geistes auf den Astralleib ausgedrückt ist. Das zweite ist das, was i n das menschliche Erkennen sich hineinmischt als das Unrichtige. B e i m M e n s c h e n auf dem physischen Plane sind es die D i n g e , die i n seinem Geiste leben u n d m i t der Außenwelt nicht übereinstimm e n . D a ist es das, was nicht wahr ist. Bei den nordischen Menschen, die noch mehr auf dem Astralplane lebten, lebte sich das, was bei uns abstrakte L ü g e ist, gleich als astralische Wesenheit aus u n d lebte als solche auf dem astralischen Plan. D e r Ausdruck für alles, was Verfinsterung, nicht richtiges Sehen ist, ist irgendein tierisches Wesen, hier i m N o r d e n hauptsächlich der Feniiswolf. Das ist das zweite, der Einfluß auf den Ätherleib v o n Seiten des L o k i , der bewirkt, daß der M e n s c h v o n i n n e n heraus den Trieb hat, sich z u täuschen, unwahrhaft übet die D i n g e zu denken, das heißt, es erscheinen i h m die D i n g e i n der Außenwelt nicht i n der richtigen Weise. Das bezeichnet also i m G r u n d e genommen die alte germanisch-nordische M y t h o l o g i e irgendwie m i t einet Wolfsgestalt. Das ist die astrale Figur für die L ü g e u n d alles das, was Unwahrhaftigkeit aus innetem Triebe ist. Aber hier, wo der M e n s c h i n Beziehung zur äußeren W e l t tritt, begegnet sich schon Luzifer m i t A h r i m a n , so daß aller 137

Irrtum, der sich i n die Erkenntnis einschleicht - auch i n die hellseherische Erkenntnis - alle Illusion u n d alle M a j a , die Folge des Hanges zur Unwahrhaftigkeit ist, der da hineinspielt. In dem Fenriswolf haben w i r also die Gestaltung z u sehen, welche der M e n s c h u m sich h e t u m hat dadurch, daß er die D i n g e nicht i n der wahren Gestalt sieht. D a , w o sich den alten nordischen Menschen irgend etwas von äußerem Licht, von der Wahrheit, verdunkelt, da spricht er v o n einem Wolfe. Das geht durch das ganze nordische Bewußtsein, u n d Sie werden finden, daß das B i l d bis auf die äußeren Tatsachen überall i n diesem Sinne gebraucht w i r d . W e n n der alte nordische M e n s c h sich verständlich machen w i l l über das, was er sieht bei einer Sonnenfinsternis — natürlich sah der M e n s c h zur Z e i t des alten Hellsehens noch anders, als heute bei Benutzung des Fernrohres - , so wählte er das B i l d des Wolfes, der die Sonne verfolgt u n d der i n dem M o m e n t e , w o er sie erreicht, die Sonnenfinsternis bewirkt. 4 8 Das steht i m innersten E i n k l a n g m i t den Tatsachen. Diese Terminologie gehört m i t zu dem Großartigen, ja sogar Schauerlich-Großartigen i n der nordischen M y t h o l o g i e . Ich k a n n hier nur Andeutungen geben. W e n n w i r aber selbst wochenlang über die nordische M y t h o l o g i e sprechen könnten, so würden Sie sehen, wie das allseitig durchgeführt ist i m nordischen mythologischen Vorstellen. Das ist deshalb der Fall, weil die M y t h o l o g i e ein Ergebnis des alten Hellsehertums ist, i n das aber das Ich überall hineinspielt. D i e materialistischen M e n s c h e n v o n heute weiden sagen: Das ist aber d o c h Aberglaube. Es verfolgt d o c h kein W o l f die Sonne. D e r alte nordische, imaginative M e n s c h sieht eben i n B i l d e r n diese Tatsachen, u n d i c h könnte Ihnen vielleicht viele sogenannte wissenschaftliche Wahrheiten aufzählen, die mehr Einfluß v o n A h r i m a n , die größeren Irrtum bergen, als vorhanden ist, wenn m a n die entsprechende astralische A n s c h a u u n g beschreibt u n d sagt: D e r W o l f verfolgt die Sonne. - F ü r den O k k u l t i s t e n gibt es etwas, was n o c h i n höherem G r a d Aberglaube ist. Das ist, 138

d a ß eine Sonnenfinsternis dadurch entsteht, d a ß sich der M o n d vor die Sonne stellt. Das ist für die äußere A n s c h a u u n g ganz richtig, ebenso richtig, wie für die astrale A n s c h a u u n g die Sache v o m W o l f richtig ist. D i e astrale A n s c h a u u n g ist sogar richtiger als die, welche Sie i n den gegenwärtigen B ü c h e r n finden, denn die ist noch mehr dem Irrtum unterworfen. W e n n der M e n s c h einst an Stelle dieses Äußeren den wahren Tatbestand erkennen w i r d , dann w i r d er finden, daß der nordische M y t h o s techt hat. Ich weiß, daß i c h für die heutige A n s c h a u u n g etwas gräßlich Absurdes sage, aber i c h weiß auch, daß m a n an theosophischen Stätten schon so weit ist, d a ß m a n darauf hindeuten darf, w o gerade unsere physische Weltanschauung am meisten beeinflußt ist v o n M a j a , T ä u s c h u n g oder Illusion. N u n k o m m e n w i r z u m Einfluß v o n L o k i auf den physischen Leib. In dem bewirkt er Krankheit u n d T o d . D e r dritte S p r ö ß l i n g ist also das, was K r a n k h e i t u n d T o d bewirkt. Das ist die H e i . So haben Sie i n der Tat i n wunderbarer Weise i n den G e stalten H e i , Fenriswolf u n d Midgardschlange den Einfluß des L o k i oder Luzifer dargestellt, i n der F o r m , wie i h n das alte Hellsehen, das w i r i n gewisser Beziehung als traumhaftes Hellsehen bezeichnen k ö n n e n , wahrgenommen hat. W e n n w i r die ganze Geschichte v o n L o k i durchgingen, überall würden w i r finden, d a ß diese D i n g e bis i n die Einzelheiten hinein die Sache vollständig beleuchten.

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D a b e i m ü s s e n w i r uns i m m e r klar sein, daß das, was der Hellseher sieht, nicht etwa eine allegorisch-symbolische Bezeichnung ist, sondern daß das Wesenheiten sind. E r sieht W e senheiten. N u n hat aber der germanisch-nordische M e n s c h nicht bloß gewußt v o n seinem L o k i , v o n dem luziferischen E i n fluß, sondern auch von dem Einfluß des A h r i m a n , der v o n der anderen Seite her k a m , u n d er hat mehr gewußt, nämlich daß das Befallensein von dem ahrimanischen Einfluß eine Folge des Loki-Einflusses ist. Sie m ü s s e n sich jetzt i n die Z e i t versetzen, w o der M e n s c h n o c h nicht i n äußerer, physischer A n s c h a u u n g die W e l t ansah, sondern sie m i t dem alten Hellsehen betrachtete, u n d da werden Sie finden, daß der betreffende M y t h o s für dieses Hellsehen ausgebildet ist. Was sagt der Mythos? L o k i s Einfluß ist über die Menschen gekommen, was sich ausdrückt i n dem W i r k e n der Midgardschlange, des Fenriswolfes u n d der H e i . D e r M e n s c h ist so geworden, daß seine A n s c h a u u n g sein klares, lichtvolles Hineinschauen i n die geistige W e l t getrübt wurde dadurch, daß der luziferische Einfluß sich i m m e r mehr geltend machte. D e r M e n s c h wechselte i n seinem Leben ab i n der damaligen Zeit, als diese A n s c h a u u n g sich ausbildete, zwischen dem Sehen i n der geistigen W e l t u n d dem Leben auf dem physischen P l a n , wie m a n i m Leben abwechselt zwischen W a chen und Schlafen. W e n n er i n die geistige Welt hineinsah, sah er i n die W e l t , aus der er herausgeboren war. Das ist ja das Wesentliche, daß der M y t h o s aus dem hellseherischen Bewußtsein heraus entstanden ist. Das menschliche Bewußtsein aber bestand i n diesem abwechselnden Hineinschauen u n d N i c h t hineinschauen i n die geistige W e l t . W a r der Zustand des T r a u m bewußtseins da, so sah man h i n e i n i n die geistige Welt; war der Zustand des Tagwachens da, so war m a n b l i n d für sie. So wechselte der Z u s t a n d zwischen B l i n d h e i t u n d Hineinsehen i n die geistige W e l t . Es wechselte das Bewußtsein ab, wie ein gewisses Weltenwesen wechselte zwischen dem blinden H ö d u r u n d dem i n die geistige W e l t hineinschauenden, hellsichtigen Baidur. Es war der M e n s c h veranlagt für Baldurs Einfluß, u n d i m 140

Sinne dieses Einflusses wäre der M e n s c h geworden, w e n n er nicht den Loki-Einfluß aufgenommen hätte. D e r aber hat bewirkt, daß H ö d u r s N a t u r den Sieg über die Baidurnatur davongetragen hat. Das w i r d ausgedrückt dadurch, daß L o k i die M i s t e l herbeischafft, m i t der der blinde H ö d u r den sehenden Baidur tötet. L o k i ist also die tötende M a c h t , wie Luzifer, der den M e n schen zu A h r i m a n getrieben hat. Indem der M e n s c h hingegeben ist an den blinden H ö d u r , verlöscht das alte hellsichtige A n schauen. Das ist die T ö t u n g des Baidur. 4 9 Das empfindet der nordische M e n s c h , daß nach u n d nach w i r k l i c h verloren gegangen ist das Baldurhafte, das Hineinschauen i n die geistige W e l t . Es hat der nordische M e n s c h das H i n s c h w i n d e n des Hellsehens so empfunden, daß i h m L o k i i n Baidur die Hellsichtigkeit getötet hat, u n d was i h m geblieben, ist die O h n m a c h t gegenüber dieser Hellsichtigkeit. So ist ein größtes welthistorisches Ereignis, das allmähliche H i n s c h w i n d e n der alten ungetrübten E r kenntnis, ausgedrückt i n dem Baidur-, H ö d u r - u n d L o k i - M y thos. A u f der einen Seite haben w i r also den L o k i m i t seiner Sippe, den drei Wesenheiten, u n d auf der anderen Seite den tragischen A k t von der T ö t u n g des Baidur. So haben w i r i n der nordischen M y t h o l o g i e gespiegelt das, was w i r aus der Geisteswissenschaft herausholen k ö n n e n : den zweifachen Einfluß, den luziferischen u n d den ahrimanischen. Das ist dasjenige, was Ihnen die Geisteswissenschaft i m m e r als eine D a r stellung des hellseherischen Erkennens der alten Z e i t darlegen w i r d u n d als ein Herausarbeiten des M y t h o s aus dem alten Hellsehen, das dann zugleich nach u n d nach dahinschwindet. Es würde zu weit führen, wollten w i r uns auf dieses Gebiet n o c h weiter einlassen. A b e r schon i n d e m i c h Ihnen das Prinzipielle gesagt habe, k ö n n e n Sie das Schaurig-Großartige empfinden i n diesem M y t h o s , der nicht seinesgleichen hat, weil keine M y t h o l o g i e sich so genau an den alten, hellseherischen Tatbestand angepaßt hat. D i e griechische M y t h o l o g i e ist n u r die E r innerung an etwas i n der Vorzeit Erlebtes, das i n plastischer 141

Weise z u m Ausdrucke k o m m t . 3 0 A b e r eine solche unmittelbare A n k n ü p f u n g an die Tatsachen, wie sie i n der germanisch-nordischen M y t h o l o g i e vorliegt, das ist i n der griechischen M y t h o l o gie nicht vorhanden. Dieselbe ist abgeklärter, die Gestalten erscheinen m i t viel gerundeteren K o n t u r e n , daher i n stark plastischer Weise, haben aber das Elementare des allerursprünglichsten Eindrucks verloren. Etwas v o m alten Hellsehen ist dem nordischen M e n s c h e n lange geblieben. Dahingeschwunden war das alte Hellsehen der M e n s c h e n i m übrigen Europa schon lange, als es sich i m N o r d e n n o c h lange bewahrt hat. 5 1 N u r nach u n d nach, langsam u n d allmählich ist i n das Blickfeld des M e n schen das physische W e l t b i l d allein getreten. So war auch, als das C h r i s t e n t u m anfing sich auszubreiten, für die M e h r z a h l der Menschen wahr geworden, was sich i n der B a l d u r - M y t h e , i n dem T o d des Baidur ausdrückt. Es gab aber n o c h einzelne, die i n unmittelbarer A n s c h a u u n g haben konnten, was die nordischen Menschen hellseherisch erlebten. Es war also n o c h lange ein unmittelbares Anschauen v o n dieser geistigen W e l t vorhanden, u n d weil das alles so elementar war, so unmittelbar aus der hellseherischen Erfahrung heraus, deshalb blieb auch, als das C h r i s t e n t u m schon anfing sich auszubreiten, das Bewußtsein vorhanden, das bei anderen V ö l k e r n nicht so stark sein konnte wie bei den alten germanisch-nordischen M e n s c h e n . Sie empfanden dann: Es schwindet alles dah i n , was w i r damals erlebt haben i m Zusammenhang m i t der göttlich-geistigen Urheimat. Es schwand dem N o r d e n erst dah i n , als der germanisch-nordische M e n s c h den Trost des C h r i stentums empfing. Das enthielt für i h n aber nicht unmittelbare Anschauung. E r hatte das Schicksal des Baidur viel z u tief gefühlt, als daß er sich hätte trösten k ö n n e n damit, daß i h m ein G o t t geboten wurde, der z u m physischen Plan heruntergestiegen ist, damit die Menschen, die n u r den physischen Plan wahrnehmen k ö n n e n , auch z u m Gottesbewußtsein aufzusteigen vermögen. So wie die M e n s c h e n i n Vorderasien haben fühlen können die W o r t e : «Ändert eure Seelenverfassung, denn das 142

H i m m e l r e i c h ist nahe h e r b e i g e k o m m e n » , 5 2 konnte man das i n den nordischen Gebieten nicht. D r ü b e n , w o Christus erschienen war, da konnte m a n nur alte Erinnerungen an die Tatsache finden, daß es ein altes Hellsehen einst gegeben hat. Dreitausend Jahre schon währte i m Osten das K a l i Yuga, das finstere Zeitalter, w o die Menschen nicht mehr hineinschauen konnten i n die geistige Welt. A b e r gesehnt haben sie sich i m m e r nach der geistigen Welt, u n d i m m e r haben sie erzählt v o n einer solchen Welt, i n die der M e n s c h geistig hineinschauen konnte, die aber jetzt den Blicken entschwunden ist. Sie haben die geistige Welt i n viel fernerer Vergangenheit erlebt, als die Menschen des nordischen Gebietes u n d haben es nur n o c h aus der E r i n n e r u n g gewußt, daß die geistige W e l t einmal zugänglich gewesen ist. Daher konnte man i n den vorderasiatischen Gebieten das W o r t : «Ändert eure Seelenverfassung, denn das H i m m e l r e i c h ist nahe herbeigekommen» gut verstehen. M a n verstand es, w e n n gesagt wurde: D i e Reiche der H i m m e l sind herbeigekommen bis i n den physischen Plan, seht also h i n auf die einzigartige Gestalt, die da i m Gebiete des palästinensischen Reiches erscheinen w i r d , seht auf den Messias, der den G o t t i n sich enthält, durch den ihr den Zusammenhang m i t dem Göttlichen finden werdet, auch wenn ihr euch nicht v o n dem physischen Plan erheben könnt. Versteht die Gestalt v o n Palästina, versteht die ChristusGestalt. - Das ist das tiefe W o r t Johannes des Täufers. Das m u ß t e der nordische M e n s c h anders empfinden, der n o c h länger viel mehr erlebt hatte als nur die erinnerungsgemäße K u n d e v o n dem Hineinschauen i n die göttlich-geistige Welt. Daher ging i h m ein Gedanke auf v o n einer Ungeheuern, ganz gewaltigen Tragweite, der Gedanke: Dieses Heraustreten auf den physischen Plan, i n die physische W e l t , das Nichtsehen der göttlich-geistigen Welt, das kann nur eine Zwischenzeit sein. D e r M e n s c h w i r d das als Schule durchzumachen haben u n d sehen müssen, was er sich aneignen k a n n i n der physischen Welt. E r braucht diesen Durchgang, er m u ß also heraustreten aus der geistigen Welt; er m u ß die Erlebnisse der physischen 143

Welt als Schule durchmachen. A b e r gerade dadurch, daß er sie als Schule durchmacht, w i r d er wieder h i n e i n k o m m e n i n die Welt, aus der er herausgetreten ist. D e r Baidurblick w i r d i h n wieder beseelen k ö n n e n . — M i t anderen W o r t e n : D i e große Idee, die i m Laufe der germanisch-nordischen E n t w i c k e l u n g entsteht, daß die W e l t wieder sichtbar werden w i r d , die geschwunden ist u n d d e m hellseherischen B l i c k entzogen wurde, bewirkte, daß als Zwischenzeit empfunden wurde das Walten auf dem physischen Plan. Seine Eingeweihten machten es dem nordischen M e n s c h e n begreiflich, daß i n der göttlich-geistigen W e l t i n dieser Z w i schenzeit, während er nicht i n dieselbe hineinschauen k a n n , etwas vorgeht, durch das diese göttlich-geistige W e l t einst anders ausschauen w i r d , als er früher gewohnt war, sie z u sehen. Sie machten i h m das begreiflich, i n dem sie zu i h m ungefähr so sprachen: D u hast früher i n die göttlich-geistige W e l t hineingesehen, hast darin den Erzengel der Sprache, den Erzengel der R u n e n , den Erzengel des Atems, O d i n , gesehen u n d den Engel der Ichheit, den T h o r . 5 3 D u standest m i t ihnen i n V e r b i n d u n g , u n d es w i r d derjenige, der dazu vorbereitet ist, die Möglichkeit erwerben, wieder i n diese geistige W e l t h i n e i n z u k o m m e n . D a n n w i r d sie aber anders aussehen; andere M ä c h t e werden hinzugetreten sein u n d die Machtbereiche u n d Machtverhältnisse dieser alten geistigen Führer des Menschengeschlechts werden sich verändert haben. D u wirst dann zwar i n diese W e l t hineinsehen, aber d u wirst anderes sehen, als was d u bisher erlebt hast. Dasjenige, was der M e n s c h d a n n sehen w i r d , malten sie i h m als eine Zukunftsvision aus, als jene Zukunftsvision, die einmal vor die menschliche Seele treten w i r d , w e n n der M e n s c h wieder hineinsehen k a n n i n die geistige W e l t u n d sehen w i r d , welches Schicksal die alten Göttergestalten gehabt haben, sehen w i r d , wie sie m i t anderen M ä c h t e n i n Beziehung traten. Diese Z u kunftsvision, wie sie die Eingeweihten geschaut haben, malten sie i h m aus, w o i n der Tat dasjenige, was v o n Luzifer k o m m t , i n gewisser Weise i n K a m p f getreten sein w i r d m i t dem, was v o n 144

den G ö t t e r n k o m m t , u n d sich auch ausleben w i r d . Diese Z u kunftsvision malten die Eingeweihten den M e n s c h e n i n dem Bilde von der G ö t t e r d ä m m e r u n g aus. D i e G ö t t e r d ä m m e r u n g , R a g n a r ö k , ist also das B i l d , das die Eingeweihten dem germanisch-nordischen M e n s c h e n als Z u k u n f t s b i l d vor A u g e n stellten. U n d wieder werden w i r finden, daß alle Vorgänge, die da als Zukunftsvorgänge dargestellt werden, bis i n die Einzelheiten h i n e i n nicht besser, nicht terminologisch richtiger u n d nicht treffender dargestellt werden könnten, als sie dargestellt worden sind i n dem wunderbaren Bilde der G ö t t e r d ä m m e r u n g . Das ist der okkulte H i n t e r g r u n d des Bildes v o n der G ö t t e r d ä m m e r u n g . A l s was soll sich dann der M e n s c h sehen? E r soll sich sehen so, daß er alles dasjenige als Entwickelungsursache aufgenommen hat, was aus früheren Zeiten stammt; er soll denkend aufnehme n, was er als Gabe O d i n s bekommen hat, sich selber aber fühlen als durch die E n t w i c k e l u n g durchgegangen, die dann gefolgt ist. E r soll die Lehren, die O d i n i n i h n verpflanzt hat, i n sich aufnehmen — O d i n tritt i h m entgegen als Erzengel. E r soll sich z u m Sohne des O d i n machen; er soll i n den K a m p f eintreten, u n d zwar bald i n diesen K a m p f eintreten. Das macht der Eingeweihte, der Leiter der esoterischen Schule, besonders dem nordischen Menschen klar, indem er auf das göttlich-geistige Wesen hinweist, das uns so geheimnisvoll erscheint, das eigentlich erst bei der G ö t t e r d ä m m e r u n g eine bestimmte Rolle bek o m m t , weil es selbst diejenige M a c h t überwindet, durch die zuerst O d i n ü b e r w u n d e n w i r d . D e r Rächer des O d i n b e k o m m t eine besondere Rolle u n d spielt sie i n der G ö t t e r d ä m m e r u n g . W e n n w i r diese Rolle verstehen werden, so w i r d sich uns der wunderbare Zusammenhang ergeben zwischen den Anlagen des germanisch-nordischen Menschen u n d dem, was w i r uns vorstellen k ö n n e n als die V i s i o n der Z u k u n f t . In wunderbarer W e i se, bis i n die Einzelheiten genau, ist das alles i n der großen V i s i o n v o n der G ö t t e r d ä m m e r u n g z u m A u s d r u c k gekommen.

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Der Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen

Gestern sahen wir, wie gewissermaßen verteilt ist auf die weltgeschichdichen V ö l k e r s t r ö m u n g e n dasjenige, was w i r bezeichnen k ö n n e n als den fortlaufenden Fluß des sich entwickelnden W i s sens, der sich entwickelnden Weisheit auf der einen Seite, u n d auf der anderen Seite das sich i n einer gewissen Z e i t m i t dieser Weisheit vereinigen m ü s s e n d e L e b e n . 5 4 Es ist dies ein Beispiel für die i m G r u n d e genommen i n ihren Konsequenzen erschütternde Tatsache von dem Z u s a m m e n w i r k e n der verschiedenen Einseitigkeiten i m Weltendasein, u m ein Ganzes, u m eine H a r m o n i e hervorzubringen. U n d i c h habe schon darauf aufmerksam gemacht, wie bis i n unsere Zeiten herein wahrzunehm e n ist die N a c h w i r k u n g , sowohl auf der einen Seite des lebenlosen Wissensprinzipes, des altwerdenden Wissensprinzipes, wie auch auf der anderen Seite des wissenlosen Lebensprinzipes, das wie ein junger Trieb i n der E n t w i c k e l u n g d e i Menschheit sich vereinigt m i t dem aus Urzeiten heraufgebrachten u n d sich verstrohenden Wissensprinzipes. N u n wollen w i r heute dieselbe Tatsachenwelt einmal etwas subjektiver ins Auge fassen, wollen sie ins Auge fassen i n u n m i t telbarer A n k n ü p f u n g an die Betrachrung des menschlichen W e sens. D i e so oft an uns herangetretene Tatsache der r h y t h m i schen V e r w a n d l u n g des M e n s c h e n i m täglichen Lebenslaufe wollen w i r n o c h einmal vor unsere Seele stellen: nämlich, daß der M e n s c h abwechselt i m Laufe seines alltäglichen Lebens z w i schen dem Zusammensein seiner vier Glieder- des physischen Menschen, des ätherischen Menschen, des astralischen Menschen u n d des Ich-Menschen — u n d einem gewissermaßen Getrenntsein dieser vier Glieder z u zwei u n d zwei: d e m 146

Verbundensein des physischen Menschen m i t dem ätherischen M e n s c h e n u n d des Ich m i t dem astralischen Menschen. D e r Wechsel v o n Schlafen u n d W a c h e n beruht ja auf dieser rhythmischen Folge des gewissermaßen Vereintseins dieser vier Glieder u n d des gewissermaßen Getrenntseins derselben. W i r haben schon einmal davon gesprochen, daß m a n diese Tatsache, die hiermit ausgedrückt worden ist, n o c h genauer betrachten k a n n ; 5 5 allein für die heutige Betrachtung mag sie uns als eine hinreichende Grundlage auch so dienen. W e n n w i r das menschliche Sein, das menschliche W e b e n i m Schlafe betrachten, so k a n n ja, auch ohne daß m i t dem M e n schen eine besondere E n t w i c k e l u n g eingetreten ist, doch diesem Menschen, namentlich i n besonders lichten, i n besonders geweckten M o m e n t e n des Aufwachens, ein deutliches Bewußtsein vor die Seele treten, daß er, als seelischer M e n s c h , beim A u f w a chen wie heraus sich hebt aus einem W e b e n u n d Leben i n einem, i c h m ö c h t e sagen, feingeistigen Sein. Es m u ß doch den meisten Menschen auffallen, w e n n die Verhältnisse günstig sind, daß sie aus dem Schlafe heraus aufwachen nicht wie aus einem N i c h t s , sondern daß sie heraustauchen aus dem Schlafe wie aus einem vollen, aber viel ätherischeren, leichteren W e b e n u n d Leben, als dasjenige ist, das w i r durchmachen v o m Aufwachen bis z u m Einschlafen. Es w i r d gewiß manchem schon beigefallen sein, aufgefallen sein i m A u f wachen, daß er während des Schlafens i n einem Elemente lebte, i n dem er so darinnen steht, daß er eigentlich während dieses Schlafes gescheiter ist als während des Wachens. Das m u ß ja d o c h der größte Teil der Menschen durchgemacht haben, daß sie i m Aufwachen sich gesagt haben: Ja, da k a m dieses oder jenes; es stellte sich vor meine Seele. Ich weiß ganz genau, i c h habe da etwas erlebt, was ich jetzt nicht deutlich genug hereinbringen kann i n das Wachbewußtsein. — U n d dann k a n n m a n sich gewissermaßen d u m m v o r k o m m e n gegenüber der G e scheitheit, i n der m a n war i n diesem nächtlichen Weben u n d Leben, i n diesem viel ätherischeren Elemente, als das Leben der 147

physischen W e l t ist v o m Aufwachen bis z u m Einschlafen. M a n war m i t seinem ganzen Wesen - dessen m u ß man sich klar sein - untergetaucht i n ein W e b e n u n d Leben, das i n ähnlicher A r t u m uns h e r u m ist wie das physische Leben u n d W e b e n vor dem physischen Bewußtsein, das n u r nicht erfaßt werden k a n n v o n diesem physischen Bewußtsein, das gewissermaßen zumeist vollständig vergessen w i r d i m M o m e n t e des Aufwachens. Aber ebenso k a n n sich der M e n s c h , auch ohne besondere okkulte Schulung, klar sein darüber, daß er während des Schlafes i n einem solchen Elemente webend darinnen war, das er nicht voll mitnehmen k a n n i n das wache Leben. A u c h diese Tatsache, v o n der sich jeder i m G r u n d e sehr leicht überzeugen kann, w i r d verstanden, w e n n w i r den wunderbaren Urdoppelspruch nehmen, auf den w i r schon gestern hingewiesen haben, jenen D o p p e l spruch, der da besagt: W e i l die Menschen gelernt haben, z u erkennen oder z u unterscheiden das G u t e u n d das B ö s e , weil sie gegessen haben v o n dem Baume der Erkenntnis des G u t e n u n d des Bösen, sollen sie nicht essen von dem Baume des Lebens. Was heißt es denn: «Nicht essen v o n dem Baume des Lebens?» Sie werden es vielleicht nicht mehr unbegreiflich finden, was ich über diesen Ausspruch zu sagen habe, w e n n Sie sich vernünftigerweise vor die Seele fuhren, was es denn eigentlich n u r heißen kann: gegessen z u haben v o n dem Baume der Erkenntnis des G u t e n u n d des Bösen. - Jeder k a n n sich doch sagen: W ä r e das nicht vorgekommen, was w i r die luziferische Verführung nennen, so w ü r d e der M e n s c h offenbar anders i n diesem Erdenleben dastehen müssen; denn so wie er dasteht, mischt sich hinein i n sein Erdenleben die W i r k u n g der luziferischen Verführung. — Das heißt, w i r bringen es i n unserem Erdenleben bis zu einer gewissen A r t v o n Erkenntnis, bis zu einer gewissen A r t , uns durch unseren Verstand u n d durch unsere Vernunft z u den D i n g e n zu stellen, durch sie ein gewisses Wissen von den D i n g e n der W e l t z u bekommen. Es ist doch ganz klar: w i r müßten ein anderes Wissen v o n den D i n g e n der W e l t bekommen, w e n n die luziferische Verfüh148

rung nicht stattgefunden hätte. Das besagt gerade der angedeutete Doppelspruch. Das heißt, das Wissen, das w i r v o n der W e l t u n d deren Erscheinungen bekommen, ist ein solches Wissen, das durch den luziferischen Einfluß eingetreten ist, ein Wissen, das darstellt die fortlaufende E n t w i c k e l u n g , die eingetreten ist durch den G e n u ß v o m Baume der Erkenntnis des G u t e n u n d des Bösen. A l l unser Wissen ist ein solches, daß es eintreten mußte, so wie es geworden ist, als Folge des G e nusses v o m Baume der Erkenntnis des G u t e n u n d des Bösen. H ä t t e der M e n s c h n i c h t genossen v o m Baume der Erkenntnis des G u t e n u n d Bösen, so müßte eben ein anderes Wissen da sein als das, welches unter den heutigen «normalen» Verhältnissen da ist, wo Luzifer i n unser Dasein herein wirkt. W e n n Sie so sich vor A u g e n stellen, daß i m G r u n d e genommen unser gesamtes Tageswissen beeinflußt ist v o n der Tatsache der luziferischen Verführung, daß unser Tages wissen die Erfüllung ist davon, daß w i r genossen haben von dem Baume der Erkenntnis des G u t e n u n d des Bösen, so w i r d es Ihnen nicht mehr so unbegreiflich erscheinen, wenn i c h Ihnen jetzt die aus vielen okkulten Wahrnehmungen heraus z u erkennende Tatsache vor A u g e n führe: daß unser nächtliches, schlafendes Nichtwissen, unsere über das Bewußtsein sich ausbreitende Finsternis des Schlafes einfach die W i r k u n g ist des Nicht-Essendürfens v o n dem Baume des Lebens. Gerade so, wie unser Alltagswissen die W i r k u n g ist des Gegessenhabens v o n dem Baume der Erkenntnis des G u t e n u n d des Bösen, so ist das N i c h t - W i s s e n während des Schlafes die Folge des Nicht-haben-essen-Dürfens v o n dem Baume des Lebens. W ü r d e n w i r von diesem Baume haben essen dürfen, so würde für den Schlaf etwas Ähnliches eingetreten sein wie für das W a c h e n . Das hat aber nicht k o m m e n dürfen. U n d so ist denn eingetreten für den Schlafzustand die Bewußtlosigkeit. W e n n aber n u n diese Bewußtlosigkeit des Schlafes überwunden w i r d , wenn die Möglichkeit eintritt, durch eine geisteswissenschaftliche methodische Entwickelung, etwas zu wissen v o n dem, was sich w i r k l i c h da vollzieht i n dem v o r h i n angedeuteten 149

W e b e n u n d Leben i n einem ätherischen Elemente, dann werden wir gewahr, wie eigentlich w i r v o m Einschlafen bis z u m Aufwachen unser Leben verbringen. W r verbringen dieses Leben nämlich — es ist dies eine Tatsache, die einen erschüttern kann v o m Einschlafen bis z u m Aufwachen i n den A r m e n Luzifers, möchte i c h sagen. U n d man kann verstehen, was da eigentlich geschehen ist, verstehen das tiefe M y s t e r i u m , das dieser ganzen Tatsachenwelt zugrundeliegt, dadurch daß man sieht: i n demselben M o m e n t e , da der M e n s c h damit bestraft worden ist, nicht essen z u dürfen von dem Baume des Lebens, wurde L u z i fer dazu verurteilt, fortwährend v o n diesem Baume z u essen. U n d weil er dasjenige, was da webt u n d lebt v o m Einschlafen bis z u m Aufwachen, was uns, w e n n es uns nachklingt i m W a c h e n , so unendlich gescheit v o r k o m m t , weil Luzifer das i n A n s p r u c h n i m m t , so hat dieses W e b e n u n d Leben i n dem, was uns nicht z u m Bewußtsein k o m m t , eben weil er es für sich i n A n s p r u c h n i m m t , eine ganz gewisse Folge. Also w i r k ö n n e n sagen: Unser Leben u n d W e b e n i n dem feinen, ätherischen Elemente, das i c h angedeutet habe, das ist etwas, dessen sich Luzifer bemächtigt. U n d weil sich Luzifer dessen bemächtigt, so k o m m t das zustande, daß etwas nicht geschieht, was eigentlich durch die Jahve-Gottheiten den M e n schen vorbestimmt war. D u r c h die Jahve-Gottheiten war vorbestimmt den M e n s c h e n , beim Aufwachen hereinzubekommen i n den Ätherleib u n d i n den physischen Leib dasjenige, was da webt u n d lebt i m Schlafe. 5 6 Ich m u ß das etwas schematisch zeichnen, damit Sie vielleicht genauer sehen k ö n n e n , u m was es sich da handelt. Ich m ö c h t e dasjenige, was v o n unserem Ich außerhalb des physischen Leibes lebt während des Schlafes, schematisch etwa durch dieses bezeichnen (rot); was v o n unserem astralischen Leibe während des Schlafens außerhalb des physischen Leibes lebt, m i t diesem (gelb); was von unserem physischen Leibe i m Bette bleibt, m ö c h t e i c h m i t diesem bezeichnen (blau), u n d was von unserem ätherischen Leibe i m Bette bleibt, m i t diesem (ockergelb). 150

N u n war folgendes v o n vornherein bestimmt. Es war dem M e n schen durch die sich fortentwickelnden Jahve-Gottheiten bestimmt, daß beim Aufwachen jenes angedeutete ätherische W e ben u n d Leben untertaucht sowohl i n den ätherischen Leib wie i n den physischen L e i b des Menschen. Sie müssen nicht erschrecken darüber, daß Luzifer es ist, der m i t uns webt, während w i r i m ätherischen, feinen Elemente selber leben v o m Einschlafen bis z u m Aufwachen. Ich habe ja schon i n M ü n c h n e r Vorträgen einmal angedeutet, 5 7 daß das ganz falsch ist, w e n n m a n glaubt, m a n müsse sich vor Luzifer auf allen Gebieten des Lebens n u r i n acht nehmen. Das ist ein materialistisches Vorurteil. Geistige Wesenheiten sind nicht dazu da, daß sie eigentlich nicht da sein sollten. U n d es benehmen sich die meisten gegenüber dem Luziferischen u n d Ahrimanischen unrichtigerweise so, als ob sie nur ja nicht etwas zu tun haben wollten m i t dem Luziferischen u n d A h r i m a n i s c h e n . D a r u m handelt es sich aber gar nicht, das Leben so einzurichten, daß m a n nichts zu t u n hat m i t dem Luziferischen u n d Ahrimanischen. Es handelt sich daru m , daß man auch diese Wesenheiten da gelten läßt, w o sie i n ihrem Elemente sind, u n d weiß, daß sie schädlich nur wirken i n den Elementen, w o sie nicht hingehören. So ist es für das Erdenleben recht, daß Luzifer lebt u n d webt v o m Einschlafen bis z u m 151

Aufwachen i n dem Elemente, v o n dem w i r Menschen nichts wissen sollen, da w i r schon das andere Wissen haben, das eine W i r k u n g v o m G e n ü s s e des Baumes der Erkenntnis des G u t e n u n d des Bösen ist. Aber jetzt k o m m t beim Aufwachen dasjenige, was m a n durchschauen m u ß , w e n n m a n die notwendige Lebensentwikkelung, die heute durch die geisteswissenschaftliche W e l t a n schauung k o m m e n soll, verstehen w i l l : Was da verwoben w i r d , was da eigentlich nachgefühlt w i r d , wenn man i n besonders günstigen M o m e n t e n dieses Leben u n d W e b e n heute wie einen N a c h k l a n g hereinbekommt i n das Bewußtsein, was da gewoben w i r d , das sollte beim Aufwachen i n unseren physischen u n d unseren ätherischen Leib hereinkommen. D e n n was da webt, ist unser astralischer Leib. D e r lebt u n d webt i m wogenden W e l tenmeere; u n d das, was er sich da erwebt, was er da erlebt u n d erfährt, das sollte hereinkommen sowohl i n unseren ätherischen Leib, wie auch i n unseren physischen Leib. W e n n i c h die Absichten der die Erdenentwickelung leitenden Jahve-Gottheiten zeichnen wollte, dieses Leben u n d W e b e n , i n dem unser Astralleib während der N a c h t ist, müßte i c h es so zeichnen k ö n n e n , daß das alles i n unseren Wachzustand hereingeht sowohl i n unseren ätherischen Leib, wie i n unseren physischen Leib (Zeichnung a, schräge L i n i e n , gelb). Was i c h hier

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gezeichnet habe, würde darstellen das b e i m Aufwachen eintretende Aufgesogenwerden der Erlebnisse unseres astralischen Leibes v o n dem physischen Leibe u n d v o n dem Ätherleibe. Dies hätte eintreten sollen i m Verlaufe der menschlichen Erdenentwickelung oder der irdischen Menschenentwickelung, w e n n die ursprüngliche A b s i c h t der Jahve-Götter hätte erfüllt werden k ö n n e n . Das aber ist nicht geschehen wegen der damaligen luziferischen Verfuhrung. Etwas anderes ist aber geschehen, so daß w i r den Tatbestand, der jetzt eintrat, etwas anders zeichnen müssen. W e n n das der physische Leib ist (blau) u n d das der ätherische Leib (ockergelb) - alles natürlich schematisch gezeichnet —, so tritt das Erlebnis des astralischen Leibes b e i m Aufwachen nur w i r k l i c h i n den ätherischen Leib ein, drückt sich höchstens i m physischen Leibe ab u n d beeinflußt etwas den physischen Leib. In W i r k l i c h k e i t tritt es n u r i n den ätherischen Leib ein. N i c h t weil es zurückgehalten w i r d , nicht weil es halt macht, weil es

eine Grenze haben w ü r d e am physischen Leibe, m u ß i c h das so zeichnen (Zeichnung b), sondern weil durch einen geheimnisvollen Pakt zwischen Luzifer u n d A h r i m a n , der eben eingetreten ist infolge der i n luziferische u n d ahrimanische E n t w i c k e l u n g hineinverflochtenen Erdenentwickelung - , weil Luzifer i m M o mente des Aufwachens dem A h r i m a n übergibt das, was eigent153

lieh i n den physischen Leib h i n e i n sollte. Das, was also hier sein würde (Zeichnung a) von diesem nächtlichen Erleben, w i r d nicht unserem physischen Leibe, sondern i n unserem physischen Leibe d e m A h r i m a n übergeben. U m es als ahrimanisch z u kennzeichnen, w i l l i c h es nur so hineinzeichnen (Zeichnung c, gelbe Punkte).

U n d die bedeutsame Tatsache besteht: A h r i m a n erlebt i n unserem physischen Leibe Luzifers Erlebnisse während unseres Schlafes. Das ist m i t anderen W o r t e n die Ursache davon, daß wir nicht selber hereinbringen k ö n n e n unsere nächtlichen E r lebnisse i n unser Tagbewußtsein, weil sie Luzifer dem A h r i m a n übergibt während des Aufwachens. N u r während sie da ihren H a n d e l miteinander abschließen, den Pakt miteinander abschließen, k o m m t uns i n dem gewöhnlichen T r a u m manches z u m Bewußtsein, während es so hinübergeht aus den H ä n d e n Luzifers i n die H ä n d e A h r i m a n s . Das ist auch eine Seite des Schlaf- u n d Traumlebens. Betrachten w i r jetzt einmal das gewöhnliche Wissen, das w i r während der Z e i t v o m Aufwachen bis z u m Einschlafen haben. Dieses Wissen, das w i r so haben, wie w i r es haben, ist also eine Folge der Tatsache, daß eben der G e n u ß eingetreten ist v o m Baume der Erkenntnis des G u t e n u n d Bösen. D a liegt die Sache 154

also so, daß w i r während des Tages W i s s e n erwerben von den D i n g e n . V o m Aufwachen bis z u m Einschlafen erwerben w i r Wissen v o n den D i n g e n , ein Wissen, das unser Verstand auf Grundlage der Sinneswahrnehmungen kombiniert. Dieses W i s sen, das w i r v o n den D i n g e n erwerben, das erwerben w i r ja, wie es Ihnen d o c h selbstverständlich sein m u ß , durch unser Ich. Es ist ein Wissen, das der M e n s c h als Erdenmensch erlebt. D e r M e n s c h als Erdenmensch hat dadurch das Wissen erlangt, daß i h m zu seinen drei übrigen Prinzipien, die er v o n Saturn, Sonne u n d M o n d herübergebracht hat, auf der Erde das Ich hinzugegeben worden ist. A l s Erdenmensch, i m Ich, erleben w i r das Wissen, das überhaupt unser menschliches Wissen ist, also alles das, was w i r über die W e l t unter den Verhältnissen, unter denen wir schon einmal auf der Erde sind, erwerben können. A b e r dieses Wissen, das w i r auf diese A r t erwerben, hat eben die Eigentümlichkeit, daß es sich verdunkelt i n unserem Ich. Es verdunkelt sich i n unserem Ich, sobald w i r einschlafen. Es tritt also auch diese Tatsache ein, daß w i r v o m Aufwachen bis z u m Einschlafen Wissen erwerben; aber i n dem Augenblikke, wo w i r einschlafen, hört dieses Wissen auf, für uns bewußt zu sein; das heißt, es geht aus unserem Ich heraus. Philosophen, welche das Ich zur Grundlage der Philosophie machen u n d dann sagen: Dieses Ich k ö n n e n w i r zur Grundlage der Philosophie machen, weil dieses Ich das Bleibende ist i n dem Menschenleben zwischen der Geburt u n d dem Tode —, sagen einen ganz gewöhnlichen U n s i n n , denn dieses Ich, so wie der M e n s c h es erlebt, w i r d jede N a c h t ausgelöscht. A l s o halten w i r uns diese Tatsachen vor die Seele: daß w i r uns Wissen erwerben, dieses Wissen aber durch das Ich erworben w i r d , u n d dieses Ich ausgelöscht w i r d für den Z u s t a n d zwischen E i n schlafen u n d Aufwachen. W o h e r k o m m t das? Dieses Wissen w i r d w i r k l i c h ja erworben i n jenem Gebiete des Daseins, v o n dem w i r wissen, daß es dem A h r i m a n zugeteilt ist. W i r wissen ja, daß auf dem gewöhnlichen äußeren physischen Plane A h r i m a n sein eigentliches Reich hat, 155

weil aller T o d i h m zugehört. Ich habe das einmal i n M ü n c h n e r Vorträgen besonders ausführlich charakterisiert. 5 8 W i r durchmessen m i t unserem Bewußtsein A h r i m a n s R e i c h v o m A u f w a chen bis z u m Einschlafen, u n d i n d e m w i r unser gewöhnliches Alltagswissen entwickeln, so wie w i r es durch die luziferische Verführung entwickeln, bringt uns dieses Alltagswissen i m m e r i m Leben zwischen dem Aufwachen u n d dem Einschlafen i n das Reich des A h r i m a n hinein. W i r weben u n d leben eigentlich i m m e r i m Reiche des A h r i m a n , m i t unserem gewöhnlichen Suchen nach äußerem Wissen, nach Wissen, das sich auf die äußere sinnliche W e l t bezieht. Luzifer - w i r m ü s s e n das i m m e r trennen - hat das bewirkt; aber es ist nicht das R e ich des Luzifer, i n dem w i r da weben u n d leben v o m Aufwachen bis z u m Einschlafen, sondern es ist das Reich des A h r i m a n , i n dem w i r leben, weben u n d sind. U n d zwar ist das aus dem G r u n d e sehr leicht einzusehen, weil A h r i m a n ja i n unserem physischen Leibe ist. D e r hilft uns fortwährend, w e n n w i r uns Wissen durch den physischen Leib erwerben wollen. W i r erwerben das gewöhnliche Wissen zunächst durch den physischen Leib, durch die Sinne, die gewöhnlichen Werkzeuge des physischen Leibes. D a drinnen sitzt ja A h r i m a n ; Luzifer gibt i h m auch beim Aufwachen das, was er i n uns während der N a c h t erlebt hat. W ä h r e n d des Tages, i m Z u s a m m e n hang m i t A h r i m a n , erringen w i r dasjenige, was w i r unser W i s sen i n der W e l t nennen. B e i m Einschlafen ist es so, daß A h r i m a n reichlich vergilt die Gabe, die i h m Luzifer beim Aufwachen gegeben hat. W ä h r e n d Luzifer dasjenige, was er während des Schlafes m i t uns durchgemacht hat, beim Aufwachen dem A h r i m a n übergibt für unseren physischen Leib, übergibt A h r i m a n dem L u z i fer beim Einschlafen dasjenige, was er den ganzen Tag m i t uns erlebt hat. Dieses übergibt also A h r i m a n beim Einschlafen dem Luzifer. U n d während eigentlich unser gesamtes tägliches Erleben sich übertragen sollte auf das gesamte nächtliche Erleben, u n d ich dann so zeichnen m ü ß t e dieses nächdiche Erleben 156

(Zeichnung a, g r ü n ) , ist das so, daß i n Wahrheit das durch den Tag Erworbene n u r bis i n den astralischen Leib hineingeht, i m Ich aber v o n Luzifer i n Empfang genommen w i r d (Zeichnung b, Kreise), so daß Luzifer i n uns i n der Z e i t v o m Einschlafen bis z u m Aufwachen dasjenige erlebt, was i n uns fortlebt u n d webt v o n dem Tageswissen, von dem was w i r uns erworben haben v o m Aufwachen bis z u m Einschlafen. W i r k ö n n e n also sagen: Statt unser genießt während des Tages unsere nächtlichen Erfahrungen A h r i m a n ; statt unser genießt während unseres Schlafens, i n unserem Ich, Luzifer unsere täglichen Erfahrungen. In unserem physischen Leibe genießt A h r i m a n , i n unserem Ich genießt Luzifer; A h r i m a n während des Tages, Luzifer während der Nacht. N u n handelt es sich darum, die Folgen v o n diesen Tatsachen für unser menschliches Leben einzusehen. Fassen w i r zunächst einmal diese Tatsache, daß Luzifer v o m Einschlafen bis z u m Aufwachen unser Ich i n A n s p r u c h n i m m t , ins Auge. Sehen Sie, dies hindert uns, dasjenige, was w i r als Wissen während des Tages erfahren, was w i r uns ausdenken über die Welt, was w i r urteilen, unterscheiden, verbinden i n der Welt, auch während der N a c h t zu durchleben. W r würden es w i r k l i c h durchleben, w e n n w i r es durch die N a c h t h i n d u r c h fortsetzen könnten. 157

N a c h der ursprünglichen Absicht der Jahve-Gottheiten war es so, daß w i r unser Wissen während des Tages sammeln u n d es während der N a c h t durchleben, durcharbeiten sollten. W ä r e diese Absicht realisiert worden, dann würden w i r eine ganz andere Wissenschaft haben als die, welche w i r so haben. W i r würden eine Wissenschaft haben, die w i r k l i c h eine lebendige W i s senschaft wäre, w o jeder Begriff, den w i r erfahren, i n uns lebendig wäre, w o w i r auch wüßten, daß Begriffe, die w i r erfahren während des Tages, Schatten sind v o n Lebewesen, wie i c h es öfter beschrieben habe; 5 9 denn w i r würden ja i n der N a c h t folgendes erfahren. W i r würden sehen: W ä h r e n d des Tages erleben wir, w i r machen uns diesen oder jenen Begriff; i n der N a c h t würden alle Begriffe aufwachen, u m z u leben, u n d w i r würden erkennen, daß alles das elementarische Lebewesen wären. Das wüßten wir. V o m Einschlafen bis z u m Aufwachen wüßten w i r : Das, was w i r uns als Wissenschaft erwerben, das ist unmittelbares Leben, welches lebt u n d webt i n der Welt; elementarisches W i r k e n u n d W e b e n u n d Leben. Das k a n n es nicht sein für uns, weil Luzifer das erfaßt, u n d weil Luzifer es uns wegnimmt. U n d so n i m m t er uns das Leben der Wissenschaft weg. Jede N a c h t saugt er das Leben der W i s senschaft für sich heraus, u n d uns bleiben nur die abstrakten Begriffe, die toten Begriffe, die uns durch die Wissenschaft gegeben sind. D i e Menschheit hat so eine Wissenschaft, die v o n Luzifer ausgesogen ist, richtig ausgesogen ist von Luzifer. Das ist der G r u n d , w a r u m die Wissenschaft so empfunden werden m u ß , als ob sie nicht heran könnte an das, was eigentlich i n den D i n g e n lebt u n d webt, w a r u m sie so erscheint, als ob m a n sich v o n dem Lebenden u n d Webenden tote Begriffe machte. D i e Wissenschaft hat etwas Zusammentragendes, etwas, wobei m a n fühlt, man bleibt d o c h i m m e r außerhalb des Lebens stehen, m a n k o m m t nicht hinein i n das Leben. Alles, was die Philosophen v o n jeher geschwätzt — i c h w i l l sagen, p h i losophiert haben über die Grenzen des Wissens, über das N i c h t H i n e i n k o m m e n i n die U n t e r g r ü n d e des Daseins, das rührt ja 158

davon her, daß sie fühlten: unter dem, was m a n i n Begriffe fassen kann, liegt das lebendige Leben, an das man nicht heran k o m m t aus dem G r u n d e , weil Luzifer an diesem Leben saugt u n d es für sich i n A n s p r u c h n i m m t u n d so, m i t anderen W o r ten, die Begriffe strohern, abstrakt macht. Betrachten w i r jetzt den anderen Fall. Was würde geschehen, w e n n w i r nicht der Tatsache unterlägen, daß beim Aufwachen A h r i m a n i n A n s p r u c h n i m m t dasjenige, was nächtliches Erleben i n uns ist? Was w ü r d e m i t uns eintreten beim Aufwachen? W i r würden h i n e i n b e k o m m e n i n unser Tagesbewußtsein den ganzen Z u s a m m e n h a n g m i t den Nachterlebnissen. W i r würden, m i t anderen W o r t e n , die ganze geistige W e l t i n unser Tagesbewußtsein hineinbekommen, u n d es würde sich hineinmischen i n das, was w i r als Tagesbewußtsein haben, dasjenige, was das nächtliche Durchleben darstellt. So zusammen würde man es nicht haben k ö n n e n , wie w i r jetzt unser Tagesbewußtsein haben zusammen m i t den nächtlichen Erlebnissen, aus dem G r u n d e , weil dieses Tagesbewußtsein auftritt i n einer Weise, wie sie durch Luzifer gekommen ist. A b e r wenn Luzifer dieses Tagesbewußtsein nicht beeinflußt hätte i n der charakterisierten Weise, so w ü r d e n w i r i n ganz anderer Weise an die D i n g e herantreten. D a n n würde vereinbar sein m i t diesem Herantreten an die D i n g e das Hereinleben desjenigen, was w i r nächtlich durchleben. Das würde eine ganz beträchtliche Verä n d e r u n g hervorrufen i n alledem, was w i r während des Tages erleben. W i r gehen ja so durchs Tagesleben, daß w i r die D i n g e anschauen, daß w i r uns Ideen, Vorstellungen über die D i n g e machen. D a n n kombinieren w i r w o h l auch, aber es bleibt, m ö c h t e ich sagen, zwischen der Geburt u n d dem Tode i m m e r dabei, daß w i r i m G r u n d e genommen zusammenkoppeln das eine, was w i r während des Tages erlebt haben, m i t anderem, was w i r während des Tages erlebt haben. W ü r d e der Tatbestand anders sein, würde er so sein, daß richtig hereinkämen die nächtlichen Erlebnisse i n das Tagesleben, so würden w i r jedes Tageserlebnis 159

verbinden m i t dem, was uns wie eine E r i n n e r u n g der N a c h t erlebnisse geblieben ist. So wie es jetzt ist, treten w i r einem Menschen entgegen; w i r k o m m e n diesem Menschen entgegen, w i r sagen uns: diesen M e n s c h e n kenne i c h . - A b e r w a r u m sagen w i r uns das: diesen Menschen kenne ich? — N u r aus dem einfachen G r u n d e , weil w i r i h n früher schon gesehen haben während der Tageserlebnisse. W i r kombinieren das eine Tagerlebnis m i t dem anderen, u n d das drückt sich so aus, daß w i r sagen: W i r kennen diesen M e n schen. - G a n z anders wäre es, w e n n w i r die Nachterlebnisse i n der angedeuteten Weise hereinbrächten. D a n n würden w i r bei Tage wissen: dieses oder jenes geistige Wesen entspricht i h m . W i r würden i h n i n der N a c h t erlebt haben, w i r w ü r d e n i h n identifizieren k ö n n e n m i t seinem geistigen H i n t e r g r u n d , w i r würden sein Physisches v o m Geistigen durchwebt haben. So würde sich uns die ganze W e l t konkretisieren, durchweben m i t Geistigem. So aber, durch die luziferische Verführung, k a n n das nicht sein. Das Geistige bleibt aus; es bleibt uns nicht. A h r i m a n n i m m t es für sich i n A n s p r u c h u n d so bleibt es n u r dadrinnen i m Ätherleibe (Zeichnung b, Seite 157); dadrinnen i m Ätherleibe sitzt es, es k o m m t nicht zur Konkretisierung. Es k o m m t nicht dazu, daß man es w i r k l i c h i n den D i n g e n sieht. M a n kann nur sagen: Ich fühle i n m e i n e m Ätherleibe, daß dieses Geistige da ist als W e b e n u n d Leben. M a n fühlt es i m Allgemeinen, aber man b e k o m m t es nicht herauf i n die A n s c h a u u n g . 6 0 Ich hoffe, Sie merken, wie das ist. Statt daß es i n den physischen Leib hineingeht, u n d es sich uns auf Schritt u n d Tritt zeigen würde, dieses Geistige, bleibt es i n der Allgemeinheit stecken. U n d w i r fühlen es so i n uns, daß w i r uns sagen k ö n n e n : Das Geistige ist da, es lebt u n d webt i n der Welt, aber es konkretisiert sich uns nicht. Es k a n n das, was w i r so v o m Geistigen erleben, vor allem nicht Wissen werden. W s s e n würde es für uns, w e n n es hereinkäme i n den physischen Leib. Es bleibt Glaube, weil es bloß i m Ätherleibe erlebt w i r d . Alles dasjenige, was i m bloßen G l a u b e n liegt an A b l e h n u n g 160

des konkreten Wissens, das k o m m t davon her, daß der M e n s c h ganz richtig fühlt: er w i l l i m normalen Leben darinnen stehen bleiben, er w i l l nicht z u dieser Konkretisierung k o m m e n ; da fürchtet er sich vor d e n möglichen Irrtümern. So sehen Sie, ist Glaube i m Ätherleibe steckengebliebenes Wissen. W ä h r e n d dasjenige Wissen, das w i r bei Tage haben, i m astralischen Leibe eben steckenbleibt, also zur Nachtzeit i m Astralleib steckengebliebenes Wissen ist u n d dadurch so unlebendig w i r d . D e r lebendige Glaube, der wissenlos ist, weil i h m sein Wissen genommen w i r d von A h r i m a n , ist dasjenige, was gegenübertritt dem glaubenlosen Wissen, dem Wissen, dem der Glaube genommen w i r d durch Luzifer. So daß w i r hier (Zeichn u n g b, Seite 157) hinzufügen k ö n n e n : Luzifer erlebt i n unserem Ich ahrimanische Erlebnisse. Ich möchte i n diese zwei Worte zusammenfassen dasjenige, was Ihnen vielleicht i m Gedächtnis bleiben kann v o n diesen heute angestellten so außerordentlich wichtigen Betrachtungen. D u r c h diese Betrachtungen nämlich zeigt sich so recht der A n teil A h r i m a n s u n d Luzifers an unserem Leben, zeigt sich, wie Luzifer u n d A h r i m a n zusammen arbeiten, damit w i r nicht die H a r m o n i e b e k o m m e n k ö n n e n zwischen G l a u b e n u n d Wissen, sondern die unrichtige Zweiheit des wissenlosen Glaubens u n d des glaubeleeren Wissens. Es ist eben durchaus falsch, w e n n w i r glauben, daß w i r jemals A h r i m a n oder Luzifer entrinnen k ö n n e n . R i c h t i g ist vielmehr, daß A h r i m a n u n d Luzifer w o h l ihre Weltaufgabe haben, denn das Ganze, was da geschieht, das m u ß t e ja geschehen; es m u ß t e die Menschheit geführt werden so, wie es angedeutet worden ist; sie m u ß t e eine Zeitlang geführt werden durch solch eine S t r ö m u n g , die dann ihren Auslauf gefunden hat i n dem, was gestern dargestellt worden ist: i n dem allmählich sich abtötenden Wissen. D a wurden die Menschen i n vorwiegender Weise so i n die W e l t hineingestellt, daß sie gewirkt hat dasjenige, was hier i n diesem Tatbestand (Zeichnung c, Seite 154) vorgezeichnet ist. U n d dem strömt entgegen, wie i c h es gestern dargestellt 161

habe, v o n Mitteleuropa aus eine Menschheit, die mehr daraufh i n veranlagt worden ist, daß sie diesen Tatbestand entwickelt hatte. (Zeichnung b, Seite 153) U n d durch das Zusammenwirken, Z u s a m m e n t ö n e n dieser beiden Menschheitsströmungen allein n u r k a n n das lebendige Erfassen des Christus-Impulses stattfinden. D e n n es ist zugleich möglich, daß i m Christus-Verständnisse, i m Verständnisse des Christus-Impulses gewissermaßen auseinanderfallen diese beiden S t r ö m u n g e n u n d nicht miteinander z u rechnen haben. N e h m e n w i r einmal an, diese eine S t r ö m u n g unterliegt, als v o n Europa ausgehende S t r ö m u n g , der Anlage, von A h r i m a n während des Wachens überwältigt z u werden. N e h m e n w i r an, diese S t r ö m u n g bildete sich besonders aus u n d strebte das Verständnis des Mysteriums v o n Golgatha an: d a n n bildete sie sich so aus, daß sie diejenigen Tatsachen, die m i t dem äußeren Geschehen des Mysteriums v o n Golgatha zusammenhängen, ablehnt. Sie w i l l nicht durch den physischen Leib h i n durch. Indem sie von A h r i m a n überwältigt ist, w i l l sie nicht eindringen i n ein konkretes Erfassen dieses ganzen, großen kosmischen Ereignisses des Christus-Herabsteigens u n d so weiter. Sie w i l l vielmehr durch das Innere des Menschen, d u r c h das Ätherische i m Menschen, sich anlehnen an den Jesus u n d gründet eine Jesulogie, eine Wissenschaft v o n Jesus; sie lehnt ab dasjenige, was hinausgreift i n die W e l t von dem M y s t e r i u m v o n Golgatha. Das Ü b e r h a n d n e h m e n dieser (Zeichnung b) S t r ö m u n g hat wenig Interesse an dem unmittelbaren Zusammenhang des menschlichen Inneren m i t dem M e n s c h e n i n Christus, m i t dem Jesus; sie sieht vielmehr auf dasjenige, auf das sie gewohnt ist zu sehen: auf das abstrakte Erfassen dessen, was draußen i m Kosmos wirkt. Es strebt diese S t r ö m u n g nach einer C h r i s t o l o gie. Jene S t r ö m u n g sieht vorzugsweise auf Jesus, diese vorzugsweise auf Christus. D i e Wahrheit kann m a n nur erkennen, w e n n man den Jesus Christus oder den Christus Jesus als E i n heit auffaßt, wie das die Geisteswissenschaft tut, welche die 162

beiden Einseitigkeiten z u überwinden sucht. Sie ist sich ebenso klar darüber, d a ß es e i n kosmisches Wesen gibt, den Christus, der vor d e m M y s t e r i u m v o n Golgatha außerhalb der Erdensphäre war u n d durch das M y s t e r i u m v o n Golgatha i n die Erdensphäre hereinkam u n d dadurch der ganzen menschlichen Entwickelung einen anderen Impuls gab, so d a ß ein irdisches Geschehnis aus d e m Kosmos herein vorbereitet worden ist, u n d sich weiterhin vollzieht; aber ebenso klar ist es, daß dieses Geschehnis i n n i g z u s a m m e n h ä n g t m i t d e m Jesus v o n Nazareth. Das heißt, m a n m u ß sich klar darüber sein, d a ß der Christus, wie er vor d e m M y s t e r i u m v o n Golgatha war, nicht hätte hereintragen k ö n n e n jenes kosmische Geschehen i n das irdische Geschehen ohne den physischen Menschenleib des Jesus, u n d d a ß er daher durchgehen m u ß t e durch das Myster i u m v o n Golgatha. Es war das notwendig, es k a m darauf an, daß der Christus i n d e m Jesus das erlebte, was er i n d e m Jesus erlebt hat. N i c h t a u f den Jesus einseitig, nicht a u f den Christus einseitig, sondern a u f den Chrisrus Jesus, a u f den Christus i m Jesus k o m m t es an. Das ist es. Das, was auf der Erde geschehen ist, ist nicht durch den Christus geschehen, sondern dadurch, daß der Christus i n d e m Jesus gelebt hat. E i n e bloße Christologie ist ebenso u n m ö g l i c h , wie eine bloße Jesulogie; sondern es ist einzig u n d allein möglich eine Geisteswissenschaft v o n d e m C h r i stus Jesus. D e n n es gehört die Tatsache v o n dem M y s t e r i u m von Golgatha ganz notwendigerweise z u dem, was i n die Erdenentwickelung hat hereintreten sollen. W e n n also dasjenige geschehen soll, was vorgezeichnet ist durch das M y s t e r i u m v o n Golgatha: daß ein richtiges Verhältnis eintreten soll zwischen Luzifer u n d A h r i m a n i n bezug auf das, was durch den M e n s c h e n i n der W e l t geschieht, dann m u ß erkannt werden, wie die beiden M ä c h t e Luzifer u n d A h r i m a n i m M e n s c h e n zusammenwirken. Bewußt m u ß sich der M e n s c h gegenüberstellen diesem Zusammenwirken. U n d das w i r d er eben, wenn er durch die Geisteswissenschaft versucht, sich die 163

beiden S t r ö m u n g e n zu charakterisieren u n d dadurch den W e g z u dem Christus Jesus z u finden. Das ist auch dasjenige, was angedeutet werden soll i n jenem Bildwerke, das an hervorragender Stelle unseres Baues, wie w i r annehmen dürfen, einmal seine Stelle finden w i r d . D e r U r mensch i n der M i t t e , das Ahrimanische u n d Luziferische an den Seiten. 6 1 So daß m a n i n der A r t u n d Weise, wie die künstlerische Darstellung ist, einen unmittelbaren Ausdruck hat für dasjenige, was i n der Z u k u n f t der Menschheitsentwickelung sich abspielen soll anstelle dessen, was sich i n der Vergangenheit abspielte m i t Bezug auf die Trinität, die Dreiheit: Christus Luzifer - A h r i m a n . D a v o n werden w i r dann das nächste M a l weitersprechen.

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Die Steigerung des Bösen und die Aufgabe des gegenwärtigen Bewußtseinsseelenzeitalters

Das übersinnliche Element in der Geschichtsbetrachtung

Selbst innerhalb der Grenzen, die gegenwärtig noch geboten sind, w e n n m a n über solche D i n g e spricht, k a n n m a n dasjenige, was v o n dem Mysterium des Bösen handelt i n der fünften nachatlantischen Kulturperiode, der Periode der Bewußtseinsseele, i n der w i r leben, eigentlich nicht ohne tiefe Bewegung besprechen. D e n n es w i r d damit etwas berührt, was zu den tiefsten G e h e i m nissen dieser fünften nachatlantischen Periode gehört, was, w e n n es besprochen w i r d , heute noch auf sehr wenig entwickelte menschliche Fähigkeiten des Verständnisses gerade für solche D i n g e stößt. D i e E m p f i n d u n g s m ö g l i c h k e i t e n , welche die heutige Menschheit für solche D i n g e hat, sind n o c h wenig entwikkelt. D e n n o c h m u ß m a n sagen, daß gewisse H i n d e u t u n g e n auf das M y s t e r i u m des B ö s e n u n d das andere, das damit zusammenhängt, das M y s t e r i u m des Todes, i n allen sogenannten G e h e i m gesellschaften der neueren Z e i t i m m e r wieder u n d wiederum bildhaft versucht worden sind. A b e r diese bildhaften Darstellungen, z u m Beispiel auch i n den sogenannten maurerischen Gemeinschaften, sie wurden ja insbesondere i n den letzten Jahrzehnten seit dem letzten Drittel des 19.Jahrhunderts i n einer recht wenig ernsten Weise gepflogen, oder aber sie wurden i n einer solchen A r t gepflogen, wie ich es vor jetzt fast zwei Jahren hier m i t Bezug auf gewichtige Ereignisse der Gegenwart angedeutet habe. 6 2 D i e damaligen Andeutungen machte i c h auch nicht ohne tiefergehenden Beweggrund, denn wer v o n diesen D i n g e n Kenntnis hat, der weiß, welche Untiefen menschlichen Wesens m a n m i t diesen D i n g e n eigentlich berührt. A l l e i n es hat ja vieles gezeigt, wie wenig i m G r u n d e genommen heute schon W i l l e 167

z u m Verständnis solcher D i n g e vorhanden ist. D e r W i l l e z u m Verständnis, er w i r d ja gewiß k o m m e n , u n d es m u ß dafür gesorgt werden, daß er k o m m e . Es m u ß auf jedem Wege, der möglich erscheint, dafür gesorgt werden, daß dieser W i l l e k o m m t . M a n m u ß , wenn m a n über diese D i n g e spricht, manchmal den Schein hervorrufen, als ob man eine A r t K r i t i k der Gegenwart nach der einen oder nach der anderen R i c h t u n g h i n geben wolle. A u c h dasjenige, was ich gestern z u m Beispiel vorgebracht habe über die Konfiguration der Weltanschauungsbestrebungen innerhalb des B ü r g e r t u m s , seit dem letzten D r i t tel des 19. Jahrhunderts namentlich, aber i m G r u n d e genommen schon seit langer Zeit, das k a n n ja auch, wenn m a n es trivial auffassen w i l l , wie eine K r i t i k aufgefaßt werden. 6 3 A b e r alles das, was hier vorgebracht w i r d , ist nicht so gemeint, ist nicht wie eine K r i t i k gemeint, sondern ist gesagt zur Charakteristik, ist dazu gesagt, daß m a n einsieht, welche Kräfte u n d I m pulse gewaltet haben. V o n einem gewissen Gesichtspunkte aus betrachtet, haben ja diese Impulse notwendigerweise gewaltet. M a n k ö n n t e auch beweisen, daß es notwendig war, daß das B ü r g e r t u m der zivilisierten W e l t die Jahrzehnte von den vierziger Jahren bis z u dem Ende der siebziger Jahre verschlafen hat; m a n könnte diesen Schlaf als eine welthistorische N o t w e n d i g keit dartun. A b e r dessen ungeachtet müßte die Erkenntnis dieses Schlafes, dieses Kulturschlafes, dennoch i n positiver Weise wirken, das heißt, heute gewisse Erkenntnis- u n d W i l l e n s i m pulse auslösen, die w i r k e n sollen gegen die Z u k u n f t h i n . Z w e i Mysterien — wie gesagt, i c h k a n n diese Dinge natürlich nur innerhalb gewisser Grenzen besprechen - , zwei Mysterien sind v o n ganz besonderer Bedeutung für die E n t w i c k e l u n g der Menschheit i m Z e i t r a u m der Bewußtseinsseele, i n dem w i r drinnenstehen seit dem Beginne des 15.Jahrhunderts. Es ist das M y s t e r i u m des Todes u n d das M y s t e r i u m des Bösen. Dieses M y s t e r i u m des Todes, das für die jetzige Zeit eben m i t dem M y s t e r i u m des Bösen v o n einer gewissen Seite her zusammenhängt, das führt zunächst z u m Aufwerfen der bedeutungsvollen 168

Frage: W i e steht es überhaupt mit dem Tode i n bezug auf die menschliche Entwickelung? Ich habe neulich erst wiederum wiederholt: Das, was sich gegenwärtig Wissenschaft nennt, macht es sich bequem i n solchen D i n g e n . T o d ist Aufhören eines Lebens für die meisten Wissenschafter. V o n diesem Punkte aus ist der T o d anzuschauen bei der Pflanze, beim Tiere, beim M e n s c h e n . - Geisteswissenschaft hat es nicht so bequem, alles über einen Leisten z u schlagen. D e n n sonst k ö n n t e m a n den T o d auch auffassen als Ende einer Taschenuhr, den T o d der Taschenuhr. D e r T o d für den M e n s c h e n ist eben etwas ganz anderes als der sogenannte T o d anderer Wesen. Kennenlernen kann m a n n u n dasjenige, was das P h ä n o m e n des Todes ist, nur dann, w e n n m a n es gewissermaßen auf dem Hintergrunde jener Kräfte auffaßt, die i m Weltenall tätig sind, u n d die über den Menschen, i n d e m sie auch den Menschen ergreifen, den physischen T o d bringen. Es walten i m Weltenall gewisse Kräfte, gewisse Impulse; wären sie nicht vorhanden, so könnte der M e n s c h nicht sterben. Diese Kräfte walten i m Weltenall, der M e n s c h gehört z u m Weltenall; sie durchwalten auch den M e n s c h e n , u n d i n d e m sie i m Menschen tätig sind, bringen sie i h m den T o d . N u n m u ß m a n sich fragen: Diese Kräfte, die i m Weltenall tätig sind, was bewirken sie außer dem, daß sie den Menschen den T o d bringen? — Es wäre ganz falsch, w e n n man etwa denken würde, diese Kräfte, die dem Menschen den T o d bringen, die seien i m Weltenall dazu da, daß sie den M e n s c h e n sterben machen, daß sie i h m den T o d bringen. Das ist nicht der Fall. D a ß diese Kräfte den Menschen den T o d bringen, ist gewissermaßen nur eine N e b e n w i r k u n g , w i r k l i c h nur eine N e b e n w i r k u n g . N i c h t wahr, es w i r d keinem Menschen einfallen, zu sagen: D i e Aufgabe der L o k o m o t i v e bei der Eisenbahn bestehe darin, nach u n d nach die Schienen kaputt zu machen. - Trotzdem tut das die L o k o m o t i v e , daß sie nach u n d nach die Schienen kaputt macht, u n d die Lokomotive k a n n nicht anders als die Schienen kaputt machen. A b e r das ist jedenfalls nicht ihre Aufgabe; ihre Aufgabe ist etwas anderes. U n d

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w e n n einer definieren würde: E i n e Lokomotive ist eine M a s c h i ne, welche die Aufgabe hat, die Schienen kaputt z u machen —, der w ü r d e natürlich einen U n s i n n reden, trotzdem m a n nicht bestreiten k a n n , daß das Zerstören der Schienen durchaus m i t dem Wesen der L o k o m o t i v e z u s a m m e n h ä n g t . Ebensowenig denkt derjenige etwas Richtiges, der etwa sagen würde, die Kräfte i m Weltenall, die den Menschen den T o d bringen, seien dazu da, u m den M e n s c h e n den T o d z u bringen. Dieses ist nur eine N e b e n w i r k u n g , daß sie den M e n s c h e n den T o d bringen. Sie bewirken dies neben ihrer eigentlichen Aufgabe. Welches aber ist diese eigentliche Aufgabe der den Menschen den T o d b r i n genden Kräfte? Diese Aufgabe der den Menschen den T o d b r i n genden Kräfte ist gerade die, den M e n s c h e n zu begaben m i t der vollen Fähigkeit der Bewußtseinsseele. Sie sehen, wie i n n i g das M y s t e r i u m des Todes gerade m i t der E n t w i c k e l u n g des fünften nachatlantischen Zeitraums zusamm e n h ä n g t , wie bedeutsam es ist, daß i n diesem fünften nachatlantischen Z e i t r a u m allgemein das M y s t e r i u m des Todes enthüllt werde. D e n n es sind eben die Kräfte, die i n ihrer N e b e n w i r k u n g dem Menschen den T o d bringen, die eigentlich dazu bestimmt sind, dem M e n s c h e n einzupflanzen, einzuimpfen i n seinen Werdegang gerade die Fähigkeit, i c h sage die Fähigkeit, nicht die Bewußtseinsseele, sondern die Fähigkeit der Bewußtseinsseele. Das fuhrt Sie nicht nur zur Erfassung des Todesmysteriums, sondern es führt Sie auch dahin, i n wichtigen D i n g e n exakt zu denken. Das heutige D e n k e n ist i n vieler Beziehung — das ist wieder keine K r i t i k , sondern eine Charakteristik - , w e n n ich m i c h des Ausdrucks bedienen darf, aber er ist treffend, eben einfach schlampig. Das heutige D e n k e n insbesondere i n der landläufigen Wissenschaft ist fast durchweg so, wie w e n n m a n sagen würde, die Lokomotive hat die Aufgabe, die Schienen kaputt z u machen. D e n n , was i n der heutigen Wissenschaft meistens gesagt w i r d über das eine oder das andere, das ist v o n dieser Qualität. Es ist v o n der Qualität, m i t der man eben nicht 170

auskommen w i r d , w e n n man einen der Menschheit heilsamen Zustand für die Z u k u n f t herbeiführen w i l l . U n d der kann ja i m Zeitalter der Bewußtseinsseele n u r i n voller Bewußtheit herbeigeführt werden. M a n m u ß es i m m e r wieder betonen, daß dies eine tiefe Zeitwahrheit ist. M a n hört es ja i m m e r wieder u n d wieder, daß da oder dort Leute auftauchen, welche aus einer scheinbar tiefbegründeten Weisheit heraus die einen oder die anderen sozialwirtschaftlichen Vorschläge machen, i m m e r aus dem Bewußtsein heraus, daß m a n heute noch sozialwirtschaftliche Vorschläge machen kann ohne die Zuhilfenahme der Geisteswissenschaft. N u r derjenige denkt heute zeitgemäß, der da weiß, daß alles, was versucht w i r d zu sagen über irgendeine soziale K o n f i guration der Menschheit gegen die Z u k u n f t h i n , ohne die Grundlage der Geisteswissenschaft Quacksalberei ist. N u r der, der dieses voll erfaßt, der denkt zeitgemäß. W e r heute noch hört auf allerlei Professorenweisheiten aus der S o z i a l - Ö k o n o m i e , die auf dem Boden einer geistlosen Wissenschaft stehen, der verschläft seine Zeit. Diese Kräfte, v o n denen m a n sprechen m u ß als den Kräften des Todes, sie haben das menschliche Leibeswesen schon früher erfaßt. W i e , das k ö n n e n Sie aus meiner «Geheimwissenschaft» entnehmen. 6 4 In das seelische Wesen haben sie sich da erst h i n eingefunden. D e r M e n s c h m u ß für den Rest der Erdenentwikkelung diese Kräfte des Todes i n sein eigenes Wesen aufnehmen, u n d sie werden i m Verlauf des gegenwärtigen Zeitraumes i n i h m so wirken, daß er die Fähigkeit der Bewußtseinsseele i n sich z u m vollen Ausdruck, zur vollen Offenbarung bringt. Indem i c h so gefragt habe u n d so gesprochen habe über das M y s t e r i u m des Todes, das heißt über die Kräfte, die i m Weltenall wirksam sind als den Menschen den T o d bringende Kräfte, k a n n ich auch i n einer gleichen methodischen Weise hindeuten auf die Kräfte des Bösen. A u c h diese Kräfte des Bösen, sie sind nicht solche, von denen m a n sagen k a n n , sie bewirken innerhalb der menschlichen O r d n u n g die bösen H a n d l u n g e n . Das ist 171

wiederum nur eine N e b e n w i r k u n g . W e n n es die Kräfte des Todes nicht gäbe i m Weltenall, so w ü r d e der M e n s c h die Bewußtseinsseele nicht entwickeln k ö n n e n , er würde nicht entgegennehmen k ö n n e n i n seiner weiteren Erdenentwickelung, so wie er sie entgegennehmen soll, die Kräfte des Geistselbstes, des Lebensgeistes u n d des Geistesmenschen. 6 5 D e r M e n s c h m u ß durch die Bewußtseinsseele gehen, w e n n er i n seiner A r t die Kräfte des Geistselbstes, des Lebensgeistes, des Geistesmenschen aufnehmen w i l l . D a z u m u ß er die Kräfte des Todes i m Laufe des fünften nachatlantischen Zeitraums, also bis i n die M i t t e des vierten Jahrtausends h i n e i n , vollständig m i t seinem eigenen Wesen verbinden. Das kann er. A b e r er k a n n nicht i n der gleichen Weise die Kräfte des B ö s e n m i t seinem eigenen Wesen verbinden. D i e Kräfte des Bösen sind i m Weltenall, i m Kosmos so geartet, daß der M e n s c h sie i n seiner E n t w i c k e l u n g erst während der Jupiterperiode so aufnehmen kann, wie er jetzt die Kräfte des Todes aufnimmt. M a n k a n n also sagen: M i t einer geringeren Intensität, bloß einen Teil seines Wesens ergreifend, wirken die Kräfte des Bösen auf den Menschen. - W i l l man eindringen i n das Wesen dieser Kräfte des B ö s e n , dann darf m a n nicht auf die äußeren Folgen dieser Kräfte sehen, sondern dann m u ß m a n das Wesen des Bösen da aufsuchen, w o es i n seiner eigenen Wesenheit vorhanden ist, w o es so wirkt, wie es w i r k e n m u ß , weil die Kräfte, die als das B ö s e i m Weltenall figurieren, auch i n den M e n s c h e n hereinspielen. U n d da beginnt eben das, was man n u r m i t einer tiefen Bewegung sagen kann, was m a n nur sagen k a n n , wenn man zugleich die Voraussetzung erhebt, daß diese D i n g e w i r k l i c h m i t dem allertiefsten Ernste aufgen o m m e n werden. W e n n m a n das B ö s e i m Menschen suchen w i l l , so m u ß m a n es suchen nicht i n den bösen H a n d l u n g e n , die innerhalb der menschlichen Gesellschaft vollzogen werden, sondern m a n m u ß es suchen i n den bösen Neigungen, i n den N e i gungen z u m B ö s e n . M a n m u ß zunächst ganz abstrahieren, ganz absehen v o n den Folgen dieser Neigungen, die bei dem einen Menschen mehr oder weniger eintreten, man m u ß den B l i c k

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hinrichten auf die bösen N e i g u n g e n . U n d dann k a n n m a n fragen:Bei welchen Menschen wirken die bösen Neigungen i n nerhalb der fünften nachatlantischen Periode, i n der w i r d r i n nen stehen, jene Neigungen, die, w e n n sie i n ihrer Nebenwirk u n g z u m Ausdrucke k o m m e n , eben i n den bösen H a n d l u n g e n so anschaulich sich darleben, bei welchen M e n s c h e n w i r k e n die bösen Neigungen? Ja, die A n t w o r t darauf bekommt m a n , w e n n man versucht, über die sogenannte Schwelle des H ü t e r s z u gehen u n d das menschliche Wesen w i r k l i c h kennenzulernen. D a ergibt sich die A n t w o r t auf diese Frage. U n d die A n t w o r t lautet: Bei allen M e n s c h e n liegen i m Unterbewußtsein seit dem Beginne der fünften nachatlantischen Periode die bösen Neigungen, die N e i gungen z u m Bösen. - Ja, gerade darinnen besteht das Eintreten des Menschen i n die fünfte nachatlantische Periode, i n die neuzeitliche Kulturperiode, daß er i n sich aufnimmt die Neigungen z u m Bösen. Radikal, aber sehr richtig gesprochen, kann folgendes z u m Ausdrucke gebracht werden: Derjenige, der die Schwelle zur geistigen W e l t überschreitet, der macht die folgende Erfahrung: Es gibt kein Verbrechen i n der Welt, z u dem nicht jeder M e n s c h i n seinem Unterbewußtsein, insofern er ein Angehöriger der fünften nachatlantischen Periode ist, die N e i g u n g hat. D i e N e i g u n g hat; ob i n dem einen oder i n dem anderen Fall die N e i g u n g z u m B ö s e n äußerlich z u einer bösen H a n d l u n g führt, das hängt von ganz anderen Verhältnissen ab als v o n dieser Neigung. Sie sehen, bequeme Wahrheiten hat man nicht zu sagen, w e n n man heute eben ungeschminkt der Menschheit die Wahrheit sagen m u ß . U m so mehr taucht dann die Frage auf: Ja, was wollen diese Kräfte, die i m M e n s c h e n die bösen Neigungen bewirken, was wollen diese Kräfte denn eigendich i m Weltenall, i n d e m sie zunächst i n die menschliche Wesenheit hineinträufeln, i n d e m sie i n die menschliche Wesenheit hineinfließen? Was wollen diese Kräfte? - Sie sind wahrhaftig i m Weltenall nicht dazu da, u m böse H a n d l u n g e n i n der menschlichen Gesellschaft herbei173

zuführen. Diese führen jene Kräfte aus solchen G r ü n d e n herbei, die w i r n o c h besprechen wollen. Sie sind, ebensowenig wie die Kräfte des Todes dazu da sind, den Menschen n u r sterben zu machen, i m Weltenall nicht vorhanden, diese Kräfte des B ö s e n , u m den M e n s c h e n z u verbrecherischen H a n d l u n g e n zu fuhren, sondern sie sind i m Weltenall dazu vorhanden, u m , w e n n der M e n s c h aufgerufen ist zur Bewußtseinsseele, i n i h m die N e i gung hervorzurufen, das geistige Leben so z u empfangen, wie wir es gestern z u m Beispiel u n d schon das vorige M a l charakterisiert haben. I m Weltenall walten diese Kräfte des Bösen. D e r M e n s c h m u ß sie aufnehmen. Indem er sie aufnimmt, pflanzt er i n sich den K e i m , das spirituelle Leben überhaupt m i t der Bewußtseinsseele zu erleben. Sie sind also wahrhaftig nicht da, diese Kräfte, die durch die menschliche soziale O r d n u n g verkehrt werden, sie sind wahrhaftig nicht da, u m böse H a n d l u n g e n hervorzurufen, sondern sie sind gerade dazu da, damit der M e n s c h auf der Stufe der Bewußtseinsseele z u m geistigen Leben durchbrechen k a n n . W ü r d e der M e n s c h nicht aufnehmen jene Neigungen z u m B ö sen, von denen i c h eben gesprochen habe, so würde der M e n s c h nicht dazu k o m m e n , aus seiner Bewußtseinsseele heraus den Impuls z u haben, den Geist, der v o n jetzt ab befruchten m u ß alles übrige Kulturelle, wenn es nicht tot sein w i l l , den Geist aus dem Weltenall entgegenzunehmen. U n d w i r tun a m besten, w e n n w i r zunächst einmal hinsehen auf das, was werden soll aus jenen Kräften, die uns i n ihrer Karikatur entgegentreten i n den bösen H a n d l u n g e n der Menschen; w e n n w i r uns fragen, was unter dem Einfluß dieser Kräfte, die z u gleicher Zeit die Kräfte für die bösen Neigungen sind, i n der E n t w i c k e l u n g der Menschheit geschehen soll. Sehen Sie, w e n n man v o n diesen D i n g e n spricht, dann m u ß m a n sehr nahe an den N e r v der Menschheitsentwickelung herangehen. A l l e diese D i n g e hängen ja zu gleicher Zeit m i t den Verhängnissen zusammen, die i n der Gegenwart die M e n s c h heit getroffen haben. 6 5 D e n n die Verhängnisse, die i n der 174

Gegenwart die Menschheit getroffen haben u n d n o c h treffen werden, die sind ja n u r ein Wetterleuchten für ganz andere D i n g e , die über die Menschheit k o m m e n sollen; ein Wetterleuchten, das heute oftmals das Gegenteil v o n dem zeigt, was da k o m m e n soll. N i c h t z u m Pessimismus ist aus allen diesen D i n gen heraus ein A n l a ß , w o h l aber z u m tatkräftigen Impulse, z u m Aufwachen. N i c h t z u m Pessimismus, sondern z u m Aufwachen ist Anlaß vorhanden. A l l e diese D i n g e werden nicht gesagt, u m Pessimismus zu erzeugen, sondern u m Aufwachen z u bewirken. W e n n w i r v o n einer konkreten Erscheinung ausgehen, dann k o m m e n wir vielleicht am besten zu unserem Z i e l . Sehen Sie, i c h habe schon gestern gesagt: E i n wesentlicher Impuls i n der E n t w i c k e l u n g der Menschheit i m Zeitalter der Bewußtseinsseele m u ß das Wachsen des Interesses v o n M e n s c h z u M e n s c h i n der gestern geschilderten Weise sein. Das Interesse, das der eine M e n s c h an dem andern n i m m t , das m u ß immer größer u n d größer werden. Dieses Interesse m u ß wachsen für den Rest der Erdenentwickelung, u n d es m u ß wachsen namentlich auf vier Gebieten, k a n n m a n sagen. Das erste Gebiet ist, daß der M e n s c h , i n d e m er sich gegen die Z u k u n f t h i n entwickelt, i n einer i m m e r anderen u n d anderen Weise seine M i t m e n s c h e n sehen w i r d . Heute ist der M e n s c h , trotzdem er schon etwas mehr als ein Fünftel des Zeitalters der Bewußtseinsseele durchgemacht hat, n o c h wenig geneigt, seinen M i t m e n s c h e n so zu sehen, wie er i h n sehen lernen m u ß i m Laufe des Zeitalters der Bewußtseinsseele, bis i n das vierte Jahrtausend herein. D i e Menschen sehen einander heute noch so, daß sie über das Allerwichtigste hinwegschauen, daß sie eigentlich keinen B l i c k für den anderen M e n s c h e n haben. In dieser Beziehung haben die Menschen noch nicht voll ausgenützt, was i n den Seelen bisher durch die verschiedenen Inkarnationen heranerzogen ist durch die Kunst. A n der E n t w i c k e l u n g der K u n s t k a n n ja viel gelernt werden, u n d ich habe da oder dort manche A n d e u t u n g gemacht über dieses Lernen v o n der E n t w i c k e l u n g der Kunst. Es ist ja nicht z u leugnen, w e n n m a n einigermaßen Symptomatologie 175

treibt, wie i c h es gefordert habe gerade i n diesen Vorträgen, daß das künstlerische Schaffen u n d Genießen fast auf allen Zweigen des Künstlerischen i n einem Verfall ist. U n d was alles versucht worden ist gerade i n den letzten Jahrzehnten auf künstlerischem Gebiete, m u ß jedem E m p f i n d e n d e n klar u n d deutlich zeigen, daß das Künstlerische als solches i n einer Verfallsperiode d r i n nen ist. Das Wichtigste, was v o n dem Künstlerischen sich weiter fortpflanzen soll i n die E n t w i c k e l u n g der Menschheit h i n e i n , das ist dasjenige, was die M e n s c h e n an Erziehung für gewisse Auffassungsweisen der Z u k u n f t aus dem Künstlerischen haben können. Sehen Sie, alle Kunst hat etwas i n sich - natürlich verästelt sich jeder K u l t u r z w e i g i n der verschiedensten Weise u n d er hat dann alle möglichen N e b e n w i r k u n g e n - , aber alle K u n s t hat etwas i n sich, was geeignet ist, zu tieferer, konkreterer M e n schenerkenntnis z u führen. W e r sich w i r k l i c h vertieft i n die künstlerischen Formen, die z u m Beispiel die Malerei, die Plastik schaffen, oder i n das Wesen der inneren Bewegungen, die durch M u s i k u n d D i c h t u n g pulsieren, wer sich da hinein vertieft, wer Kunst w i r k l i c h innerlich erlebt - das tun oftmals die Künstler selber nicht i n der heutigen Z e i t —, wer Kunst w i r k l i c h innerlich erlebt, der durchdringt sich m i t etwas, was i h n befähigt, den Menschen nach einer gewissen R i c h t u n g , nach der R i c h t u n g der menschlichen Bildnatur aufzufassen. D e n n das w i r d es sein, was i n diesem Zeitalter der Bewußtseinsseele über die M e n s c h heit k o m m e n m u ß : den Menschen bildhaft auffassen z u k ö n nen. Sie haben schon einiges gehört über die Elemente z u diesem bildhaften Auffassen. Sieht m a n h i n auf den Menschen u n d sieht sein H a u p t , so weist es einen zurück i n die Vergangenheit. W i e der T r a u m aufgefaßt w i r d als eine Reminiszenz des äußeren sinnenfälligen Lebens u n d dadurch seine Signatur erhält, so w i r d für den, der die D i n g e der W i r k l i c h k e i t durchschaut, alles äußere Sinnenfällige wiederum B i l d eines Geistigen. Das geistige U r b i l d des M e n s c h e n m ü s s e n w i r durchschauen lernen durch seine Bildnatur. Durchsichtig gewissermaßen w i r d gegen die 176

Z u k u n f t h i n der M e n s c h dem M e n s c h e n werden. W i e das H a u p t geformt ist, wie der M e n s c h geht, w i r d m i t anderem innerem A n t e i l u n d m i t anderem innerem Interesse geschaut werden, als es heute n o c h i n den menschlichen Neigungen liegt. D e n n man w i r d den M e n s c h e n n u r dann seinem Ich nach glauben kennenzulernen, w e n n man eine solche Auffassung v o n seiner Bildnatur hat, w e n n m a n mit dem Grundgefühl vor den Menschen hintreten k a n n , d a ß sich dasjenige, was die äußeren physischen Augen v o m M e n s c h e n sehen, z u des Menschen w a h rer geistig-übersinnlicher W i r k l i c h k e i t verhält wie das B i l d , das auf die L e i n w a n d gemalt ist, zu der W i r k l i c h k e i t , die es wiedergibt. Dieses Grundgefühl m u ß sich ausbilden. M a n m u ß dem M e n s c h e n nicht so entgegentreten — das m u ß man lernen - , daß m a n i n i h n nur empfindet den Zusammenhang v o n K n o c h e n , M u s k e l n , B lu t u n d so weiter, sondern m a n m u ß den M e n s c h e n empfinden lernen als das B i l d seines ewigen, geistig-übersinnlichen Wesens. D a geht der M e n s c h an uns vorüber, u n d w i r würden nicht glauben i h n zu erkennen, w e n n dasjenige, was an uns vorübergeht, i n uns nicht den H i n b l i c k auferweckte auf das, was er als ein ewiger, übersinnlich-geistiger M e n s c h ist. So w i r d m a n den M e n s c h e n sehen. U n d m a n w i r d den Menschen so sehen können. D e n n dasjenige, was m a n so sehen w i r d an dem M e n s c h e n , w e n n m a n die menschlichen F o r m e n u n d die menschlichen Bewegungen u n d alles, was damit zusammenhängt, als B i l d des Ewigen erfassen w i r d , das w i r d einem w a r m oder kalt machen, das w i r d einem m i t innerer W ä r m e oder m i t innerer Kälte nach u n d nach erfüllen m ü s s e n , u n d m a n w i r d durch die W e l t wandeln, i n d e m man die M e n s c h e n sehr i n t i m kennenlernt. D e r eine w i r d einem warm, der andere w i r d einem kalt machen. A m schlimmsten werden die Leute daran sein, die einem weder warm n o c h kalt machen. M a n w i r d ein innerliches Erlebnis haben i m Wärmeäther, der einen durchdringt i m Ätherleib. Das w i r d der Reflex sein des gesteigerten Interesses, das v o n M e n s c h z u M e n s c h entwickelt werden m u ß . E i n zweites m u ß n o c h paradoxere E m p f i n d u n g e n i n dem 177

Menschen der Gegenwart hervorrufen, der ganz u n d gar keine N e i g u n g hat, solche D i n g e schon aufzunehmen, aber vielleicht w i r d sich gerade aus dieser Antipathie i n nicht gar zu ferner Z e i t die Sympathie für das Richtige stark entwickeln. E i n zweites ist: D i e Menschen werden sich ganz anders verstehen. V o r allen D i n g e n werden die beiden Jahrtausende, die noch verfließen werden bis z u m Ende dieses fünften nachatlantischen Zeitraums, dazu dienen. Allerdings werden die beiden Jahrtausende nicht ausreichen, es w i r d das, was i c h jetzt sage, etwas länger dauern, es w i r d sich n o c h hineinerstrecken i n den sechsten nachatlantischen Zeitraum; aber es w i r d sich dann z u jener IchErkenntnis, v o n der ich eben gesprochen habe, noch eine besondere Fähigkeit entwickeln: am M e n s c h e n z u spüren, zu erfassen, i n d e m w i r i h m entgegentreten, seine Beziehung zu der dritten Hierarchie, seine Beziehung zu den A n g e l o i , Archangeloi u n d A r c h a i . U n d dies w i r d sich dadurch entwickeln, daß man i m m e r mehr u n d mehr erkennen w i r d , wie die Menschheit i n einer anderen Weise, als das gegenwärtig der Fall ist, sich zur Sprache verhalten w i r d . D i e Sprachentwickelung hat ja ihren H ö h e p u n k t bereits überschritten. Das konnten Sie aus dem entnehm en, was ich gerade i n den Vorträgen dieses Herbstes Ihnen vorgebracht habe. 6 7 D i e Sprachentwickelung hat ihren H ö h e punkt überschritten. D i e Sprache ist i n W i r k l i c h k e i t schon etwas Abstraktes geworden. U n d es geht gegenwärtig n u r eine Welle tiefster Unwahrhaftigkeit über die ganze Erde h i n , i n d e m O r d n u n g e n i n der Menschheit angestrebt werden, die irgend etwas z u tun haben sollen m i t den Sprachen der Völker, denn die Menschen haben nicht mehr das Verhältnis zur Sprache, das durch die Sprache h i n d u r c h auf den M e n s c h e n sieht, das durch die Sprache hindurchsieht auf das Wesen des Menschen. Ich habe dasjenige, was so ein Ansatz sein kann, u m z u m Verständnis dieser Sache zu k o m m e n , bei verschiedenen Anlässen aus einem Beispiel heraus angeführt. 6 8 Ich habe es auch neulich i m öffentlichen Vortrag i n Zürich wiederum angeführt, weil es gut ist, diese D i n g e heute auch schon vor ein öffentliches 178

P u b l i k u m z u bringen. A b e r hier habe i c h ja schon darauf aufmerksam gemacht, wie überraschend es ist, w e n n m a n Aufsätze über Geschichtsmethode v o n Herman Grimm, m der so ganz i n deutsch-mitteleuropäischer B i l d u n g i m 19.Jahrhundert d r i n nenstand, vergleicht m i t Aufsätzen über Geschichtsmethode v o n Woodrow Wilson. 70 Ich habe darauf aufmerksam gemacht, daß i c h dieses Experiment sehr gewissenhaft durchgeführt habe, u n d daß die Möglichkeit vorhanden ist, daß m a n gewisse Sätze v o n W o o d r o w W i l s o n einfach h e r ü b e r n i m m t u n d i n Aufsätze v o n H e r m a n G r i m m hineinstellt, denn sie sind fast gleichlautend m i t Sätzen i n Aufsätzen von H e r m a n G r i m m . U n d wieder u m könnte man ganze Sätze über Geschichtsmethodologie v o n H e r m a n G r i m m hinübersetzen i n dasjenige, was über G e schichtsmethodologie W o o d r o w W i l s o n gesprochen u n d dann hat drucken lassen. U n d dennoch, es ist ein radikaler Unterschied zwischen beiden. Das merkt m a n , w e n n m a n liest nicht dem Inhalte nach, denn der Inhalt als solcher, wortwörtlich genommen, w i r d i m m e r weniger bedeutend sein für die Menschheit, insofern sie sich der Z u k u n f t entgegenentwickelt. B e i H e r m a n G r i m m ist alles, selbst dasjenige, m i t dem m a n nicht einverstanden sein kann, unmittelbar v o n i h m erkämpft, Satz für Satz, Stufe für Stufe erkämpft, bei W o o d r o w W i l s o n wie v o n seinem eigenen inneren D ä m o n , v o n dem er i n seinem Unterbewußtsein besessen ist, herauf eingegeben i n sein Bewußtsein. A u f diesen U r s p r u n g k o m m t es an, auf die Entsteh u n g unmittelbar an der Oberfläche des Bewußtseins i n dem einen Fall, u n d auf die Eingebungen eines D ä m o n s aus dem Unterbewußtsein herauf i n das Bewußtsein i n dem anderen Fall. So daß man sagen m u ß : Dasjenige, was v o n W i l s o n s Seite k o m m t , ist aus einer gewissen Besessenheit heraus. Diese Erkenntnis, i c h führe sie als Beispiel an, u m Ihnen zu zeigen, daß es heute nicht mehr a n k o m m t auf das wortwördiche Ü b e r e i n s t i m m e n . Ich empfinde es i m m e r m i t ungeheurer W e h mut, wenn m i r Freunde unserer Sache von diesem oder jenem Pastor oder diesem oder jenem Professor D i n g e bringen u n d 179

sagen: Das klingt ja ganz anthroposophisch. - Sehen Sie einmal nach, wie anthroposophisch das klingt! In dem Kulturzeitalter, i n dem w i r heute stehen, k a n n selbst ein Professor, der politisiert, auch an einer wichtigen Stelle D i n g e schreiben, die natürl i c h wortwörtlich übereinstimmen m i t dem, was der W i r k l i c h keitserkenntnis der Zeit g e m ä ß ist. A b e r auf das Wortwörtliche k o m m t es nicht an, sondern darauf k o m m t es an, i n welcher Region der Menschenseele die D i n g e entspringen. Es k o m m t darauf an, durch die Sprache hindurchzusehen auf die Region, i n der die D i n g e entspringen. Alles, was hier gesagt w i r d , w i r d nicht bloß gesagt, u m bestimmte Sätze zu formulieren, sondern auf das W i e k o m m t es an; darauf k o m m t es an, daß es durchströmt ist v o n jener Kraft, die unmittelbar aus dem Geiste heraus genommen ist. U n d wer ein wortwörtliches Übereinstimmen n i m m t , ohne z u fühlen, wie die D i n g e aus dem Geistquell heraus sind u n d wie sie durchdrungen sind von diesem Geistquell dadurch, daß sie i n den ganzen Zusammenhang der anthroposophischen Weltanschauung hineingestellt sind, wer auf dieses W i e nicht achten kann, der verkennt, was hier gemeint ist, w e n n er die wortwörtliche Angabe m i t jeder beliebigen äußeren Weisheit heute irgendwie identifizieren w i l l . Es ist ja natürlich nicht gerade bequem, auf solche Beispiele hinzuweisen, weil eben die menschlichen Neigungen heute vielfach nach dem Gegenteil gehen. A l l e i n es ist ja schon einmal eine Verpflichtung, da, wo m a n i m Ernste spricht, w o m a n durch das Sprechen nicht n u r eine A r t Beruhigungsmittel, eine A r t gutes Kulturschlafmittel hervorrufen w i l l , da ist es schon notwendig, daß m a n nicht zurückschreckt, auch solche Beispiele zu wählen, die heute so vielen Menschen unangenehm sind. D e n n die M e n s c h e n , die i m Ernste sprechen, sollten sich heute auch anhören können, was es i m G r u n d e genommen für die W e l t bedeutet, w e n n sie nicht darauf achten, daß die W e l t das Schicksal treffen soll, von einem schwachsinnigen amerikanischen Professor ihre O r d n u n g herrichten zu lassen! Bequem ist es ja heute nicht, über die D i n g e der W i r k l i c h k e i t z u sprechen, 180

weil manchen Leuten oftmals eben das Gegenteil bequem u n d angenehm ist. M a n spricht ja ohnedies n u r über die D i n g e der W i r k l i c h k e i t auf denjenigen Gebieten, auf denen es unbedingt notwendig ist u n d auf denen es den Menschen schon recht naheliegt, wenigstens naheliegen sollte, die D i n g e z u hören. D u r c h die Sprache durchsehen, sage i c h , das ist es, was über die Menschheit k o m m e n m u ß . D a werden sich die Menschen aneignen müssen, i n der Sprache die G e b ä r d e z u erfassen. U n d dieses Zeitalter w i r d nicht z u Ende gehen - das letzte w i r d ja allerdings i n den nächsten Z e i t r a u m hinüber dauern - , aber das dritte Jahrtausend w i r d nicht vorübergehen k ö n n e n , ohne daß die Menschen darauf k o m m e n werden, nicht so dem Menschen zuzuhören, w e n n einer z u m andern spricht, wie sie jetzt zuhören; sondern sie werden i n der Sprache den A u s d r u c k dargestellt finden für die Abhängigkeit des Menschen v o n der dritten H i e r archie, v o n A n g e l o i , Archangeloi u n d A r c h a i , für dasjenige, d u r c h das der M e n s c h ins Übersinnlich-Geistige hineinragt. Das w i r d dazu führen, daß durch die Sprache h i n d u r c h die Seele des Menschen gehört w i r d . Das gibt natürlich ein ganz anderes soziales Zusammenleben, wenn durch die Sprache h i n durch die Seele des M e n s c h e n gehört w i r d . U n d gerade v o n dem, was die Kräfte des B ö s e n , des sogenannten Bösen sind, m u ß viel so umgewandelt werden, daß hingehorcht werden kann auf das, was der M e n s c h spricht u n d daß durch die Sprache seine Seele gehört w i r d . D a n n w i r d den Menschen überk o m m e n , w e n n aus der Sprache die Seele gehört w i r d , ein eigentümliches Farbengefühl, u n d i n diesem Farbengefühl der Sprache werden sich die M e n s c h e n international verstehen lernen. D e r eine Laut w i r d ganz selbstverständlich dieselbe E m p f i n d u n g hervorrufen wie der A n b l i c k der blauen Farbe oder einer blauen Fläche, der andere Laut w i r d dieselbe E m p f i n d u n g hervorrufen wie der A n b l i c k einer roten Farbe. Dasjenige, was m a n sonst nur als W ä r m e empfindet, w e n n m a n den Menschen anschaut, w i r d gewissermaßen Farbe, w e n n m a n dem Menschen zuhört. U n d man w i r d i n t i m miterleben müssen, was auf den 181

Flügeln der Laute v o n M e n s c h e n m u n d zu Menschenohr tönt. Das k o m m t an die Menschheit heran. Das dritte ist, daß die Menschen die Gefühlsäußerungen, die Gefühlskonfigurationen der anderen Menschen auch i n t i m i n sich erleben werden. Es w i r d viel durch das Sprechen dabei bewirkt werden. A b e r nicht allein durch das Sprechen, sondern w e n n ein M e n s c h dem andern entgegentreten w i r d , w i r d er i n sich erleben die Gefühlskonfiguration des andern i n seinem eigenen A t e m . Das A t m e n w i r d sich gegen die Z u k u n f t der E r denentwickelung h i n i n der Zeit, v o n der i c h spreche, nach dem Gefühlsleben des anderen M e n s c h e n richten, dem w i r gegenüberstehen. D e r eine w i r d uns z u schnellerem, der andere zu langsamerem A t m e n veranlassen, u n d w i r werden fühlen, je nachdem w i r schneller oder langsamer atmen, m i t einem wie gearteten M e n s c h e n w i r es z u t u n haben. D e n k e n Sie, wie sich die soziale Gemeinschaft zusammengliedern w i l l , wie i n t i m das menschliche Zusammenleben werden w i l l ! Diese D i n g e werden allerdings n o c h länger dauern; daß dieses A t m e n sich eingliedern w i r d i n die Menschenseele, w i r d über den ganzen sechsten Z e i t r a u m hinübergehen, n o c h i n den siebenten hinein. U n d i m siebenten Z e i t r a u m w i r d ein Stückchen v o n dem erreicht werden, was n u n das vierte ist. Das ist: D i e Menschen werden, i n d e m sie w o l l e n d einer Menschheitsgemeinschaft angehören, einander — verzeihen Sie das harte W o r t - verdauen m ü s s e n . Indem w i r m i t dem einen oder m i t dem anderen Menschen das eine oder das andere werden wollen m ü s s e n oder wollen w o l l e n , werden w i r ähnliche innere Erlebnisse haben, wie w i r sie heute erst p r i m i t i v haben, w e n n w i r die eine oder die andere Speise essen. D i e M e n s c h e n werden einander verdauen müssen auf dem Gebiete des Wollens. D i e M e n s c h e n werden einander atm e n m ü s s e n auf dem Gebiete des Fühlens. D i e Menschen werden einander farbig empfinden m ü s s e n auf dem Gebiete des Verstehens durch die Sprache. D i e M e n s c h e n werden einander als Ich kennenlernen, indem sie sich w i r k l i c h anschauen lernen. Aber alle diese Kräfte werden mehr innerlich-seelisch sein. 182

D e n n daß sie sich v o l l ausbilden, diese Kräfte, dazu w i r d die Jupiter-, Venus- u n d Vulkanperiode da sein. Andeutungen v o n all dem, seelisch-geistige Andeutungen v o n all dem fordert aber schon die Erdenentwickelung von den M e n s c h e n . U n d die gegenwärtige Zeit m i t ihrer merkwürdigen katastrophalen E n t w i c k e l u n g ist ein Sträuben der Menschheit gegen dasjenige, was m i t solchen D i n g e n k o m m e n soll, wie i c h sie jetzt besprochen habe. D i e Menschheit b ä u m t sich auf, i n d e m i n der Z u k u n f t ü b e r w u n d e n werden soll alles soziale Sonderbestreben, b ä u m t sich heute dagegen auf, gerade i n d e m der billige Grundsatz über die ganze Welt h i n geschleudert w i r d , die M e n s c h e n sollen sich nach N a t i o n e n gruppieren. Was heute geschieht, das ist ein A u f b ä u m e n gegen den gottgewollten G a n g der Menschheitsentwikkelung, das ist ein Sich-Zerren z u m Gegenteil desjenigen, was d o c h k o m m e n m u ß . In diese D i n g e m u ß m a n hineinschauen, w e n n m a n eine Grundlage gewinnen w i l l für das sogenannte M y s t e r i u m des Bösen. D e n n das B ö s e ist vielfach eine N e b e n w i r k u n g desjenigen, was i n die E n t w i c k e l u n g der Menschheit hineingreifen m u ß . E i n e Lokomotive, welche, w e n n sie zieml i c h weithin fahren soll, auf schlechte Schienen k o m m t , zerstört die Schienen, k o m m t selber zunächst nicht weiter. D i e M e n s c h heit ist i n ihrer E n t w i c k e l u n g z u solchen Z i e l e n h i n , wie i c h es Ihnen geschildert habe, u n d die Aufgabe des Bewußtseinszeitalters ist es, so etwas z u erkennen, daß die Menschheit bewußt solchen Z i e l e n entgegenstreben m u ß . A l l e i n es sind vorläufig recht schlechte Schienen gelegt, u n d es w i r d auch n o c h ziemlich lange dauern, bis bessere Schienen da sein werden, denn m a n schickt sich vielfach an, die schlechten Schienen durch keineswegs bessere zu ersetzen. A b e r wie Sie sehen, Geisteswissenschaft geht auf etwas ganz anderes h i n als auf einen Pessimismus. Geisteswissenschaft geht dahin, für den M e n s c h e n w i r k l i c h erkennbar zu machen, auf welchem Entwickelungswege er eigentlich ist. A b e r Geisteswissenschaft erfordert schon einmal, daß m a n gewisse, heute landläufige Neigungen wenigstens für gewisse Feieraugenblicke des 183

Lebens auch ablegen k ö n n e . D a ß es so schwierig ist für die Menschen, diese D i n g e abzulegen, daß jeder doch gleich wieder u m i n den Trödel zurückfällt, das macht es außerordentlich schwierig heute, ohne Z u r ü c k h a l t u n g über diese D i n g e z u reden. D e n n m a n berührt da, u n d es liegt das i n der N a t u r der Gegenwart, lauter D i n g e , m i t Bezug auf welche die Menschheit sich heute i n A b g r ü n d e stürzen w i l l , u n d m a n m u ß fortwährend z u m Aufwachen gemahnen. Ja, mancherlei k a n n eben n u r innerhalb gewisser Grenzen besprochen werden. Das bedingt natürlich, daß manches ganz unterlassen w i r d , oder vielleicht vertagt w i r d , selbstverständlich. D e n n nehmen Sie das Allernächstliegende, u n d nehmen Sie m i r es nicht übel, w e n n i c h es i n der folgenden Weise ausspreche. Es ist m i r nahegelegt worden vor acht Tagen, auch etwas über die Symptomatologie der Schweizer Geschichte z u sagen. Ich habe m i r während dieser acht Tage die Sache ganz reiflich überlegt, habe sie nach allen Seiten erwogen. A b e r würde i c h v o m 15 Jahrhundert bis jetzt schweizerische Geschichtssymptomatologie als NichtSchweizer hier vor Schweizern entwickeln, ich k ä m e d o c h heute n o c h i n eine ganz sonderbare Lage. Lassen Sie mich das von einer anderen Seite einmal erläutern. D e n k e n Sie bloß, n u n , ich w i l l sagen, im Juli dieses Jahres hätte irgendein M e n s c h i n Deutschland oder gar i n Österreich die Ereignisse und Persönlichkeiten u n d Impulse so dargestellt, wie es die Menschen jetzt machen, denken Sie, wie i h m das bekommen wäre, u n d wie es i h m erst bekommen wäre, w e n n er, sagen wir, vor fünf Jahren oder gar fünfzehn oder dreißig Jahren z u m Beispiel i n Österreich die Verhältnisse v o n heute hingestellt hätte! So weiß i c h , daß ich recht sehr anstoßen würde, w e n n i c h hier über die Schweiz so sprechen würde, wie m a n i n der Schweiz nach zwanzig Jahren über schweizerische Geschichte sprechen w i r d . D e n n heute würde man auch hier verlangen — m a n k a n n ja das nicht anders, deshalb sage i c h : N e h m e n Sie m i r das nicht übel, daß ich das so ausspreche —, m a n kann ja nicht anders, dem nach, was heute so tief i n den Seelen sitzt, als nicht hören 184

wollen auf dasjenige, was v o m Standpunkt der Z u k u n f t gesagt werden m u ß . Es ist für vieles doch gültig, daß die Leute w i r gehören ja schließlich alle z u den Leuten, nicht wahr - auf vielen Gebieten, besonders auf ihnen recht naheliegenden G e bieten, nicht die Wahrheit hören w o l l e n , sondern Schlafpulver empfangen wollen. U n d i c h k a n n Ihnen die Versicherung geben, daß i c h schon anstoßen würde, w e n n i c h nicht ein Schlafpulver geben würde auf dem Gebiete, das m a n m i r nahegelegt hat. N a c h mancherlei, was ich gerade eben m i t zuziehen m u ß t e zu meinen E r w ä g u n g e n , finde i c h es als m i r recht sehr nahegelegt, diese D i n g e vorläufig auf sich beruhen zu lassen. D e n n Urteile, die jetzt gefällt werden, u n d m i t denen man einigermaßen differieren würde, die legen es einem schon nahe, wenn m a n heute gewisse D i n g e darstellen w i l l , es so z u machen, wie ich es gestern gemacht habe. H i e r i n der Schweiz ist es verhältnismäßig harmlos, es k a n n schon meinetwillen sogar n o c h als eine bessere Sonntagnachmittagspredigt aufgefaßt werden, w e n n man auf die russische Revolution exemplifiziert, u n d w e n n man da darstellt das Verhältnis des mittleren B ü r g e r t u m s zur breiten Masse u n d der weiter links stehenden, radikalen Elemente. W e n n m a n darauf exemplifiziert, n u n , so w i r d es hier verhältnismäßig wie eine etwas bessere Sonntagnachmittagspredigt aufgefaßt werden. Das geht also. U n d m a n k a n n sich dann der, i c h w i l l nicht sagen Illusion, sondern der angenehmen E r wartung hingeben, daß es d o c h i n einige Seelen w i r k l i c h h i n e i n geht u n d mehr bewirkt, als was sonst Sonntagnachmittagspredigten bewirken; o b w o h l ja vielfach die Erfahrung i m Laufe der letzten Jahre auch das Gegenteil i n bezug auf wichtige Sachen gezeigt hat. A b e r auf das unmittelbar Naheliegende zu exemplifizieren, das ist etwas, was eben nicht gerade die Aufgabe sein k a n n desjenigen, der als NichtSchweizer z u Schweizern sprechen u n d eine Geschichtsbetrachtung geben würde. A u c h als i c h eine allgemeine Geschichtsbetrachtung der neueren Z e i t gab ich habe sie ja auch i n einem öffendichen Vortrage i n Z ü r i c h gegeben 7 1 - , habe i c h m i c h natürlich, o b w o h l i c h nicht zurück-

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gehalten habe, die radikalsten Konsequenzen, die z u ziehen notwendig sind, w i r k l i c h auch anzugeben, doch innerhalb gewisser Grenzen halten müssen. D e n n nicht wahr, es ist ja heute für die meisten M e n s c h e n einmal außerordentlich bequem, W o o d r o w W i l s o n für einen großen M a n n , für einen Weltbeglücker zu halten. U n d w e n n man demgegenüber die Wahrheit sagen m u ß , so wirkt diese Wahrheit als etwas Unbequemes, u n d derjenige, der sie ausspricht, w i r d als ein Störenfried empfunden. Das ist aber i m m e r so gegangen m i t jenen Wahrheiten, die aus dem Quell des übersinnlichen Lebens heraus geschöpft werden m u ß ten. N u r leben w i r eben i m Zeitalter der Bewußtseinsseele, u n d da ist es notwendig, daß gewisse Wahrheiten an die M e n s c h e n herangebracht werden sollen. Es handelt sich wahrhaftig nicht darum, daß man heute i m mer wieder u n d wiederum das außerordentlich Billige wiederholt, die Leute seien nicht zugänglich. Das ist gar keine Frage, die w i r uns stellen sollen, ob die Leute zugänglich seien oder nicht, sondern ob w i r das N ö t i g e tun, u m w i r k l i c h die entsprechenden Wahrheiten, wenn w i r dazu Gelegenheit haben, an die M e n s c h e n heranzubringen. U n d das N ä c h s t e ist, daß w i r uns über die Aufnahmefähigkeit der Menschheit gegenüber den Wahrheiten keinen Illusionen hingeben, daß w i r uns wahrhaftig klar sind darüber, daß die M e n s c h e n gerade heute wenig aufnahmefähig sind für dasjenige, was ihnen am allernötigsten ist; geradeso wie sie sich heute versteifen, die Welt so zu ordnen, wie sie gar nicht geordnet werden kann, w e n n die Menschheit ihrem entsprechenden, i n unserem Zeitalter liegenden Entwickelungsimpuls nachgeht. M a n m u ß ja auf diesem Gebiete allerdings die herbsten Erfahrungen machen. A b e r man macht sie u n d n i m m t sie auf, nicht m i t G r o l l e n , sondern man n i m m t sie so auf, daß m a n v o n ihnen lernt, wie man es für das eine oder für das andere eben machen soll. Ich werde auf diese D i n g e n o c h genauer z u sprechen k o m m e n . Sehen Sie, es wäre z u m Beispiel außerordentlich schön gewesen, w e n n m a n i n Mitteleuropa nur einige M e n s c h e n 186

gefunden hätte, die aus gewissen maurerischen Impulsen heraus erkannt hätten, welche Tragweite so etwas hat wie dasjenige, was ich ja auch Ihnen hier entwickelt habe vor zwei Jahren i n bezug auf gewisse Geheimgesellschaften, die i n der W e l t existieren. 7 2 D a aber traf m a n , selbstverständlich, m ö c h t e ich sagen, n u r taube O h r e n . D e n n nichts Unfruchtbareres gab es, als die Stell u n g der Maurerei innerhalb Mitteleuropas i n den letzten Jahrzehnten. Das zeigte sich schon daran, daß i m m e r wieder u n d wieder betont wurde, daß m a n auf Widerstand stößt, w e n n m a n sich dagegen wehrt, daß dasjenige, was anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft gibt, irgendwie amalgamiert werde m i t mitteleuropäischem M a u r e r t u m . Dagegen trat ein Oberschwätzer auf, der allerlei törichtes, dummes Z e u g zusammenschwätzte über S y m b o l i k u n d dergleichen, der sogenannte Nietzsche-Forscher auch, Hornefferp das wurde i n weitesten Kreisen m i t einem großen Ernste aufgenommen. D e r tiefere G r u n d v o n alledem liegt ja allerdings darinnen, daß gewisse Anforderungen an die M e n s c h e n gestellt werden, wenn sie sich i n anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft hineinfinden wollen, u n d daß dies nicht so leicht geht. Sehen Sie, es gibt heute Agitatoren für eine Erneuerung des Geistes, die den M e n schen begreiflich machen, sie brauchten sich n u r so hinzulegen auf einen D i w a n u n d sich sich selbst zu überlassen; dann w i r d das höhere Ich u n d der G o t t , u n d was weiß i c h n o c h alles, i m M e n s c h e n lebendig, u n d m a n braucht nicht so furchtbare Begriffe z u entwickeln, wie diese anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft. M a n braucht nur auf sich selber hinzuhorchen u n d dann sich selber gehenzulassen, dann tritt dieses höhere mystische Ich auf u n d m a n fühlt u n d erfährt den G o t t i n sich selber. Ich habe Staatsmänner kennengelernt, die allerdings lieber auf solche G o t t - M ä n n e r hören, die ihnen also empfehlen, das Ich z u suchen auf bequemere Weise, als auf anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft hören z u wollen. E i n Freund sagte m i r jüngst, einer von diesen G o t t - B r i n g e r n hätte i h m , als er 187

n o c h sein A n h ä n g e r war, gesagt: A c h , Sie glauben gar nicht, wie d u m m i c h b i n ! — D e n n o c h , derselbe M a n n , der dieses Bekenntnis: Sie glauben gar nicht, wie d u m m i c h b i n —, abgelegt hat, u m dadurch anzuzeigen, daß m a n keine Gescheitheit braucht, u m heute den M e n s c h e n die Urquellen der Weisheit zu bringen, derselbe M a n n findet ein breites P u b l i k u m oben u n d unten, allüberall. D e n n man hört solche M e n s c h e n lieber als diejenigen, die unbequemerweise v o n allem M ö g l i c h e n reden, wenn sie den M e n s c h e n z u m Erfassen der Aufgabe der Bewußtseinsseele bringen wollen, die v o n einem vierfachen Entwickelungsgang reden, oder gar, daß die Menschen einander erwärmen sollen, einander färben sollen, einander atmen sollen, einander ganz verdauen sollen. U n d u m z u so etwas vorzudringen, ist es nötig, eine ganze Reihe v o n B ü c h e r n i n sich aufzunehmen unbequeme Sache, höchst unbequeme Sache! A b e r d a ß m a n es als eine unbequeme Sache empfindet, das ist eben zusammenhängend m i t d e m Impulse unserer katastrophalen Zeit, m i t d e m U n g l ü c k unserer Zeit. A b e r auch das ruft nicht zu einem Pessimismus auf, sondern ruft auf zur Kraft, zur Umsetzung der Erkenntnis i n Tat. U n d das ist es, was nicht oft genug wiederholt werden k a n n . Ich überlasse es jedem, nachdem i c h gestern die harmlose Exemplifizierung v o n den Saug- u n d D r u c k p r o b l e m e n gegeben habe, ein wenig nachzudenken, ob dieses Saug- u n d D r u c k p r o blem nicht doch vielleicht sehr w i c h t i g ist sich z u überlegen. Es könnte sonst sein, daß die Leute sagen: N u n ja, i n R u ß l a n d hat das B ü r g e r t u m den Anschluß an das Bauerntum nicht gefunden, aber w i r haben es gut, bei uns werden sich Bürger u n d Bauern zusammentun, dann w i r d es schon gehen m i t dem Sozialismus. — M a n bedenkt gar nicht, d a ß das natürlich zahlreiche Leute auch i n R u ß l a n d gesagt haben, u n d d a ß es daran gerade liegt, d a ß sie es dort gesagt haben. N u n , w i r werden morgen weiter davon sprechen.

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Die drei Strömungen der materialistischen Zivilisation

D i e Aufgaben, welche der Menschheit i n der Gegenwart u n d i n der nächsten Z u k u n f t gestellt sind, sind einschneidende, bedeutsame, große. U n d es handelt sich darum, daß i n der Tat ein starker seelischer M u t aufgebracht werden m u ß , u m etwas zur Bewältigung dieser Aufgaben z u tun. W e r heute diese Aufgaben sich besieht u n d einen wirklichen E i n b l i c k sich zu verschaffen sucht i n dasjenige, was der Menschheit not tut, der m u ß oftmals denken an die oberflächliche Leichtigkeit, m i t der heute die öffentlichen, die sogenannten öffentlichen Angelegenheiten gen o m m e n werden. M a n m ö c h t e sagen, die M e n s c h e n politisieren heute ins Blaue h i n e i n . A u s ein paar E m o t i o n e n heraus, aus ein paar ganz egoistischen oder volksegoistischen Gesichtspunkten heraus bilden sich die Menschen ihre A n s c h a u u n g über das Leben, während es dem Ernste der Gegenwart angemessen wäre, eine gewisse Sehnsucht danach z u haben, die tatsächlichen U n t e r g r ü n d e für ein gesundes U r t e i l w i r k l i c h z u gewinnen. Ich habe i m Laufe der letzten M o n a t e u n d auch Jahre hier über die verschiedensten G e g e n s t ä n d e , auch der Zeitgeschichte u n d der Zeitforderungen Vorträge gehalten u n d Betrachtungen angestellt, 7 4 i m m e r z u dem Z i e l , Tatsachen z u liefern, welche den M e n s c h e n i n den Stand setzen k ö n n e n , sich ein U r t e i l zu bilden, nicht u m das U r t e i l vor Sie fertig hinzustellen. D i e Sehnsucht, die Tatsachen des Lebens kennenzulernen, gründlicher u n d i m mer gründlicher kennenzulernen, u m eine wirkliche Unterlage für ein U r t e i l zu haben, darauf k o m m t es heute an. Ich m u ß dieses insbesondere deshalb sagen, weil die verschiedenen Ä u ß e rungen, die verschiedenen schriftstellerischen Darlegungen, die i c h getan habe m i t Bezug auf die sogenannte soziale Frage u n d 189

m i t Bezug auf die Dreigliederung des sozialen Organismus, 7 5 w i r k l i c h , wie m a n deutlich sehen kann, viel zu leicht genommen werden, weil diesen D i n g e n gegenüber viel z u wenig die Fragen gestellt werden nach den schwerwiegenden tatsächlichen Grundlagen. D i e Menschen der Gegenwart k o m m e n so schwer zu diesen tatsächlichen Grundlagen, weil sie, trotzdem sie das nicht wahr haben wollen, eigentlich auf allen Gebieten des Lebens Theoretiker sind. Diejenigen, die sich heute am meisten einbilden, Praktiker zu sein, die sind die stärksten Theoretiker, aus dem G r u n d , weil sie sich gemeiniglich damit begnügen, ein paar Vorstellungen, wenige Vorstellungen über das Leben sich z u bilden u n d v o n diesen wenigen Vorstellungen über das Leben dieses Leben beurteilen wollen, während es heute nur einem wirklichen, universellen u n d umfassenden Eingehen auf das Leben möglich ist, ein sachgemäßes U r t e i l über dasjenige z u gew i n n e n , was notwendig ist. M a n k a n n sagen, i n gewissem Sinne ist es heute eine wenigstens intellektuelle Frivolität, w e n n m a n ohne sachgemäße Grundlagen ins Blaue hinein politisiert oder lebensanschaulich phantasiert. D e n Lebensernst m ö c h t e m a n auf dem G r u n d e der Seelen heute wünschen. W e n n gewissermaßen wie die andere Seite, auch die praktische Seite unseres geisteswissenschaftlichen Strebens i n der neuesten Z e i t vor die W e l t hingestellt ist, die Dreigliederung des sozialen Organismus, so ist es so, daß schon der ganzen A r t des Denkens u n d Vorstellens, die da waltet i n der Ausarbeitung dieses dreigliedrigen sozialen Organismus, heute Vorurteile u n d namentlich Vorempfindungen entgegengebracht werden. Diese Vorurteile, namentlich Vorempfindungen, woher stammen sie? Ja, der M e n s c h bildet sich heute Vorstellungen über dasjenige, was die Wahrheit ist — i c h rede jetzt i m m e r v o m sozialen Leben —, er bildet sich Vorstellungen v o n dem, was das Gute, was das Rechte ist, was das Nützliche ist u n d so weiter. U n d w e n n er sich dann gewisse Vorstellungen gebildet hat, dann ist er der M e i n u n g , diese Vorstellungen haben n u n ganz absolute G e l tung für überall u n d für immer. Z u m Beispiel, nehmen w i r 190

einen sozialistisch orientierten M e n s c h e n West- oder M i t t e l oder Osteuropas. E r hat ganz bestimmte sozialistisch formulierte Ideale. A b e r was hat er diesen sozialistisch formulierten Idealen gegenüber gewissermaßen für Untergrundvorstellungen? E r hat die Untergrundvorstellung: dasjenige, w o v o n er sich vorstellen m u ß , daß es i h n befriedigt, das m ü s s e n u n alle Menschen über die ganze Erde h i n befriedigen, u n d das m ü s s e gelten ohne Ende für das gesamte zukünftige Erdendasein. D a ß alles dasjenige, was als Gedanke für das soziale Leben gelten soll, herausgeboren sein m u ß aus dem Grundcharakter der Z e i t u n d des Ortes, dafür hat m a n heute wenig E m p f i n d u n g . Daher k o m m t m a n auch nicht leicht darauf, wie notwendig es ist, daß, m i t verschiedenen N u a n c e n , unserer heutigen europäischen K u l t u r m i t ihrem amerikanischen Anhange die Dreigliederung des sozialen Organismus eingefügt werde. W i r d sie eingefügt, so w i r d schon v o n selbst die N u a n c i e r u n g i n bezug auf den R a u m , das heißt auf die verschiedenen Gebiete der Erdenvölker eintreten. U n d außerdem: N a c h derjenigen Z e i t , nach welcher, der Menschheitsevolution wegen, die heute i n den « K e r n p u n k t e n der sozialen Frage» v o n m i r erwähnten Ideen u n d Gedanken nicht mehr gelten k ö n n e n , m ü s s e n eben andere wieder gefunden werden. Es handelt sich nicht u m absolute Gedanken, sondern es handelt sich u m Gedanken für die Gegenwart u n d für die nächste Menschheitszukunft. A b e r u m das i n seiner vollen Tragweite einzusehen, wie notwendig diese Dreigliederung des sozialen Organismus i n ein selbständiges Geistesleben, i n ein selbständiges Rechts- u n d Staatsleben, i n ein selbständiges Wirtschaftsleben ist, m u ß m a n einmal einen unbefangenen B l i c k werfen auf die A r t , wie i n unserer europäisch-amerikanischen Zivilisation zustandegekommen ist das Ineinanderwirken von Geist, Staat u n d Wirtschaft. Dieses Ineinanderwirken der Fäden, des G e i stesfadens, des Rechts- oder Staatsfadens u n d des Wirtschaftsfadens ist keineswegs etwas Leichtes. Unsere Kultur, unsere Z i v i l i sation ist ein Knäuel, was aufgewickelt etwas ist, w o r i n n e n drei 191

F ä d e n verwickelt sind, die ganz verschiedenen Ursprungs sind. Unser Geistesleben ist wesentlich anderen Ursprunges als unser Rechts- oder Staatsleben u n d wiederum ganz anderen U r s p r u n ges als unser Wirtschaftsleben. U n d diese drei S t r ö m u n g e n m i t verschiedenem Ursprünge, sie sind chaotisch miteinander verwickelt. Ich k a n n heute natürlich n u r skizzenhaft darstellen, weil i c h i n der Kürze, ich m ö c h t e sagen, bis zu dem U r q u e l l diese drei S t r ö m u n g e n verfolgen werde. Unser Geistesleben, wie es sich zunächst darbietet für den, der die D i n g e äußerlich w i r k l i c h n i m m t , sinnenfällig w i r k l i c h n i m m t , es w i r d dadurch v o n den Menschen angeeignet, daß die Menschen auf sich wirken lassen jene Fortsetzung des alten griechischen u n d lateinischen Kulturlebens, des griechisch-lateinischen Geisteslebens, wie es zunächst geflossen ist durch das, was dann später unsere Gymnasien geworden sind, durch das, was unsere Universitäten geworden sind. D e n n unsere übrige sogenannte humanistische B i l d u n g bis i n die Volksschule herunter ist ja ganz a b h ä n g i g v o n dem, was als eine S t r ö m u n g , sagen wir, hereinfließt (es w i r d gezeichnet, orange, siehe Seite 203) zunächst v o m griechischen Elemente. D e n n das, was w i r als Geistesleben haben, als unser europäisches Geistesleben, ist zunächst doch griechischen Ursprungs, durch das Lateinische n u r hindurchgegangen. Das Lateinische ist eine Durchgangsstation. Allerdings hat sich i n der neuesten Z e i t m i t diesem v o n G r i e chenland her stammenden Geistesleben anderes vermischt, welches aus dem stammt, was w i r die Technik der verschiedensten Gebiete nennen, die dem Griechen n o c h nicht zugänglich war: die Technik des mechanischen Wesens, die Technik des kaufmännischen Wesens u n d so weiter. Ich k ö n n t e sagen: Z u unseren Universitäten sind die technischen Hochschulen, die k o m merziellen H o c h s c h u l e n u n d so weiter getreten, die ein neuzeitlicheres Element hinzubringen zu dem, was durch unsere humanistischen, auf das Griechentum zurückgehenden Schulen i n unsere Seelen hineinfließt; nicht etwa bloß i n die Seelen irgendeiner sogenannten gebildeten Klasse hineinfließt, denn 192

dasjenige, was heute sozialistische T h e o r i e n sind, was i n den K ö p f e n auch der Proletarier spukt, es ist n u r eine A b l e i t u n g desjenigen, was v o m griechischen Geistesleben eigentlich herstammt. Es ist nur durch verschiedene Metamorphosen durchgegangen. Dieses Geistesleben geht aber seinem weiteren U r sprünge nach durchaus zurück bis i n den O r i e n t hinein. U n d dasjenige, was w i r finden bei Plato, was w i r finden bei Heraklit, bei Pythagoras, bei Empedokles, namentlich bei Anaxagoras, das alles geht zurück nach dem Orient. Dasjenige, was w i r bei Äschylos, bei Sophokles, bei Euripides finden, es geht zurück nach dem O r i e n t , was w i r bei Phidias finden, es geht zurück nach dem O r i e n t . D i e griechische K u l t u r geht durchaus zurück nach dem O r i e n t . Sie hat eine bedeutende W a n d l u n g durchgemacht auf dem Wege v o m O r i e n t nach Griechenland. I m O r i ent drüben war diese Geisteskultur wesentlich spiritueller, als sie i m alten Griechenland war, u n d sie war i m Oriente ein Ausfluß desjenigen, was m a n nennen kann: die Mysterien des Geistes, ich k a n n auch sagen die Mysterien des Lichtes (es w i r d wieder gezeichnet, siehe Seite 203). Schon ein filtriertes, ein verdünntes Geistesleben war das griechische gegenüber jenem Geistesleben, von dem es seinen U r s p r u n g genommen hat, dem orientalischen Geistesleben. Dieses beruhte auf ganz besonderen geistigen Erfahrungen. W e n n i c h Ihnen diese geistigen Erfahrungen beschreiben soll, so müßte i c h sie Ihnen i n der folgenden Weise charakterisieren. Natürlich müssen w i r i n vorhistorische Zeiten zurückgehen, denn die Mysterien des Lichtes oder die Mysterien des Geistes sind durchaus vorhistorische Erscheinungen. W e n n i c h Ihnen darstellen soll den Charakter dieses Geisteslebens, wie es sich gebildet hat, so m u ß i c h das Folgende sagen. W i r wissen ja, w e n n w i r sehr weit zurückgehen i n der Menschheitsevolution, so finden w i r i m m e r mehr u n d mehr, daß die Menschen der alten Zeiten ein atavistisches Hellsehen, ein träumerisches H e l l sehen hatten, durch das sich ihnen die Geheimnisse des Weltenalls enthüllten. U n d w i r sprechen durchaus richtig, wenn w i r 193

sagen, daß über die ganze, i m dritten, vierten, fünften, sechsten, siebenten Jahrtausend vor dem M y s t e r i u m v o n Golgatha zivilisierte asiatische Erde M e n s c h e n wohnten, denen sich für ihr durchaus naturgebundenes, an das B l u t , an die leibliche O r g a nisation gebundenes Hellsehen geistige Wahrheiten offenbarten. Das war gewissermaßen die i m weiten Umkreis verbreitete Bevölkerung. A b e r dieses atavistische Hellsehen, es war i n absteigender Entwickelung, es k a m i m m e r mehr u n d mehr i n die Dekadenz. U n d dieses In-die-Dekadenz-Kommen des atavistischen Hellsehens ist nicht bloß eine kulturhistorische Erscheinung, es ist zugleich eine Erscheinung des sozialen Lebens der Menschheit. Warum? W e i l aus dieser weiten Masse der Erdenbevölkerung von verschiedenen Zentren her, hauptsächlich aber von einem Z e n t r u m i n A s i e n , gewissermaßen aufstand eine besondere A r t von Menschen, eine A r t von M e n s c h e n mit besonderen Fähigkeiten. Diese M e n s c h e n hatten außer dem atavistischen H e l l sehen, das ihnen i n einer gewissen Beziehung n o c h geblieben war — es stieg n o c h aus ihrem inneren Seelenleben traumhaftes Erfassen der Geheimnisse der Welt a u f - , außer diesem traumhaften Erfassen der Welt hatten sie aber n o c h dasjenige- u n d zwar als erste M e n s c h e n der Menschheitsentwickelung - , was wir die Denkkraft nennen. Sie hatten zuerst die a u f d ä m m e r n d e Intelligenz. 7 6 Das war eine bedeutsame soziale Erscheinung, daß jene alten Menschen, die nichts hatten als die traumhaft aufsteigenden Schauungen über die Geheimnisse der Welt, Einwanderer i n ihre Territorien k o m m e n sahen, die sie noch verstehen konnten, weil die auch Schauungen hatten, die aber etwas schon hatten, was sie selbst nicht hatten: die Denkkraft. Das war eine besondere Menschensorte. D i e Inder sahen diejenige Kaste, die sie als die Brahmanen-Kaste bezeichneten, als die N a c h k o m m e n dieser Menschen an, die m i t dem atavistischen Hellsehen die Denkkraft verbanden. U n d als sie i n die südlichen Gegenden von den höhergelegenen nördlichen Gegenden Asiens hinunter194

stiegen, da machte sich für sie geltend der N a m e Arier. Das ist die arische Bevölkerung. Ihr Urkennzeichen ist dieses, d a ß siew e n n ich m i c h jetzt des späteren Ausdrucks bedienen darf - m i t den plebejischen Fähigkeiten des atavistischen Hellsehens die Denkkraft verbanden. 7 7 U n d diejenigen Mysterien, die man die Mysterien des Geistes oder namentlich die Mysterien des Lichtes nennt, wurden begründet v o n solchen M e n s c h e n , die das atavistische Hellsehen m i t dem ersten A u f f l a m m e n der Intelligenz, dem inneren Lichte des Menschen verbanden. U n d eine Dependenz desjenigen, was dazumal als ein erleuchtender Funke i n die Menschheit k a m , ist unsere Geistesbildung, aber eben durchaus eine Dependenz. Es hat sich i n der Menschheit manches erhalten v o n dem, was da geoffenbart worden war. A b e r man m u ß bedenken, daß schon die Griechen, gerade die gebildeteren Persönlichkeiten unter den Griechen, die alte atavistische Hellsehergabe hatten verglimmen, verlöschen sehen, u n d daß i h n e n geblieben war die Denkkraft. Bei den R ö m e r n ist nur die Denkkraft geblieben. B e i den Griechen war n o c h das Bewußtsein vorhanden, daß auch die Denkkraft aus denselben Quellen heraufkommt, aus denen das alte atavistische Hellsehen k a m . Daher sprach Sokrates noch durchaus etwas aus, was er als Erlebnis kannte, w e n n et v o n seinem D ä m o n sprach, 7 8 der i h m seine ja allerdings nur dialektischen, intelligenten Wahrheiten eingab. D i e Griechen haben auch künstlerisch bedeutsam hingestellt das Herausragen des Intelligenzmenschen, besser gesagt, das Herauswachsen des Intelligenzmenschen aus der anderen Menschheit: D e n n die Griechen haben i n ihrer Plastik - man studiere sie nur genau — drei stark voneinander verschiedene Typen. Sie haben den arischen Typus, den der A p o l l o - K o p f hat, der Pallas-Athene-Kopf, der Zeus-Kopf, der Hera-Kopf. Vergleichen Sie die O h r e n des A p o l l o m i t den O h r e n eines M e r k u r Kopfes, die Nase des A p o l l o m i t der Nase eines Merkur-Kopfes, da werden Sie sehen, welch anderer Typus das ist. D e r Grieche wollte hinweisen, wie i m Merkur-Typus zusammengeflossen ist 195

i m G r i e c h e n t u m m i t der Intelligenz dasjenige, was altes, vergangenes Hellsehen war, das noch als Aberglaube fortlebte, das niedere B i l d u n g war, wie dieses auf dem G r u n d e der K u l t u r da war, u n d wie hinausragte der Arier, dessen künsderische Repräsentanz der Zeus-Kopf, Pallas-Athene-Kopf u n d so weiter war. U n d die ganz unten stehenden, m i t den trüben Überresten des alten Hellsehertums vorhandenen Rassen, die auch n o c h i n G r i e chenland lebten, aber namentlich an der Peripherie v o n G r i e chenland von den Griechen wahrgenommen wurden, sind wiederum i n einem anderen Typus plastisch erhalten: i n dem SatyrTypus, der wieder ganz anders ist als der M e r k u r - T y p u s . Vergleichen Sie die Satyr-Nase m i t der Merkur-Nase, die SatyrO h r e n m i t den M e r k u r - O h r e n u n d so weiter. D e r Grieche hat in seiner K u n s t zusammenfließen lassen dasjenige, was er i n seinem Bewußtsein über sein W e r d e n trug. Das, was dadurch die Mysterien des Geistes oder des Lichtes i n allmählicher Filtrierung durch Griechenland dann auf die Neuzeit heraufkam, das hatte aber eine gewisse Eigentümlichkeit als Geisteskultur. Es war als Geisteskultur m i t solcher inneren Stoßkraft versehen, daß es aus sich heraus zu gleicher Z e i t das Rechtsleben der Menschen begründen konnte. Daher auf der einen Seite die Offenbarung der G ö t t e r i n den Mysterien, die dem M e n s c h e n den Geist bringen, u n d die Einpflanzung dieses v o n den G ö t t e r n erworbenen Geistes i n den äußeren sozialen Organismus, i n die Theokratien. Alles geht zurück auf die Theokratien. U n d diese Theokratien waren nicht n u r imstande, aus dem Mysterienwesen selbst heraus sich m i t dem Rechte zu durchdringen, m i t dem politischen Wesen z u durchdringen, sondern auch das Wirtschaftsleben z u regeln aus dem Geiste heraus. D i e Mysterienpriester der Mysterien des Lichtes waren zu gleicher Z e i t die ö k o n o m i s c h e n , die wirtschaftlichen Verwalter ihrer Gebiete. Sie wirtschafteten nach den Regeln der Mysterien. Sie bauten die Häuser, sie bauten die Kanäle, sie bauten die Brücken, sie sorgten auch für das Bebauen des Bodens u n d so weiter. 196

Das war i n der Urzeit eine K u l t u r durchaus aus d e m Geistesleben heraus. Aber diese K u l t u r verabstrahierte. A u s geistigem Leben wurde sie i m m e r mehr u n d mehr eine S u m m e v o n Ideen. I m Mittelalter ist sie schon Theologie, das heißt, eine Summe v o n Begriffen, statt des alten geistigen Lebens, oder sie ist angewiesen darauf, weil m a n m i t dem geistigen Leben nicht mehr zusammenhing, abstrakt gehalten zu werden, kurial gehalten zu werden. D e n n w e n n w i r nach den alten Theokratien zurückblicken, da finden wir, d a ß derjenige, der da herrscht, v o n den G ö t t e r n i n den Mysterien dazu seinen Auftrag erhalten hat. D i e letzte Dependenz ist der abendländische Herrscher. M a n sieht i h m gar nicht mehr an, daß er die letzte Dependenz des aus den Mysterien v o n den G ö t t e r n m i t seinem Auftrage hervorgegangenen Beherrschers der Theokratie ist. Alles, was geblieben ist, ist K r o n e u n d K r ö n u n g s m a n t e l . Das sind die äußeren Insignien, die n u n später mehr O r d e n wurden. D e n T i t e l n merkt m a n m a n c h m a l noch an, w e n n m a n solche D i n g e versteht, wie sie zurückgehen auf die Mysterienzeit. A b e r alles ist veräußerlicht. K a u m weniger veräußerlicht ist dasjenige, was durch unsere G y m n a s i e n u n d Universitäten wallt als Geisteskultur, als letzter N a c h k l a n g der göttlichen Botschaften der Mysterien. Es ist das Geistesleben i n unser Leben eingeflossen, aber es ist ganz abstrakt geworden, es ist bloßes Vorstellungsleben geworden. Es ist das geworden, w o v o n endlich die sozialistisch orientierten K r e i se sagen: es ist eine Ideologie geworden, das heißt, eine S u m m e v o n Gedanken, die nur Gedanken sind. Z u dem ist w i r k l i c h unser Geistesleben geworden. Unter diesem Geistesleben hat sich dasjenige heranentwikkelt, was das heutige soziale Chaos ist, weil das Geistesleben, das so filtriert ist, das so verabstrahiert ist, alle Stoßkraft verloren hat. U n d w i r sind darauf angewiesen, das Geistesleben wieder u m auf seine eigenen Grundlagen z u stellen, denn nur so k a n n es gedeihen. W i r m ü s s e n wiederum v o n d e m bloß gedachten Geist zu dem schaffenden Geist den W e g finden. Das k ö n n e n w i r nur, w e n n w i r aus d e m staatlichen Geistesleben heraus das 197

freie Geistesleben z u entwickeln suchen, das dann auch die Kraft haben w i r d , wiederum z u m Leben eben zu erwachen. D e n n weder ein von der Kirche gegängeltes, noch ein v o m Staate bewahrtes u n d beschütztes Geistesleben, noch ein unter der Last des Wirtschaftens keuchendes Geistesleben kann für die Menschheit fruchtbar sein, sondern n u r das auf sich selbst gestellte Geistesleben. Ja, heute ist es an der Zeit, daß w i r den M u t i n unseren Seelen aufbringen, frank u n d frei vor der Welt zu vertreten, daß das Geistesleben auf seinen eigenen Boden gestellt werden müsse. Viele M e n s c h e n fragen heute: Was sollen w i r denn tun? Das N ä c h s t e , worauf es an ko mmt , das ist, daß w i r die M e n schen aufklären über das, was notwendig ist. D a ß w i r m ö g lichst viele M e n s c h e n gewinnen, die einsehen, wie notwendig es ist, z u m Beispiel das Geistesleben auf seinen eigenen B o d e n zu stellen, daß w i r möglichst viele Menschen gewinnen, die es einsehen, daß dasjenige, was P ä d a g o g i k des 19.Jahrhunderts für Volks-, M i t t e l - u n d Hochschulen geworden ist, nicht weiter der Menschheit z u m H e i l gereichen kann, sondern daß neu gebaut werden m ü s s e aus einem freien Geistesleben heraus. Es ist n o c h wenig der M u t i n den Seelen vorhanden, w i r k l i c h i n radikaler Weise diese Forderung z u stellen. U n d man k a n n sie ja nur stellen, w e n n man dahin arbeitet, daß möglichst viele Menschen die Einsicht i n diese Verhältnisse gewinnen. A l l e andere soziale A r b e i t ist heute provisorisch. Das ist dasjenige, was das Wichtigste ist: zu sehen, z u arbeiten, daß i m m e r mehr u n d mehr Menschen die Einsicht i n die sozialen N o t w e n d i g keiten, v o n denen die eben charakterisierte eine ist, gewinnen können. Aufklärung über diese D i n g e verschaffen m i t allen M i t t e l n , die uns zur Verfügung stehen, das ist es, worauf es heute a n k o m m t . W i r sind n o c h nicht produktiv geworden i n bezug auf das Geistesleben, u n d w i r werden erst produktiv werden i n bezug auf das Geistesleben. Ansätze dazu sind vorhanden, i c h werde gleich davon sprechen, aber w i r sind n o c h nicht produktiv 198

geworden i n bezug auf das Geistesleben. W i r müssen produktiv werden durch die Verselbständigung des Geisteslebens. Alles was auf der Erde entsteht, läßt Reste zurück. D i e Mysterien des Lichtes sind i n der heutigen orientalischen Kultur, i m orientalischen Geistesleben weniger filtriert als i m Abendlande, aber doch durchaus nicht mehr i n der Gestalt, i n der sie damals waren i n der Zeit, die i c h geschildert habe. D o c h k a n n man, w e n n man das studiert, was die H i n d u s heute n o c h haben, was die orientalischen Buddhisten haben, viel eher den N a c h k l a n g desjenigen vernehmen, w o v o n w i r selber unser Geistesleben haben, nur ist es auf einer anderen Altersstufe i n A s i e n stehengeblieben. A b e r w i r sind unproduktiv, w i r sind i n h o h e m Grade unproduktiv. A l s sich i m Abendlande die K u n d e v o n dem M y sterium v o n Golgatha verbreitet hat - woher nahmen die griechischen, die lateinischen Gelehrten die Begriffe, u m das Myster i u m v o n Golgatha zu begreifen? Sie nahmen sie aus der orientalischen Weisheit. Das A b e n d l a n d hat das C h r i s t e n t u m nicht hervorgebracht, es ist aus dem O r i e n t e n t n o m m e n . U n d ein anderes: A l s man die geistige K u l t u r i n englisch sprechenden Gegenden recht unfruchtbar fühlte u n d nach einer Befruchtung des Geisteslebens seufzte, da gingen die Theosophen zu den unterworfenen Indern u n d suchten dort ihre Quelle für ihre neuzeitliche Theosophie. 7 9 F ü r dasjenige, was man suchte, u m das spirituelle Leben z u verbessern, war keine fruchtbare Quelle i m eigenen Leben da: m a n ging nach dem O r i e n t . U n d neben diesem Signifikanten k ö n n t e n Sie viele Beweise für die Unfruchtbarkeit des Geisteslebens i m Abendlande finden. U n d jeder Beweis für die Unfruchtbarkeit des Geisteslebens i m Abendlande ist z u gleicher Z e i t ein Beweis für die Notwendigkeit der Verselbständigung des Geisteslebens i m dreigliedrigen sozialen Organismus. E i n e zweite S t r ö m u n g i n dem Knäuelwickel ist die Staatsoder Rechtsströmung. D a ist der K n ü p p e l i n unserer Kultur, die zweite S t r ö m u n g . W e n n sie der M e n s c h heute äußerlich anschaut, w e n n er sich äußerlich m i t ihr bekannt macht, da sieht 199

er sie, w e n n unsere ehrwürdigen Richter auf ihren Richterstühlen m i t den Geschworenen sitzen u n d über die Verbrechen oder Vergehen richten, oder wenn die Verwaltungsbeamten i n ihrer Bürokratie walten über unsere zivilisierte W e l t h i n , z u m Verzweifeln derjenigen, die so verwaltet werden. Alles dasjenige, was w i r Jurisprudenz, was w i r Staat nennen, u n d alles, was i n Verbindung v o n Jurisprudenz u n d Staat als Politik entsteht, das ist diese S t r ö m u n g (siehe Z e i c h n u n g S. 203, weiß). Es ist - wie ich das (orange) die S t r ö m u n g des Geisteslebens nennen k a n n , so ist dieses die S t r ö m u n g des Rechtes, des Staates (weiß). W o h e r k o m m t dies? Allerdings geht das auch auf Mysterienkultur zurück. Es geht zurück auf ägyptische Mysterienkultur, die durch die südlichen europäischen Gegenden gegangen ist, u n d die dann durchgegangen ist durch das nüchterne, phantasielose Wesen der Römer, sich verbunden hat i m phantasielosen Wesen der R ö m e r m i t einem Seitenast des orientalischen W e sens u n d da das katholische C h r i s t e n t u m beziehungsweise das katholische K i r c h e n t u m geworden ist (siehe Zeichnung). Dieses katholische K i r c h e n t u m , das ist i m G r u n d e genommen, wenn auch etwas radikal gesprochen, auch eine Jurisprudenz. D e n n v o n einzelnen D o g m e n bis zu jenem gewaltigen, großen G e richte, das i m m e r als «Jüngstes Gericht» dargestellt wurde durch das ganze Mittelalter, wurde das ganz andersartige Geistesleben des Orients, da es den ägyptischen Einschlag hatte aus den M y sterien des Raumes, i m G r u n d e g e n o m m e n verwandelt i n eine Gesellschaft v o n Weltenrichtern m i t Weltenurteilen u n d W e l tenbestrafungen u n d Sündern u n d G u t e n u n d Bösen: Es ist eine Jurisprudenz. U n d das ist das zweite Element, das i n unserem Geistesknäuel i n der Verwirrung, die w i r Zivilisation nennen, drinnen lebt u n d sich keineswegs organisch m i t dem anderen verbunden hat. D a ß es sich nicht verbunden hat, das kann jeder erfahren, der einmal an die Universität geht u n d meinetwillen nacheinander hört eine juristische Rede über Staatsrecht u n d nachher hört eine theologische Rede, meinetwillen über kanonisches Recht sogar. Das liegt nebeneinander. A b e r diese D i n g e 200

sind menschengestaltend gewesen. Selbst i n späteren Zeiten, w o m a n ihre U r s p r ü n g e vergessen hat, gestalten sie die Menschengemüter noch. Verabstrahierend wirkte das Rechtsleben auf das spätere Geistesleben, aber i m äußeren Leben war es i n den M e n schensitten, Menschengewohnheiten, Menscheneinrichtungen schaffend. U n d das, was i n der dekadenten Geistesströmung des Orients der letzte soziale Ausläufer war, was ist es denn, w o v o n m a n nicht mehr den U r s p r u n g erkennt? Das ist die FeudalAristokratie (siehe Zeichnung). D e m Adeligen könnten Sie nicht mehr ansehen, daß er seinen U r s p r u n g hat aus dem orientalisch theokratischen Geistesleben, denn er hat alles abgestreift, es ist nur noch die soziale Konfiguration geblieben. D i e Journalisten-Intelligenz, die bekommt m a n c h m a l so merkwürdige Alpdruckerscheinungen! Sie bekam solche Alpdruckerschein u n g i n der neueren Z e i t u n d erfand ein kurioses W o r t , auf das sie besonders stolz wurde: «Geistes-Aristokratie». Das konnte m a n ab u n d zu hören. Dasjenige, was durch die römische K i r chenverfassung durchgehend, durch die theokratisierende Jurisprudenz, die jurisprudenzende Theokratie hindurchgehend, sich dann verweltlicht i m mittelalterlichen Städtewesen, sich völlig verweltlicht i n der neueren Zeit, was ist das i n der äußersten Dependenz? Das ist die Bourgeoisie (siehe Zeichnung). U n d so sind getreulich unter den Menschen durcheinandergewürfelt diese geistigen Kräfte i n ihren äußersten Dependenzen. Eine dritte S t r ö m u n g verbindet sich schon auch n o c h damit. W e n n Sie sie heute v o n außen beobachten (siehe Z e i c h n u n g , rot), w o zeigt sich diese dritte S t r ö m u n g äußerlich sinnenfälüg besonders charakteristisch? Ja, es gab für Mitteleuropa geradezu eine M e t h o d e , gewissen Leuten z u demonstrieren, w o sich diese äußersten Dependenzen eines auch ursprünglich anderen entfalteten. Das geschah, w e n n der mitteleuropäische M e n s c h seinen Sohn ins K o n t o r nach L o n d o n oder nach N e w York schickte, damit er dort die Usancen des Wirtschaftens lerne. In den Usancen des Wirtschaftslebens, deren U r s p r u n g i n Volksgewohnheiten der anglo-amerikanischen W e l t liegen, da ist die 201

letzte Konsequenz desjenigen z u sehen, was sich entwickelt hat i n Dependenzen aus dem, was i c h nennen m ö c h t e , die M y s t e r i en der Erde, v o n denen z u m Beispiel die D r u i d e n - M y s t e r i e n nur eine besondere Abart waren. D i e Mysterien der Erde enthielten i n Urzeiten europäischer Bevölkerung n o c h eine eigentümliche A r t des Weisheitslebens. Jener europäischen Bevölkerung, die nichts wußte, ganz barbarisch war gegenüber den O f fenbarungen der orientalischen Weisheit, gegenüber den Mysterien des Raumes, gegenüber dem, was dann z u m K a t h o l i zismus wurde, jener Bevölkerung, die entgegenkam dem sich ausbreitenden C h r i s t e n t u m , ihr war eigen eine eigentümliche A r t des Weisheitslebens, das ganz u n d gar physische Weisheit war. M a n kann historisch davon höchstens noch die alleräußersten G e b r ä u c h e studieren, die i n der Geschichte dieser Ström u n g aufgezeichnet sind: wie zusammenhingen die Festlichkeiten derjenigen Menschen, aus denen die Usancen, die G e w o h n heiten Englands u n d Amerikas geworden sind. D i e Fesdichkeiten wurden hier i n ganz andere Beziehungen gebracht als i n Ägypten, wo die Ernte m i t den Sternen zusammenhing. H i e r war die festliche Gelegenheit die Ernte als solche, u n d m i t anderen D i n g e n als dort, m i t D i n g e n , die durchaus dem W i r t schaftsleben angehören, hingen die höchsten Festlichkeiten des Jahres zusammen. W i r haben hier durchaus etwas, was auf das Wirtschaftsleben zutückgeht. U n d wollen w i r den ganzen Geist dieser Sache erfassen, dann m ü s s e n w i r uns sagen: V o n A s i e n herüber u n d v o m S ü d e n herauf verpflanzen Menschen ein G e i stes- u n d Rechtsleben, das sie v o n oben her empfangen haben u n d herunterfuhren zur Erde. D a , i n der dritten S t r ö m u n g , sprießt ein Wirtschaftsleben auf, das sich hinaufentwickeln m u ß , das sich hinaufranken m u ß , das ursprünglich eigentlich i n seinen Rechtsusancen, i n seinen geistigen Einrichtungen ganz u n d gar n u r Wirtschaftsleben ist, so weit Wirtschaftsleben, daß z u m Beispiel eines der besonderen Jahresfeste darinnen bestand, daß man die Befruchtung der H e r d e n als besonderes Fest zu Ehren der G ö t t e r feierte. U n d ähnliche Feste gab es: alles aus

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dem Wirtschaftsleben herausgedacht. U n d w e n n w i r i n die G e genden N o r d r u ß l a n d s , Mittelrußlands, Schwedens, Norwegens gehen, oder i n diejenigen Gegenden, die bis vor kurzer Z e i t die Gegenden Deutschlands waren, nach Frankreich, wenigstens Nordfrankreich, u n d nach dem heutigen Großbritannien, w e n n w i r diese Gegenden durchgehen, überall finden w i r ausgebreitet eine Bevölkerung, die durchaus vor der Ausbreitung des C h r i stentums i n alten Zeiten eine deutlich ausgesprochene W i r t schaftskultur hatten. U n d das, was n o c h als die alten Sitten, als Rechtssittenfest, Götterfestes-Sitte gefunden werden kann, ist N a c h k l a n g dieser alten Wirtschaftskultur. (Die Z e i c h n u n g an der Tafel ist n u n vollständig.)

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Diese Wirtschaftskultur begegnet sich m i t dem, was von der anderen Seite k o m m t . Z u n ä c h s t hat es diese Wirtschaftskultur nicht dazu gebracht, ein selbständiges Rechts- u n d Geistesleben zu entwickeln. D i e ursprünglichen Rechtsusancen sind abgeworfen worden, weil das römische Recht eingeflossen ist, die ursprünglichen Geistesusancen sind abgeworfen worden, weil das griechische Geistesleben eingeflossen ist. Z u n ä c h s t w i r d dieses Wirtschaftsleben steril, u n d arbeitet nach u n d nach sich wiederum heraus, k a n n sich aber n u r herausarbeiten, w e n n es die Chaotisierung m i t dem v o n fremd her angenommenen G e i stesleben u n d Rechtsleben überwindet. N e h m e n Sie das heutige anglo-amerikanische Geistesleben. In diesem englisch-amerikanischen Geistesleben haben Sie zwei sehr stark voneinander u n terschiedene D i n g e . Erstens haben Sie überall mehr als sonstwo auf der Erde i m anglo-amerikanischen Geistesleben die sogenannten Geheimgesellschaften, die ziemlich starken Einfluß haben, viel mehr als die Leute wissen. Sie sind durchaus die Bewahrer alten Geisteslebens, u n d sie sind stolz darauf, die Bewahrer ägyptischen oder orientalischen Geisteslebens z u sein, das ganz u n d gar filtriert, bis ins S y m b o l verflüchtigt ist; bis ins S ymbo l, das m a n nicht mehr versteht, verflüchtigt ist, aber bei den Oberen eine gewisse große M a c h t hat. Das ist aber altes Geistesleben, nicht auf eigenem B o d e n erwachsenes Geistesleben. Daneben ist ein Geistesleben da, das auf dem Wirtschaftsboden durchaus wächst, aber so kleine B l ü m c h e n erst treibt, ganz als kleine B l ü m c h e n wuchert am Wirtschaftsboden.

W e r solche D i n g e studiert u n d verstehen kann, der weiß gut, daß Locke, Hume, MM, Spencer, Darwin^ u n d andere durchaus diese B l ü m c h e n sind aus dem Wirtschaftsleben heraus. M a n k a n n ganz genau die Gedanken eines M i l l , die Gedanken eines Spencer aus dem Wirtschaftsleben heraus gewinnen. D i e Sozialdemokratie hat das dann zur Theorie erhoben u n d betrachtet das Geistesleben als eine Dependenz des Wirtschaftslebens. Das ist da zunächst vorhanden, alles herausgeholt aus dem sogenannten Praktischen, eigendich aus der Lebensroutine heraus, nicht aus der w i r k l i c h e n Lebenspraxis. So daß da nebeneinandergehen solche D i n g e wie der Darwinismus, Spencerismus, M i l l i s m u s , Humeismus u n d die filtrierten Mysterienlehren, die dann ihre Fortsetzungen finden i n den verschiedenen sektiererischen Evolutionen, die Theosophische Gesellschaft, die Quäker u n d so weiter. Das Wirtschaftsleben, das herauf w i l l , hat erst die kleinen B l ü m c h e n getrieben, ist n o c h gar nicht weit. Dasjenige, was Geistesleben ist, dasjenige, was Rechtsleben ist: fremde Pflanzen! U n d am allermeisten fremde Pflanzen - das bitte i c h w o h l zu beachten - , fremde Pflanzen u m so mehr, je mehr w i r i n der europäischen Zivilisation nach dem Westen gehen. D e n n i n Mitteleuropa, da hat es i m m e r etwas gegeben, was, i c h m ö c h t e sagen, wie ein Sich-Wehren war, ein A n k ä m p f e n war gegen das griechische Geistesleben auf der einen Seite u n d das römisch-katholische Rechtsleben auf der anderen Seite. E i n Sich-Aufbäumen hat es da i m m e r gegeben. E i n Beispiel für dieses A u f b ä u m e n ist die mitteleuropäische Philosophie. In E n g land weiß man i n W i r k l i c h k e i t eigentlich nichts v o n dieser m i t teleuropäischen Philosophie. M a n k a n n i n W i r k l i c h k e i t den Hegel nicht übersetzen i n die englische Sprache, es ist nicht möglich. M a n weiß nichts v o n i h m . Deutsche Philosophie nennt man ja i n E n g l a n d Germanismus u n d meint damit etwas, w o m i t sich ein vernünftiger M e n s c h nicht befassen k a n n . A b e r gerade i n dieser deutschen Philosophie, m i t Ausnahme einer Episode - wo nämlich Kant durch Hume gründlich verdorben worden ist, u n d dieses scheußliche Kantisch-Humesche 205

Element i n die deutsche Philosophie hineingebracht worden ist, das w i r k l i c h i n den K ö p f e n der mitteleuropäischen Menschheit so heilloses U n h e i l angerichtet hat - , m i t Ausnahme dieser E p i sode haben w i r i m m e r h i n nachher die Nachblüte dieses A u f b ä u m e n s gerade i n Fichte, Schelling, Hegel} 1 U n d w i r haben das Suchen nach einem freien Geistesleben schon i n Goethe, der nichts mehr wissen w i l l von dem letzten N a c h k l a n g der römisch-katholischen Jurisprudenz i n dem, was man Naturgesetz nennt. Fühlen Sie ebenso, wie i n dem schäbig gewordenen Talar u n d i n den sonderbaren M ü t z e n , die n o c h die Richter aus der alten Zeit haben - heute machen sie Petitionen, daß sie das ablegen k ö n n e n —, fühlen Sie ebenso i n der Naturwissenschaft, i n dem Naturgesetze, «Gesetz», das Juristische n o c h drinnen! D e n n der ganze Ausdruck «Naturgesetz» hat z u m Beispiel der Goetheschen Naturwissenschaft gegenüber, die n u r m i t dem U r p h ä n o m e n , die nur m i t der Urtatsache arbeitet, keinen S i n n . D a ist z u m ersten M a l radikal angekämpft — aber natürlich ist das alles i n dem Beginn geblieben —, das war der erste Vorstoß nach dem freien Geistesleben: die Goethesche Naturwissenschaft. U n d i n diesem Mitteleuropa gibt es sogar schon den ersten A n s t o ß z u dem selbständigen Rechts- oder Staatsleben. Lesen Sie solch eine Schrift wie die Wilhelms von Humboldt} 1 D e r M a n n ist sogar preußischer Unterrichtsminister gewesen. Lesen Sie die Schrift v o n W i l h e l m v o n H u m b o l d t . Sie hat früher — i c h weiß nicht, wie viel sie jetzt kostet — i n der Reclamschen Universal-Bibliothek bloß zwanzig Pfennige gekostet. Lesen Sie diese Schrift: «Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der W i r k s a m k e i t des Staates zu b e s t i m m e n » , dann werden Sie sehen den ersten Ansatz, das selbständige Rechts- oder Staatsleben, die Selbständigkeit des eigentlichen politischen Gebietes zu k o n struieren. Allerdings ist es eben niemals weiter als z u Ansätzen gekommen. Diese Ansätze liegen zurück bis i n die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, sogar bis i n das Ende des 18Jahrhunderts. Aber man m u ß nur bedenken, daß i m m e r h i n doch i n diesem Mitteleuropa gerade nach dieser R i c h t u n g h i n wichtige Impulse

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da sind, Impulse, an die angeknüpft werden k a n n , die nicht unberücksichtigt gelassen werden sollen, die e i n m ü n d e n k ö n nen i n den Impuls v o m dreigliedrigen sozialen Organismus. Nietzsche hat i n eines seiner ersten Bücher dasjenige W o r t geschrieben, das ich wieder zitiert habe i n meinem NietzscheB u c h 8 2 gleich auf den ersten Seiten, u n d m i t dem geahnt w i r d etwas wie die Tragik des deutschen Geisteslebens. Nietzsche versuchte dazumal i n seiner Schrift « D a v i d Strauß, der Bekenner u n d Schriftsteller» die Ereignisse v o n 1870/71, die B e g r ü n d u n g des Deutschen Reiches z u charakterisieren m i t dem W o r t : «Exstirpation des deutschen Geistes zu G u n s t e n des deutschen Reiches». Seither ist dieser Kehlkopfschnitt des deutschen Geistes gründlich durchgeführt worden. U n d als i n den letzten fünf bis sechs Jahren drei Viertel der W e l t über dieses ehemalige Deutschland sich hermachten - ich w i l l nicht über die Ursachen und über die Schuldigen sprechen, sondern eben nur die K o n f i guration, die Weldage angeben - , da war es i m G r u n d e genomm e n schon der L e i c h n a m des deutschen Geisteslebens. A b e r w e n n m a n so spricht, wie i c h gestern gesprochen habe, unbefangen die Tatsachen charakterisierend, so sollte m a n nicht heraushören, daß nicht vieles n o c h drinnenliegt i n diesem deutschen Geistesleben, was trotz der zukünftigen Zigeunerhaftigkeit herauskommen m u ß , was beachtet werden m u ß , was beachtet sein w i l l . D e n n woran sind i m G r u n d e genommen die Deutschen zugrunde gegangen? M a n m u ß sich auch diese Frage unbefangen einmal beantworten. D i e Deutschen sind daran zugrunde gegangen, daß sie es auch mitmachen w o l l t e n m i t dem Materialismus, u n d weil sie kein Talent haben z u m Materialismus. D i e anderen haben gute Talente für den Materialismus. D i e Deutschen haben überhaupt jene Eigentümlichkeit, die einmal Herman Grimm ausgezeichnet charakterisiert hat, i n d e m er sagte: D i e Deutschen weichen i n der Regel dann zurück, wenn es ihnen heilsam wäre, k ü h n vorzuschreiten, u n d sie stürmen furchtbar stark vor, w e n n es ihnen heilsam wäre, sich zurückzuhalten. 8 3 - Es ist das ein sehr gutes W o r t für eine innere 207

Charaktereigenschaft gerade des deutschen Volkes. D e n n die Deutschen haben Stoßkraft d u r c h die Jahrhunderte gehabt, aber nicht die Fähigkeit, die Stoßkraft durchzuhalten. Goethe konnte das U r p h ä n o m e n hinstellen, aber es nicht bis z u den Anfängen der Geisteswissenschaft bringen. E r konnte eine G e i stigkeit entwickeln, wie z u m Beispiel i n seinem «Faust» oder i n seinem «Wilhelm Meister», welche die W e l t hätte revolutionieren k ö n n e n , w e n n die rechten Wege gefunden worden wären. Dagegen brachte es die äußere Persönlichkeit dieses genialen M e n s c h e n nur so weit, daß er i n W e i m a r Fett ansetzte u n d ein D o p p e l k i n n hatte, ein dicker Geheimrat wurde, der ungemein fleißig war auch als Minister, aber der doch genötigt war, fünfe grad sein z u lassen, wie m a n sagt, gerade i m politischen Leben. Das sollte i n der W e l t eingesehen werden, daß solche E r scheinungen wie Goethe u n d H u m b o l d t 8 4 überall die Ansätze darstellen, u n d daß die W e l t wahrhaftig zu ihrem Schaden, nicht zu ihrem N u t z e n , unberücksichtigt lassen k ö n n t e dasjenige, was innerhalb der deutschen E v o l u t i o n lebt, u n d was durchaus n o c h nicht ausgebaut ist, was herauskommen m u ß . D e n n die Deutschen haben schließlich auch nicht die Anlage, welche die anderen so großartig haben, je weiter w i r nach Westen gehen: überall bis z u den letzten Abstraktionen aufzusteigen. M a n nennt nur dasjenige, was die Deutschen i n ihrem Geistesleben haben, «Abstraktionen», weil m a n es nicht erleben kann; u n d weil man das Leben selbst auspreßt, so glaubt man, die anderen haben es auch nicht drinnen. A b e r die Deutschen haben nicht die Gabe, bis zu den äußersten A b straktionen vorzudringen. Das zeigte sich insbesondere i n i h rem Staatsleben, i n diesem unglückseligsten aller Staatsleben. H ä t t e n die Deutschen von jeher das große Talent für den Monarchismus gehabt, das sich die Franzosen bis z u m heutigen Tage so glänzend bewahrt haben, so w ü r d e n sie dem «Wilhelminismus» niemals verfallen sein. Sie hätten nicht diese sonderbare, karikaturhafte Gestalt eines M o n a r c h e n dastehen z u lassen oder hinzustellen brauchen. D i e Franzosen 208

nennen sich zwar Republikaner, aber sie haben unter sich einen heimlichen M o n a r c h e n , der das Staatsgefüge fest zusammenhält, der die G e m ü t e r furchtbar i m Z a u m e hält: denn i m G r u n d e genommen ist überall n o c h der Geist Ludwigs XIV. si da. Es ist n u r n o c h i n der Dekadenz natürlich, aber es ist da. Es ist schon ein heimlicher M o n a r c h i n dem französischen V o l k e enthalten, das geht i m G r u n d e genommen aus jeder seiner Kulturäußerungen hervor. U n d jenes Talent zur A b straktion, das i n Woodrow Wilson^ 6 zutage getreten ist, das ist eben auf äußerem, politischem Gebiete das äußerste Talent zur Abstraktion. Jene V i e r z e h n Punkte des Weltenschulmeisters, die i n jedem ihrer W o r t e das G e p r ä g e des Unpraktischen u n d Undurchführbaren tragen, die konnten n u r entspringen aus dem Geiste heraus, der ganz für das Abstrakte gebaut ist, der gar keinen S i n n hat für wahre W i r k l i c h k e i t e n . Es w i r d einmal w o h l zwei D i n g e geben, die die Kulturgeschichte der Z u k u n f t schwer begreifen w i r d . Das eine habe i c h öfter m i t den W o r t e n H e r m a n G r i m m s vor Ihnen charakterisiert: es ist die Kant-Laplacesche Theorie, an die manche Leute heute n o c h glauben. H e r m a n G r i m m sagt i n seinem « G o e t h e » 8 7 so schön: man w i r d einmal jene Krankheit, von den Leuten heute Wissenschaft genannt, schwer begreifen können, die sich i n der Kant-Laplaceschen Theorie z u m Vorschein bringt, w o nach aus einem allgemeinen Weltnebel durch Zusammenball u n g alles das entstanden ist, was w i r heute u m uns herum haben. U n d das soll so weiter gehen, bis das ganze Z e u g wiederum i n die Sonne zurückfällt! E i n Aasknochen, u m den ein hungriger H u n d seine Kreise zieht, ist ein appetitlicheres Stück, als diese Phantasievorstellungen, diese phantastische Vorstellung v o n der Weltentwickelung. - So meint H e r m a n G r i m m . N a t ü r l i c h w i r d es einmal große Schwierigkeiten haben, aus dem wissenschaftlichen W a h n s i n n des 19. u n d 2 0 . Jahrhunderts diese Kant-Laplacesche Theorie z u erklären. Das zweite Stück w i r d sein die Erklärung der unglaublichen Tatsache, daß es jemals eine große A n z a h l Menschen geben 209

konnte, welche den H u m b u g der Vierzehn Punkte von W o o drow W i l s o n ernst nahmen, i n einem Zeitalter, das sozial so ernst ist. Studieren w i r dasjenige, was i n der Welt nebeneinander steht, dann finden wir, wie i n einer eigentümlichen Weise sich durcheinanderknäueln Wirtschaftsleben, politisches Rechtsleben, Geistesleben.Wollen w i r nicht zugrunde gehen unter dem i n die alleräußerste Degeneration gekommenen Geistes- u n d Rechtsleben, dann m ü s s e n w i r uns hinwenden zu dem dreigliedrigen sozialen Organismus, der aus den selbständigen W u r z e l n heraus baut das Wirtschaftsleben, das e m p o r k o m m e n w i l l , das aber nicht e m p o r k o m m e n kann, w e n n i h m kein Rechtsleben u n d kein Geistesleben aus der Freiheit entgegenkommen. D i e D i n g e haben i n der ganzen Menschheitsevolution u n d i m menschlichen Zusammenleben ihre tiefen W u r z e l n . Diese W u r z e l n , sie müssen aufgesucht werden. D e n M e n s c h e n m u ß heute verständlich gemacht werden, wie da unten, ich m ö c h t e sagen, ganz am Boden kriecht das Wirtschaftsleben, eingefädelt von anglo-amerikanischen Denkgewohnheiten, wie es sich nur h i n aufranken w i r d können, w e n n es i m Zusammenklang m i t der ganzen W e l t arbeitet, mit dem, wofür andere auch befähigt, andere auch begabt sind. Sonst w i r d i h m das Erringen der Weltherrschaft z u m Verhängnis werden. G e h t der G a n g der Welt so fort, wie er gegangen ist m i t dem sich degenerierenden, v o m Oriente her kommenden Geistesleben, dann saust dieses Geistesleben, während es an einem E n d e die erhabenste Wahrheit war, am andern Ende i n die furchtbarste L ü g e h i n e i n . Nietzsche hat schildern müssen, wie schon die Griechen sich vor der Lebenslüge haben bewahren m ü s s e n durch ihre K u n s t . 8 8 U n d i m G r u n d e genommen ist die Kunst das G ö t t e r k i n d , das die Menschen bewahrt vor dem Versinken i n die L ü g e . W e n n diesem ersten Zweige der K u l t u r nur einseitig nachgegangen w i r d , so m ü n d e t diese S t r ö m u n g hinein i n die L ü g e . In den letzten fünf bis sechs Jahren ist v o n allen weltgeschichtlichen Jahren am allermeisten innerhalb der zivilisierten 210

Menschheit gelogen worden. Es ist fast überhaupt nicht die Wahrheit gesagt worden i m öffentlichen Lebens, es war fast kein W o r t , das durch die W e l t gegangen ist, wahr. W ä h r e n d diese S t r ö m u n g h i n e i n m ü n d e t i n die L ü g e (siehe Z e i c h n u n g S. 203), m ü n d e t die mittlere S t r ö m u n g hinein i n die Selbstsucht. U n d ein Wirtschaftsleben wie das anglo-amerikanische, das i n die Weltherrschaft a u s m ü n d e n sollte: w e n n es sich nicht bequemt, sich durchdringen z u lassen von dem selbständigen Geistesleben u n d selbständigen Staatsleben, m ü n d e t ein i n den dritten der A b g r ü n d e des Menschenlebens, i n den dritten jener drei. D e r erste A b g r u n d ist die L ü g e , die Entartung der Menschheit durch A h r i m a n . D e r zweite ist die Selbstsucht, die Entartung der Menschheit durch Luzifer. D e r dritte ist auf physischem Gebiete Krankheit u n d T o d , auf Kulturgebieten: Kulturkrankheit, Kulturtod. D i e anglo-amerikanische W e l t mag die Weltherrschaft erringen: ohne die Dreigliederung w i r d sie durch diese Weltherrschaft über die W e l t den K u l t u r t o d u n d die Kulturkrankheit ergießen, denn diese sind ebenso eine Gabe der Asuras, 8 9 wie die L ü g e eine Gabe des A h r i m a n , wie die Selbstsucht eine Gabe des Luzifer ist. So ist das dritte, sich würdig den anderen an die Seite Stellende, eine Gabe der asurischen M ä c h t e ! M a n m u ß aus diesen D i n g e n den Enthusiasmus nehmen, der einen befeuern soll, n u n w i r k l i c h z u suchen die Wege, möglichst viele Menschen aufzuklären. Heute ist die Aufgabe des E i n s i c h tigen: die Aufklärung der Menschheit. W i r müssen so viel als möglich dazu t u n , gegen jene Torheit, die sich Weisheit d ü n k t u n d die da glaubt, daß sie es so herrlich weit gebracht hat, gegen jene Torheit dasjenige hinzustellen, was w i r gewinnen k ö n n e n aus dem praktischen Aspekt der anthroposophisch orientierten Geisteswissenschaft. H a b e i c h noch m i t diesen W o r t e n ein wenig das Gefühl i n Ihnen erwecken k ö n n e n , welch tiefer Ernst i n diesen D i n g e n heute stecken m u ß , dann habe ich vielleicht etwas v o n dem erreicht, was i c h gern gerade m i t diesen W o r t e n erreicht haben 211

m ö c h t e . W e n n w i r uns dann nach ein paar W o c h e n sehen, w o l l e n w i r v o n ähnlichen D i n g e n weiter reden. habe i c h n u r ein Gefühl i n Ihnen hervorrufen wollen daß es gegenwärtig w i r k l i c h die wichtigste soziale A r b e i t Menschen i m weitesten Umkreise aufzuklären.

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wieder Heute davon, ist, die

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«666» und die Zukunft der Menschheit die Aufgabe des Manichäismus

Wie finde ich den Christus?

In A n k n ü p f u n g an die Betrachtungen, die w i r i n der vorigen W o c h e hier angestellt haben über die Teilnahme an der geistigen W e l t , 9 0 welche die menschliche Seele gegen die Z u k u n f t h i n erstreben m u ß , m ö c h t e i c h heute etwas genauer gerade über verschiedene D i n g e sprechen, die z u s a m m e n h ä n g e n m i t jener A r t des Erlebens des Christus-Mysteriums, welches ja durch solche Ideale, spirituelle Ideale, wie i c h sie neulich besprochen habe, vorbereitet werden soll. W e n n w i r geisteswissenschaftlich heute den Menschen betrachten — das ist zunächst eine M i t t e i l u n g , die aber i m weiteren Verlauf unserer heutigen Betrachtung manche Beleuchtung noch erfahren w i r d - , also w e n n w i r geisteswissenschaftlich, wie w i r das m i t den M i t t e l n der heutigen Geisteswissenschaft k ö n nen, den Menschen i n seinem Seelenleben betrachten, so k ö n nen w i r sagen, daß i n diesem Seelenleben, insofern es auf der einen Seite z u s a m m e n h ä n g t m i t dem leiblichen Leben, auf der anderen Seite m i t dem geistigen Leben, sich ein Dreifaches abspielt, eine dreifache H i n n e i g u n g z u der übersinnlichen Welt. Diese dreifache H i n n e i g u n g zu der übersinnlichen W e l t m u ß eigentlich dann verleugnet werden, w e n n m a n überhaupt nichts v o n der übersinnlichen Welt wissen w i l l . D e r M e n s c h hat eine H i n n e i g u n g , das zu erkennen, was m a n das Göttliche i m allgemeinen nennen k a n n . E i n e zweite H i n n e i g u n g hat er — w i r sprechen natürlich i m m e r von dem M e n s c h e n i m gegenwärtigen Entwickelungszyklus —, den Christus zu erkennen. U n d eine dritte H i n n e i g u n g , zu erkennen dasjenige, was gewöhnlich der Geist oder auch der Heilige Geist genannt w i r d . M i t Bezug auf alle diese drei H i n n e i g u n g e n wissen Sie, daß es 215

Menschen gibt, die sie verleugnen. M a n hat hinlänglich erlebt, gerade i m Laufe des 19. Jahrhunderts, wo die Dinge wenigstens innerhalb der europäischen K u l t u r auf die Spitze getrieben worden sind, daß die Leute das Göttliche i n der W e l t überhaupt abgeleugnet haben. N u n k a n n m a n geisteswissenschaftlich fragen - da innerhalb der Geisteswissenschaft an dem Göttlichen, das, w e n n w i r so sagen dürfen, i m Ubersinnlichen w o h n t , nicht gezweifelt werden k a n n -: Was bringt den M e n s c h e n dazu, das Göttliche überhaupt, dasjenige, was i n derTrinität der Vatergott genannt w i r d , abzuleugnen? — D a zeigt uns die Geisteswissenschaft, daß i n jedem solchen Falle, wo det M e n s c h ableugnet den Vatergott, also ein Göttliches überhaupt i n der Welt, jenes Göttliche, das z u m Beispiel auch i n der israelitischen Religion anerkannt w i r d , ein wirklicher, echter physischer Defekt, eine physische E r k r a n kung, ein physischer M a n g e l i m Menschenleibe stattfindet. Atheist sein, heißt für den Geisteswissenschafter, i n irgendeiner Beziehung krank sein. Natürlich ist es eine Krankheit, die die Ärzte nicht kurieren; sie sind selbst sehr häufig an dieser K r a n k heit leidend, einer Krankheit, die auch nicht als solche v o n der heutigen M e d i z i n anerkannt ist. A b e r es ist eine Krankheit, die die Geisteswissenschaft i m M e n s c h e n findet, wenn der M e n s c h dasjenige ableugnet, was er jetzt nicht durch seine Seelen-, sondern durch seine Leibeskonstitution fühlen m u ß . Leugnet er das ab, was i h m ein gesundes Gefühl seines Leibes eingibt, daß ein Göttliches die W e l t durchzieht, so ist er nach geisteswissenschaftlichen Begriffen krank, leiblich krank. Es gibt dann sehr viele Leute, welche den Christus ableugnen. D i e A b l e u g n u n g des Christus m u ß die Geisteswissenschaft betrachten als etwas, was eigentlich eine Schicksalsfrage ist u n d das menschliche Seelenleben betrifft. D e n Christus ableugnen m u ß die Geisteswissenschaft ein U n g l ü c k nennen; G o t t ableugnen eine Krankheit, Christus ableugnen ein Unglück. D e n Christus finden k ö n n e n , ist gewissermaßen eine Schicksalssache, ist gewissermaßen etwas, was i n das K a r m a des Menschen herein216

spielen m u ß . Es ist ein U n g l ü c k , zu d e m Christus keine Bezieh u n g zu haben. D e n Geist oder den H e i l i g e n Geist ableugnen, bedeutet eine Stumpfheit des eigenen Geistes. D e r M e n s c h besteht aus Leib, Seele u n d Geist. In bezug auf alle drei k a n n er einen Defekt haben. E i n e n physischen w i r k l i c h e n Krankheitsdefekt gibt es beim Atheismus gegenüber d e m Göttlichen. I m Leben nicht zu finden jene A n k n ü p f u n g an die Welt, welche uns den Christus erkennen läßt, das ist ein U n g l ü c k . D e n Geist i n seinem eigenen Inneren nicht finden k ö n n e n , ist eine Stumpfheit, i n gewissem Sinne ein Idiotismus, w e n n auch ein feinerer u n d wiederum eben nicht anerkannter Idiotismus. N u n handelt es sich d a r u m , die Frage aufzuwerfen: W i e findet der M e n s c h den Christus? - U n d gerade über das F i n d e n des Christus wollen w i r heute sprechen, jenes F i n d e n des Christus, welches i m Verlaufe des Lebens durch die eigene Menschenseele geschehen k a n n . M a n hört oftmals v o n Seelen, die w i r k l i c h ernst suchende Seelen sind, die Frage: W i e finde i c h den C h r i stus? - Beschäftigen k a n n m a n sich m i t dieser Frage, wenn m a n für sie eine verständnisvolle A n t w o r t haben w i l l , allerdings nur dadurch, d a ß m a n dieselbe i n einem gewissen historischen Z u sammenhange betrachtet. W i r wollen einen geschichtlichen Zusammenhang vor unsere Seele hinstellen, der uns dann z u letzt i n den heutigen Betrachtungen zur Beantwortung dieser Frage: W i e finde i c h den Christus? — führen w i r d . W i r wissen, unser gegenwärtiger geschichtlicher Z e i t r a u m begann, geisteswissenschaftlich betrachtet, i m 15. Jahrhundert. M a n k a n n , w e n n m a n eine mittlere Z a h l angeben w i l l , das Jahr 1413 angeben. Aber m a n k a n n , wenn m a n auf solche Zahlenangaben sich nicht einlassen w i l l , eben sagen: I m 15. Jahrhundert wurde das Seelenleben der Menschheit so, wie es heute ist. — W e n n m a n das nicht zugibt i n der neueren Geschichte, so ist der G r u n d davon nur der, d a ß die neuere Geschichte eben auch n u r äußere Tatsachen betrachtet u n d gar keine A h n u n g hat, i n ihrer N a t u r als Fable convenue keine A h n u n g davon hat, d a ß , sobald man hinter das 15. Jahrhundert z u r ü c k k o m m t , die M e n s c h e n 217

anders dachten, anders fühlten, aus ihren Impulsen heraus anders handelten, radikal verschieden waren i n ihrem Seelenleben v o n dem Seelenleben der gegenwärtigen Menschen. D e r Zeitraum, der damals abschloß, 1413, begann 747 vor Christus, also i m 8. vorchristlichen Jahrhunderte, so daß w i r dasjenige, was w i r geisteswissenschaftlich die griechisch-lateinische K u l turperiode nennen, zählen v o n 747 vor Christus bis 1413. I n diesem Z e i t r a u m spielte sich, wie w i r ja wissen, u n d zwar ungefähr i m ersten D r i t t e l dieses Zeitraumes, das M y s t e r i u m v o n Golgatha ab. N u n , dieses M y s t e r i u m v o n Golgatha, es wat, wie Sie wissen, für viele Menschen durch Jahrhunderte h i n d u r c h der A n g e l punkt ihres ganzen Fühlens, ihres ganzen Denkens. Dieses M y sterium v o n Golgatha ist insbesondere gefühlsmäßig von der Seele erfaßt worden i n denjenigen Zeiten, welche der neueren Zeit, dem 15., 16. Jahrhunderte u n d so weiter, vorangegangen sind. D a n n begann diejenige Epoche, i n der man anfing, die Evangelien i n den weiten Kreisen des Volkes z u lesen. D a n n begann aber auch der Streit, ob die Evangelien w i r k l i c h historische U r k u n d e n sind. U n d dieser Streit, Sie wissen es, ist bis i n unsere Tage herein auf die Spitze getrieben worden. W i r wollen uns heute nicht m i t den einzelnen Phasen dieses Streites, der ja insbesondere i n den Kreisen der protestantischen Theologie eine so große Rolle spielt, befassen, w i r wollen nur dasjenige vor unsere Seele rücken, was heute gesagt werden k a n n i n bezug auf das, was m a n m i t diesem Streit über das M y s t e r i u m v o n Golgatha eigentlich w i l l . M a n hat sich gewöhnt i m materialistischen Zeitalter, alles auf materialistische A r t bewiesen haben zu wollen. In der Geschichte nennt m a n «bewiesen» dasjenige, was durch D o k u m e n t e belegt ist. W o m a n A k t e n findet, da n i m m t man an, daß ein historisches Ereignis, v o n dem diese A k t e n sprechen, w i r k l i c h geschehen ist. Solche Beweiskraft könnte man wahrscheinlich den Evangelien nicht zuschreiben. Sie wissen aus m e i n e m Buche « D a s C h r i s t e n t u m als mystische Tatsache», 9 1 was die 218

Evangelien sind. Sie sind alles andere als historische U r k u n d e n , sie sind Inspirationsbücher, Initiationsbücher. M a n hat sie früher für historische U r k u n d e n gehalten; n u n ist man darauf gek o m m e n durch wirkliche Forschung, daß sie keine historischen U r k u n d e n sind. M a n hat auch herausgefunden, daß alle übrigen D o k u m e n t e , die i n der Bibel stehen, keine historischen U r k u n den sind. U n d ein anerkannter Theologe, ein z u Unrecht anerkannter Theologe, Adolf Harnack, 92 hat als Ergebnis der neueren Bibelforschung festgestellt, daß dasjenige, was man historisch über die Persönlichkeit des Christus Jesus wissen k ö n n e , auf einem Quartblatte zusammengeschrieben werden kann. D a r a n ist nur das eine richtig, w e n n i c h m i c h so paradox ausdrücken darf, daß das auch nicht wahr ist, daß das, was m a n auf dieses Quartblatt schreiben würde, historisch auch nicht haltbar ist! W a h r ist daran nur, daß es überhaupt keine w i r k l i c h haltbaren U r k u n d e n über das M y s t e r i u m von Golgatha gibt. W e n n m a n als Geschichtsforscher heute fragt: K a n n m a n das M y s t e r i u m v o n Golgatha historisch beweisen? —, so m u ß man v o m Standpunkte der heutigen Geschichtsforschung sagen: Es läßt sich nicht äußerlich beweisen. Dies aber hat gerade seinen guten G r u n d . Das M y s t e r i u m v o n Golgatha soll sich, i c h m ö c h t e sagen, nach den Ratschlüssen der götdichen Weisheit, nicht äußerlich-materialistisch beweisen lassen, aus dem einfachen G r u n d e , weil das M y s t e r i u m v o n Golgatha als die wichtigste Tatsache, die i m Erdengeschehen sich ereignet hat, nur auf eine übersinnliche Weise erschaubar sein soll. Derjenige, der da w i l l einen äußerlich-materialistischen Beweis finden, der findet i h n eben nicht, sondern er findet zuletzt durch seine K r i t i k heraus, daß es keinen solchen gibt. Es soll die Menschheit vor die Entscheidung gestellt werden, gerade dem M y s t e r i u m v o n Golgatha gegenüber sich z u gestehen: Ich m u ß z u m Übersinnlichen meine Z u f l u c h t nehm e n , oder i c h k a n n so etwas wie das M y s t e r i u m v o n Golgatha überhaupt nicht finden. - Das M y s t e r i u m v o n Golgatha soll gewissermaßen die Menschenseele zwingen, aus allen sinnlichen 219

Beweisen heraus den W e g ins Übersinnliche zu finden. Es hat also seinen guten G r u n d , dal? das M y s t e r i u m v o n Golgatha weder naturwissenschaftlich n o c h irgendwie sonst historisch zu beweisen ist. Das w i r d gerade das Bedeutungsvolle sein der neueren Geisteswissenschaft, d a ß , w e n n alle äußere Wissenschaft, alle bloß auf das Sinnenfällige gestützte Wissenschaft sich w i r d gestehen müssen, daß sie z u m M y s t e r i u m v o n Golgatha keinen Zugang mehr hat, wenn selbst die Theologie, insoferne sie kritisch ist, unchristlich sich gebärden w i r d , die Geisteswissenschaft es sein w i r d , welche die Menschen z u m M y s t e r i u m v o n Golgatha hinzuführen hat, aber auf einem übersinnlichen Wege, den w i r ja öfter beschrieben haben. 9 3 N u n k ö n n e n w i r uns fragen: W i e war die Menschheitssituatio n , als das M y s t e r i u m v o n Golgatha i n den vierten nachatlantischen, i n den griechisch-lateinischen Kulturzeitraum hereinfiel? - N u n , Sie wissen, was dieser Z e i t r a u m bedeutet. D i e M e n s c h heit entwickelt sich i m Laufe der Z e i t so, daß sie gewissermaßen auch durchmacht die verschiedenen Glieder der menschlichen Natur. Sie wissen, i n der ägyptisch-chaldäischen Zeit, die dem Jahr 747 vor Christus vorangegangen ist, wurde der M e n s c h eingeführt d u r c h seine E n t w i c k e l u n g i n das, was m a n die E m p findungsseele nennt; i n der griechisch-lateinischen Z e i t n u n i n die Verstandes- oder Gemütsseele, u n d seit dem Jahre 1413, i n unserer fünften nachatlantischen Zeit, i n die sogenannte Bewußtseinsseele. So daß w i r sagen k ö n n e n : Das Wesen der griechisch-lateinischen K u l t u r v o n 747 vor Christus bis 1413 besteht darin, daß die Menschheit erzogen w i r d - wenn w i r diesen Lessingschen A u s d r u c k gebrauchen d ü r f e n 9 4 — z u m freien Gebrauch der Verstandes- oder Gemütsseele. Fragen w i r uns n u n einmal: W a n n war die M i t t e dieses Zeitraumes? — D i e M i t t e , denn nicht wahr, w i r können annehmen: W e n n v o n 747 vor dem M y s t e r i u m v o n Golgatha bis 1413 dieser Z e i t r a u m dauerte, so hatte er eine M i t t e , w o sich sozusagen bis z u diesem Z e i t p u n k t h i n i n zunehmender A r t diese Verstandes- oder Gemütsseele entwickelt hatte u n d dann sich i n 220

absteigender A r t entwickelte. Dieser Z e i t p u n k t - Sie k ö n n e n dies leicht ausrechnen - ist das Jahr 333 nach der Geburt des Christus Jesus. 333 ist also ein sehr wichtiger Z e i t r a u m der Menschheitsentwickelung, die M i t t e der griechisch-lateinischen Kulturzeit. 333 Jahre vor dieser M i t t e liegt die Geburt des Christus Jesus, liegt also dasjenige, was z u m M y s t e r i u m v o n Golgatha führte. W i r k ö n n e n die ganze Menschheitssituation nur dann richtig würdigen, wenn w i r uns fragen: Was wäre n u n geschehen, w e n n das M y s t e r i u m v o n Golgatha nicht eingetreten wäre? — D a n n k ö n n e n w i r recht würdigen, was das M y s t e r i u m v o n Golgatha für die Menschheit für einen W e r t hat, w e n n w i r fragen, was geschehen wäre, w e n n das M y s t e r i u m v o n Golgatha nicht eingetreten wäre. Natürlich wäre dann die Menschheit ohne das M y s t e r i u m v o n Golgatha nur durch die eigenen elementarischen Kräfte zu der M i t t e des vierten nachatlantischen Zeitraumes i m Jahre 333 gekommen. Sie hätte aus sich selber heraus alle die Fähigkeiten entwickelt, die der Verstandes- oder G e mütsseele angehören. D i e hätte sie dann gehabt i n den nächsten Jahrhunderten. Das wurde wesentlich dadurch geändert, daß das M y s t e r i u m v o n Golgatha eintrat. Es geschah etwas ganz anderes eben, als sonst geschehen wäre, u n d es geschah etwas gewaltig anderes. W e n n w i r h i n b l i c k e n auf das M y s t e r i u m v o n Golgatha, dann k ö n n e n wir, u m dieses besondere Ereignis, das der ganzen Erde einen S i n n gibt, z u charakterisieren, gerade den Gesichtspunkt als den allerwichtigsten anschauen, daß n u r ein übersinnlicher Z u g a n g z u dem M y s t e r i u m v o n Golgatha ist, daß man nur auf übersinnlichem W e g z u i h m k o m m t . W o r a n liegt das eigentlich? Das liegt daran, daß der M e n s c h , trotzdem er i m vierten nachadantischen Z e i t r a u m , gegen das Jahr 333 zu, sich näherte der höchsten Blüte der Verstandesoder Gemütsseele, daß der M e n s c h zwischen Geburt u n d T o d i n seinem physischen Leben überhaupt weit davon entfernt war, die N a t u r des Mysteriums v o n Golgatha m i t gewöhnlichen 221

menschlichen Kräften zu verstehen. Das, worauf es a n k o m m t , ist, daß w i r uns [zwar] entwickeln k ö n n e n u n d steinalt werden können: m i t den Kräften, die w i r infolge unserer Leibesentwikkelung zwischen G e b u r t u n d T o d i n uns zur Entfaltung b r i n gen, k ö n n e n w i r das M y s t e r i u m v o n Golgatha nicht begreifen. Daher k a m es auch, daß auch die Zeitgenossen, die den C h r i stus Jesus liebenden Zeitgenossen, die Jünger, die Apostel nur dadurch verstehen konnten, soweit sie es verstehen sollten, wie es stand m i t d e m Christus Jesus, den sie umgaben, daß sie i n gewissem Sinne m i t atavistischem Hellsehen, wie i c h öfter gesagt habe, ausgestattet waren u n d durch ihr atavistisches Hellsehen eine A h n u n g hatten v o n dem, der unter ihnen herumging. A b e r durch die eigenen menschlichen Kräfte hatten sie das nicht. U n d dann schrieben sie auch die Evangelien nieder, die Evangelienschreiber, i n d e m sie zu H i l f e nahmen alte Mysterienbücher. Sie schrieben sie, diese mächtigen Evangelien, aus der alten atavistischen Hellseherkraft heraus, nicht aus den Kräften, die sich bis dahin auf naturgemäße Weise, aus naturgemäßen menschlichen Kräften entwickelt hatten. Aber die Menschenseele entwickelt sich weiter, auch nachdem sie d u r c h die Pforte des Todes gegangen ist. Diese Menschenseele, die sich weiter entwickelt, auch nachdem sie durch die Pforte des Todes gegangen ist, wächst i n ihren Verständniskräften auch nach dem Tode; sie lernt i m m e r mehr u n d mehr verstehen. N u n liegt das Eigentümliche vor, daß die Zeitgenossen des Christus, die sich durch ihre Liebe z u dem Christus vorbereitet hatten für ein Leben i n Christo nach dem Tode, daß diese aus eigenen menschlichen Kräften voll das M y s t e r i u m von G o l gatha eigentlich erst begriffen i m 3. Jahrhunderte nach dem M y s t e r i u m v o n Golgatha. A l s o diejenigen, die m i t dem C h r i stus als seine J ü n g e r u n d Apostel zugleich gelebt haben, die starben dann, lebten weiter i n der geistigen Welt, u n d i n d e m sie i n der geistigen W e l t lebten, wuchsen ihre Kräfte, geradeso wie sie hier wachsen. N u n sind w i r b e i m Tode nicht so weit, daß w i r solches Verständnis haben, wie w i r es zwei Jahrhunderte nach 222

dem Tode haben. D i e Zeitgenossen waren eigentlich erst i m 2. Jahrhundert, gegen das 3. Jahrhundert z u , so weit, daß sie dann i n dem geistigen Reich, das der M e n s c h zwischen dem Tode u n d einer neuen Geburt durchlebt, von sich selbst aus z u dem Verständnis dessen kamen, was sie vor zwei bis drei Jahrhunderten hier auf der Erde erlebt hatten. U n d dann inspirierten sie v o n der geistigen W e l t aus diejenigen Menschen, die hier unten auf der Erde waren. Lesen Sie von diesem Gesichtspunkte aus dasjenige, was die sogenannten Kirchenväter i m 2., 3. Jahrhunderte, als die Inspiration i m rechten Sinne anfing, geschrieben haben, dann werden Sie d a r a u f k o m m e n , wie m a n verstehen kann, was von den Kirchenvätern geschrieben worden ist über den Christus Jesus. Dasjenige, was v o n den toten Zeitgenossen des Christus Jesus inspiriert worden ist, das hat man i m 3. Jahrhunderte angefangen zu schreiben. E i n e merkwürdige Sprache führen diese M e n schen i m 3. Jahrhundert über den Christus Jesus, eine Sprache, die z u m Teil für den heutigen Menschen — w i r werden gleich nachher über diesen heutigen Menschen sprechen - recht unverständlich ist. Ich w i l l einen M e n s c h e n anführen, i c h k ö n n t e auch einen anderen anfuhren, aber i c h w i l l Ihnen einen, der der gegenwärtigen materialistischen K u l t u r so recht verächtlich ist, anführen, denjenigen, von dem diese materialistische K u l t u r sagt, er hätte einen schrecklichen Satz gesprochen: C r e d o quia absurdum est - Ich glaube dasjenige, was töricht ist, u n d nicht dasjenige, was vernünftig ist. - D e n Tertullian w i l l ich anfuhren. 9 5 W e n n m a n den Tertullian anführt, der ungefähr i n der Z e i t lebte, wo die Inspiration von oben von den toten Zeitgenossen des Christus Jesus begann, u n d der, soweit er es konnte als M e n s c h , unter dieser Inspiration stand, w e n n man diesen Tertullian w i r k l i c h liest, so bekommt man einen eigentümlichen E i n d r u c k . Natürlich schrieb er so, wie er schreiben m u ß t e nach seiner menschlichen K o n s t i t u t i o n . M a n k a n n ja gut Inspirationen haben, aber sie zeigen sich i m m e r so, wie m a n sie 223

aufnehmen k a n n . So gab denn auch der Tertullian die Inspirationen nicht ganz rein; er gab sie so, wie er sie i n seinem menschlichen G e h i r n z u m A u s d r u c k bringen konnte, erstens, da er i n einem sterblichen Leibe wohnte, u n d zweitens, da er i n einer gewissen H i n s i c h t leidenschaftlich u n d fanatisiert war. E r schrieb so, wie es herauskam, aber höchst merkwürdig herausk a m , w e n n es v o n einem wahren u n d richtigen Gesichtspunkte aus betrachtet w i r d . Dieser Tertullian tritt einem v o n diesem Gesichtspunkt aus entgegen als ein R ö m e r von einer nicht einmal besonders hohen literarischen B i l d u n g , aber als ein Schriftsteller v o n großartiger Sprachkraft. M a n k a n n geradezu sagen: Tertullian ist derjenige, welcher die lateinische Sprache dem C h r i s t e n t u m erst gerecht gemacht hat. E r hat erst die Möglichkeit gefunden, diese prosaischeste, unpoetischeste Sprache, diese rein rhetorische Sprache, die lateinische Sprache, mit solchem Temperament u n d m i t einer solchen heiligen Leidenschaft z u durchglühen, daß w i r k l i c h unmittelbar seelisches Leben i n dem Werke des Tertullian lebt, insbesondere i n « D e carne Christi» z u m Beispiel, oder auch i n demjenigen W e r k , i n dem er alles abzuweisen versucht, wessen m a n die C h r i s t e n beschuldigt. Sie sind m i t einem heiligen T e m perament geschrieben u n d m i t einer großartigen Sprachkraft. U n d dieser Tertullian war als R ö m e r - u n d an « D e carne C h r i sti» k a n n man das zeigen - vorurteilslos gegenüber seinem eigenen R ö m e r t u m . E r fand großartige W o r t e , i n d e m er die C h r i sten gegen die Verfolgung der R ö m e r verteidigte. D i e M i ß h a n d lungen, die m a n den Christen zufügte, damit sie ableugnen sollten ihre Zugehörigkeit zu dem Christus Jesus, die verurteilte er temperamentvoll, so daß er sagte: Beweist nicht euer Verhalten als Richter gegenüber den C h r i s t e n hinlänglich genug, daß ihr ungerecht seid? Ihr m ü ß t euer ganzes richterliches Verfahren, wie ihr es sonst habt, ändern, es nicht anwenden, w e n n ihr gegen die Christen richtet. Sonst zwingt ihr durch die M i ß handlungen einen Zeugen, daß er nicht ableugnet; ihr zwingt i h n , daß er bekennt, was wahr ist, was er w i r k l i c h meint. Bei 224

dem Christen macht ihr es umgekehrt: Ihr foltert i h n , damit er leugnet, was er meint. Ihr benehmt euch als Richter den C h r i sten gegenüber entgegengesetzt dem Falle, wie ihr euch sonst als Richter benehmt. Sonst wollt ihr die Wahrheit erfahren durch die M i ß h a n d l u n g ; bei den Christen wollt ihr die L ü g e erfahren. — U n d i n ähnlicher Weise, i n W o r t e n , die w i r k l i c h den Nagel auf den K o p f trafen, sprach Tertullian über vieles. D a b e i k a n n m a n sagen, daß er neben dem, daß er ein mutiger, kraftvoller M a n n war, der die H o h l h e i t des römischen Götterdienstes voll durchschaute u n d darstellte, außerdem ein M e n s c h war, der überall, w o er schrieb, seine Beziehungen zur übersinnlichen W e l t bewies. E r redete von der übersinnlichen W e l t so, daß m a n sieht: D e r M a n n weiß, was es heißt, von der übersinnlichen Welt zu reden. E r redet von D ä m o n e n so, wie er v o n seinen Bekannten als M e n s c h e n redet. — U n d er redet z u m Beispiel v o n den D ä m o n e n so, daß er sagt: Fragt die D ä m o n e n , ob der Christus, der, von dem die Christen behaupten, daß er ein wahrer G o t t sei, w i r k l i c h ein wahrer G o t t ist! Stellt einmal einen wirklichen Christen einem Besessenen gegenüber, aus dem ein D ä m o n spricht, da werdet ihr sehen: W e n n ihr i h n w i r k l i c h z u m Sprechen bringt, gesteht er euch, daß er selber ein D ä m o n ist, denn er sagt die Wahrheit. — Das wußte Tertullian, daß die D ä m o n e n nicht lügen, w e n n m a n sie befragt. - A b e r die D ä m o nen sagen euch auch, w e n n der Christ sie richtig fragt aus seinem Bewußtsein heraus, daß der Christus der wahre G o t t ist. N u r hassen sie i h n , weil sie i h n bekämpfen. Ihr werdet von dem D ä m o n erfahren, daß das der wahre G o t t ist. - A l s o nicht nur auf das Zeugnis der M e n s c h e n , sondern auf das Zeugnis der D ä m o n e n beruft sich Tertullian. So spricht er v o n den D ä m o nen als Zeugen, die nicht bloß reden, die da auch bekennen, daß Christus der wahre G o t t ist. Das sagt Tertullian alles aus sich selbst heraus. M a n hat w i r k l i c h allen G r u n d , w e n n m a n Tertullian als Schriftsteller kennenlernt, zu fragen: Was war denn eigentlich das tiefere Seelenbekenntnis des Tertullian, der ergriffen war 225

von der Ihnen eben geschilderten Inspiration? Dieses tiefere Seelenbekenntnis des Tertullian ist i n der Tat lehrreich. D e n n Tertullian ahnte bereits etwas, was eigentlich erst ziemlich lange nach der Z e i t des Tertullian offenbar werden sollte für die Menschheit. Tertullian bekannte sich i m G r u n d e zu drei Sätzen gegenüber der menschlichen Natur. Erstens: D i e menschliche N a t u r ist so, daß sie i n der jetzigen Z e i t - also das ist die Z e i t des Tertullian, E n d e des 2. nachchristlichen Jahrhunderts - , daß sie, wie sie jetzt ist, die Schmach auf sich laden kann, das größte Erdenereignis z u verleugnen. W e n n der M e n s c h nur sich folgt, k o m m t er nicht z u m größten Erdenereignis. Zweitens ist seine Seele zu schwach, u m dieses größte Erdenereignis z u begreifen. Drittens ist es dem Menschen ganz unmöglich, w e n n er nur dem folgt, was i h m sein sterblicher L e i b ermöglicht, ein Verhältnis zu gewinnen zu dem M y s t e r i u m v o n Golgatha. Diese drei D i n g e sind ungefähr das Bekenntnis des Tertullian. A u s diesen drei D i n g e n heraus hat Tertullian die W o r t e gesprochen: «Gekreuzigt wurde Gottes Sohn; das ist keine Schande, weil es schändlich ist. A u c h gestorben ist er; gerade d a r u m ist es glaublich, weil es töricht ist.» 9 6 «Prorsus credibile est, quia inept u m est», das ist gerade deshalb glaublich, weil es töricht ist. Dieser Satz steht bei Tertullian. D e r andere Satz, den i h m die W e l t andichtet: C r e d o , quia absurdum est - , steht nirgends, weder bei Tertullian, n o c h bei einem anderen Kirchenvater. Aber dieser Satz, den i c h Ihnen jetzt eben ausgesprochen habe, ist dazumal geschrieben worden. D i e meisten Menschen kennen von Tertullian nichts anderes als diesen Satz, der nicht wahr ist. Drittens: « U n d der Begrabene ist auferstanden», sagt Tertullian, «weil es u n m ö g l i c h ist. W i r m ü s s e n es glauben, weil es u n m ö g l i c h ist.» Dieser dreifache Ausspruch, den Tertullian tut, der erscheint natürlich den modernen, ganz gescheiten Menschen als erwas Schreckliches. M a n soll sich n u r so einen waschechten heutigen materialistisch Gebildeten denken, der da hört, daß einer sagt: Christus ist gekreuzigt worden; w i r m ü s s e n es glauben, weil es 226

schmachvoll ist. Christus ist gestorben; w i r m ü s s e n es glauben, weil es töricht ist. Christus ist wahrhaftig auferstanden; w i r m ü s s e n es glauben, weil es u n m ö g l i c h ist. - M a n soll sich vorstellen, was so ein richtiger monistischer Weltanschauer v o n heute z u solchen Sätzen für ein Verhältnis gewinnen kann! Was meinte aber Tertullian? Tertullian ist gerade durch seine Inspiration für seine damalige Zeit so ein rechter Menschenkenner geworden, hat erkannt, auf welchem Wege die menschliche N a t u r i n der damaligen Z e i t war. D i e M e n s c h e n gingen entgegen den folgenden Jahrhunderten der vierten nachatlantischen, der griechisch-lateinischen Kulturperiode. Geradesoviel Jahre, als das M y s t e r i u m v o n Golgatha der M i t t e dieses Zeitraumes vorangegangen ist, 333 Jahre, geradesoviel Jahre nach diesem Z e i t r a u m war beabsichtigt von gewissen geistigen M ä c h t e n , die Erdenentwickelung i n ganz andere Bahnen z u leiten, als sie dann, weil das M y s t e r i u m v o n Golgatha da war, geleitet worden ist. 333 Jahre nach dem Jahre 333 ist 666; das ist jene Jahreszahl, von der der Schreiber der Apokalypse m i t einem großen Temperamente spricht. 9 7 Lesen Sie die betreffenden Stellen, w o der Schreiber der Apokalypse v o n dem spricht, was sich auf 666 bezieht! D a sollte nach den Intentionen gewisser geistiger M ä c h t e m i t der Menschheit etwas geschehen, u n d es wäre geschehen, wenn das M y s t e r i u m von Golgatha nicht eingetreten wäre. M a n hätte den absteigenden W e g , der von 333 ab der Menschheit beschieden gewesen wäre als G i p f e l p u n k t der K u l tur der Verstandes- oder Gemütsseele, diesen absteigenden W e g hätte m a n dazu benützt, u m die Menschheit i n ein ganz anderes Fahrwasser z u bringen, als sie k o m m e n sollte nach der Intention derjenigen göttlichen Wesenheiten, die m i t i h r v o m Anfange, v o n der Saturnzeit an, verknüpft sind. Das sollte dadurch geschehen, daß etwas, was erst später k o m m e n sollte i n die Menschheit, die Bewußtseinsseele m i t ihren Inhalten, durch eine A r t Offenbarung der Menschheit schon 666 gegeben würde. W ä r e das ausgeführt worden, wären w i r k l i c h die Intentionen erfüllt worden gewisser der Menschheitsentwickelung 227

entgegengesetzter, aber diese Menschheitsentwickelung an sich reißen wollender Wesen, dann wäre die Menschheit 666 so überrascht worden, begabt worden m i t der Bewußtseinsseele, wie sie es erst längere Z e i t nach unserer Z e i t sein w i r d . D a r a u f beruht nämlich dasjenige, was die den menschenliebenden G ö t t e r n feindlichen Wesenheiten i m m e r machen, daß sie dasjenige, was diese den M e n s c h e n guten geistigen Wesenheiten z u einer späteren Z e i t machen wollen, i n einen früheren Z e i t p u n k t verlegen wollen, w o die Menschheit n o c h nicht reif dazu ist. Es hätte dasjenige, was erst i n der M i t t e unseres Zeitraumes hätte geschehen sollen, was also erst 1080 Jahre nach dem Jahre 1413 geschehen soll, was erst also i m Jahre 2 4 9 3 geschehen soll - da soll erst der M e n s c h so weit sein m i t Bezug auf das bewußte Erfassen seiner eigenen Persönlichkeit - , schon 666 durch ahrimanisch-luziferische Kräfte dem M e n s c h e n eingeimpft werden sollen. Was wollte m a n dadurch erreichen auf Seiten dieser Wesen? Sie wollten dadurch dem M e n s c h e n die Bewußtseinsseele geben, hätten i h m aber dadurch eine N a t u r eingepflanzt, die es i h m u n m ö g l i c h gemacht hätte, seinen weiteren W e g z u m Geistselbst, z u m Lebensgeist u n d z u m Geistesmenschen zu finden. M a n hätte abgeschnitten seinen Zukunftsweg u n d hätte den Menschen für ganz andere Entwickelungsbahnen in A n s p r u c h genommen. D i e Geschichte hat sich nicht abgespielt so, wie es intendiert war i n dieser besonderen Gestalt, i n dieser p h ä n o m e n a l e n , großartigen, aber teuflischen Gestalt, aber die Spuren davon haben sich d o c h i n der Geschichte vollzogen. Sie konnten sich dadurch vollziehen, daß D i n g e geschahen, von denen m a n n u r sagen k a n n : D i e Menschen tun sie auf der Erde, aber sie tun sie eigentlich immer, i n d e m sie Handlanger sind desjenigen, was gewisse geistige Wesenheiten durch die Menschen ausfuhren. U n d so war denn auch der Kaiser Justinian 98 ein Handlanger gewisser Wesenheiten, als er, der ja ein F e i n d war alles dessen, was aus der hohen Weisheit des Griechentums ü b e r k o m m e n 228

war, 529 die Philosophenschulen i n A t h e n schloß, so daß die letzten Reste der griechischen Gelehrsamkeit m i t dem hohen aristotelisch-platonischen Wissen verbannt wurden u n d nach Persien hinüber flüchteten. N a c h Nisibis waren schon früher, als Zeno Isauricus" i m 5. Jahrhunderte ebensolche griechische W e i se v o n Edessa vertrieben hatte, die syrischen Weisen geflohen. U n d so versammelte sich gegen das Jahr, das heranrückte, gegen 666 h i n , i n der persischen Akademie von Gondishapur w i r k l i c h dasjenige, 1 0 0 was auserlesenste Gelehrsamkeit war, die herübergekommen war aus dem alten G r i e c h e n t u m u n d die keine Rücksicht genommen hatte auf das M y s t e r i u m v o n Golgatha. U n d innerhalb der A k a d e m i e v o n Gondishapur lehrten diejenigen, die inspiriert waren v o n luziferisch-ahrimanischen Kräften. H ä t t e dasjenige, was 666 über die Menschheit hätte k o m m e n sollen - was, w e n n es gekommen wäre, eben z u m Abschneiden der späteren E n t w i c k e l u n g u n d zur E r h ö h u n g der Menschheit zur Bewußtseinsseele schon i m Jahre 666 geführt hätte —, hätte das seinen vollen Erfolg gehabt, was v o n der Akademie v o n Gondishapur beabsichtigt war, dann wären i m 7. Jahrhunderte da u n d dort überall hochgelehrte u n d durch ihre Hochgelehrsamkeit i n außerordentlichem M a ß e geniale Menschen entstanden, welche wandern sollten durch Westasien, durch N o r d a f r i ka, durch S ü d e u r o p a , durch Europa überhaupt u n d die überall verbreiten sollten jene K u l t u r von 666, die v o n der Akademie v o n Gondishapur beabsichtigt war. Diese K u l t u r sollte vor allen D i n g e n den M e n s c h e n ganz auf seine Persönlichkeit stellen, ganz die Bewußtseinsseele schon bringen. Es war nicht möglich geworden, daß dies geschah. D i e W e l t hatte schon eine andere Gestaltung angenommen, als diejenige hätte sein müssen, i n welcher das hätte geschehen können. D a her wurde der ganze Stoß, der versetzt werden sollte der abendländischen K u l t u r v o n der Akademie v o n Gondishapur aus, abgestumpft. U n d statt daß eine Weisheit herausgekommen ist, gegen welche alles das, was w i r heute i n der äußeren W e l t wissen, eine ganze Kleinigkeit wäre, statt daß eine Weisheit durch 229

Eingebung i n spiritueller Weise über alles dasjenige herausgek o m m e n ist, was m a n nach u n d nach durch das Experimentieren u n d durch die Naturwissenschaft bis z u m Jahre 2493 sich erobern w i r d , u n d das durch eine glänzende, großartige Gelehrsamkeit herausgekommen wäre, sind dann nur die Reste davon geblieben i n d e m , was arabische Gelehrte nach Spanien gebracht haben. A b e r es war auch schon abgestumpft. Das ist nicht i n jener Weise herausgekommen, wie es gewollt war, es ist abgestumpft worden. U n d an dessen Stelle ist der M o h a m m e d a nismus, ist Mohammed wx m i t seiner Lehre geblieben, u n d es ist nur der Islam anstelle desjenigen gekommen, was v o n der A k a demie v o n G o n d i s h a p u r hätte ausgehen sollen. D i e W e l t war durch das M y s t e r i u m v o n Golgatha abgebracht worden v o n dieser ihr verderblichen R i c h t u n g . U n d abgebracht worden war sie dadurch, daß schon früher nicht nur das M y s t e r i u m v o n Golgatha geschehen ist, sondern eben dieses M y s t e r i u m v o n Golgatha als solches Ereignis geschehen ist, welches nicht begriffen werden kann v o n den gewöhnlichen menschlichen Kräften bis z u m T o d ; w o d u r c h i n nerhalb der abendländischen Menschheit eben das entstand, was i c h v o r h i n beschrieben habe: Inspiration v o n seilen der Toten fand statt, wie w i r dies bei Tertullian u n d vielen anderen bemerken. D a d u r c h wurde der S i n n der Menschen auf das M y sterium v o n Golgatha u n d damit auf etwas ganz anderes hingelenkt, als dasjenige ist, was v o n der A k a d e m i e v o n G o n d i s h a p u r hätte ausgehen sollen. D a d u r c h verbreitete sich dasjenige, was vethinderte jene hohe, aber teuflische Weisheit, welche die A k a demie v o n G o n d i s h a p u r intendierte, aber es verhinderte die Ausbreitung jener Weisheit z u m H e i l e der Menschheit. Es k a m vieles gebrochen heraus v o n dem, was inspiriert worden war v o n den Toten, aber es war doch die Menschheit davor bewahrt, das über sich ergehen z u lassen, was sie i n ihre Seelen hätte aufnehm e n müssen, w e n n die A k a d e m i e v o n Gondishapur m i t ihrer Tendenz G l ü c k gehabt hätte. Aber solche Ereignisse wie dasjenige, was v o n der A k a d e m i e 230

v o n Gondishapur intendiert war, die gehen gewissermaßen h i n ter den Kulissen der äußeren Weltentwickelung vor sich. Sie gehen i m Übersinnlichen vor sich. D i e M e n s c h e n stehen damit i n Beziehung, aber diese Ereignisse spielen sich durchaus i m Übersinnlichen ab. U n d w i r k ö n n e n nicht solche Ereignisse, weder dasjenige, was intendiert war v o n der Akademie v o n Gondishapur, n o c h das Ereignis von Golgatha, nur nach dem beurteilen, was auf dem physischen Plane geschieht. W i r m ü s sen solche Ereignisse, w e n n w i r sie charakterisieren wollen, i n viel, viel bedeutenderen Tiefen aufsuchen, als man gewöhnlich meint. Zurückgeblieben ist der Menschheit schon etwas von dem, was damals hätte geschehen sollen u n d was nur abgestumpft worden ist, i n d e m v o n etwas Großartigem der phantastische, jämmerliche Islam herausgekommen ist. Geschehen ist schon etwas m i t der Menschheit. Das ist geschehen, daß dazumal die Menschheit, auf welche der Impuls v o n Gondishapur gewirkt hat, dieser neupersische Impuls, der zur Unzeit den ZarathustraImpuls wieder brachte, 1 0 2 daß die gesamte Menschheit, wenn ich so sagen darf, w e n n i c h m i c h trivial ausdrücken darf, einen innerlichen Knacks bis i n die Leiblichkeit h i n e i n bekommen hat. Damals hat die Menschheit einen Impuls bekommen, der bis i n die physische Leiblichkeit hineingeht, m i t dem w i r weiter jetzt i m m e r geboren werden, den Impuls, der eigentlich gleich ist m i t dem, was i c h v o r h i n charakterisiert habe. Jene Krankheit ist der Menschheit eingeimpft worden, die, w e n n sie sich auslebt, zur Leugnung des Vatergottes führt. Also verstehen Sie m i c h recht: D i e Menschheit, insofern sie die zivilisierte Menschheit ist, hat heute i m Leibe einen Stachel. U n d der heilige Paulus spricht sehr viel v o n diesem Stachel. 1 0 3 Diese Menschheit hat i m Leibe einen Stachel. D e r heilige Paulus spricht davon prophetisch. E r hatte i h n als ein besonders vorangeschrittener M e n s c h schon z u seiner Zeit; die anderen bekamen i h n eigentlich erst i m 7. Jahrhundert. Aber dieser Stachel w i r d sich i m m e r mehr ausbreiten, w i r d i m m e r bedeutungs231

voller u n d bedeutungsvoller sein. W e n n Sie heute einen M e n schen kennenlernen, der sich ganz diesem Stachel hingibt, dieser Krankheit - denn das ist ein Stachel i m physischen L e i b , das ist eine wirkliche Krankheit - , dann w i r d er ein Atheist, dann w i r d er ein Gottesleugner, ein Leugner des Göttlichen. Anlage zu diesem Atheismus hat eigentlich jeder M e n s c h , der der m o dernen Z i v i l i s a t i o n angehört; es handelt sich nur darum, ob er sich dieser Anlage hingibt. D e r M e n s c h trägt i n sich jene K r a n k heit, die i h n aufreizt dazu, das Göttliche abzuleugnen, während es eigentlich i n der Tat aus seiner N a t u r folgen würde, es anzuerkennen. Diese N a t u r ist dazumal gewissermaßen etwas mineralisiert worden, zurückgeschraubt worden i n der E n t w i c k e l u n g , so daß wir alle die Gottesleugner-Krankheit i n uns tragen. D u r c h diese Gottesleugner-Krankheit w i r d mancherlei i n den Menschen bewirkt. D u r c h diese Gottesleugner-Krankheit w i r d nämlich ein stärkeres Anziehungsband geschaffen zwischen der Seele des M e n s c h e n u n d seinem Leibe, als früher da war, u n d als es eigentlich i n der menschlichen N a t u r selber liegt. Es w i r d gleichsam die Seele mehr an den Leib angeschmiedet. U n d w ä h rend die Seele d u r c h ihre eigene N a t u r nicht dazu bestimmt ist, teilzunehmen an den Schicksalen des Leibes, wate sie dadurch i n eine B a h n gekommen, w o d u r c h sie i m m e r mehr u n d mehr an den Schicksalen des Leibes teilnehmen würde, auch an den Schicksalen der Geburt u n d Vererbung u n d des Todes. N i c h t s Geringeres haben nämlich schon dazumal — was i n einer mehr dilettantischen F o r m wiederum gewisse Geheimgesellschaften auch i n unserer Z e i t wollen - die Weisen v o n G o n dishapur gewollt, als den Menschen für diese Erde sehr groß zu machen, sehr weise z u machen, aber m i t E i n i m p f u n g dieser Weisheit seine Seele teilnehmen z u lassen am Tode, so daß er nicht die N e i g u n g haben würde, wenn er durch die Pforte des Todes gegangen ist, an dem geistigen Leben u n d an den folgenden Inkarnationen teilzunehmen. Sie wollten i h m geradezu die weitere E n t w i c k e l u n g abschneiden. Sie wollten i h n für sich für eine ganz andere W e l t gewinnen, v o m Erdenleben her konser232

vieren, u m i h n v o n dem abzubringen, w o z u der M e n s c h auf der Erde da ist, was er erst lernen soll i n langsamer, allmählicher E n t w i c k e l u n g u n d w o d u r c h er z u dem Geistselbst, Lebensgeist u n d Geistesmenschen k o m m e n w i r d . D i e Menschenseele w ü r d e also, mehr als ihr vorbestimmt war, m i t der Erde bekanntgemacht werden. D e r T o d , der nur für den Leib vorbestimmt ist, w ü r d e gewissermaßen auch z u m Schicksal der Seele geworden sein. Diesem ist durch das M y s t e r i u m v o n Golgatha entgegengearbeitet. So daß der M e n s c h todverwandt geworden ist, aber durch das M y s t e r i u m v o n Golgatha bewahrt worden ist vor dieser Todesverwandtschaft. H a t auf der einen Seite eine gewisse S t r ö m u n g i n der Weltentwickelung eine stärkere Verwandtschaft der Seele m i t dem Menschenleib bewirkt, als sie dem Menschen vorgeschrieben war, so hat der Christus, u m dem die Waage z u halten, die Seele stärker an den Geist gebunden, als das wiederum vorbestimmt war. So daß also durch das M y s t e r i u m von. Golgatha die Menschenseele näher an den Geist gebracht worden ist, als ihr vorbestimmt war. Dies befähigt uns, erst so recht hineinzuschauen, wie zusamm e n h ä n g t das M y s t e r i u m v o n Golgatha m i t den innersten Kräften der Menschennatur durch die Jahrtausende h i n d u r c h . M a n m u ß das Wechselverhältnis, das v o n A h r i m a n u n d Luzifer dem Menschen bestimmt war, das Wechselverhältnis zwischen Leib u n d Seele vergleichen k ö n n e n m i t dem Wechselverhältnis z w i schen Seele u n d Geist, w e n n m a n historisch richtig an das M y sterium v o n Golgatha herankommen w i l l . D i e katholische Kirche, die sehr stark unter [dem Einfluß der] Reste des Impulses der A k a d e m i e v o n G o n d i s h a p u r stand, die hat 869 auf dem achten ö k u m e n i s c h e n K o n z i l i n Konstantinopel dogmatisch bestimmt, 1 0 4 daß m a n nicht an den Geist z u glauben habe, weil sie nicht etwa jeden aufklären wollte über das M y s t e r i u m v o n Golgatha, sondern Finsternis breiten wollte über das M y s t e r i u m v o n Golgatha. V o n der katholischen K i r c h e ist der Geist 869 abgeschafft worden. Das D o g m a , das da bes t i m m t worden ist, heißt, m a n habe nicht an den Geist zu glau233

ben, sondern n u r an Leib u n d Seele, u n d die Seele habe i n sich etwas Geistartiges. A b e r daß der M e n s c h w i r k l i c h besteht aus Leib, Seele u n d Geist, das wurde durch die katholische K i r c h e abgeschafft. Diese Abschaffung, die ist i n der katholischen K i r che direkt n o c h unter dem Einflüsse des Impulses v o n G o n d i shapur geschehen. D i e Geschichte n i m m t sich eben anders aus, als sie z u m Hausgebrauch der Menschen, die man gerne leiten m ö c h t e , v o n dieser oder jener Seite her oftmals geformt w i r d . D e r M e n s c h also wurde durch das M y s t e r i u m v o n Golgatha geistverwandter gemacht. D a d u r c h sind i m Menschen zwei Kräfte: die Kraft, die i h n seelisch dem Tode ähnlich macht, u n d diejenige Kraft, die i h n wiederum v o m Tode befreit, die i h n z u m Geiste innerlich hinführt. Diese Kraft, was ist sie für eine? Ich habe Ihnen gesagt: Es ist eine A r t Krankheit, was das Gottesleugnerische i m M e n s c h e n ist. D i e Anlage ist eine A r t Krankheit, die w i r alle i n uns tragen innerhalb der zivilisierten Menschheit vermöge unseres bloßen Leibes. D o c h den G o t t abzuleugnen, es ist eine Krankheit, sagt die Geisteswissenschaft, aber diese Krankheit haben w i r i n uns. U n d w i r leugnen, w e n n w i r uns recht verstehen, erst dann den G o t t nicht ab, w e n n w i r i h n durch Christus wieder finden. So wie unser Leib eine Erkrankungskraft i n sich hat, die hintendiert nach der Gottesleugnung, so haben wir, i n d e m w i r die Christus-Kraft so i n uns haben, wie i c h es öfter dargestellt habe, infolge des Mysteriums von Golgatha dadurch eine gesundende, eine heilsame Kraft i n uns. N u n , der Christus ist für uns alle i m wahrsten Sinne des Wortes der H e i l a n d , der A r z t gegenüber jener Krankheit, die den Menschen z u m Gottesleugner machen k a n n . D e r Christus ist ein A r z t dagegen. E r ist ein A r z t für jene verborgene Krankheit, die ich Ihnen jetzt charakterisiert habe. Unsere Z e i t ist i n recht vieler Beziehung eine Wiedererneuer ung jener Zeiten, die sich zugetragen haben z u m Teil durch das M y s t e r i u m v o n Golgatha, z u m Teil durch dasjenige, was 333, z u m Teil durch dasjenige, was 666 geschehen ist. Das hat ganz bestimmte W i r k u n g e n . Sie verstehen das M y s t e r i u m v o n

Golgatha n u r richtig, w e n n Sie sich klar sind darüber: M a n k a n n es nicht verstehen m i t den Kräften, die dem Menschen nur gegeben sind dadurch, daß er physisch bis z u m Tode i n einem physischen Leibe lebt. Selbst die Zeitgenossen, die A p o stelzeitgenossen k o n n t e n erst i m 3. Jahrhunderte, also lange nach ihrem Tode, aus ihren eigenen Kräften heraus als M e n schen das M y s t e r i u m v o n Golgatha verstehen. A b e r alle diese D i n g e gehen i n die E n t w i c k e l u n g ein, d u r c h alle diese D i n g e spielt sich manches ab. U n d es hat sich folgendes abgespielt. W i r sind heute i n einer ganz anderen Lage, als diejenigen waren, die Zeitgenossen C h r i s t i waren oder die i n den folgenden Jahrhunderten bis ins 7. Jahrhundert gelebt haben. W r leben ja bereits i n der fünften nachadantischen Z e i t u n d sind weit darinnen; w i r leben i m 20. Jahrhundert. Das hat zur Folge, daß, i n d e m w i r als Seele geboren werden u n d aus der übersinnlichen W e l t i n die sinnliche hereintreten, w i r n u n wiederum Jahrhunderte vorher i n der geistigen W e l t etwas erleben. So wie diejenigen, die Zeitgenossen des Mysteriums v o n Golgatha waren, Jahrhunderte danach z u m vollen Verständnisse kamen des Mysteriums v o n Golgatha, so erleben w i r eine A r t v o n Spiegelb i l d , bevor w i r geboren werden, u n d zwar Jahrhunderte, bevor w i r geboren werden. Das gilt aber nur für die heutigen M e n schen. D i e heutigen M e n s c h e n tragen alle, i n d e m sie hereingeboren werden i n die physische Welt, etwas m i t , was wie ein Abglanz ist des Mysteriums v o n Golgatha, wie ein Spiegelbild desjenigen, was m a n Jahrhunderte nach dem M y s t e r i u m v o n Golgatha i n der geistigen W e l t erlebte. N u n , diesen Impuls k a n n natürlich derjenige, der nicht übersinnlich schauen k a n n , nicht unmittelbar schauen, aber alle k ö n n e n die W i r k u n g dieses Impulses i n sich erleben. U n d w e n n sie i h n erleben, dann finden sie die A n t w o r t auf die Frage: W i e finde i c h den Christus ? D a z u ist folgendes Erleben notwendig. M a n findet den C h r i stus, w e n n m a n folgende Erlebnisse hat. Erstens das Erlebnis, daß m a n sich sagt: Ich w i l l so weit Selbsterkenntnis anstreben, 235

als es m i r m ö g l i c h ist, nach meiner ganz individuellen menschlichen Persönlichkeit möglich ist. - Keiner, der ehrlich diese Selbsterkenntnis anstrebt, w i r d sich anderes heute als M e n s c h sagen können als: Ich kann das nicht fassen, was i c h eigentlich anstrebe. Ich bleibe m i t meiner Fassungskraft hinter dem, was ich anstrebe, zurück; i c h empfinde meine O h n m a c h t gegenüber meinem Streben. - Es ist dieses Erleben ein sehr wichtiges. D i e ses Erleben m ü ß t e jeder haben, der ehrlich m i t sich selbst, i n Selbsterkenntnis z u Rate geht: ein gewisses Ohnmachtsgefuhl. Dieses O h n m a c h t s g e f ü h l ist gesund, denn dieses Ohnmachtsgefühl ist nichts anderes, als das E m p f i n d e n der Krankheit, u n d m a n ist ja erst recht krank, w e n n m a n eine Krankheit hat u n d sie nicht fühlt. Indem m a n die O h n m a c h t empfindet, sich z u m Göttlichen z u erheben i n irgendeinem Zeitpunkte seines Lebens, fühlt m a n i n sich jene Krankheit, von der ich gesprochen habe, die uns eingepflanzt ist. U n d i n d e m m a n diese Krankheit empfindet, empfindet man, daß die Seele durch unseren Leib eigendich, so wie der Leib heute ist, verurteilt wäre mitzusterben. D a n n , w e n n m a n genügend kräftig diese O h n m a c h t empfindet, dann k o m m t der Umschlag. D a n n k o m m t das andere Erlebnis, das uns sagt: A b e r w i r k ö n n e n , w e n n w i r uns nicht an dasjenige hingeben, was zu erreichen w i r durch unsere Leibeskräfte allein imstande sind, w i r k ö n n e n , w e n n w i r uns hingeben an dasjenige, was uns der Geist gibt, überwinden diesen innerlichen Seelentod. W i r können die Möglichkeit haben, unsere Seele wiederzufinden u n d an den Geist anzuknüpfen. W i r k ö n nen erleben die Nichtigkeit des Daseins auf der einen Seite u n d die Verherrlichung des Daseins aus uns selber, w e n n w i r h i n ü b e r k o m m e n über das Spüren der O h n m a c h t . W i r k ö n n e n die Krankheit spüren i n unserer O h n m a c h t , w i r k ö n n e n [aber auch] den H e i l a n d , die heilende Kraft spüren, w e n n w i r die O h n m a c h t [erlebt haben], dem Tode verwandt geworden sind i n unserer Seele. Indem w i r den H e i l a n d spüren, fühlen wir, daß w i r etwas i n unserer Seele tragen, das aus dem Tode jederzeit auferstehen k a n n i m eigenen inneren Erleben. — W e n n w i r diese

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zwei Erlebnisse suchen, finden w i r i n unserer eigenen Seele den Christus. Das ist ein Erlebnis, dem die Menschheit entgegengeht. Angelus Silesius sagte es, als er die bedeutungsvollen W o r t e sprach: Das Kreuz v o n Golgatha k a n n d i c h nicht v o n dem Bösen, W o es nicht auch i n dir w i r d aufgericht't, erlösen. 1 0 5 Es kann i m M e n s c h e n aufgerichtet werden, i n d e m er die zwei Pole fühlt: die O h n m a c h t durch sein Leibliches, die Aufersteh u n g durch sein Geistiges. Das innere Erlebnis, das aus diesen zwei Teilen besteht, das ist dasjenige, welches z u m M y s t e r i u m von Golgatha w i r k l i c h h i n tendiert. Das ist ein Ereignis, dem gegenüber man sich nicht ausreden kann dadurch, daß m a n sagt, m a n habe keine übersinnlich entwickelten Fähigkeiten. D i e braucht man dazu nicht. M a n braucht n u r w i r k l i c h Selbstbesinnung z u üben u n d den W i l l e n zu dieser Selbstbesinnung, den W i l l e n auch zur Bek ä m p f u n g jenes H o c h m u t s , der heute so gang u n d gäbe ist, welcher den M e n s c h e n nicht bemerken läßt, daß, wenn er sich auf seine eigenen Kräfte verläßt, er h o c h m ü t i g w i r d gegenüber seinen eigenen Kräften. W e n n m a n nicht fühlen k a n n gegenüber seinem eigenen H o c h m u t , daß m a n durch seine eigenen Kräfte o h n m ä c h t i g w i r d , dann kann m a n weder den T o d n o c h die Auferstehung fühlen, dann k a n n m a n nie des Angelus Silesius Gedanken erfühlen: Das Kreuz v o n Golgatha kann d i c h nicht v o n dem Bösen, W o es nicht auch i n dir w i r d aufgericht't, erlösen. D a n n aber, wenn w i r O h n m a c h t u n d Wiederherstellung aus der O h n m a c h t empfinden k ö n n e n , dann tritt für uns der Glücksfall ein, daß w i r eine w i r k l i c h reale Beziehung zu dem Christus Jesus haben. D e n n dieses Erleben ist die W i e d e r h o l u n g desjenigen, was w i r Jahrhunderte vorher i n der geistigen W e l t erlebten. So m ü s s e n w i r es i n seinem Spiegelbild hier i n der Seele auf dem physischen Plane suchen. Suchen Sie i n sich, u n d Sie werden 237

finden die O h n m a c h t . Suchen Sie, u n d Sie werden finden, nachdem Sie die O h n m a c h t gefunden haben, die E r l ö s u n g v o n der O h n m a c h t , die Auferstehung der Seele z u m Geist. Aber lassen Sie sich nicht beirren i n diesem Suchen durch manches, was heute als M y s t i k oder selbst v o n gewissen positiven Bekenntnissen aus gepredigt w i r d . W e n n Harnack 106 zum Beispiel v o m Christus spricht, so ist das nicht wahr, was er sagt, aus dem einfachen G r u n d e , weil dasjenige, was er v o m Christus sagt - lesen Sie es durch —, man v o n d e m G o t t überhaupt sagen kann. Das k a n n m a n ebensogut v o m Judengott sagen, das k a n n m a n ebensogut v o m G o t t der M o h a m m e d a n e r sagen, von allen. U n d viele, die heute sogenannte «Erweckte» sein wollen, die sagen: Ich erlebe den G o t t i n m i r - , aber sie erleben eben n u r den Vatergott, u n d den auch n u r i n einer abgeschwächten G e stalt, weil sie eigentlich nicht bemerken, daß sie krank sind u n d nur traditionell nachreden. So etwas macht z u m Beispiel Johannes Müller. 107 A b e r alle diese haben keinen Christus, denn das Christus-Erlebnis besteht nicht aus einem Erleben des Gottes i n der Menschenseele, sondern aus den zweien: aus dem Erleben des Todes i n der Seele durch den Leib, u n d der Wiederaufersteh u n g der Seele durch den Geist. U n d derjenige, der der Menschheit sagt, daß er nicht bloß den G o t t i n sich fühlt — wie es auch die bloß rhetorischen Theosophen behaupten —, sondern der reden k a n n v o n den zwei Ereignissen, v o n der O h n macht u n d von der Auferstehung aus der O h n m a c h t , der redet von dem w i r k l i c h e n Christus-Erlebnis. D e r aber findet sich auf einem übersinnlichen Wege h i n z u dem M y s t e r i u m v o n Golgatha; er findet selbst die Kräfte, die gewisse übersinnliche Kräfte anregen u n d die i h n hinführen z u dem M y s t e r i u m v o n Golgatha. M a n braucht heute wahrhaftig nicht z u verzweifeln daran, i n unmittelbarem eigenem Erleben den Christus zu finden, denn m a n hat i h n gefunden, wenn m a n sich wiedergefunden hat, aber aus der O h n m a c h t heraus. Das ganze Nichtigkeitsgefühl, das uns ü b e r k o m m t , w e n n w i r über die eigenen Kräfte ohne 238

H o c h m u t nachdenken, das m u ß vorausgehen dem ChristusImpuls. Gescheite Mystiker glauben, w e n n sie nur sagen k ö n nen: Ich habe i n m e i n e m Ich das höhere Ich, das Gottes-Ich gefunden - , das sei Christentum. Das ist nicht C h r i s t e n t u m . Das Christentum m u ß eben auf dem Satze stehen: Das Kreuz v o n Golgatha kann d i c h nicht v o n dem Bösen, W o es nicht auch i n dir w i r d aufgericht't, erlösen. M a n k a n n schon an den Einzelheiten des Lebens verspüren, wie wahr das ist, was i c h sage, u n d m a n k a n n dann aufsteigen v o n diesen Einzelheiten des Lebens zu dem großen Erlebnis von der O h n m a c h t u n d der Auferstehung aus der O h n m a c h t . M e i ne lieben Freunde, es wäre schön, besonders i n unserer Gegenwart, wenn die M e n s c h e n z u m Beispiel folgendes finden würden. Es ist ganz gewiß eine i n den Tiefen der Menschenseelen beruhende Tendenz zur Wahrheit h i n , u n d danach auch, die Wahrheit auszusprechen. A b e r gerade w e n n w i r i n dieser A b sicht drinnenstehen, die Wahrheit auszusprechen u n d dann uns selbst besinnen über dieses Aussprechen der Wahrheit, da können w i r einen ersten Schritt auf dem Wege t u n zu dem E m p f i n den der O h n m a c h t des menschlichen Leibes gegenüber der göttlichen Wahrheit. In dem Augenblicke, w o Sie w i r k l i c h Selbstbesinnung treiben über das Die-Wahrheit-Reden, k o m m e n Sie nämlich auf etwas sehr Merkwürdiges. D e r D i c h t e r hat es gefühlt, i n d e m er gesagt hat: Spricht die Seele, so spricht, ach! schon die Seele nicht m e h r . 1 0 8 - A u f dem Wege, wodurch das, was w i r innerlich i n der Seele als Wahrheit w i r k l i c h erleben, zur Sprache w i r d , stumpft es sich bereits ab. Es ertötet sich i n der Sprache n o c h nicht vollständig, aber es stumpft sich bereits ab. U n d der, der die Sprache kennt, der weiß, daß nichts anderes als die Eigennamen, die n u r ein D i n g i m m e r bezeichnen, rechte Bezeichnungen für dieses D i n g sind. Sobald w i r generalisierte N a m e n haben, seien sie H a u p t - oder Zeit- oder Eigenschaftswörter, sprechen w i r nicht mehr voll die Wahrheit. D a besteht dann die Wahrheit darinnen, daß w i r uns dessen bewußt sind, 239

daß w i r i m G r u n d e genommen m i t jedem Satze v o n der W a h r heit abweichen m ü s s e n . Geisteswissenschaftlich versucht m a n aufzuerstehen aus diesem Geständnis: M i t jeder Behauptung sagst d u die Unwahrheit —, i n d e m m a n i n einer gewissen Weise vorgeht, die i c h Ihnen öfter charakterisiert habe. Ich habe Ihnen öfter gesagt: N i c h t so sehr auf das k o m m t es an i n der Geisteswissenschaft, was gesagt w i r d — denn das würde ebensosehr diesem Ohnmachtsurteil verfallen —, sondern darauf k o m m t es an, wie es gesagt w i r d . — Versuchen Sie einmal zu verfolgen - Sie k ö n n e n das auch i n meinen Schriften tun - , wie eine jede Sache von den verschiedensten Gesichtspunkten aus charakterisiert w i r d , wie i m m e r versucht w i r d , ein D i n g von der einen Seite u n d v o n der anderen Seite z u charakterisieren. N u r dann kann man sich nähern den D i n g e n . Derjenige, der nämlich glaubt, daß die W o r t e selbst etwas anderes sind als eine Eurythmie, der irrt sich gar sehr. D i e W o r t e sind nur eine v o m K e h l k o p f ausgeführte, v o n der Luft mitbewirkte E u r y t h m i e . Sie sind bloß G e b ä r d e n , n u r daß sie nicht m i t den H ä n d e n u n d m i t den Füßen gemacht werden, die G e b ä r d e n , sondern daß sie m i t dem K e h l k o p f gemacht werden. W i r m ü s s e n uns bewußt werden, daß w i r n u r hindeuten auf irgend etwas, u n d daß w i r nur dann ein richtiges Verhältnis zur Wahrheit gewinnen, w e n n w i r i n dem W o r t e H i n d e u t u n g e n auf dasjenige sehen, was w i r ausdrücken wollen, u n d wenn w i r als Menschen so miteinander leben, daß w i r uns bewußt sind, daß i n den W o r t e n H i n d e u t u n g e n leben. D a r a u f w i l l unter anderem auch die E u r y t h m i e weisen, die den ganzen Menschen z u m K e h l k o p f macht, 1 0 9 das heißt, durch den ganzen Menschen das ausdrückt, was sonst nur der K e h l k o p f ausdrückt, damit die Menschen wiederum verspüren, daß auch, wenn sie die Lautsprache sprechen, sie nur G e b ä r d e n machen. Ich sage «Vater», ich sage «Mutter»: W e n n i c h alles generalisieren werde, so k a n n i c h m i c h n u r dann wahrhaftig ausdrücken, wenn der andere sich m i t m i r zusammen i m sozialen Element eingelebt hat i n diese Dinge, w e n n er die G e b ä r d e versteht. W i r 240

erstehen nur dann aus der O h n m a c h t , die w i r schon der Sprache gegenüber empfinden k ö n n e n , w i r feiern daraus die Aufersteh u n g , wenn w i r verstehen, daß, i n d e m w i r den M u n d aufmachen, w i r bereits christlich sein müssen. Dasjenige, was geworden ist aus dem W o r t e , aus dem Logos i m Laufe der Entwickelung, es ist nur dann z u verstehen, w e n n der Logos wiederum mit dem Christus verbunden w i r d , w e n n w i r uns bewußt werden: Unser Leib, i n d e m er das Werkzeug des Aussprechens w i r d , zwingt die Wahrheit herunter, so daß sie teilweise erstirbt auf unseren L i p p e n , u n d w i r beleben sie wiederum i n Christo, w e n n w i r uns bewußt werden, daß w i r sie vergeistigen m ü s s e n , das heißt, den Geist mitdenken, nicht die Sprache als solche h i n n e h m e n , sondern den Geist mitdenken. — Das müssen w i r lernen, meine lieben Freunde. Ich weiß nicht, ob morgen die Zeit das gestatten w i r d , auch öffentlich auf eine solche Sache aufmerksam z u m a c h e n . 1 1 0 Ich w ü r d e es gerne t u n , aber i c h w i l l hier zunächst es aussprechen. W e n n i c h es morgen n o c h einmal zu wiederholen hätte, so m ö gen Sie sich nicht daran stoßen. Ich w i l l hier zunächst sagen, was ich an verschiedenen O r t e n öffentlich gesagt habe. Sehen Sie, m a n kann eine merkwürdige Entdeckung machen. Ich w i l l das an einem besonderen Fall charakterisieren. Ich habe genau studiert die w i r k l i c h sehr interessanten Aufsätze, die Woodrow Wilson geschrieben hat, 1 1 1 Vorträge über amerikanische Geschichte, amerikanische Literatur, amerikanisches Leben. M a n kann sagen, daß v o n diesem W o o d r o w W i l s o n gerade die amerikanische Entwickelung, wie sie so vor sich geht v o n dem amerikanischen Osten nach dem Westen, großartig, gewaltig geschildert w i r d . So ganz als Amerikaner schildert er, u n d sehr fesselnd sind diese i n Aufsätzen wiedergegebenen Vorträge. « N u r Literatur» heißen sie; man lernt das amerikanische Wesen - denn W o o drow W i l s o n ist der typischeste Amerikaner - dadurch kennen, daß man diese Aufsätze liest. N u n habe i c h verglichen — es läßt sich der Vergleich ganz objektiv vornehmen — manches i n den Aufsätzen v o n W o o d r o w W i l s o n m i t Aussprüchen z u m Beispiel 241

v o n Herman Grimm, 112 einem M a n n , der durch u n d durch t y p i scher Deutscher des 19. Jahrhunderts, typischer Mitteleuropäer des 19. Jahrhunderts ist, ein M a n n , der durch seine Schreibweise m i r ebenso sympathisch ist, wie W o o d r o w W d s o n m i r durch u n d durch unsympathisch ist. A b e r das nur persönlich nebenbei. Ich liebe die Schreibweise v o n H e r m a n G r i m m , u n d ich empfinde als etwas m i r ganz Widerstrebendes die Schreibweise v o n W o o d r o w W i l s o n , aber m a n kann dabei ganz objektiv sein: D e r typische Amerikaner W o o d r o w W i l s o n schreibt einfach ganz glänzend, großartig, namentlich über die Entwickel u n g des amerikanischen Volkes. - U n d n u n k a m etwas anderes i n Betracht, i n d e m i c h verglichen habe W o o d r o w W i l s o n - u n d H e r m a n Grimm-Aufsätze, wo beide geschrieben haben über die Methode der Geschichte. M a n k a n n Sätze v o n W o o d r o w W i l son herübernehmen, sie stimmen fast wördich genau überein m i t Sätzen, die H e r m a n G r i m m geschrieben hat, u n d m a n k a n n Sätze von H e r m a n G r i m m herübersetzen i n W o o d r o w W i l s o n s Aufsätze — sie stimmen ganz überein. - Jede E n t l e h n u n g ist ausgeschlossen! Es ist gar keine Rede davon, daß i c h auf eine E n t l e h n u n g hindeuten w i l l ; das ist ganz ausgeschlossen. H i e r ist der Punkt, wo man, ohne ins Bourgeoise, Philiströse zu verfallen, so recht lernen kann: W e n n zwei dasselbe sagen, ist es nicht dasselbe. — D e n n n u n w i r d es z u m Problem: Was ist denn da Merkwürdiges, daß eigentlich viel eindringlicher, viel suggestiver als H e r m a n G r i m m i n seiner M e t h o d e der Geschichte je geschildert hat, W o o d r o w W i l s o n seine Amerikaner schildert, u n d dabei i n seiner Schilderung [wie] i n Sätzen v o n H e r m a n G r i m m spricht? W o h e r rührt das? Es w i r d w i r k l i c h z u m Problem. N u n findet m a n , w e n n man sich darauf einläßt, das Folgende. W e n n m a n H e r m a n G r i m m s Stil verfolgt, alles, was er geschrieben hat, da sieht m a n : Jeder Satz ist persönlich individuell erkämpft, v o n Satz zu Satz alles persönlich individuell erkämpft. Alles geht vor i n dem Lichte der K u l t u r des 19. Jahrhunderts, aber aus der unmittelbarsten Bewußtseinsseele heraus. G l a n z 242

voll schildert W o o d r o w W i l s o n , aber v o n etwas i n seinem U n terbewußtsein selber besessen. Eine d ä m o n i s c h e Besessenheit ist vorhanden. In seinem Unterbewußtsein ist etwas, das i h m eingibt dasjenige, was er n u n hinschreibt. D e r D ä m o n , der natürl i c h auf eine besondere A r t i n einem Amerikaner des 20. Jahrhunderts z u m Vorschein k o m m t , der spricht durch seine Seele. D a d u r c h das Großartige, das Gewaltige. Heute, w o die faule Menschheit so oftmals sagt, wenn sie irgendwo etwas liest: Das habe i c h dort u n d dort auch gelesen - , w o sie n u r auf den Inhalt geht, heute ist die Zeit, wo die M e n s c h heit lernen m u ß , daß es gar nicht mehr so sehr auf den Inhalt ankommt, sondern darauf ankommt, wer etwas sagt; daß man kennen m u ß den M e n s c h e n aus dem, was er sagt, weil die W o r t e nur G e b ä r d e n sind u n d m a n kennen m u ß , wer diese G e b ä r d e macht. Das ist dasjenige, i n das sich die Menschheit hineinleben m u ß . H i e r liegt ein furchtbar großes M y s t e r i u m des allergewöhnlichsten Lebens vor, meine lieben Freunde. Es ist eben ein Unterschied, ob i m persönlichen Ich erkämpft w i r d Satz für Satz, oder aber, ob es v o n unten oder v o n oben oder v o n seitwärts her i n irgendeiner Weise z u m Beispiel eingegeben ist. Suggestiver sogar w i r k t z u m Beispiel das Eingeben, weil m a n demgegenüber, was erkämpft ist, selbst wiederum sich jeden Satz erkämpfen m u ß . U n d die Zeit nähert sich, w o man nicht mehr auf den bloßen wortwörtlichen Inhalt dessen, was man vor der Seele hat, w i r d z u sehen haben, sondern w o m a n w i r d z u sehen haben vor allen D i n g e n auf diejenigen, die das oder jenes sagen; nicht auf die äußere physische Persönlichkeit, sondern auf den ganzen menschlich-geistigen Zusammenhang. W e n n die M e n s c h e n heute fragen: W i e finde i c h den C h r i stus? —, dann m u ß m a n eine solche A n t w o r t geben, denn der Christus läßt sich nicht durch irgendeine Spintisiererei oder durch eine bequeme M y s t i k erlangen, sondern er läßt sich nur erlangen, wenn m a n den M u t hat, sich unmittelbar i n das Leben hineinzustellen. U n d i n einem solchen Falle müssen Sie auch der Sprache gegenüber die O h n m a c h t fühlen, i n die der Leib Sie 243

versetzt hat dadurch, daß er der Träger der Sprache w i r d ; u n d nachher die Auferstehung des Geistes i n dem W o r t e . Das ist es. N i c h t nur: « D e r Buchstabe tötet, der Geist macht l e b e n d i g » , 1 1 3 welcher Ausspruch ja auch vielfach mißverstanden w i r d , sondern schon der Laut tötet, u n d der Geist m u ß erst wieder lebendig machen, i n d e m m a n konkret i m einzelnen Erleben an den Christus u n d an das M y s t e r i u m v o n Golgatha anknüpft. In diesem ersten Schritte findet m a n den Christus: Suchen, nicht bloß, w e n n da oder dort schöne W o r t e stehen, auf ihren Inhalt schauen — heute sind die M e n s c h e n das gewöhnt - , sondern suchen nach den menschlichen Z u s a m m e n h ä n g e n , suchen, wie die W o r t e hervorkommen aus dem O r t e , v o n dem her sie gesprochen sind. Immer wichtiger u n d wichtiger w i r d das. W e n n gerade manche unter uns dies bedenken würden, würden w i r nicht so oft es erleben, daß Leute k o m m e n u n d sagen: D e r hat ja ganz anthroposophisch oder theosophisch gesprochen; m a n lese das nur einmal nach ! - D a r a u f k o m m t es nicht an, was da für W o r t e stehen, sondern, aus welchem Geiste heraus sie sind. N i c h t W o r t e wollen w i r m i t der Anthroposophie verbreiten, sondern einen neuen Geist, den Geist allerdings, der der Geist des Christentums v o m 20. Jahrhundert ab sein m u ß . Das, meine lieben Freunde, wollte i c h n o c h anknüpfen. Ich b i n glücklich, daß i c h es anknüpfen konnte an dasjenige, was ich vor acht Tagen hier ausgeführt habe, u n d daß i c h wiederum z u Ihnen v o n diesen uns alle berührenden Angelegenheiten sprechen konnte, u n d i c h hoffe, daß w i r i n kürzester Z e i t einmal wiederum auch diese Zweigbetrachtungen hier i n Z ü r i c h fortsetzen k ö n n e n . In diesem Sinne denken w i r ja i m m e r daran, w e n n w i r auch räumlich voneinander getrennt sind: W i r sind als A n t h r o p o s o p h e n i n den Seelen beisammen, u n d i n diesem Sinne wollen w i r i m m e r i n dem Geiste der Menschheit, der da walten u n d w i r k e n soll, getreu auch beisammen bleiben.

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Die Zukunft der Menschheitsentwicklung

W e n n jetzt schon wiederholt davon gesprochen worden ist, daß unsere sieben Kulturstufen ihr Ende finden werden durch den K r i e g aller gegen alle, 1 1 4 so müssen w i r uns einen solchen K r i e g aller gegen alle eigentlich ganz anders vorstellen, als m a n bis jetzt gewohnt ist, sich Kriege vorzustellen. W i r m ü s s e n nur einmal ins Auge fassen, was die Grundlage, die eigentliche Ursache dieses Krieges ist. Diese Grundlage oder Ursache ist das Ü b e r h a n d n e h m e n des Egoismus, der Ichsucht, der Selbstheit der Menschen. U n d w i r sind ja n u n m e h r i n unseren Betrachtungen so weit fortgeschritten, daß w i r gesehen haben, welch zweischneidiges, scharfes Schwert dieses Ich des Menschen ist. 1 1 5 W e r nicht begreift, daß dieses Ich ein zweischneidiges Schwert ist, der w i r d k a u m den ganzen S i n n der Menschheits- u n d Weltenentwickel u n g verstehen. A u f der einen Seite ist dieses Ich die Ursache dessen, daß die M e n s c h e n i n sich selbst sich verhärten, daß sie alles, was ihnen zur Verfügung stehen k a n n an äußeren D i n g e n u n d inneren G ü t e r n , i n den Dienst dieses ihres Ichs einbeziehen wollen. Es ist dieses Ich die Ursache, daß sich alle W ü n s c h e des M e n s c h e n darauf richten, dieses Ich als solches zu befriedigen. W i e dieses Ich danach strebt, einen Teil des gemeinsamen Erdenbesitzes an sich heranzubringen als sein E i g e n t u m , wie dieses Ich danach strebt, aus seinem Gebiete alle anderen Iche hinwegzutreiben, sie zu bekriegen, z u bekämpfen: das ist die eine Seite des Ichs. A b e r auf der anderen Seite dürfen w i r nicht vergessen, daß dieses Ich zugleich dasjenige ist, was dem M e n s c h e n seine Selbständigkeit, seine innere Freiheit gibt, was den M e n s c h e n i m wahrsten Sinne des Wortes erhöht. In diesem Ich ist seine W ü r d e begründet. Es ist die Anlage z u m Göttlichen i m Menschen. 245

Dieser Ich-Begriff macht vielen M e n s c h e n Schwierigkeit. Es ist uns ja klar geworden, daß sich das Ich des Menschen herausentwickelt hat aus einer Gruppenseelenhaftigkeit, aus einer A r t umfassenden All-Ichs, aus dem es sich herausdifferenziert hat. U n r i c h t i g wäre es, w e n n der M e n s c h wieder das Verlangen haben würde, m i t seinem Ich unterzugehen i n irgendein A l l b e wußtsein, i n irgendein Gesamtbewußtsein. Alles, was den M e n schen streben läßt, sein Ich zu verlieren, m i t i h m aufzugehen i n ein Allbewußtsein, ist ein Erzeugnis der Schwäche. N u r der allein versteht das Ich, der da weiß, d a ß , nachdem er sich dieses Ich errungen hat i m Laufe der kosmischen Entwickelung, es nunmehr unverlierbar ist, u n d der M e n s c h m u ß vor allen D i n gen nach der starken Kraft streben, w e n n er die Weltenmission versteht, dieses Ich i m m e r innerlicher, i m m e r göttlicher z u machen. D i e wahren Anthroposophen haben nichts v o n jener Phrase i n sich, die da i m m e r wieder betont das Aufgehen des Ichs i n einem A l l - I c h , das Zusammenschmelzen i n irgendeinen Urbrei. D i e wahre anthroposophische Weltanschauung k a n n nur als E n d z i e l die Gemeinschaft der selbständig u n d frei gewordenen Iche, der individuell gewordenen Iche hinstellen. Das ist ja gerade die Erdenmission, die sich durch die Liebe ausdrückt, daß das Ich dem Ich frei gegenüberstehen lernt. K e i n e Liebe ist v o l l k o m m e n , die hervorgeht aus Zwang, aus dem Z u sammengekettetsein. E i n z i g u n d allein dann, w e n n jedes Ich so frei u n d selbständig ist, daß es auch nicht lieben kann, ist seine Liebe eine völlig freie Gabe. Das ist sozusagen der göttliche Weltenplan, dieses Ich so selbständig zu machen, daß es aus Freiheit selbst dem G o t t die Liebe als ein individuelles Wesen entgegenbringen k a n n . Es würde heißen, die Menschen an Fäden der Abhängigkeit führen, w e n n sie irgendwie zur Liebe, wenn auch n u r i m entferntesten, gezwungen werden k ö n n t e n . So w i r d das Ich das Unterpfand sein des höchsten Zieles des Menschen. So ist es aber zu gleicher Zeit, wenn es nicht die Liebe findet, w e n n es sich i n sich verhärtet, der Verführer, der i h n i n den A b g r u n d stürzt. D a n n ist es dasjenige, was die 246

Menschen voneinander trennt, was sie aufruft z u m großen K r i e g aller gegen alle, nicht n u r z u m K r i e g der Völker gegen die Völker - denn der Volksbegriff w i r d dann gar nicht mehr die Bedeutung haben, die er heute hat - , sondern z u m Kriege des einzelnen gegen den einzelnen auf den mannigfaltigsten Gebieten des Lebens, z u m Kriege der Stände gegen die Stände, der Kasten gegen die Kasten, der Geschlechter gegen die Geschlechter. A u f allen Gebieten des Lebens w i r d also das Ich z u m Z a n k apfel werden, u n d daher dürfen w i r sagen, daß das Ich auf der einen Seite z u m H ö c h s t e n u n d auf der anderen z u m Tiefsten führen kann. Deshalb ist es ein scharfes, zweischneidiges Schwert. U n d derjenige, der da den M e n s c h e n gebracht hat das volle Ich-Bewußtsein, der Christus Jesus, er w i r d , wie w i r gesehen haben, symbolisch i n unserer Apokalypse m i t Recht dargestellt als derjenige, der das scharfe, zweischneidige Schwert i m M u n d e hat. W i r haben es ja als hohe Errungenschaft des Menschen hingestellt, daß er zu diesem freien Ich-Begriff gerade durch das C h r i stentum hat aufsteigen k ö n n e n . D e r Christus Jesus hat dieses Ich i n vollem Umfange gebracht. Daher m u ß dieses Ich gerade durch das scharfe, zweischneidige Schwert ausgedrückt werden, das Sie aus dem einen unserer Siegel k e n n e n . 1 1 6 U n d daß dieses scharfe, zweischneidige Schwert aus dem M u n d e des M e n schensohnes geht, das ist wieder begreiflich, denn als der M e n s c h m i t vollem Bewußtsein aussprechen gelernt hat das Ich, da war es i h m gegeben, auf das H ö c h s t e hinaufzusteigen, i n das Tiefste hinunterzusinken. Das scharfe, zweischneidige Schwert ist eines der wichtigsten Symbole, die uns i n der Apokalypse entgegentreten. (Erstes Siegel.) W e n n w i r n u n uns klar sind über das, was am Schlüsse der letzten Betrachtung an uns herangetreten ist, daß auf unsere jetzige K u l t u r diejenige folgen w i r d , die i n den Sendschreiben charakterisiert ist durch die Stadt Philadelphia, so m ü s s e n w i r uns vor allen D i n g e n merken, daß aus dieser sechsten Kulturstufe diejenigen Menschenseelen genommen werden, die hinüberzuleben 247

haben i n das folgende Zeitalter. D a , nach dem Kriege aller gegen alle — wie w i r oft schon betont haben —, w i r d sich ja ausleben i n den Gesichtern, was sich i n der Seele der Menschen i n unserer Z e i t vorbereitet. V o n ganz geringer W i c h t i g k e i t w i r d die sogenannte siebente Kulturstufe sein. W i r leben also i n der fünften Kulturstufe, d a n n folgt die sechste, aus der herausgehen w i r d eine A n z a h l v o n M e n s c h e n voll Verständnis für die spirituelle W e l t , durchdrungen v o n jener G e s i n n u n g der Bruderliebe, die gerade aus der spirituellen Erkenntnis folgt. D i e reifste Frucht unserer gegenwärtigen K u l t u r w i r d i n dieser sechsten Epoche erschein e n . 1 1 7 U n d was darauf folgt, w i r d sein, was lau ist, was nicht w a r m u n d nicht kalt ist. Was als siebente Stufe folgt, ist sozusagen i n der gesamten K u l t u r etwas wie eine überreife Frucht, wie etwas, was hinüberlebt über den großen K r i e g aller gegen alle, aber kein Prinzip des Fortschrittes i n sich enthält. So war es auch, als unsere K u l t u r entstanden ist. D e n k e n w i r zurück an die Z e i t vor der atlantischen Flut. W i r haben gesagt: Es war i m letzten D r i t t e l der atlandschen Zeit, die die M e n schen ja auf dem Boden durchlebten, der heute v o m A t l a n t i schen Ozean bedeckt ist, als sich ein kleines Häuflein i n der N ä h e des heutigen Irland bildete, das zut höchsten Kulturstufe der Atlantis gekommen war u n d das dann auszog nach dem Osten, v o n w o aus alle späteren K u l t u r e n ausgegangen sind. Fassen w i r das so recht ins Auge, denken w i r uns diesen Fleck Erde, der heute jenes M e e r bildet i m Westen v o n Irland, denken w i r uns v o n da ausgehend einen Volksstrom, der nach Osten wandert u n d v o n dem aus eine M e n g e Volksstämme ziehen, die dann Europa bevölkern. Alles, was an europäischer Bevölkerung da ist, das ist v o n daher gekommen. D e r begabteste Teil der Atlantier zog nach Zentralasien; v o n da gingen die verschiedenen K u l t u r e n aus, die w i r beschrieben haben, bis z u uns herein. So also sehen Sie, daß v o n einem kleinen Häuflein adantischer Leute unsere gegenwärtige K u l t u r ihren U r s p r u n g genommen hat. Aber auch diese atlantische K u l t u r hatte sieben aufeinander248

folgende Stufen, geradeso wie unsere K u l t u r sieben Stufen hat, die w i r kennen als die altindische, altpersische, assyrisch-babylonisch-chaldäisch-ägyptisch-jüdische, die griechisch-lateinische, die unsrige u n d zwei weitere. 1 1 8 U n d es war i n der fünften atlantischen Kulturstufe, als diese Wanderung begann, so daß die auserlesenste Bevölkerung der alten Atlantis, die unserer K u l t u r zugrunde liegt, aus der fünften atlantischen Rasse - i n der A t lantis dürfen w i r von Rassen sprechen - genommen ist. 1 1 9 Es folgte noch eine sechste u n d eine siebente Rasse. Das waren sozusagen die lauen Rassen. A u c h sie überdauerten die große Flut, aber i n ihnen war nicht lebendig sprießende Kraft. Sie verhielten sich etwa so z u der fünften Kultur, wie sich die Rinde, die verholzt, verhärtet ist, z u m saftigen Stengel verhält. So waren die zwei Rassen, die auf die eigentliche Stammrasse folgten, nicht entwickelungsfähig; überreif sozusagen waren sie. Sie sehen heute n o c h Nachzügler dieser alten überreifen Rassen, namendich i m chinesischen V o l k . Das chinesische V o l k ist dadurch charakterisiert, daß es sich nicht angeschlossen hat dem, was i n der fünften Rasse, der Stammrasse, geoffenbart worden war. Damals, als der Ätherleib hineinging i n den physischen Leib, war es, w o der M e n s c h die erste Anlage z u m Ichsagen empfing. Sie hatten diesen Z e i t r a u m verpaßt. Sie hatten allerdings dadurch jene hohe K u l t u r entwickelt, die bekannt ist, die aber nicht bildungsfähig war. D i e fünfte atlantische Rasse schickte überallhin ihre Kulturträger, die neue, immer mehr sich vervollkommnende, wachsende Volkskulturen schufen. Ja, das wächst alles, v o n der altindischen K u l t u r bis zur unsrigen. D i e sechste u n d siebente Rasse der Atlantis hatten sich i n die Verhärtung begeben u n d waren daher i n einen stationären Z u stand gekommen. W i e gesagt, die chinesische K u l t u r ist ein Überbleibsel davon. Sie k a n n nicht aus sich herauskommen. Sie hatte i n der alten chinesischen K u l t u r eine wunderbare altatlantische Erbschaft angetreten, aber sie konnte über ihren H ö h e p u n k t nicht hinaus. N i c h t s bleibt unbeeinflußt v o m andern. Sie dürfen die altchinesische Literatur ansehen: v o n überallher ist 249

sie beeinflußt worden, aber ihre Grundfarbe zeigt durchaus den atlantischen Charakter. Dieses Insichgeschlossensein, dieses E r findungenmachen u n d Dabeibleiben, niemals sie über einen gewissen G r a d hinausbringen k ö n n e n , das rührt alles n o c h v o n d e m Charakter der Atlantis her. W i e es dazumal m i t der fünften Rasse gegangen ist, daß sie die Bildungsfähigen geliefert hat, u n d m i t der sechsten u n d siebenten, daß sie i n den Niedergang kamen, so w i r d es auch i n unserer Zeit sein. Jetzt leben w i r n o c h m i t aller Sehnsucht h i n zur sechsten Kultur, z u dem, was so geschildert werden m u ß , daß es aus der spirituellen Ehe zwischen dem Westen u n d dem Osten sich bildet. D a w i r d die sechste Kulturstufe die Grundlage sein für das, was nach dem großen Kriege aller gegen alle als neue Kulturen aufgehen w i r d , ebenso wie nach der adantischen Z e i t unsere K u l t u r e n aufgegangen sind. Dagegen w i r d die siebente Kulturstufe durch die Lauen repräsentiert werden. Diese siebente w i r d so hinüberleben i n die neue Zeit, wie die sechste u n d siebente Rasse der atlantischen Z e i t als verhärtete u n d sich versteifende Rassen i n unsere Epoche herübergelebt haben. N a c h dem Kriege aller gegen alle w i r d es zwei S t r ö m u n g e n unter den Menschen geben: auf der einen Seite die v o n Philadelphia m i t dem Prinzip des Fortschrittes, der inneren Freiheit, der Bruderliebe, ein kleines Häuflein, aus allen S t ä m m e n u n d N a t i o n e n sich zusammensetzend, u n d auf der anderen Seite die große Masse derer, die da lau sein werden, die Überbleibsel derer, die jetzt lau sein werden, die S t r ö m u n g v o n Laodizea. U n d es w i r d sich nach dem großen Kriege aller gegen alle darum handeln, daß nach u n d nach durch die gute Rasse, durch die gute Ström u n g die böse S t r ö m u n g hinübergeführt w i r d z u m G u t e n . Das w i r d eine der Hauptaufgaben sein nach dem großen Kriege aller gegen alle: z u retten, was zu retten ist aus denjenigen, die nach dem großen Kriege n u r das Bestreben haben werden, einander zu bekämpfen, das Ich ausleben zu lassen i m äußersten Egoismus. Innerhalb der Sphäre des O k k u l t i s m u s w i r d für alle solche D i n g e i m m e r vorgesorgt i n der Welt. 250

Betrachten Sie es nicht als eine H ä r t e des Schöpfungsplanes, nicht als etwas, weswegen m a n rechten k ö n n e m i t dem S c h ö p fungsplan, daß also die Menschheit gespalten w i r d i n solche, die zur Rechten u n d die zur L i n k e n stehen werden, betrachten Sie es vielmehr als etwas, was i m höchsten Grade weise i m S c h ö p fungsplane ist. D e n n bedenken Sie einmal, daß gerade dadurch, daß so das Böse sich v o n dem G u t e n trennt, das Gute seine H a u p t s t ä r k e i m G u t e n erhalten w i r d , denn es w i r d das G u t e sich nach dem großen Kriege aller gegen alle jede nur mögliche Anstrengung geben m ü s s e n , u m die B ö s e n i n dem Zeitraum, i n dem es n o c h möglich sein w i r d , wieder herüberzuziehen. Das w i r d nicht eine Erziehungsaufgabe sein, wie heute die Erziehungsaufgaben sind, sondern da werden okkulte Kräfte m i t w i r ken, denn die M e n s c h e n werden i n diesem nächsten großen Z e i t r a u m okkulte Kräfte i n Bewegung z u setzen verstehen. D i e G u t e n werden die Aufgabe haben, auf ihre M i t b r ü d e r der bösen S t r ö m u n g zu wirken. U n d i n den okkulten Weltenströmungen w i r d dieses alles vorbereitet. N u r versteht m a n die tiefste aller okkulten Weltenströmungen am allerwenigsten. D i e W e l tenströmung, die das vorbereitet, sagt folgendes z u ihren S c h ü lern: D a reden die M e n s c h e n von G u t u n d B ö s e , u n d sie wissen nicht, daß es i m Weltenplan notwendig ist, daß das Böse auch z u seiner Spitze k o m m t , damit diejenigen, die dieses B ö s e überw i n d e n müssen, gerade i n der Ü b e r w i n d u n g des Bösen die Kraft so nützen, daß ein u m so größeres Gutes herauskommt. A b e r es müssen die auserlesensten Menschen darauf vorbereitet werden, daß sie hinüberleben über das Zeitalter des großen Krieges aller gegen alle, w o Menschen ihnen entgegenstehen werden, die i n ihrem A n t l i t z haben werden die Zeichen des Bösen, sie m ü s s e n vorbereitet werden darauf, daß soviel als m ö g l i c h gute Kraft einfließen m u ß i n die Menschheit. Es w i r d n o c h möglich sein, daß die bis z u einem gewissen Grade weichen Leiber nach dem großen Kriege aller gegen alle umgeformt werden durch die bekehrten Seelen, durch die Seelen, die n o c h i n diesem letzten Z e i t r a u m zu dem G u t e n hinübergeführt

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werden. D a m i t w i r d viel erreicht werden. Das G u t e w ü r d e nicht ein so großes Gutes sein, w e n n es nicht also wachsen w ü r d e durch die Ü b e r w i n d u n g des B ö s e n . D i e Liebe w ü r d e keine so intensive sein, w e n n sie nicht eine so große Liebe werden m ü ß te, u m selbst das Häßliche i m Antlitze der bösen M e n s c h e n zu überwinden. Das w i r d schon vorher vorbereitet, u n d den S c h ü lern w i r d gesagt: A l s o dürft ihr nicht glauben, daß das B ö s e nicht i m Schöpferplan begründet sei. Es ist darinnen, daß d u r c h es einmal das große Gute sei. Diejenigen, die vorbereitet werden i n ihren Seelen durch solche Lehren, damit sie einstmals diese große Erziehungsaufgabe lösen k ö n n e n , das sind die Schüler jener Geistesrichtung, die m a n nennt das M a n i c h ä e r t u m . D i e Manichäerrichtung w i r d gewöhnlich falsch verstanden. W o Sie irgend etwas hören oder lesen darüber, da vernehmen Sie eine phrasenhafte Rede. D a heißt es, die Manichäer glaubten, es gebe v o n A n f a n g der W e l t an zwei Prinzipien, das G u t e u n d das Böse. So ist es nicht, sondern es ist die Lehre, die Ihnen eben auseinandergesetzt worden ist. Solche Lehre u n d ihre Umsetzung für die Z u k u n f t u n d die Schüler, die angeleitet werden so, daß sie i n künftigen Verkörperungen solch eine Aufgabe leisten k ö n n e n , das ist es, was m a n unter dem N a m e n M a n i c h ä e r t u m versteht. Manes ist jene hohe Individualität, die i m m e r u n d i m m e r wieder auf der Erde verkörpert ist, die der leitende Geist ist derer, die zur Bekehrung des Bösen da sind. W e n n wir v o n den großen Führern der M e n schen sprechen, 1 2 0 so müssen w i r auch dieser Individualität gedenken, welche sich diese Aufgabe gesetzt hat. Es w i r d , w e n n auch i n der Gegenwart dieses Prinzip des Manes sehr i n den H i n t e r g r u n d hat treten müssen, weil wenig Verständnis für den Spiritualismus da ist, es w i r d dieses wunderbar herrliche M a nichäer-Prinzip mehr u n d mehr Schüler gewinnen, je mehr w i r dem Verständnis des spirituellen Lebens entgegengehen. So sehen Sie, wie hinüberlebt die gegenwärtige Menschheit i n die neue, spätere Zeit über den K r i e g aller gegen alle hinaus, ebenso wie jene Stammrasse der Atlantier herübergelebt hat i n 252

unsere Z e i t u n d unsere K u l t u r begründet hat. In sieben aufeinanderfolgenden Stufen w i r d sich nach dem großen Kriege aller gegen alle die Menschheit entfalten. U n d w i r haben schon gesehen, wie dasjenige, was über die Entsiegelung der sieben Siegel gesagt w i r d i n der Apokalypse des Johannes, uns den Charakter angibt der aufeinanderfolgenden sieben Stammkulturen, der sieben Kulturstufen nach dem großen K r i e g e . 1 2 1 D a n n , w e n n diese Kultur, die der heutige M e n s c h nur als Eingeweihter i n der astralischen W e l t u n d i n der S y m b o l i k derselben zu schauen vermag, abgelaufen sein w i r d , dann w i r d eine neue Periode für unsere Erdenentwickelung beginnen, i n der wiederum neue Formen auftreten werden. U n d diese neue Periode, die dann folgt auf die eben beschriebene, die w i r d uns symbolisiert i n der Apokalypse des Johannes durch die sieben Posaunenklänge. Ebenso wie die K u l t u r nach dem großen Kriege aller gegen alle durch die sieben Siegel charakterisiert w i r d , weil sie der Seher heute nur v o n der astralischen Welt aus sehen kann, so w i r d durch die P o s a u n e n k l ä n g e 1 2 2 die Kulturstufe, die auf jene folgt, aus dem G r u n d e so charakterisiert, weil der M e n s c h sie nur wahrnehmen kann v o n der eigentlich geistigen W e l t aus, w o die Sphärenklänge ertönen. W i e der M e n s c h i n Bildern, i n Symbolen die W e l t w a h r n i m m t auf dem astralischen Plan, so n i m m t er i n der inspirierenden S p h ä r e n m u s i k die W e l t i m Devachan wahr, u n d i n diesem Devachan liegt auch sozusagen der G i p f e l v o n dem, was sich auf den großen K r i e g aller gegen alle folgend enthüllen w i r d . So haben wir, w e n n w i r es n o c h einmal darstellen, i n dem nebenstehenden Schema unsere sieben Kulturstufen i n der L i nie a-b, u n d zwar so, d a ß w i r die alte indische K u l t u r als erste haben, die alte persische als die zweite, die assyrisch-babylonisch-chaldäisch-ägyptisch-jüdische als dritte, die griechisch-lateinische als vierte u n d die unsrige als fünfte Kulturstufe der nachatlantischen Z e i t . D i e L i n i e I V wäre die atlantische Zeit, a die große Flut, durch die diese ihr E n d e findet, u n d b der große K r i e g aller gegen alle. D a n n folgt eine K u l t u r v o n sieben Stufen 253

(VI), die repräsentiert w i r d durch die sieben Siegel, u n d dann folgt eine K u l t u r v o n sieben Stufen, die repräsentiert w i r d durch die sieben Posaunen. H i e r Hegt dann überhaupt die Grenze u n serer physischen Erdenentwickelung. N u n gingen der atlantischen K u l t u r , derjenigen K u l t u r , die der unsrigen voranging, auch wiederum Kulturstufen voran. D e n n die unsrige, die auf die atlantische folgt, ist auf unserer Erde bereits die fünfte Kulturstufe. Es gehen ihr vier K u l t u r s t u fen voran. D i e erste k ö n n e n w i r aber k a u m eine Kulturstufe nennen. D a ist alles noch fein ätherisch-geistig, alles n o c h so, daß, w e n n es sich so weiter fortentwickelt hätte, es ü b e r h a u p t nicht für Sinnesorgane unserer A r t sichtbar geworden wäre. D i e erste Kulturstufe entwickelte sich, als n o c h nicht einmal die Sonne sich v o n der Erde entfernt hatte. D a gab es ganz andere Verhältnisse, da kann man nicht sprechen v o n etwas, was unseren D i n g e n ähnlich sah. D a n n folgt eine Zeit, die dadurch charakterisiert w i r d , daß die Sonne sich wegbewegt, dann eine, die dadurch charakterisiert w i r d , daß der M o n d aus der Erde herausgeht. Das ist die dritte Stufe, was w i r die alte lemurische Z e i t nennen. D a tritt der jetzige M e n s c h i n seinen allerersten Anfängen auf unserer Erde auf, von denen i c h Ihnen angedeutet habe, daß es solch groteske Körperformen waren, daß es Sie schockieren würde, w e n n Sie sie geschildert erhielten. 1 2 3 A u f diese, die lemurische Zeit, folgte dann die atlantische u n d endlich die unsrige.

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So sehen Sie, daß w i r sieben Kulturstufen haben auf unserer Erde, sieben Entwickelungsperioden der Erde. A u f zwei sehen w i r zurück als ganz u n d gar unähnlich unserer Zeit, auf eine dritte so, daß sie sich z u m Teil abgespielt hat auf einem Platz 254

zwischen dem heutigen A f r i k a u n d dem heutigen Asien u n d Australien, auf dem alten L e m u r i e n . D a gab es wiederum unter den damaligen M e n s c h e n eine kleine G r u p p e , welche die Vorgerücktesten i n sich faßte. Diese G r u p p e war die allerletzte der Rassen. A l s o , die allerletzte der lemurischen Rassen hatte ein kleines Häuflein, das auswandern konnte u n d das nachher die sieben Rassen der Atlantier begründete. D i e letzte der lemurischen Rassen begründete die atlantischen Rassen. D i e fünfte der adantischen Rassen begründete unsere Kultur. D i e sechste der unsrigen K u l t u r e n begründet die zukünftige K u l t u r nach dem großen Kriege aller gegen alle, u n d die allerletzte dieser K u l t u ren w i r d diejenige z u begründen haben, die durch die sieben Posaunen angedeutet w i r d . U n d nach dieser Kultur, was w i r d dann geschehen? D a ist unsere Erde zunächst am Z i e l ihrer physischen E n t w i c k e l u n g angelangt. D a werden sich alle D i n g e u n d Wesenheiten auf u n serer Erde u m g e ä n d e r t haben. D e n n w e n n w i r schon sagen m ü s s e n , daß i n dem sechsten Zeitraum die M e n s c h e n auf ihrem Antlitze ihr Gutes u n d ihr Böses tragen werden, dann werden w i r u m so mehr v o n jenem siebenten sagen müssen, daß der M e n s c h i n seiner Gestalt u n d alle Wesen i n ihrer Gestalt ein A u s d r u c k sein werden des G u t e n u n d des B ö s e n i n viel höherem M a ß e n o c h als i n dem sechsten Z e i t r a u m . Alles, was Materie ist, w i r d den Stempel des Geistes tragen. N i c h t s , nichts w i r d i n diesem siebenten Z e i t r a u m so sein, d a ß es irgendwie verhüllt werden k ö n n t e . Es ist schon für die Bewohner des sechsten Zeitraumes nicht möglich, daß sie demjenigen, der den B l i c k dafür hat, etwas verhüllen. D e r B ö s e w i r d ausdrücken das Böse, der G u t e das Gute. A b e r i n dem siebenten Zeitraum w i r d es nicht einmal möglich sein, durch die Sprache z u verhüllen, was i n der Seele ist. D e r Gedanke w i r d nicht mehr ein stummer Gedanke sein, der verborgen werden k a n n . W e n n die Seele denkt, w i r d sie auch den Gedanken nach außen erklingen lassen. E r w i r d dann so sein, wie dieser Gedanke schon heute ist für den Eingeweihten. F ü r den Eingeweihten erklingt der 255

Gedanke heute i m Devachan. A b e r dieses Devachan w i r d heruntergestiegen sein bis i n die physische Welt, so wie die astralische W e l t heruntergestiegen sein w i r d bis i n die physische i m sechsten Z e i t r a u m . Heute schon ist der sechste Z e i t r a u m zu finden i n der astralischen Welt, der siebente i n der h i m m l i s c h e n Welt. D e r sechste Z e i t r a u m ist die heruntergestiegene astralische Welt, das heißt die Abbilder, die Ausdrücke, die Offenbarungen davon. D e r siebente w i r d sein die heruntergestiegene himmlische W e l t , der A u s d r u c k derselben. U n d dann w i r d die Erde am Ziele ihrer physischen E n t w i c k e l u n g angelangt sein. D a n n verwandelt sich die Erde i n einen astralischen H i m melskörper. Alles, was an der Erde ist als Wesen, verwandelt sich i n einen astralischen Himmelskörper. D i e physische Substanz verschwindet als physische Substanz, sie geht i n dem Teil, der bis dahin die Möglichkeit gefunden hat sich zu vergeistigen, über i n den Geist, i n die astralische Substanz. A l s o denken Sie w o h l : A l l e diejenigen Wesenheiten der Erde, welche bis dahin die M ö g l i c h k e i t gefunden haben, i n ihrer äußeren materiellen Gestalt auszudrücken das Gute, das Edle, das Intellektuelle, das Schöne, die i n ihrem A n t l i t z einen A b d r u c k zeigen werden des Christus Jesus, die i n ihren W o r t e n einen A u s d r u c k zeigen werden des Christus Jesus, die da tönen werden als tönende G e d a n ken, alle die werden die M a c h t haben, das, was sie an physischer Materie i n sich haben, aufzulösen, wie laues Wasser Salz auflöst. Alles Physische w i r d übergehen i n eine astralische Weltenkugel. Dasjenige aber, was bis dahin es nicht so weit gebracht hat, i n dem Materiellen, i n dem Körperlichen ein Ausdruck des E d l e n , Schönen, Intellektuellen, des G u t e n z u sein, das w i r d nicht die Kraft haben, die Materie aufzulösen. F ü r das w i r d die Materie bestehen bleiben, das w i r d sich verhärten i n die Materie, das w i r d behalten materielle Gestalt. Es w i r d an dieser Stelle der Erdenentwickelung stattfinden ein Aufstieg ins Geistige m i t lauter Gestalten, die i n diesem Astralischen leben werden u n d die ausscheiden werden aus sich eine andere materielle K u g e l , eine Kugel, welche die Wesen enthalten w i r d , die unbrauchbar 256

s i n d für den Aufstieg, weil sie nicht das Materielle auflösen können. So w i r d unsere Erde ihrer Z u k u n f t entgegenleben. So w i r d sie i n ihrer Materie sich i m m e r mehr verfeinern, i n d e m die Seele v o n innen heraus diese Materie allmählich verfeinert, bis sie die Kraft erhält, sie aufzulösen. D a n n w i r d die Z e i t k o m m e n , wo das Nichtauflösbare herausgetrieben w i r d i n einer besonderen Weltenkugel. Sieben Z e i t r ä u m e werden vergehen, während das herausgetrieben w i r d , was i n der Materie sich verhärtet hat, u n d die Kraft, die das herausgetrieben, w i r d die gegenteilige Kraft sein v o n der, welche die guten Wesen hinaufgetrieben haben w i r d . Was w i r d sie denn z u m Auflösen der Materie bringen? Das ist eben die Kraft der Liebe, die durch das Christus-Prinzip gewonnen w i r d . D i e Wesen werden fähig, die Materie aufzulösen dadurch, daß sie die Liebe i n ihre Seele aufnehmen. Je wärmer die Seele w i r d durch die Liebe, desto intensiver w i r d sie wirken k ö n n e n auf das Materielle. Sie w i r d die ganze Erde vergeistigen, verastralisieren, i n eine Astralkugel verwandeln. A b e r ebenso wie die Liebe die Materie auflöst wie laues Wasser das Salz, so w i r d das Gegenteil v o n Liebe hinunterdrücken, wieder u m durch sieben Stufen, alles, was nicht fähig geworden ist, diese Erdenmission zu erfüllen. Das Gegenteil der göttlichen Liebe nennt m a n den göttlichen Z o r n . Das ist der technische Ausdruck. W i e diese Liebe i m Laufe der vierten Kulturstufe der Menschheit eingeprägt worden ist, wie sie i m m e r wärmer u n d wärmer w i r d durch die letzten Kulturstufen unserer Zeit, durch die sechste u n d siebente, so wächst an auf der anderen Seite dasjenige, was die Materie u m sich verhärtet: der göttliche Z o r n . U n d dieses W i r k e n des göttlichen Zornes, dieses Hinausstoßen der Materie, w i r d uns angedeutet i n der Apokalypse des Johannes durch das Ausgießen der sieben göttlichen Zornesschalen. 1 2 4 Stellen Sie sich vor, wie das Ganze sozusagen figürlich sein w i r d : D i e Erde w i r d i m m e r feiner u n d feiner i n der Materie, der M e n s c h auch i m mer geistiger i n seiner Materie, u n d die gröbsten Teile werden 257

nur sichtbar sein i n dem Feinen wie Schalen, wie z u m Beispiel die Reptilien sie abwerfen oder die Schnecken. So werden die harten Teile i m m e r mehr u n d mehr angegliedert sein der sich verfeinernden Materie. In dem letzten Zeitraum, dem Z e i t r a u m der Posaunenklänge, würden Sie schon sehen m i t hellseherischen A u g e n , wie die Menschen aus feinen Leibern bestehen, aus durchgeistigten Leibern, u n d wie diejenigen, die i n sich verhärtet haben das materielle Prinzip, das i n sich bewahrt haben, was heute die wichtigsten Bestandteile der Materie sind, u n d wie das wie H ü l s e n herunterfallen w i r d i n diese materielle Kugel, die als Überbleibsel sein w i r d nach diesem Z e i t r a u m , der durch die Posaunenklänge angedeutet w i r d . Das ist es, was uns die Apokalypse des Johannes als Prophetie gibt. U n d es ist wichtig, daß w i r uns m i t unserer Seele i n diese Prophetie einfühlen, so daß sie befeuernd auf unseren W i l l e n wirkt. D e n n was hat alsdann der M e n s c h aus sich gemacht, w e n n dieser sechste u n d siebente Z e i t r a u m vorüber sein werden? Was hat der M e n s c h d a n n aus seinem Leibe gemacht? W e n n w i r jetzt den menschlichen Leib ansehen, so ist er n o c h nicht der A u s d r u c k der inneren Seele. A b e r i m m e r mehr u n d mehr w i r d der Leib ein Ausdruck dessen werden, was die Seele i n ihrem Innern erlebt. D a d u r c h w i r d das äußere Leibliche ein A u s d r u c k des G u t e n , daß der M e n s c h aufnimmt die höchste Botschaft, die höchste Lehre, die es auf dieser Erde gibt, u n d diese höchste der Lehren ist die Botschaft v o n dem Christus Jesus auf der Erde. Das H ö c h s t e , das uns gegeben werden kann, ist die Botschaft von Christus Jesus. W o h l m ü s s e n w i r sie aufnehmen, u n d nicht bloß m i t dem Verstand. W i r m ü s s e n sie i n unser Innerstes aufnehmen, wie m a n die N a h r u n g i m physischen Leibe aufnimmt. U n d i n d e m die Menschheit sich durch diese Kulturstufe hinüberentwickelt, w i r d sie immer mehr u n d mehr die frohe Botschaft i n ihr Inneres aufnehmen, u n d gerade die A u f n a h m e der Botschaft der Liebe w i r d sie als das Ergebnis der Erdenmission z u betrachten haben. I n den Evangelien, i n dem «Buche», ist die Kraft der Liebe enthalten, alle Kraft der 258

Liebe. U n d der Seher k a n n nichts anderes sagen als: Ich sehe i m Geiste eine Z e i t vor mir, w o dasjenige, was i m Evangelium ist, nicht mehr i n einem Buche draußen sein w i r d , sondern w o das verschlungen sein w i r d v o m M e n s c h e n selber. 1 2 5 Unsere Erdenentwickelung beruht auf zweierlei. Unserer Erde ist vorangegangen dasjenige, was w i r nennen den Kosmos der Weisheit, u n d i h m ist vorangegangen dasjenige, was w i r nennen — das W o r t sagt freilich nicht viel, aber w i r müssen es gebrauchen, weil es gebräuchlich geworden ist - den Kosmos der Stärke, der Kraft. Weisheit u n d Stärke ist es, was die Erde als E r b schaft v o n früheren Entwickelungsstufen, v o m alten M o n d u n d der alten Sonne ü b e r n o m m e n hat. W i r werden sehen, wie i n nerhalb unserer Erdenentwickelung das auch z u m Ausdruck k o m m t dadurch, daß w i r die erste Hälfte der Erdenentwickel u n g nach dem Vertreter der Sonnenkraft, dem Mars, benennen. D e n n jetzt brauchen w i r nur z u bedenken, daß w i r innerhalb unserer Erdenentwickelung i m M a r s dasjenige haben, was der Erde eingepflanzt hat das Eisen. W i r sehen i m M a r s den Bringer von Stärke. U n d i n dem, was die zweite Hälfte der Erdenentwickelung beherrscht, haben w i r den Stellvertreter der alten M o n d e n e n t w i c k e l u n g , den M e r k u r , welcher der Erde die alte Erbschaft des M o n d e s , die Weisheit, einverleibt. So setzt sich uns die Erdenentwickelung zusammen aus M a rs- u n d M e r kurentwickelung. Sie hat als Erbschaft ü b e r n o m m e n zwei starke, gewaltige Kräfte. Das, was sie ererbt hat v o m Kosmos der Stärke, drückt sich aus i m M a r s , u n d was sie ererbt hat v o m Kosmos der Weisheit, drückt sich i m M e r k u r aus. Sie, die Erde selber, soll hinzubringen die Liebe durch ihre M i s s i o n . Diese Liebe soll als das Ergebnis der Erdenentwickelung sich herrlich offenbaren. Das ist ein sehr tiefer Gedanke des Apokalyptikers. Das ist der tiefe Gedanke, der außerdem anknüpft an die ganze übrige Erdenentwickelung. (Siehe das vierte Siegelbild.) N o c h einmal versetzen Sie sich m i t m i r zurück i n die älteste atlantische Zeit, i n jene Zeit, von der w i r gesagt haben, daß die Luft n o c h durchsetzt war v o n Wasser. D e r M e n s c h war n o c h für 259

das Wasser gebaut. In der M i t t e der Adantis erst ist er so weit, daß er sich d e m Wasser entreißt u n d den festen B o d e n betritt. Bis zu der Z e i t , wo die Erde i n der M i t t e ihrer E n t w i c k e l u n g war, müssen w i r das Wasser ebenso als den Träger der menschlichen E n t w i c k e l u n g auffassen wie später die feste Erde. D i e feste Erde wurde sozusagen erst spät der Schauplatz der Menschen. Es ist n u r halb richtig, wenn m a n v o n der ganzen Atlantis wie von einem trockenen Lande spricht. Sie ist i n vieler Beziehung nicht etwa v o m Meere bedeckt, aber v o n einem solchen M i t t e l ding, wie Luft, die v o n Wasser dicht erfüllt ist, u n d diese Wasser-Luft gehört z u dem Elemente, i n d e m der M e n s c h lebte. Erst später wurde er fähig, i n der freien Luft z u leben u n d auf dem festen B o d e n z u stehen. Das ist verhältnismäßig n o c h nicht lange her. So daß w i r sagen, w e n n w i r die Erdenentwickelung überblicken, symbolisch ausgedrückt: W i r haben auf der einen Seite Erde u n d auf der anderen Seite Wasser. Das ist die frühere Zeit. U n d aus dem Wasser ragt hervor die eine der Kräfte bis zur ersten Hälfte der Entwickelung, u n d aus der Erde ragt hervor die andere der Kräfte. Bis zur M i t t e der vierten Periode sprechen wir v o n den Marskräften, von den Kräften, die sozusagen das Wasser gibt, u n d w i r sprechen v o n den Merkurkräften i n der späteren Zeit, w o die feste Erde die Stützkräfte gibt. Das gliedert sich so recht zusammen i n die Vorstellung, daß der M e n s c h gestützt w i r d i n seiner ganzen Erdenmission durch zwei Säulen, jene zwei Säulen, die Sie symbolisch gesehen haben beim M ü n chener K o n g r e ß i m Saale. 1 2 6 Diese zwei Säulen stellen dar die zwei Teile der Erdenmission, die zwei Erbschaften, die der M e n s c h gemacht hat von früheren Zeiten. U n d über ihnen symbolisiert sich dasjenige, was durch die Erde selber erreicht werden soll: die Liebe, die sich darlebt, herrlich sich offenbarend, die gestützt w i r d durch diese Erbschaften. So schildert der Apokalyptiker es w i r k l i c h so, wie es sich darstellt für den Menschen, der aufsteigt i n geistige Regionen. Deshalb w i r d dasjenige, was uns entgegentritt, wenn w i r anschauen, was über die Erde hinaus liegt, was uns entgegentritt i n dem 260

M o m e n t e , w o die Erdensubstanz ihre Materie auflöst ins Geistige, symbolisch angedeutet durch das, was w i r i n dem vierten Siegel sehen. Selbstverständlich m u ß es jetzt umgekehrt erscheinen, w e i l es Zukünftiges darstellt. Es erscheinen uns die zwei Kräfte, welche die Erde als Erbschaft ü b e r n o m m e n hat v o m Kosmos der Weisheit u n d der Stärke, u n d es erscheint uns alles, was als Erfüllung der Erdenmission sich zeigt als die Kraft der Liebe, die der M e n s c h ausbildet, u n d das Ganze erscheint uns wie die Personifikation des zukünftigen Menschen, so daß der M e n s c h der Z u k u n f t , gestützt von diesen beiden Kräften, durchdrungen v o n dieser Kraft der Liebe, uns symbolisch hier entgegentritt. D i e Botschaft der Liebe, das B u c h , das er vor sich hat, ist ein B u c h , das nicht n u r von außen wirkt, sondern das er verschlingen soll. D a sehen w i r vor uns hingestellt das gewaltige B i l d , das hier uns erscheint. « U n d i c h sah einen anderen Kraftengel» - das heißt ein Wesen, das so dargestellt w i r d , weil es schon über dem heutigen Menschen steht - «von den geistigen Sphären h e r a b k o m m e n » , so sieht es der Seher, «der war m i t einer W o l k e bekleidet u n d sein A n t l i t z war wie die Sonne u n d seine Füße wie Pfeiler, feurige Pfeiler.» Das sind die zwei Kräfte, v o n denen w i r gesprochen haben, welche die Erde als Erbschaft empfangen hat. « U n d er hatte i n seiner H a n d ein Büchlein aufgetan; u n d er setzte seinen rechten F u ß auf das M e e r u n d den l i n k e n auf die Erde.» U n d Johannes sprach z u m Engel: « G i b m i r das Büchlein.» « U n d er sprach z u mir: N i m m h i n u n d verschlinge es; u n d es w i r d d i c h i m Bauche g r i m m e n , aber i n deinem M u n d e w i r d es süß sein wie H o n i g . - U n d i c h n a h m das B ü c h lein v o n der H a n d des Engels u n d verschlang es; u n d es war süß i n meinem M u n d e wie H o n i g . » D a haben w i r das, was uns gesagt werden m u ß als die E m p f i n dung, die auftritt i m Seher, w e n n er seinen B l i c k hinrichtet auf den Punkt, wo die Erde aus dem Physisch-Materiellen ins Astralisch-Geistige übergeht, wo die Erdenmission erreicht ist. U n d w e n n der Seher dies sieht, dann lernt er, was w i r k l i c h m i t dieser Botschaft der Liebe z u s a m m e n h ä n g t , die als Impuls auf der 261

vierten Kulturstufe hereingezogen ist: er lernt schon i m heutigen Leben, wie der Apokalyptiker es gelernt hat, was Seligkeit ist u n d was der Menschheit als Seligkeit vorangestellt werden k a n n . Aber er lernt es eben i m heutigen Leibe; denn wenn auch ein n o c h so hohes Wesen m i t Menschen leben wollte, m ü ß t e es sich fleischlich verkörpern. U n d i n mancher Beziehung gibt der heutige Leib gerade dadurch, daß er dem Geist die Möglichkeit bietet, h o c h hinaufzusteigen, auch die Möglichkeit zu leiden. W ä h r e n d also die Seele des Sehers, die der Apokalyptiker geschildert hat, i n geistige Regionen hinaufsteigen kann, u m das Evangelium der Liebe zu empfangen, u n d i m Geiste die Seligkeit süß wie H o n i g empfinden kann, lebt der Seher doch i n einem heutigen Leibe, u n d dementsprechend m u ß er ausdrükken, daß das Hinaufsteigen i m heutigen Leibe i n vieler Bezieh u n g das G e g e n s t ü c k jener Seligkeit hervorruft. Das drückt er dadurch aus, daß er sagt, das Büchlein mache i h m , ob es gleich süß sei wie H o n i g , als er es verschluckt hat, grimmige Schmerzen i m Bauche. A b e r das ist n u r ein kleiner Abglanz v o n dem, «im Leibe gekreuzigt» z u sein. Je höher der Geist steigt, desto schwieriger w i r d i h m das W o h n e n i m Leibe. U n d das ist zunächst der symbolische A u s d r u c k für diese Schmerzen: «Gekreuzigt sein i m Leibe.» D a m i t haben w i r skizzenhaft angedeutet, was geschehen w i r d innerhalb unserer Erdenentwickelung, was dem Menschen i n der Erdenentwickelung bevorsteht. W i r sind herangekommen bis zu dem P u n k t , wo der M e n s c h verwandelt w i r d , verwandelt w i r d ins Astralische, w o die Erde i n ihren besten Teilen als physische Erde verschwinden u n d ins Geistige übergehen w i r d , w o nur etwas wie ein abgesonderter Teil durch den götdichen Z o r n abfallen w i r d i n den A b g r u n d . U n d w i r werden sehen, daß selbst da noch nicht die letzte Stufe erstiegen ist, aus der nicht Rettung möglich wäre, obzwar dasjenige, was sich geltend macht i n dem A b g r u n d , d u r c h die furchtbarsten Symbole gekennzeichnet w i r d : durch das siebenköpfige u n d zehnhörnige u n d durch das zweihörnige T i e r . 1 2 7 262

Polarität und Steigerung des Bösen. Nachwort des Herausgebers

1. Ursprung und Wesen des Bösen I m Folgenden soll versucht werden, die G r u n d m o t i v e der i n f ü n f G r u p p e n zusammengestellten Vorträge herauszuarbeiten, i n größere Z u s a m m e n h ä n g e u n d weitere ergänzende Äußerungen R u d o l f Steiners hineinzustellen. Gerade das T h e m a des B ö sen fordert dazu auf, nicht bei der geisteswissenschaftlichen E i n zeläußerung stehen z u bleiben, sondern sich geistig i n «Beweg u n g » zu versetzen, u m weiteres heranzuziehen — gerade an diesem T h e m a erlebt m a n , wie Geisteswissenschaft erst entsteht durch den ständig wechselnden Betrachtungsstandpunkt. M a n w i r d besonders auf diesem Felde erleben, wie ein u n d dasselbe i n scheinbar ganz «widersprüchlicher» Weise charakterisiert w i r d . D o c h v o n solchen lebendigen Widersprüchen lebt die Welt, u n d das P h ä n o m e n des Bösen ist ein Teil von ihr. — D i e Äußerungen z u m T h e m a des Bösen sind — wie alle geisteswissenschaftlichen - i m m e r als K e i m e z u verstehen, die nicht nur erlauben, sondern dazu auffordern, durch einen das D e n k e n , die E m p f i n d u n g u n d die Erfahrung einbeziehenden U m g a n g belebt zu werden, so daß sie z u Erkenntnissen führen, die nicht direkt ausgesprochen wurden. Diese F o r m des Umgangs kann m a n als eine künstlerische bezeichnen, weil m a n selber schafft, statt nur nachzudenken. Erst dann k o m m t m a n über das A b strakte hinaus, das dem Verstehen des B ö s e n als größtes H i n d e r nis entgegensteht. Was die ersten beiden Vorträge entwickeln, läßt ein zunächst «dualistisches» B i l d v o n B ö s e u n d G u t entstehen: einmal w i r d 263

mehr v o m Betrachtungsstandpunkt der menschlichen, das andere M a l der außermenschlichen N a t u r ein Urgegensatz entwikkelt. Z u n ä c h s t w i r d m i t einem geschichtlichen U b e r b l i c k eröffnet, der auf exemplarische philosophische Erklärungsversuche des Bösen hinweist - u n d ihr jeweiliges E n d e n i n Widersprüchen oder Sackgassen zeigt, das i n der Resignation vor einer Erkenntnisgrenze gipfelt, also vor dem Eingeständnis des Verstandes, daß er die Aufgabe nicht lösen kann. D a n n w i r d über das wahre Wesen des Bösen, des Unmoralischen gesprochen, das sich einem dann enthüllt, w e n n m a n erkennend i n die geistige Welt eindringt. D e r Ursprung des Bösen w i r d hier i n lapidarer F o r m bezeichnet: es ist der i n der sinnlichen W e l t ausgelebte Egoismus. A u f i h n ist alles zurückzuführen, was böse wirkt. In der sinnlichen W e l t müssen w i r uns dazu erziehen, selbstlos z u werden. (Das k a n n aber nicht heißen, daß m a n sich jede F o r m der Selbstliebe aberziehen soll; das wäre auch unmöglich. O h n e jede Aufmerksamkeit für die eigenen Belange w ü r d e m a n sich an die W e l t verlieren.) In der geistigen Welt jedoch ist eine Steigerung der Kraft zur Selbsterhaltung notwendig. A b e r sie erwerben w i r gerade durch ein selbstloses Leben i m Irdischen; u n d der Egoismus k o m m t zustande durch ein «Sich-Verirren» jenes Geistes, der i m Leben zwischen T o d u n d neuer G e b u r t wirken soll, i n das irdische Leben. E i n e solche Charakterisierung m u ß m a n intensiv i n das Gefühl aufnehmen; man m u ß sie sich als Bewegung vorstellen, die eine Qualität hat: ein Berechtigtes «verirrt» sich i n einen anderen Bereich, dadurch w i r d es böse. Es w i r d also das Böse nicht m i t einem So-oder-So-Sein definiert, sondern ein Prozeß beschrieben, der eine Metamorphose bewirkt. (Märchen enthalten ein Erziehungsmittel z u diesem Metamorphosedenken u n d -fühlen, wobei oft die entgegengesetzte R i c h t u n g dargestellt w i r d : aus dem Frosch w i r d ein K ö n i g s s o h n , aus dem Bösen ein Wohltäter). D u r c h diesen Versetzungsvorgang w i r d n u n das z u m H ö c h s t e n Führende - die volle Selbsterhaltungskraft des Ich i m Geistigen - gerade Anlaß zur tiefsten Verirrung des Bösen, des Verbrechens! So m u ß m a n 264

auch sagen: daß w i r böse sein k ö n n e n , ist n u r dadurch möglich, daß w i r geistige Wesen sind. W e n n m a n nicht den M u t zu diesem Gedanken hat, dann m u ß man wie das 19. Jahrhundert u n d die Gegenwart vor der «Erkenntnisgrenze» stehenbleiben. N u r aus dem Geistigen ist das Böse erklärbar; so haben es tiefer empfindende M e n s c h e n wie der i m Vortrag erwähnte, heute vergessene P h i l i p p M a i n l ä n d e r gesehen. U n d böse macht uns nicht die Materie, i n der w i r untertauchen, sondern allein das Translozieren von Kräften in den falschen Zusammenhang. Das ist n u n ein G r u n d m o t i v beider Vorträge. Es geht aber auch auf umgekehrtem Wege wie zuvor geschildert. Schleppen w i r aus unserem Sinnesbewußtsein all die Ergebnisse des Egoismus: die Befangenheit i m Subjektiven, unsere Irrtümer, die Verliebtheit i n M e i n u n g e n i n die geistige Welt - dieselbe Welt, die uns jede N a c h t während unserer Unbewußtheit m i t neuen Kräften aufbaut —, dann nehmen w i r ebenso viele Kräfte auf, die den Leib zerstören, uns krank machen, wie w i r U n v o l l k o m m e n h e i t e n haben, denen w i r uns nicht gegenübergestellt haben. D e r normale M e n s c h ist durch die Bewußtlosigkeit, i n der er auch keine Irrtümer produzieren kann, davor geschützt, doch der Schutz hört auf, wenn m a n hellsichtig w i r d . D a r u m setzt E i n w e i h u n g Selbsterziehung voraus. D e r zweite Vortrag weist uns auf das Erlebnis einer Erkenntnisgrenze h i n . E r zeigt nämlich, daß zwar das Begriffe verarbeitende, urteilende D e n k e n uns für die Lebenspraxis tüchtig macht, daß es aber nicht i n die Tiefe der Wahrheit hinabführt. E i n e E m p f i n d u n g davon bekommt man dadurch, daß sich sehr gut m i t diesem D e n k e n allerlei finden läßt, das i n keinem Z u sammenhang m i t der W i r k l i c h k e i t steht. Ja, K a n t hat gezeigt, daß m a n z u m Beispiel zur Entstehung des Kosmos entweder einen endlichen A n f a n g oder auch eine Existenz seit Ewigkeit annehmen u n d begründen k a n n - u n d beides ist der Vernunft u n g e n ü g e n d , einmal ist es dem Begreifen zu klein, das andere M a l z u groß. M a n k o m m t also zu dem realen Erlebnis der Erkenntnisgrenze - sie liegt aber i m verwendeten Werkzeug 265

begründet. Was führt über diese Grenze hinaus? H i e r betreten w i r einen Schulungsweg, auf dem w i r uns viel intensiver m i t der W e l t verbinden als m i t dem abstrakten Urteilen. Es geht darum, die W e l t sich selbst aussprechen zu lassen, ohne ihr m i t unserem voreiligen Verstand ein Geständnis v o n «Wahrheiten» abzupressen. Das ist die S t i m m u n g der Ergebenheit. D i e erst Vorstufe z u ihr ist Staunen: die A h n u n g , das i n dem äußeren Sinneseindruck ein tieferes Geheimnis verborgen ist, das doch i n der Erscheinung zur Offenbarung k o m m t - aber w i r k ö n n e n es n o c h nicht enträtseln. Das ist eine E m p f i n d u n g , die schon für das Erleben des Geistigen öffnet. I h m gegenüber gilt es, sich innerlich «zurückzunehmen», still z u w e r d e n . 1 2 8 A s erstes k o m m t m a n z u einem Erleben, das dem künstlerisch E m p f i n denden schon zugänglich ist. A l l e T ö n e , Farben u n d G e r ü c h e , W o l k e n f o r m e n , Baumgestalten usw. erregen etwas wie eine willenshafte A n t w o r t i m Innern; das w i r d durch den physischen Leib vermittelt. D a r a u f aber folgt ein Erleben, das mehr durch den Ätherleib vermittelt w i r d . A u f diese nächste Stufe k o m m t es n u n an. A n einem grünen Pflanzenblatt u n d einer rissigen Baumrinde z u m Beispiel entfalten sich Erlebnisse. Das grüne Blatt beginnt über sich hinauszuweisen — m a n erlebt an i h m die H e r v o r b r i n gungskraft der Pflanze, i m m e r neue Organe zu entfalten u n d sich weiterzuentwickeln. Dagegen erscheint die tote R i n d e so, daß m a n das Gefühl eines Sich-Zusammenziehens hat: sie ist äußerlich mehr als das, was an Kraft für ein Weiterentwickeln i n ihr liegt, denn sie ist abgestorben. M i t diesem Erleben betritt man die «Welt des Entstehens u n d Vergehens» i m Ätherischen. Sie ist eine W e l t «waltender Weisheit»; wo diese wirkt, ist E n t stehen, W a c h s t u m . Das Sprießende, Wachsende ist i m m e r durchdrungen v o n Weisheit. W o sie sich abzieht, hat es Vergehen zur Folge. Das Sterbende ist ein aus der Weisheit Fallendes. W e n n w i r n u n zu ersten Stufen geistiger Erkenntnis aufsteigen — u n d das bedeutet auch: Teile des vorher unbewußten Schlaflebens beginnen sich aufzuhellen —, 1 2 9 dann m ü s s e n w i r 266

feststellen, daß zwischen unserer U n v o l l k o m m e n h e i t , die A u s druck des Egoismus ist, u n d krankmachenden, zerstörenden Kräften eine A n z i e h u n g u n d Verwandtschaft besteht. Was w i r an U n v o l l k o m m e n h e i t e n u n d an B ö s e m i n die geistige W e l t tragen, das erweist sich als Kraft der Zerstörung, des Todes an unserem physischen u n d ätherischen Leib. Korrespondierend z u m menschlichen P h ä n o m e n des Egoismus (siehe erster Vortrag) erblicken w i r i n der N a t u r Erscheinungen des Verwesens, die dem Wachsen so gegenüberstehen wie das Unmoralischsein dem Moralischsein. In der N a t u r w i r k t als Abtötendes, was i n uns egoistisch ist u n d uns solange nichts schadet, wie w i r nicht bewußt i n geistige W e l t e n aufsteigen. W i e k a n n m a n verstehen, daß das Sterben i n der N a t u r m i t dem verkehrten Egoismus des M e n s c h e n «korrespondiert»? H i e r gilt es, sich n o c h eine tiefere Schicht zu erarbeiten, w o das Urphänomen erkennbar w i r d , aus dem « E g o i s m u s » u n d «Tod» ableitbar sind. Dieses U r p h ä n o m e n besteht zunächst einmal aus dem Vorgang der Absonderung, dem A b s c h n ü r e n eines Wesens v o m ganzen Kosmos. D e r Schöpfungsakt des Ich-Wesens war ein solches Absondern. D a d u r c h erhält dieses Wesen die M ö g lichkeit der Selbständigkeit, eine freie Beweglichkeit i m G a n zen. D a d u r c h kann ein weiteres h i n z u k o m m e n , das als M o t i v i n beiden Vorträgen v o n zentraler Bedeutng ist: das B ö s e k o m m t ja erst durch ein Dislozieren zustande; denn der Egoismus ist nicht an sich böse, sondern dann, wenn er am falschen Platz ausgelebt w i r d . Ebenso ist «Tod» i n seinem wahren Charakter das Trennen eines Wesensinhaltes v o n seinem Zusammenhang. T o d bedeutet, d a ß etwas seinen wahren S i n n nicht erfüllen kann, v o n dem O r t ausgeschlossen w i r d , an dem es seinem Wesen g e m ä ß wirken sollte. 1 3 0 Das ist also die zweite notwendige Komponente des U r p h ä n o m e n s : das Dislozieren, i n einen falschen oder wesensungemäßen Zusammenhang versetzen. Es soll versucht werden, dieses z u s a m m e n h ä n g e n d e D o p p e l m o t i v Absonderung-Dislokation stufenweise durchzuführen, wobei der Zusammenhang m i t einer V i e l z a h l v o n Begriffen 267

gezeigt w i r d , die teils i n volkstümlicher, teils i n geisteswissenschaftlicher Sprache u m das Geheimnis des B ö s e n kreisen u n d damit auch u m die Gesetzmäßigkeit aller E n t w i c k l u n g - denn das B ö s e ist ja n u r als E n t w i c k l u n g s p h ä n o m e n z u verstehen. Blickt m a n auf das Mineralische, so ist sein Zustand der, den unser Leib erst durch den T o d erreicht. Das Mineralische als das Spezifikum der Erdenentwicklung ist tot. Es ist geistigen U r sprungs, aber ganz z u m Ende geführter Schöpfungsprozeß, W e r k . «Materie ist ein T r ü m m e r h a u f e n des G e i s t e s » . 1 3 1 D a durch, daß die Materie so weit v o n ihrem geistigen Wesen entfernt ist, n i m m t sie für den Menschen den Charakter des Scheins, der Maja, an. A u f dem Felde des Lebendigen u n d damit i n der Zeit w i r k t sich unser U r p h ä n o m e n so aus, daß sich ein Wesen entweder z u rasch oder zu langsam entwickeln k a n n : Späteres vorwegnehm e n d oder Altes konservierend. Sekundär k ö n n e n sich daraus W i r k u n g e n auf andere Wesen ergeben: ihre E n t w i c k l u n g akzelerierende oder hemmende Einflüsse (im Verhältnis z u m H a u p tentwicklungsstrom z u denken). - M e h r i m H i n b l i c k auf die sich entwickelnden F o r m e n u n d Organbildungen kann das U r p h ä n o m e n so wirken, daß entweder F o r m , O r d n u n g chaotisiert, zerstört oder aber verhärtet, zur Erstarrung gebracht w i r d . So entsteht auch das, was an T i e r oder M e n s c h nicht entwicklungsgemäß auftritt u n d dann Krankheit genannt w i r d . D i e Gedanken gehören auch als Wirksames z u m Lebendigen. A l s Begriffe bilden sie dann eine abgesonderte Welt. L ö s t sich Gedanken- oder Vorstellungsartiges aus dem Z u s a m m e n h a n g (der hier «Wahrheit» heißt), so entsteht Täuschung oder, w e n n es bewußt geschieht, Lüge. In F o r m seelischer Bewegung k a n n das U r p h ä n o m e n sich i n Antipathie u n d H a ß manifestieren, also i n dem starken A b l e h nen eines gegebenen Zusammenhangs m i t anderen Wesen; oder i n umgekehrter R i c h t u n g als Sehnsucht nach Unerreichtem, Fernem, als Verlangen u n d Begierde, oder als Schmerz der E n t behrung bis z u m Resignieren. (Verwandt m i t dem H a ß ist die 268

Furcht, die als eine dominierende Seeleneigenschaft bei Tieren z u finden ist). Begierdeartige wie antipathische Abgesondertheit sind seelisch schmerzhaft, denn das seelische Wesen strebt nach einem anderen Z u s t a n d als dem, den es hat. D e r H a ß k a n n zur «Hölle» werden, ebenso aber auch die Entbehrung, die zur «Verd a m m n i s » w i r d , w e n n nämlich nichts anderes mehr möglich ist als diese E m p f i n d u n g e n . E i n e dritte Möglichkeit wäre das Vergessen dessen, w o m i t die Seele einmal verbunden war (die H e i mat, die K i n d h e i t , andere Menschen, oder auch: die G ö t t e r ) . D i e göttlichen Schöpferwesen zu vergessen ist auch eine H ö l l e , ein A b g r u n d . - In den genannten Seelenbewegungen w i r d absondernde D i s l o k a t i o n erst erzeugt. A l s innersten Impuls eines Ichs k ö n n e n w i r das U r p h ä n o m e n fassen z u m Beispiel als Auflehnung gegen die W i r k s a m k e i t anderer Iche, als Sich-Widersetzen - jeder kennt dieses P h ä n o m e n , das bei K i n d e r n i n einem bestimmten A l t e r gesetzmäßig auftritt; das ist Voraussetzung — u n d zugleich Ausfluß - des Freiwerdens im Willen, des aufkeimenden Selbstbewußtseins. D a m i t ist allerdings auch die Möglichkeit der wissendichen «Sünde» verbunden. H i e r zeigt sich eine F o r m des Egoismus: das Fürsich-selbst-sein-Wollen. - Eine gegensätzliche F o r m zeigt sich i n dem Besitzen-Wollen, Sich-Aneignen oder dem Bestreben, die eigene Willenskraft als ein Sphäre über ein anderes Wesen auszudehnen: als Machtgier. V o m Standpunkt des anderen Wesens zeigt sich die A n e i g n u n g i n ihrer Kehrseite: es kann durch das Fremde, von dem es überwältigt w i r d , v o n seinem eigenen W e sen entfremdet werden, k a n n seiner Freiheit beraubt werden; oder es w i r d als Versuchung u n d Verführung erlebt. In einer Steigerung gedacht w i r d daraus Besessenheit. — Schwieriger ist der Vorgang des Opfers z u fassen, nicht n u r äußerlich verstanden, sondern das ganze Wesen erfassend, wie es für bestimmte rein geistige Wesen d u r c h die Geisteswissenschaft beschrieben w i r d . Im Bilde k a n n m a n sich vorstellen, wie etwa der K a p i t ä n auf einem sinkenden Schiff bleibt, bis der letzte v o n B o r d gehen konnte, u m schließlich m i t dem Schiff unterzugehen. M i t 269

diesem Opfer wurde ein Verzicht geleistet auf die weitere E n t w i c k l u n g i m allgemeinen irdischen Lebensstrom, damit aber w i r d anderen M e n s c h e n die Gnade zuteil, weiterzuleben. E i n e kompliziertere F o r m wäre ein Opfer, das auf die Weisung eines höherstehenden Wesens geschah (etwa durch den Befehl des Vorgesetzten, wie beim Militär). - D e r Opfervorgang v o n der anderen Seite erlebt ist ein Geschenk, oder eine Gnade, ein nicht durch den eigenen W i l l e n Erlangtes. D a m i t wurde auf den vier Stufen, i n die sich die Leiblichkeit des M e n s c h e n differenziert, das U r p h ä n o m e n i n U n t e r p h ä n o me aufgeblättert. Im Physischen: T o d , M a j a - i m LebendigÄtherischen: zeitliche Deplaziertheit (sowie H e m m u n g oder Akzeleration), A u f l ö s u n g oder Verhärtung i n F o r m b i l d u n g u n d O r d n u n g des Organismus (zeitlich-räumliche Aspekte der Krankheit) - i m Seelischen: H a ß (Furcht), Vergessen, Sehnsucht, Begierde; i m Dauerzustand: «Hölle» u n d «Verdammnis» — i m Ich selber: A ufle hn u n g , Abtrünnigkeit (im Z u s a m m e n hang m i t freiem W i l l e n , Selbstbewußtsein, aber auch « S ü n d e » ) ; Machtstreben (Entfremdung u n d Besessenheit als Kehrseite); Opfer, Verzicht (Gnade als anderer Aspekt). I m Ich sind überhaupt alle Möglichkeiten gebündelt. D e n n erst i m H i n b l i c k auf das Ich ist das U r p h ä n o m e n : Absonderung plus Sich-Entfernen-aus-dem-Urzusammenhang verständlich. Indem das Ich als Wesen m i t freiem W i l l e n i n den Kosmos gestellt ist, entwickelt es « E g o i s m u s » . Aus i h m entspringt alles weitere direkt oder als Folge: Sich-Abkapseln oder Machtstreben, H a ß oder Sehnsucht, H e m m u n g oder Beschleunigung der E n t w i c k l u n g , Krankheit, Zerstörung, T o d . Das Ich k a n n sich gegen die i m eigenen Innern wirkenden Kräfte wie das Gewissen (ein Gnadeelement, das es m i t göttlichen Wesen verbindet), auflehnen, k a n n sich etwas aneignen wollen, das n o c h nicht an der Z e i t ist oder nicht i n der richtigen Situation steht, k a n n sich endlich ganz der Absonderung i m Bewußtsein hingeben, n u r n o c h sich selbst w o l l e n d , u n d die G ö t t e r v o l l k o m m e n i n Vergessen versinken lassen. - N u n w i r d die Korrespondenz erkennbar: 270

was i m Physischen u n d Ätherischen T o d u n d M a j a , Krankheit u n d Entwicklungsstörung heißt, das erleben w i r i m SeelischGeistigen als Böses. W e n n aber Zerstörendes aus der objektiven N a t u r an uns herankommt, wie Erdbeben oder Vulkanausbrüche, so erleben w i r d es als ein «objektives Böses», als Übel. — D a m i t zeigt sich aber auch, daß das B ö s e nicht aus der S c h ö p fung ausradiert werden kann, weil es ein Störfall i m Kosmos ist, ebenso wie m a n den T o d oder die Materie nicht eliminieren k ö n n t e . D e n n dann m ü ß t e man erst die Tatsache des Ichs e l i m i nieren. A b e r aus i h m entspringt auch Opferfähigkeit - u n d die Kraft der Liebe. Sie ist es, die die i n der Sonderung angehäufte Schuld wieder z u m Leben wandeln k a n n . Das Ich steht gerade m i t dem Physischen, also der untersten Stufe, i n einer engen Verbindung. D e n n die Möglichkeit, sich als freies Wesen selbst ein B i l d von der W e l t zu machen (Erkenntnis), ist gegeben durch die Sinne i m physischen Leib. Sie sind tendenziell das Toteste, Physikalischste i n i h m (z.B. das Auge), der Außenwelt daher Ähnlichste, u n d sind n u n gerade das M i t t e l , u m i n das abgesonderte Ich-Wesen wieder die W e l t einströmen zu lassen. So ist die Sinnesfähigkeit die Brücke z u m Selbstloswerden. Polar dazu kann jedoch alles, was durch die Sinne einströmt, bloß zur N a h r u n g des Egoismus dienen - die Sinne sind i n sich ambivalent! Das Problem v o n Selbstlosigkeit u n d Egoismus w i r d i n ihnen z u einem verschärften, es w i r d ein «zweischneidiges Schwert»! Das T h e m a der ambivalenten Sinnlichkeit w i r d wieder auftreten, wenn die Frage nach dem dritten Bösen zu stellen ist. D a m i t sind die wichtigsten Facetten gezeigt, i n denen das Wesen des Bösen i n der Geisteswissenschaft geschildert w i r d . D e n Ich-Aspekt des Egoismus u n d den physisch-ätherischen Aspekt des Todes u n d der Krankheit haben schon die ersten beiden Vorträge behandelt. Ergänzt werden soll noch durch den H i n w e i s auf Schilderungen der Entstehung des Bösen i n der Weltentwicklung, wie sie i n den grundlegenden Büchern oder i n verschiedenen Z y k l e n gegeben wurden: A u s dem allgemeinen 271

Entwicklungsstrom wurden i n einem bestimmten Z e i t p u n k t gewisse hierarchische Engelwesen zu dem Opfer « a b k o m m a n diert», v o n außen her der E n t w i c k l u n g Widerstandzu. leisten. So wurden sie, die keineswegs v o n A n f a n g an böse waren, z u « G ö t tern der H e m m n i s s e » . A b e r das geschah z u m W o h l der M e n s c h heitsentwicklung; denn es sollte ein Größeres entstehen, als es möglich gewesen wäre bei nur geradliniger, ungehemmter Fortentwicklung. D i e Götter der Hemmnisse bekamen eben durch ihre H e m m w i r k u n g den Charakter v o n Entwicklungsförderern — denn W i d e r s t a n d fordert größere Gegenkräfte heraus! A b e r sie wurden damit auch zu Erzeugern des Bösen, i n d e m sie «Sturm liefen» gegen die normale E n t w i c k l u n g , u n d damit zu Verführern wurden, das zu tun, was dieser E n t w i c k l u n g zuwiderw i r k t . 1 3 2 V o n einer anderen Seite w i r d i n hiehreren Stufen geschildert, wie schließlich das B ö s e aus dem W i l l e n freier Engelwesen entspringen k a n n . W e n n m a n die M a j a durchstößt, erkennt m a n , daß das Materielle i n W i r k l i c h k e i t aus Wechselwirkungen zwischen hierarchischen Wesen entsprungen ist. Sie opfern u n d empfangen, sie geben u n d spiegeln wider. N u n trat i n einer bestimmten Entwicklungsphase (bezeichnet als «alte Sonne») eine Veränderung ein. H o h e Wesen (Cherubim) verzichteten auf das Opfer, das ihnen v o n tiefer stehenden Wesen (Thronen) wie «Opferrauch» zuströmte. A b e r die geopferte Substanz wurde damit auf die Opfernden zurückgewiesen. Sie erlebten sich n u n i n ihrem W i l l e n gestaut, wurden so zu «Wesen m i t zurückgehaltenem W l l e n » . Es entstand etwas wie Resignation i n ihnen, u n d ein Zurückbleiben i n der E n t w i c k l u n g . N o c h andere Engelwesen, die nicht resignierten, konnten sich n u n aber der zurückgewiesenen, also schon etwas aus dem normalen Weltgeschehen herausgesonderten, Opfersubstanz bemächtigen u n d sie i m Sinne ihrer eigenen W ü n s c h e verwenden. D a m i t wurden sie zu freien Wesen, die i n ihrem W o l l e n nicht mehr direkt v o n den höheren Hierarchien abhingen. So aber entstand auch die Möglichkeit des Bösen durch sie! A b e r die C h e r u b i m haben das für sie bestimmte Opfer um dieser freien Wesen willen 272

zurückgewiesen. Sie haben sich so ihre Gegner selbst hervorgerufen! D i e Liebe der C h e r u b i m ist also eine solche, die freie Wesen w i l l - nicht nur solche, die das t u n , was ihnen «befohlen» w i r d . Liebe n i m m t i n Kauf, daß sich das freie Wesen gegen seinen Schöpfer wendet. A n dieser Stelle unterscheidet sich die Geisteswissenschaft v o n vielen theologischen Versuchen, das B ö s e i m E i n k l a n g m i t einem G o t t zu erklären, der zwar reine G ü t e sei, aber doch nicht das lieben k ö n n e , was sich v o n i h m abwendet, was selber nicht Liebe ist. - N o c h etwas anderes ist durch das Zurückstauen des Opfers geschehen, das wieder das T h e m a des zweiten ausgewählten Vortrages beleuchtet: das wesenhafte Opfer erschien, i n den Begriffen der M a j a ausgedrückt, als Rauch, als Luft. D u r c h die Zurückweisung, die zur Resignation führte, k a m es z u einer Verdichtung: Wasser entstand auf dem «alten M o n d » . Wasser ist der Maja-Begriff für die Resignation hoher Wesen. U n d n o c h eine Stufe weiter k a m es zu einer Entfremdung der Opfersubstanz v o n ihrem eigentlichen Wesen (das darin bestand, höheren Wesen übergeben zu werden). D a m i t aber ist das erreicht, was als Wesen des Todes angedeutet wurde. So entstand nach dem Flüssigen das Element det Erde, das Feste. 1 3 3 — Diese skizzenhafte Schilderung sollte zeigen, wie die Problematik des Stofflichen i n der W e l t u n d die Entstehung des Bösen, aber auch die Tatsache der Erde, auf der der M e n s c h sich zur Freiheit entwickelt, i n einem Gesamtprozeß angeschaut werden m ü s s e n , bewirkt von den Taten geistiger Wesen, die i n ihrer erhabenen G r ö ß e n u r erahnt werden k ö n n e n u n d denen gegenüber das Verurteilen, auch w e n n sie zu Urhebern des Bösen wurden, unangebracht ist. — Das Verurteilen des Bösen w i r d selber zu etwas « N i c h tigem», K l e i n l i c h e n , da es aus bloß irdischer Perspektive entspringt. W ä h r e n d auf der einen Seite das B ö s e steht - als «Herausfallen» aus der O r d n u n g , dem leitenden W i l l e n der höchsten H i e r archien, haben sich die C h e r u b i m durch ihren Opferverzicht zugleich aus dem zeitlichen Geschehen herausgesondert u n d 273

damit den Charakter der Dauer, der Ewigkeit, erworben, sind also dem höchsten Göttlichen n ä h e r g e k o m m e n . D a m i t ist aber der ausgleichende Gegenpol z u m B ö s e n geschaffen! U n d der M e n s c h als freies, auf dem Felde des Bösen ausgesetztes Wesen, kann n u n i n sich die Gegenkräfte erwerben u n d so in sich das Ewige, Unsterbliche erringen. N u n verschwimmt der Dualismus v o n G u t u n d B ö s e i n einer merkwürdigen Weise - u n d w i r d dadurch erst zu einem Rätsel: denn zwischen den Gegensätzen steht ja erst der M e n s c h . Menschliche E n t w i c k l u n g ohne das Böse ist nicht möglich, da sie erst dadurch den richtigen «Antrieb» erhält. D i e Theodizeefrage, eine A r t anwaltliche Rechtfertigung v o n Gottes G ü t e und A l l m a c h t trotz der Tatsache des B ö s e n , löst sich i n Luft auf. D e n n der Fragende entdeckt das, was dabei i m m e r übersehen wurde, das Ich. E r sieht, daß die Liebe der Schöpfermächte so groß ist, daß sie u m des freien Ich willen das B ö s e zuläßt - damit aber Machtverzicht leistet. Das soll nicht heißen, daß m a n jetzt Böses bewußt t u n soll; es heißt vielmehr, d a ß m a n es auch tut, w e n n m a n es nicht w i l l , da unsere Freiheit — zunächst - eine dumme, eine blinde Freiheit ist. A u c h der Egoismus ist nicht darin begründet, daß w i r w i l l e n d i c h die Gesetze der geistigen W e l t i n die sinnliche dislozieren. Es ist eben nicht anders m ö g l i c h , als daß w i r zunächst das B ö s e , eben das U n v o l l k o m m e n e , t u n . Erst m i t der Z e i t werden w i r an dem angerichteten Schaden sehend werden für das, was w i r unbewußt getan haben. Es geht nicht u m die W a h l zwischen Egoismus u n d Selbstlosigkeit, sondern d a r u m , daß man die zugrundeliegenden Kräfte an i h rem jeweils angemessenen O r t anwendet. D e n n : die Kräfte, die uns zu Egoisten machen, die uns grausam oder heimtückisch werden lassen, erfahren eine Metamorphose, wenn sie i n i h r richtiges Gebiet gebracht werden, i n die geistige Welt (siehe erster Vortrag). N u r i m Irdischen sind sie verheerend. Falsch ist der Dualismus, das irdische Leben mache uns schlecht, das Nachtodliche sei Erlösung, ewige Seligkeit - oder Verdammnis 274

i n der Bestrafung für das Paradies der Sinne, das w i r uns schufen. D e r M e n s c h wechselt zwischen irdischem u n d rein geistigem Leben; das Nachtodliche ist zugleich wieder ein Vorgeburtliches. Solange w i r n o c h U n v o l l k o m m e n h e i t e n durch den T o d m i t n e h m e n , folgen w i r dem Gesetz, eine neue Inkarnation vorzubereiten, u m vollkommener z u werden, denn das k ö n n e n w i r nur auf der Erde. Freiheit, die aus dem Erkennen der eigenen Verfehlungen, aus dem Sehendwerden erwächst: das bedingt zugleich die Reinkarnation. D e r T o d w i r d dabei z u m Vermittler, er ermöglicht den Ubergang von einem Dasein z u m andern; aber die Geburt steht i h m als Partner gegenüber. D i e Geburt ist ein umgekehrter T o d . W i r sterben für die geistige Welt; w i r werden nicht de novo i m M o m e n t der E m p f ä n g n i s als Seele geschaffen, w i r betreten ein neues Leben m i t erworbenen Fähigkeiten — u n d Krankheitsanlagen. M a n sieht, es ist m i t dem Verstand nicht möglich, das Rätsel des Gegensatzes v o n G u t u n d Böse, v o n W e r d e n u n d Vergehen z u lösen. Das Vergehen i n der N a t u r u n d das B ö s e als Ausdruck i m Kosmos abgesondert wirkender Wesen sind innerlich miteinander verflochten. Beide sind i m Kosmos n o t w e n d i g . 1 3 4

2.

Alles Leben entwickelt sich zwischen polaren Kräften — Luziferisches und Ahrimanisches

Es m u ß als eine geistige Tat bezeichnet werden, daß R u d o l f Steiner eine erneuerte A n s c h a u u n g v o m Bösen begründet hat. A m 1.1.1909 spricht er z u m ersten M a l über zwei A r t e n v o n Wesenheiten, die m i t der Entstehung des Bösen z u s a m m e n h ä n gen, u n d nennt sie i n A n k n ü p f u n g an alte Bezeichnungen Luzifer und Ahriman, wobei er z u einer Begriffsaufhellung f ü h r t : 1 3 5 der «Teufel» des Mittelalters oder der «Mephistopheles» sind nicht identisch m i t Luzifer; der M e p h i s t o des Goetheschen Faust enthält zwar beide Aspekte i n sich vermengt, aber M e p h i 275

stopheles entspricht eigentlich dem A h r i m a n (der N a m e setzt sich dabei zusammen aus hebräisch «mephiz» = Hinderer, Verderber u n d «tophel» = Lügner, «Teufel»). «Luzifer» m u ß m a n ansehen als den «Lichtträger», der den Menschen verfrüht zur Selbständigkeit i m W i l l e n «verführte» u n d bewirkte, daß seine A u g e n aufgetan wurden für die Sinneswelt, der auch den D r a n g nach Wissen u n d Erkenntnis i m M e n s c h e n entfacht hat. A h r i man, dessen Namensursprung i n der alten persischen K u l t u r z u suchen ist ( A h r i m a n = A n g r a m a i n j u , der finstere Gegner des lichten Sonnengeistes A h u r a Mazdao), w i r d dagegen geschildert als eine Wesenheit, die durch das geistige Verdunkeln der Sinneswelt, die i n sinnlicher Beziehung hell wurde, i n der Folge der luziferischen Verführung ihren Einfluß auf den M e n s c h e n geltend machen konnte. E r ist identisch m i t « S a t a n » . 1 3 6 Das Revolutionierende dieser Anschauung v o m i n sich polaren B ö s e n liegt darin, daß damit eine neue trinitarische Anschauung v o m M e n s c h e n begründet w i r d , denn es zeigt sich, daß der M e n s c h zwischen diesen beiden M ä c h t e n sich z u entwickeln hat, die sich auch wie L i c h t u n d Finsternis polar gegenüberstehen. Beide fuhren sie i h n ab v o n dem W e g , den die eigentlichen Schöpferwesen vorgesehen haben. Das heißt aber: der M e n s c h hat nicht z u wählen zwischen L i c h t oder Finsternis, sondern seine eigentliche H e i m a t ist der Bereich dazwischen — i m Sinne Goethes ist es der Bereich, w o die Farbe entsteht; sie ist das Leben! D e r alte, so fest eingehämmerte Dualismus v o n h i m m l i s c h G u t e m , das m i t dem höllisch Bösen i m K a m p f liege ( R u d o l f Steiner weist h i n auf M i l t o n s Verlorenes Paradies u n d Klopstocks Messiade) , 137 m u ß als Abstraktion endlich überwunden werden; i n i h n ist auch der «duale» M e n s c h eingespannt, der nur aus Leib u n d Seele bestehen soll (letztere lediglich m i t geistigen Eigenschaften). D e r M e n s c h der Gegenwart kann erlöst werden aus dem rein intellektuellen Rätseln — u n d Verzweifeln an der W i dersprüchlichkeit des Bösen, i n d e m er z u der sich i m m e r mehr m i t realem Erleben sättigenden Idee fortschreitet, daß die dem Bösen u n d dem Ü b e l zugrundeliegenden Wesenheiten einen 276

echten W i d e r s p r u c h bilden: ausgehend v o n der konkreten Betrachtung der W i r k l i c h k e i t erkennt m a n , daß m a n es überall m i t einer Polarität von Tendenzen zu t u n hat, wobei sich das Leben erst i n der «Mitte» oder i m Gleichgewichtszustand entfalten k a n n . D a m i t w i r d die Anschauung des Lebens - u n d damit auch des Bösen - auf den Boden des Goetheanismus gestellt. - In den folgenden Jahren nach 1909 w i r d n u n m i t einer k a u m überblickbaren Vielfalt v o n Aspekten die Polarität i n Wesenheit, W i r k u n g , Entstehung u n d Intention der luziferischen und ahrimanischen Mächte beschrieben. D a ß die Beschreibung der Wesenheit Luzifers schon früher begann (z. B . i n öffentlichen Vorträgen 1906), gibt einen interessanten E i n b l i c k i n die E n t w i c k l u n g des Geistesforschers selber; auch i h m m u ß sich die Anschauung v o n den Widersachermächten stufenweise geklärt haben. Im W i r k e n der luziferisch-ahrimanischen Polarität m i t dem eigentlich M e n s c h l i c h e n i n der M i t t e m u ß eine besondere B e d i n gung eintreten, w e n n das Böse entstehen soll; sie ist uns schon bekannt. D e n n Luzifer u n d A h r i m a n s i n d i n ihrem Wesen nicht deckungsgleich m i t dem Bösen. Sie tritt offen zutage, w e n n m a n beachtet, wie R u d o l f Steiner i n dem «Arbeitervortrag» v o m 7.5.1923 auf die Frage nach Christus, A h r i m a n u n d Luzifer eingeht. E r n i m m t den Ausgangspunkt von normalen Prozessen, die für das menschliche Leben konstituierend sind: fortwährendes «Aufleben» u n d «Sterben» i m Wechsel. Organisch findet sich ein entsprechender Gegensatz v o n Blut u n d Nerv. «Verjüngen» u n d «Altern» sind andere Aspekte derselben Polarität. - D a n n aber w i r d der B l i c k gelenkt auf Prozesse, w o das A l t e r n oder das Verj ü n g e n das gesunde M a ß überschreiten; w o z.B. der N e r v statt der normalen Tendenz des «Absterbens» verjüngt w i r d , oder umgekehrt die Blutbahnen altern, verkalken — wo also ein Prozeß disloziertwiid. Dann entsteht i m Leiblichen das, was m a n Krankheit nennt; i m Seelischen aber k ö n n e n aus dem Uberhandnehmen «fiebriger» oder «vertrocknender» Tendenzen Einseitigkeiten entstehen, die sich als schwärmerischer M y s t i z i m u s oder trocken277

phantasielose Schulmeisterei äußern. — A b e r auch i m R h y t h m u s des menschlichen Geistes - i m Aufwachen u n d Einschlafen sind dieselben zwei Tendenzen des Verhärtens oder Auflösens wirksam. Das Dislokationsmotiv w i r d also deutlich ausgesprochen. - M a n k a n n z u R u d o l f Steiners Charakterisierungen n u r dann einen Zugang finden, w e n n m a n nicht an den W o r t e n klebt u n d D e f i n i t i o n e n verlangt, sondern sich i n der Seele so i n Bewegung setzt, daß die Begriffe «Auflösen» u n d «Verhärten» z u inneren, plastischen Erlebnissen werden. D i e Begriffe m ü s s e n selber Erlebnisqualität erhalten - das D e n k e n des Begriffs «Verhärtung» m u ß m i c h i n der Seele real zusammenziehen, austrocknen, «Auflösen» m u ß m i c h weiten, frei machen, ins Verschwimmende führen. So beginnt m a n ein O r g a n auszubilden, u m die Beschreibung ahrimanischer oder luziferischer Wesen verstehen z u können. Das D e n k e n v o n Begriffen über Wesen, Vorgänge u n d Verhältnisse m u ß zu einem inneren Plastizieren, Gestikulieren, Färben u n d Musizieren werden. Das heißt: D e n k e n m u ß sich vollständig verwandeln. M a n k ö n n t e den Unterschied z w i schen dem normalen begrifflichen D e n k e n u n d dem z u einem inneren «Kunstschaffen» sich umbildenden D e n k e n vergleichen m i t dem Lesen einer Partitur, das die musikalischen Elemente wie Takt, Tonart, H a r m o n i e , Instrumentenart u n d Tonlage konstatiert u n d dem Umsetzen des Ganzen i n die Vorstellung des lebendigen Musikstromes. D e r Unterschied liegt aber darin, daß i c h m i c h m i t dem umgewandelten D e n k e n i m m e r mehr der Realität luziferischer u n d ahrimanischer M ä c h t e i m eigenen Wesen nähern k a n n . Sie werden i n einem bildlichen Bewußtsein erkennbar. - D a m i t sollte angedeutet werden, daß schon das Verstehenwollen der Schilderung geistiger Wesen das Betreten eines « S c h u lungsweges» erfordert. Aber er führt zu einer ungeahnten Bereicherung der Anschauungen—zum Abstreifen des Grabtuchs des Abstraktion. D a i n allen Erscheinungen v o m T y p des Verhärtens u n d Alterns ahrimanische Wesenheiten, i n solchen v o m T y p des Verweichens u n d Verjüngens die luziferischen wirksam sind 278

(im Leiblichen, Seelischen u n d Geistigen), sind sie aber auch an allem beteiligt, was das menschliche Dasein überhaupt konstituiert. Darier ist der zweite revolutionierende Gedanke der G e i steswissenschaft i n Bezug auf das B ö s e dieser: die M ä c h t e , durch die das B ö s e ausgelöst werden kann, i n d e m sie den Menschen z u einer Einseitigkeit, einem Ubertreten des M a ß e s verleiten, haben ihre Bedeutung als Mitgestalter des Kosmos. Das Besondere ihrer Wesenheit besteht darin, daß sie — anders als die übrigen hierarchischen Wesenheiten — offenbar einen gewissen Freiheitsgrad haben, s o d a ß sie auch i m eigenen, sozusagen selbstsüchtigen Interesse handeln können, w o m i t sie sich der E n t w i c k l u n g , wie sie sein soll, entgegenstemmen. D a n n werden sie erst z u dem, was als «Widersachermächte» bezeichnet werden m u ß , die i m M e n s c h e n z u m Bösen, i n der N a t u r z u m Ü b e l führen. D i e Idee v o m M e n s c h l i c h e n ergibt sich ebenfalls folgerichtig aus dem Vorangegangenen: es ist die Gleichgewichtssituation. Das entspricht auch d e m Begriff des Christlichen — oder des Christus-Impulses - i m Sinne der Anthroposophie: den Ausgleich zwischen dem A h r i m a n i s c h e n u n d dem Luziferischen z u suchen. Dieses Christliche ist damit etwas sehr Konkretes. 1 3 8 D e r erste Vortrag gibt dafür auch konkrete Beispiele, wie etwa eine Krankheit m i t ahrimanischer Tendenz m i t einem H e i l m i t tel behandelt werden m u ß , das den entgegengesetzten Charakter hat; wie i n vorchristlicher Z e i t v o n den Wissenden der N e i gung der M e n s c h e n z u m Phantastischen (luziferisch) durch die E n t w i c k l u n g der streng gesetzmäßigen Astronomie (ahrimanisch) entgegengewirkt wurde. N a c h diesen allgemeinen Gedanken soll stichwortartig u n d zugleich zu weiterem S t u d i u m anregend auf die zwei Vorträge des zweiten Abschnitts eingegangen werden; auf die subtileren N u ancen, die sich bei wiederholtem Lesen erschließen, k a n n hier natürlich nicht eingegangen werden. - Wegen seiner bildhaften Sprache u n d des methodischen Vorgehens wurde der Arbeiter279

Vortrag v o n 1923 an den A n f a n g gestellt. E r behandelt vor allem i n Bezug auf das Wesen des M e n s c h e n selber, was auf die luziferischen u n d ahrimanischen Wesenheiten an normalen sowie vereinseitigten W i r k u n g e n zurückzuführen ist. E r enthält aber auch einen sehr wichtigen H i n w e i s auf die geschichtliche E n t w i c k l u n g , an der sich i m G r o ß e n dasselbe B i l d zeigt, daß zwischen dem Luziferischen u n d dem Ahrimanischen der reale Christus-Impuls steht, aber i m Zeitlichen. D i e vorchristliche Zeit war vorwiegend von den W i r k u n g e n Luzifers getönt. A u s konkreteren Schilderungen erfahren wir, daß es i m 3. vorchristlichen Jahrtausend sogar zur Inkarnation einer Luzifer-Individualität gekommen ist. Sie hat v o n Osten (China) her die ganze K u l t u r e n t w i c k l u n g wesentlich bestimmt. D i e orientalische Weisheit i n ihrer G r ö ß e wurde v o n dort beeinflußt. D e m steht i m k o m m e n d e n 3. Jahrtausend n . C h r . eine Ahriman-lnkarna.tion gegenüber, die schon heute ihre Vorbereitung erfährt. So wie der Christus einmal auf der Erde sein mußte, sind auch die «flankierenden» M ä c h t e der E n t w i c k l u n g dem Gesetz unterworfen, leibliche Gestalt annehmen z u müssen. D a b e i ist wieder auf die «Widersprüchlichkeit» ihres W i r k e n s hinzuweisen: sie üben fördernde ebenso wie hemmende K u l t u r w i r k u n g e n aus. D e r zweite Vortrag geht detaillierter auf die «charakterologischen» W i r k u n g e n luziferischer u n d ahrimanischer Wesenheiten auf den M e n s c h e n ein, er wurde vor allem auch deshalb ausgewählt, weil er etwas über das Wesen dieser M ä c h t e selber sagt. In diesem Vortrag v o m 4.10.1918 gibt R u d o l f Steiner eine besondere Charakterisierung luziferischer u n d ahrimanischer Wesenheiten hinsichtlich ihrer Stellung i n den Hierarchien. D u r c h sie w i r d ganz deutlich, daß es beide M a l e Wesenheiten widersprüchlicher N a t u r sind, die i h r eigentliches Wesen «maskieren» u n d i n anderer Wesensart erscheinen. D a ß dies m i t einem Zurückbleiben i n der E n t w i c k l u n g gegenüber den anderen M i t g l i e d e r n ihrer eigenen Hierarchie z u s a m m e n h ä n g e n m u ß , w i r d hier nicht ausgesprochen, darf aber ergänzt w e r d e n . 1 3 9 280

D a m i t ist das M o t i v der «Dislokation», das m i t der Entstehung des Bösen z u s a m m e n h ä n g t , ganz konkret ausgesprochen. U n d zwar sind die luziferischen M ä c h t e solche, die ihr Wesen aus dem Reich der Dauer (um sich ein B i l d davon z u machen, denke m a n an den zeitlosen Charakter der Ideen) i n die Zeit versetzen - dadurch erscheint alles i n der F o r m der Entwicklung. D i e ahrimanischen Wesen dagegen gehören eigentlich einer W e l t des Raumlosen an (hier könnte m a n zur Verdeutlichung an das Auftreten von Willensimpulsen i m M e n s c h e n denken), versetzen ihr Wesen aber i n den R a u m h i n e i n - dadurch werden sie z u m Anlaß, daß i m R ä u m l i c h e n Gestalten einander gleichen. 140Und dies ist i m Organischen der wesentliche Inhalt der Vorgänge, die m a n Vererbung nennt (hieran anknüpfend k a n n m a n die Entwicklungsvorgänge, die als luziferische «Projektion» des Zeidoseri i n die Z e i t entstehen, auch i n ihrem Charakter als gesteuerte Anpassungsprozesse verstehen - m a n denke an die E n t w i c k l u n g eines Frosches, w o i n der Metamorphose v o n der Kaulquappe z u m fertigen Frosch ein Ü b e r g a n g stattfindet v o n der Anpassung ans Wasser z u m amphibischen Leben i n Wasser und Luft.141) D i e charakterologische Beschreibung luziferischer u n d ahrimanischer W i r k u n g zeigt n u n etwas sehr Wesentliches: der Egoismus hat zwei polare Formen. E r ist ja — ganz i m Sinne des entwickelten « U r p h ä n o m e n s » - n u r m ö g l i c h durch die Abgesondertheit des Ichs u n d seine Freiheit, auch ein Falsches i m Weltzusammenhang w o l l e n z u können. Entweder kann man hochmütig-gleichgültig gegen andere sein, n u r für sich selbst lebend, oder m a n kann seinen Eigenwillen über andere ausdehnen wollen, dabei ihre moralischen Schwächen ausnutzend. D i e Extreme werden hier als H a n g z u m abstrakt moralisierenden «Weltverbesserer» oder als Hegen v o n «Weltmachtträumen» charakterisiert. N u n ist aber der M e n s c h nicht alleingelassen m i t den E i n wirkungen, die Luzifer u n d A h r i m a n auf i h n ausüben. Das geschieht dadurch, daß ihnen n o c h eine dritte Komponente 281

gegenübersteht, die v o n den guten geistigen Kräften ausgeht, den Schöpfermächten, m i t denen der M e n s c h i n seinem ureigendichen Wesen z u s a m m e n h ä n g t . W o r a n ist das erkennbar? Es werden Luzifer u n d A h r i m a n gewissermaßen dazu angehalten, sich gegenseitig z u neutralisieren: Luzifers W i r k u n g , das Ewige ins Zeidiche z u versetzen, w i r d nämlich wieder umgekehrt durch den T o d : das Zeitliche w i r d wieder ins Ewige geführt. D e r W i r k u n g A h r i m a n s , Räumliches als E b e n b i l d eines anderen R ä u m l i c h e n z u formen, w i r d durch einen besonderen Aspekt des Vererbungsvorganges wieder entgegengewirkt, der nur meist übersehen w i r d , i n d e m sich die d u r c h Vererbung gestaltlich ähnelnden M e n s c h e n gerade i m Seelischen, Moralischen wieder voneinander unterscheiden. R u d o l f Steiner macht auf eine A u f lehnung aufmerksam, die sich bei den N a c h k o m m e n gegen das bilden kann, was seelisch i n den Eltern lebt. - N u n ist aber A h r i m a n der H e r r des Todes - er m u ß antreten, u m Luzifers W i r k u n g wieder auszugleichen. Luzifer — m i t i h m darf m a n auch den Charakter der Au fle hn u n g , der seelischen Absonder ung i n Zusammenhang bringen - läßt die Vererbung nicht so starr-geradlinig i n ihrer Qualität verlaufen, sondern mischt ein « k r u m m e s » , «widerborstiges» Element i n sie hinein. — Es werden beider Tätigkeiten wieder i n den Kosmos eingeordnet. So w i r d Gleichgewicht hergestellt, i n d e m ein Rhythmus entsteht u n d daran sind sie selber beteiligt, so daß wiederum die D o p p e l wertigkeit v o n entwicklungsfördernden Widersachermächten erkennbar w i r d . M i t dem H i n w e i s auf Ausgleichsprozesse z u den primären W i r k u n g e n des Luziferischen u n d A h r i m a n i s c h e n ist n u n schon die Brücke geschlagen z u m Problem der weitreichenden Folgen dessen, was m a n den «Sündenfall» nennt. Beide Wesensarten, als «Tendenzen» verstanden, werden i m Leben i m m e r wieder z u m Ausgleich gebracht - auch ohne des Menschen bewußtes H a n d e l n . Ü b e r h a u p t m u ß m a n sagen: wo Luzifer wirkt, k a n n auch A h r i m a n nicht weit sein . . . Beide sind aufeinander angewiesen. Beide b e k ä m p f e n sich zwar scharf (hierin den wahren 282

U r s p r u n g des Dualismus e n t h ü l l e n d ) , 1 4 2 andererseits «kooperieren» sie aber auch. Das macht es für die Erkenntnis oft schwierig, den A n t e i l beider an einem P h ä n o m e n z u trennen, das heißt, jene «geistige C h e m i e » zu vollziehen, die i n der «Verbind u n g » den luziferischen u n d den ahrimanischen A n t e i l analysiert, wie es i m zweiten Vortrag unternommen w i r d . W i e beide kooperieren i m H i n b l i c k auf den Menschen, beschrieb R u d o l f Steiner einmal so: für sie ist der M e n s c h wie eine saftige Zitrone. W ä h r e n d Luzifer versucht, ihr den Saft auszusaugen, unterstützt i h n A h r i m a n , i n d e m er dieselbe auspreßt! 1 4 3 In allgemeiner F o r m könnte m a n i h r Verhältnis so aussprechen: an demselben P h ä n o m e n wirken sie zusammen wie innerer u n d äußerer Aspekt oder wie F o r m u n d Inhalt, Gestalt u n d Prozeß. M a c h t m a n sich das klar, so w i r d man nicht über die «Widersprüche» stolpern, w e n n R u d o l f Steiner denselben Gegenstand einmal v o n der luziferischen, ein ander M a l v o n der ahrimanischen Tendenz her beschreibt. 1 4 4

3.

Die Folgen und der Ausgleich des

«Sündenfalls»

D a ß aus einem Luziferischen ein Ahrimanisches hervorgeht, i n d e m eines das andere nach sich ziehen m u ß , wurde bereits überleitend ausgesprochen; w i r d eine Schale der Waage heruntergedrückt, so m u ß die andere steigen. U n t e r diesem Gesichtsp u n k t ist n u n auch das zu verstehen, was die Geisteswissenschaft über die Folgen u n d zugleich Ausgleichsprozesse dessen sagt, was man den «Sündenfall», das Absteigen des Menschen i n die Sonderung, genannt hat. D e n n das Nachziehen des A h r i m a nischen durch das Luziferische ist eben i m Sinne der göttlichen Schöpferwesen geschehen. Es ist unsinnig, z u fragen, w a r u m sie den Menschen auch n o c h m i t A h r i m a n i n B e r ü h r u n g k o m m e n ließen, nachdem er schon die üblen «Nebenwirkungen» der l u ziferischen Versuchung ertragen mußte. Es m u ß t e so geschehen, 283

damit das Leben überhaupt m ö g l i c h wurde — denn dieses Leben k o m m t zustande als «Ergebnis v o n Gleichgewichtswirkung e n » 1 4 5 . — D i e beiden Vorträge dieser G r u p p e zeigen — stellvertretend für unzählige andere, die m a n hier einbeziehen m ü ß t e den Sündenfall i n seinen gesetzmäßigen Folgen von zwei Seiten, einmal mehr v o m Aspekt der Leiblichkeit, das andere M a l v o m Aspekt der Folgen für die Erkenntnis. Das Rätsel des Verbotes, v o m « B a u m des Lebens» zu essen, w i r d an einem Z i p f e l gelüftet. Was ist alles m i t dem Geschehen verbunden, das i m Sinne der Geisteswissenschaft (und nicht einer spekulativen Theologie) als luziferische Verführung bezeichnet wird? Diese Verführung traf den M e n s c h e n nicht als freien, voll für sich verantwortlichen; diese irrige M e i n u n g ist sehr verbreitet. So w i r d dann dem M e n schen die volle Schuld für seine erste S ü n d e i m Paradies aufgeladen. D e r darin liegende Irrtum ist, daß die Freiheit nicht als Quelle der «Ursünde» angesehen werden k a n n ; vielmehr ist die Freiheit erst ein Erreichnis, das sich als Folge daraus ergeben kann. Geisteswissenschaftlich ausgedrückt: Luzifer wirkte nicht auf das Ich, sondern auf den Astralleib des Menschen. V o n da aus erstreckte sich die W i r k u n g n u n auf das Ich; es wurde n ä m l i c h verlockt, sich mehr m i t der Empfindungs- u n d Affektwelt i m eigenen Innern zu verbinden, als es vorgesehen w a r . 1 4 6 Dies ist ein schwierig zu fassender Vorgang des «unschuldig Schuldigwerdens». D a m i t erhielt der Astralleib aber einen Charakter, auf das ganze Menschengeschlecht degenerierend z u wirken, also krankmachend; das nennt R u d o l f Steiner die eigendiche E r b s ü n d e . 1 4 7 Infolgedessen entwickelte der M e n s c h Selbstsucht i m Astralleib, er verstrickte sich i n sinnliche Begierden. Ja, es wurde der n o c h androgyne U r m e n s c h erst überhaupt i n die Zweigeschlechtlichkeit getrennt. A u f der anderen Seite aber wurden geistige Kräfte dadurch freigesetzt, die n u n z u freier Verfügung standen - Luzifer ist damit auch als Bringer der freien Denkbetätigung, dem Durst nach W s s e n u n d Weisheit, z u verstehen, die sich natürlich erst allmählich entwickelten. 1 4 8 D e r Abstieg i n die sinnliche Welt hatte eine reale Verdichtung, ein 284

geistiges Undurchsichtigwerden des physischen Leibes, zur F o l ge. W i e aber ist das Freiheitsphänomen z u verstehen? Es ist verbunden m i t einem Verlust: der M e n s c h wurde nämlich b l i n d für die Götter, die eigentlich hinter i h m stehen u n d i h n lenken. So erlebte er sich i n seinem W i l l e n ungebunden. A b e r so war auch die Möglichkeit des In-die-Irre-Gehens, des Bösen veranlagt. D e r Abstieg i n das materielle Dasein - die «Vertreibung aus dem Paradies»: sie bedeutet eigentlich, daß der M e n s c h ein altes hellsehendes W a h r n e h m e n seiner G ö t t e r i m m e r mehr verlieren m u ß t e . In der germanischen M y t h o l o g i e w i r d dieses Hellsehen d u r c h den «Baidur» verbildlicht. E r wurde getötet, an seine Stelle trat der «blinde H ö d u r » . So wurde aus einem nächtlichen Sehen der G ö t t e r das geistig blinde, aber dem äußeren L i c h t aufgeschlossene Tagesbewußtsein. D e r Paradieseszustand war jenes alte, p r i m i t i v imaginadve Hellsehen, also ein Bilderbewußtsein. D i e Bilder v o n den zwei « B ä u m e n » der Erkenntnis u n d des Lebens sind ein N a c h k l a n g davon. Das Tagesbewußtsein entstand also durch eine Verfinsterung. U n d hier wirkte n u n Ahriman. D e n n er ließ ebenso, wie Luzifer nach «hinten» den B l i c k auf die führenden Götter verschloß, nach «vorne» die ausgebreitete Sinneswelt z u einem geistig u n durchdringlichen Teppich werden, zur M a j a . D e m Sinnesbewußtsein wurden «die A u g e n aufgetan», u n d es wurde wach, i n d e m es am Schein des Materiellen anstieß, hinter dem das Geistige verborgen blieb. Dies ist eine zweite Stufe des S ü n d e n falls. D e n n hieraus ergibt sich, daß der M e n s c h nicht nur i n seinem Astralleib Selbstsucht entwickelt, sondern i n seinem Ätherleib «falsche» Einschlüsse bekommen k a n n . Das D e n k e n bedient sich des Ätherleibes - er ist ein Teil der «waltenden Weisheit», die die W e l t durchwebt (zweiter Vortrag des ersten Abschnitts). Indem die Absonderung auch unser Erkenntnisleben ergreift, ja, an seiner W u r z e l liegt, werden Irrtümer u n d T ä u s c h u n g e n möglich, u n d , verbunden m i t der bewußten moralischen S ü n d e , die Lüge. H i e r w i r d klar, daß das S ü n d e n 285

fallgeschehen keineswegs nur i n urzeitlicher Vergangenheit zu suchen ist, sondern sich stufenweise vollzieht - bis i n die Gegenwart. D e n n ein Verfallen an die ahrimanische Maja-Vorspiegel u n g i n größtem Stile ist erst das Kennzeichen des Materialismus, der sich seit r u n d vierhundert Jahren als Weltanschauung entwickelt hat. E i n entscheidender Umschwungspunkt i n der Geschichte ist das Auftreten des Bewußtseins, daß die Denkfähigkeit ein Individuelles ist. Diese Tatsache zeichnet sich bei den Scholastikern ab, die damit gegen Philosophen wie Averrhoes k ä m p f e n , für den die Gedanken des M e n s c h e n n u r ein Tropfen aus dem allgemeinen M e e r der Weltgedanken waren, i n das sie nach dem Tode zurückfließen. D a r i n zeigt sich das, was nicht ein Sonderungsgeschehen i m W i l l e n ist, sondern ein zweiter Sünden-Fall i n den Intellekt} 4,9 E r ist das individuell handhabbare Werkzeug, u m die Welt z u begreifen — aber auch z u manipulieren. D e r Intellekt kann nur das Tote begreifen, nicht das Leben i n seiner wahren N a t u r (es sei denn, er reduziert es auf seine toten Bestandteile). Dafür k a n n er eine Technik hervorbringen; er k a n n aber auch abstrakte Systeme erdenken, die auf das Zusammenleben der Menschen angewendet werden. Diese sollen gerade dazu dienen, die U n v o l l k o m m e n h e i t der M e n schen durch eine soziale, politische O r d n u n g i n den G r i f f zu b e k o m m e n . 1 5 0 A b e r das Wesen des Intellekts, aus dem lebendigen Gedankenwirken i m Kosmos wie ein Leichnam herausgefallen zu sein, bedingt, daß er auch Leben zerstören k a n n . So sind all die «Systeme» wie K o m m u n i s m u s oder Nationalsozialismus z u den größten Todbringern geworden. In ihnen pervertiert sich ein «Gutes» z u m Allerschlimmsten, weil es abstrakt konstruiert wurde. In kleinerem Maßstab entspringt auch da Böses, w o ein «Gutes» innerhalb eines beschränkten (einzel- oder gruppenegoistischen) Horizontes angestrebt w i r d ; der Terminus technicus hierfür ist der «Interessenkonflikt». - Das K e n n m a l des Menschen auf der Stufe des zweiten Sündenfalls ist die Unfähigkeit, i n die Weisheit der Weltenführung zu vertrauen, u n d der W a h n , m a n m ü s s e alles selber lenken u n d bestimmen, was z u m

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G r ö ß e n w a h n ausarten k a n n . Minderwertigkeitsgefühl u n d «Profilneurose» sind die seelischen Erkrankungen auf dieser Stufe. — A l s ein H i l f e r u f aus dem A b g r u n d des zweiten Sündenfalls tönt es, w e n n das « U m d e n k e n » gefordert w i r d , weil man spürt, d a ß alle heutigen Probleme aus der N a t u r des i n sich beschränkten Intellekts hervorgegangen sind. A b e r aus sich heraus k a n n der Intellekt nicht « u m g e d a c h t » werden: i h m fehlt das Element des Lebens. Ebensowenig kann auch ein gläubiges Leben, das auf wirkliche Erkenntnis geistiger W e l t e n verzichtet, aus diesem A b g r u n d herausfuhren. D e r zweite Vortrag dieses Abschnitts weist gerade auf diesen Zwiespalt Wissen / G l a u b e n u n d deutet an, wie erst durch den Christus-Impuls wieder eine V e r b i n d u n g möglich w i r d zwischen zwei S t r ö m e n , die sich i n der Geschichte Europas verfolgen lassen: ein v o n ehrwürdiger orientalischer Urweisheit abstammendes Geistesgut, das zur lebensleeren Gedankenwelt erstarrte u n d «verstrohte», vor allem repräsentiert durch das R ö m e r t u m (noch heute zehrt die Wissenschaft v o n solcher Geistigkeit, i n d e m sie sich der klassischen Sprachen i n der N o m e n k l a tur bedient). Diesem Element stand gegenüber ein Seelenleben, das bei den germanischen Völkern vorhanden u n d v o n lebendiger Kraft erfüllt war, dem aber das W s s e n fehlte. E i n N a c h k l a n g davon ist das Glaubenselement i n der christlichen Religion, das nicht den Ü b e r g a n g zur Erkenntnis finden k a n n u n d w i l l . N o c h für K a n t war die W e l t der Erkenntnis m i t der des Glaubens unvereinbar. A u f n o c h tieferer Stufe m u ß sich schließlich die Sonderung des Menschenwesens i m physischen Leib niederschlagen. Was i n Astralleib u n d Ätherleib sich an Luziferischem u n d A h r i m a nischem einnistet, das k o m m t z u m A b d r u c k i n den Krankheiten, u n d , da alles Kranksein schon ein begrenzter Sterbeprozeß ist, i m Tod des physischen Leibes. M i t dem Erleiden v o n Schmerzen, Krankheiten u n d T o d aber w i r d der Ausgleich für die Versündigungen gegen die M o r a l (Luzifer) oder die L o g i k u n d den gesunden Menschenverstand (Ahriman) bewirkt, u n d 287

dies vollzieht sich innerhalb wiederholter Erdenleben. Das G e setz des K a r m a k o m m t zur W i r k u n g , u n d zwar i n einer wunderbaren Weise. Es werden Luzifer u n d A h r i m a n ebenso, wie sie als Verführer auftreten, auch dazu angehalten, an der Ausgleichsw i r k u n g mitzuarbeiten. Es lassen sich regelrecht luziferische Krankheiten (z.B. L u n g e n e n t z ü n d u n g ) u n d ahrimanische Krankheiten (z.B. Lungentuberkulose) klassifizieren, i n denen die jeweils entgegengesetzte Kraft durch ihre Uberwindung erworben werden m u ß , u m so die Einseitigkeit eines vergangenen Erdenlebens wieder auszugleichen. 1 5 1 D e r Ausgleich ist so fein, daß es ebenso viel Schmerz i m Leben gibt, wie es Verirrung infolge luziferischer Versuchung gab; es ist wie bei der T i t r a t i o n einer S ä u r e m e n g e durch die äquivalente M e n g e an Base, bis Neutralität eintritt. A u s dem Schmerz aber w i r d i m m e r Bewußtsein geboren - alle Höherentwicklung von Bewußtsein entsteht aus dem Schmerz, u n d so w i r d das W i r k e n der «Widersacher» durch die göttlichen M ä c h t e i n Höherentwicklung innerhalb vieler Erdenleben umgewandelt. Was m a n nachtodlich als Läuterungsprozeß durchleben m u ß (Kamaloka), ist eine Durchgangsstufe auf diesem W e g . D i e mittelalterliche A n s c h a u u n g hat m i t dem Kamaloka die Vorstellung der Hölle verbunden u n d sie als «ewige Verdammnis» vorgestellt, weil das Bewußtsein der Reinkarnation lange Z e i t verdunkelt war. Sie ist ein Läuterungsfeuer, i n dem die Verkettung an den Leib, durch den die Begierden befriedigt werden k ö n n e n , wieder gelöst werden m u ß . D a m i t nähern w i r uns dem G e h e i m nis, w a r u m i n der germanischen M y t h o l o g i e ^ « ' S p r ö ß l i n g e des Luzifer, der dort Loki genannt wurde, existieren: die « M i d g a r d schlange» als B i l d der Selbstsucht i m Astralleib, der «Fenriswolf» als B i l d der Verfinsterung d u r c h A h r i m a n i m Atherleib, u n d «Hei» (die Hölle) als B i l d des Leibes, i n dem w i r G e b u r t u n d T o d u n d K r a n k h e i t erleiden, weil w i r i n das sinnliche Dasein verstrickt sind, v o n dem w i r uns nachtodlich lösen m ü s s e n . 1 5 2 N u n k a n n die Frage entstehen, ob nicht m i t der dritten Stufe der H e i — hinweisend auf die physische Leiblichkeit - n o c h 288

andere Wesen verbunden sind als luziferische u n d ahrimanische, die i m Astralleib u n d Ätherleib wirken. R u d o l f Steiner sagt es nicht ausdrücklich, welche Wesen es sind. E r stellt n u r das B i l d einer dreistufigen Folge der luziferischen Verführung h i n , die alle drei Leiblichkeiten unter dem Ich ergriffen hat. So soll diese Frage noch offenbleiben. Es ist aber z u beachten, was i m selben Vortrag über das W e l t b i l d der Perser gesagt w i r d . Ihr Seelenblick war vor allem nach außen gerichtet (im Gegensatz zu dem der Inder). In der äußeren W e l t sahen sie den K a m p f geistiger Kräfte: das L i c h t gegen die Finsternis. Das L i c h t wurde erlebt als Leib des Sonnengeistes, A h u r a M a z d a o ; an i h n , oder an die lichten Ahuras, Asuras, wandte sich der Perser. So sollte A h r i m a n , das Prinzip der Finsternis i n der äußeren Welt, überw u n d e n werden. H i n t e r i h m stehen aber die dunklen Asuras. So taucht hier scheinbar ohne Zusammenhang z u m Problem die Bezeichnung einer dritten G r u p p e v o n Wesenheiten auf, die einen dualen Charakter haben: die Asuras (es geschah das i n den Jahren 1907-11 mehrmals). M a n kann sie sich als Scharen «hinter» A h r i m a n stehend denken, dem H e r r n des Todes, aber auch hinter A h u r a Mazdao; denn i n i h m verehrte m a n das Wesen, das später als Christus zur Erde k a m . 1 5 3 D i e d u n k l e n Asuras werden uns als höllische M ä c h t e n o c h beschäftigen. W i e d e r einen anderen Aspekt zeigt der zweite Vortrag. Was bedeutet es, daß w i r seit der «Vertreibung aus dem Paradies» des primitiven Hellsehens v o m « B a u m der Erkenntnis» essen, was uns die Unterscheidungsfähigkeit zwischen G u t u n d B ö s e brachte, aber v o m « B a u m des Lebens» nicht essen dürfen? E i n «Vertrag» zwischen Luzifer u n d A h r i m a n ist abgeschlossen worden. Nachts verbringt der M e n s c h sein übersinnliches Leben i n den A r m e n Luzifers; tags bewegt er sich i m Reiche A h r i m a n s . Was w i r i n den Schlaf m i t n e h m e n an W i s s e n — am Tage d u r c h das Ich erworben —, versinkt nachts i n Unbewußtheit, es geht an Luzifer über. So k a n n uns nicht bewußt werden, daß alle Begriffe, die w i r an der Sinneswelt entwickeln, eigentlich elementarische Lebewesen sind. D e n n die Früchte v o m Baume des Lebens, 289

die uns verwehrt sind, m u ß dafür Luzifer unablässig essen! A m Tage essen w i r dafür v o m B a u m der Erkenntnis, doch w i r dreschen Stroh i m Reiche A h r i m a n s . V o m nächtlichen Erleben i n der geistigen W e l t haben w i r wiederum auch nichts erhascht außer unbestimmten E m p f i n d u n g e n , daß man i n etwas Lebendigem u n d Weisheitsvollen gelebt hat. Es ist nicht erinnerbar, weil es nicht bis i n den physischen L e i b gelangt; denn dort w i r d es sofort v o n A h r i m a n ü b e r n o m m e n , der sich beim Einschlafen dann durch seine Gegengaben an Luzifer revanchiert. V o m nächtlichen Geist-Erleben bleibt kein Wissen, das uns die Gewißheit eines kontinuierlichen geistigen Lebens g ä b e , allenfalls ein wissenloser Glaube. Das Erkennen i n der Sinneswelt führt nicht bis z u m objektiven Leben i n der Außenwelt, es bleibt abstrakt. - So w i r d der geistige U r s p r u n g der unrichtigen Z w e i heit v o n wissenlosem G l a u b e n u n d glaubeleerem W i s s e n aufgedeckt, die Jahrhunderte beschäftigt hat.- Aufgabe der Geisteswissenschaft ist es, durch willendiche Schulung das Wissen i n der Sinneswelt wieder z u verlebendigen u n d i n geistigen W e l t e n durch die Stärkung des Bewußtseins aufzuwachen. I m zweiten Vortrag w i r d auch auf das symptomatische Auseinanderfallen des Christentums i n eine Jesulogie u n d eine Christologie hingewiesen, die einseitig n u r die menschliche oder n u r die objektivkosmische Seite erfassen. Erst d u r c h die Vereinigung beider w i r d der Christus-Impuls verwirklicht. D e n n der Christus i n karnierte sich selber als das Wort, das Leben ist. Seitdem k a n n die alte Trennung v o n Erkenntnis u n d Leben geheilt werden. D e n n das lebendige W o r t war das, was durch das Verbot, v o m Lebensbaum z u essen, dem M e n s c h e n entzogen worden w a r . 1 5 4 - D a ß die Geisteswissenschaft ein M i t t e l ist, u m die Erkenntnis wieder z u einem Leben zu machen, gehört z u ihrer weltgeschichtlichen Aufgabe. Es ist vielen selbstverständlich, die M i s s i o n des Christus darin z u sehen, daß er auf die Erde k a m , u m uns «von unseren S ü n d e n z u erlösen». M a n c h e denken auch, Christus habe für uns die S ü n d e besiegt. D o c h m u ß dies, u m wenigstens die wichtigsten 290

Ideen der Geisteswissenschaft über den Sündenfall u n d seine Folgen gestreift z u haben, auch korrigiert werden. E r l ö s u n g v o n S ü n d e n , soweit sie einen Menschen selber schlechter, unvollkommener gemacht haben, ist Inhalt des karmischen Geschehens. D a r i n w i r d durch Schmerz u n d Krankheit, U n g l ü c k u n d M i ß b i l d u n g der Ausgleich geschaffen, die Waage wieder i n die Mittellage gebracht — so grausam es auch v o n außen gesehen erscheint. Das aber, was durch schlechte Taten i n der Welt angerichtet wurde, kann nicht i m K a r m a ausgeglichen werden. D a m i t nicht die Erde zugrunde geht, während die Menschen durch ihr K a r m a zur persönlichen V e r v o l l k o m m n u n g gelangen, hat sich der Christus m i t der Erde verbunden. N i c h t zur Befriedigung der persönlich egoistischen Heilssehnsucht ist er also M e n s c h geworden, sondern dafür, daß für alle Menschen u n d andere Erdenwesen die Weiterentwicklung möglich ist — damit die Erde nicht als verbrauchte Schlacke weggeworfen w i r d . So ist der Christus z u m «Geist der Erde» geworden. D u r c h i h n lernen wir, daß die Erde etwas unendlich Kostbares ist. 1 5 5 Es bleibt noch das Geheimnis, wie eigentlich die Erkenntnis von Gut und Böse zustandekommt. Es w i r d darüber i m zweiten Vortrag nichts gesagt. H i e r soll einmal nach inneren Erlebnissen gefragt werden u n d abgesehen werden v o n der abstrakten F o r m , über das B ö s e zu urteilen, die aus dem Verstand entspringt, der sich an Moralregeln u n d kategorische Imperative hält. Das B ö s e ist ja nicht ein Statisches, sondern nur aus einer Bewegung zu verstehen.- Es scheint so, daß auch hier wieder - i n einer dem Bewußtsein zunächst unbemerkt bleibenden Weise - polare Kräfte i n ihrem Wechselwirken beteiligt sind. Dies soll n u r als A n r e g u n g zur Beobachtung gemeint sein. — Das Urteilen über G u t u n d B ö s e i n der Außenwelt basiert auf einer fast unbewußt bleibenden W a h r n e h m u n g , daß die erlebte Einseitigkeit einer H a n d l u n g i n der Seele durch ihr Gegenteil beantwortet w i r d . A u s ihr ziehen w i r das U r t e i l , ein H a n d l u n g sei böse. Z u m Beispiel erzeugt ein m i t Machtgebärde oder rücksichtslosem Egoismus auftretender M e n s c h i n dem, dem er begegnet, eine 291

zunächst unbewußt bleibende Gegenbewegung: O h n - M a c h t , Furcht. N u n gibt es zahlreiche Möglichkeiten, wie m a n damit umgeht: der eine sucht das Weite, weil er die O h n m a c h t nicht erträgt. D e r andere fühlt sich angekettet, unterwirft sich. Ihnen w i r d allerdings nicht bewußt, daß sie eigentlich bereits m i t einem doppelten B ö s e n z u tun haben. D i e Reaktion bleibt affektartig. D i e Erkenntnis des B ö s e n blitzt dann auf, w e n n m a n für die E m p f i n d u n g wach w i r d , daß man eine Mittellage verlassen hat. die M a c h t w i r k t als reale Kraft u n d treibt m i c h i n das andere Extrem, die O h n m a c h t oder Furcht. Ich werde aus der M i t t e vertrieben. M a c h e ich m i r das bewußt, kann i c h auch anders m i t diesem M a c h t - O h n m a c h t - P r o b l e m umgehen, brauche nicht m i t derselben Kraft zu antworten. Ich k a n n z u m Beispiel der M a c h t i n besonnener Weise entgegentreten. (In diesem Falle ist die Erkenntnis erleichtert, weil das Erleben v o n O h n macht schmerzhaft ist; was m i r schadet, muß, instinktiv empfunden, böse sein. V i e l schwerer ist es, w e n n ich selber auf der Seite der M a c h t stehe. H i e r k a n n m i c h w o h l erst das M i t e r l e i den der O h n m a c h t i m andern zur Erkenntnis bringen. D a b e i ist aber die Versuchung viel stärker, gerade durch das Gewahrwerden erzeugter O h n m a c h t die M a c h t n o c h mehr auszudehnen u n d zu genießen. Das zeigt, wie aus dem Leiden viel eher eine Erkenntnis des Bösen erwächst, als aus dem «genießenden» Ausleben, i n dem man sich erst z u einer Erkenntnis bewußt aufraffen m u ß . ) W ä h r e n d m i c h die eben beschriebene O h n m a c h t herunterdrückt, gibt es auch eine andersgeartete, v o n deren Bewußtwerden das U r t e i l über eine andere F o r m des Bösen abhängt. Diese O h n m a c h t besteht darin, daß m a n über sich hinausgezogen w i r d , aus sich «herausgesaugt», wobei man z u schwach ist, sich z u widersetzen. Das ist das typische Erlebnis, einer Versuchung z u erliegen. Erst w e n n man sich dieses Herausgezogenwerdens bewußt wurde, weiß man (und es ist m i t dem Gefühl der Scham verbunden): es geschah etwas, was eigentlich nicht geschehen sollte; aber i c h war ohnmächtig. - A u c h hier beruht das Gefühl 292

«es sollte eigentlich n i c h t sein» auf der W a h r n e h m u n g , d a ß eine Mittellage verlassen wurde. Was n u n diese M i t t e ist, über die die Seele hinüberpendelt, ist natürlich ein n o c h größeres Geheimnis. Indem sie h i n u n d her überschritten w i r d , w i r d erst bewußt, was G u t u n d Böse ist. Das G u t e ist nicht das, was dem äußeren B ö s e n als innere A n t w o r t gegenübersteht, da das nur sein Gegenpol ist - m a n könnte sagen: Luzifer erkennt A h r i m a n , u n d umgekehrt. Bleibt m a n bei diesem E m p f i n d e n stehen, so lebt m a n i m Dualismus, i n dem «das G u t e » auf die Vernichtung «des Bösen» h i n w i r k e n w i l l . Erst die M i t t e zwischen beiden Pendelausschlägen ist ein Gutes, i n dem i c h m i c h v o m luziferisch-ahrimanischen Dualismus befreie. A u f die «mittlere» S t r ö m u n g zwischen der luziferischen u n d der ahrimanischen Seitenströmung der Weltentwickl u n g weist R u d o l f Steiner ja i m zweiten Vortrag der zweiten G r u p p e . In ihr w i r k e n die göttlichen Wesen, z u denen der M e n s c h w i r k l i c h gehört. A b e r ist nicht auch die Stimme des Gewissens, das m i r i m m e r wieder sagt, was i c h «eigendich» tun sollte, ein solches Geheimnis, das m i c h auf meinen wahren geistigen Ursprung hinweist? Ist sie es nicht, die aus dieser M i t t e spricht?

4 Die Steigerung des Bösen und die Aufgabe Bewußtseinsseelenzeitalters

des

gegenwärtigen

M i t den beiden Vorträgen des vierten Teiles sind w i r n u n ganz i n der Gegenwart angekommen. Trotz der sehr gegensätzlichen Weise, wie das B ö s e dargestellt w i r d , hängen die beiden Vorträge d o c h innerlich stark zusammen; wie viele Vorträge dieser Z e i t (1918, 1919) nehmen sie Bezug auf die geistigen Hintergründe des Ersten Weltkrieges u n d auf die Aufgaben, die der M e n s c h heit gestellt sind, u m aus den A b g r ü n d e n , i n die man geriet, herauszukommen. I m ersten w i r d n u r v o m «Mysterium des 293

Bösen» gesprochen, ähnlich wie i m allerersten Vortrag der A u s wahl. I m zweiten hat es plötzlich drei Gesichter. D i e verbindende Problematik ist das Bewußtseinsseelenzeitalter, i n dem w i r seit dem B e g i n n des 15. Jahrhunderts leben. W i e k a n n m a n sich dem Verständnis nähern, was «Bewußtseinsseele» ist? Es gibt einen P u n k t i m seelischen Leben, an dem es faßbar w i r d . M a n entwickelt Vorstellungen von der W e l t , hat abstrakte Ideen; man hegt W ü n s c h e usw. M a n stellt plötzlich fest, daß m a n darin i n eine Sackgasse gekommen ist, einen T o d , u n d entwickelt zugleich den Impuls, sich daraus wieder zu erheben, sich bewußt z u erneuern, das Tote abzustreifen, denn würde man darin verbleiben, hätte m a n nicht gegenwärtiges seelisches Leben, sondern nur ein z u m A b b i l d gewordenes, vergangenes. D u r c h die U b e r w i n d u n g dieser kleinen «Tode» setzt sich etwas i n Bewegung, was aus dem T o d «aufersteht», was z u neuem Leben sich aufrafft. Das ist das Element der Bewußtseinsseele, der innerste K e r n der Seele - eigentlich das Unsterbliche. - O h n e diesen T o d aber k ö n n t e das unsterbliche Element gar nicht z u m Bewußtsein k o m m e n - der T o d w i r d z u m Paten der Bewußtseinsseele. D i e geistigen M ä c h t e , die uns die Fähigkeit zur Bewußtseinsseele einpflanzen, müssen als «Nebenwirkung» auch den T o d bringen. - D e r T o d als Ü b e r g a n g i n ein Leben i m Geistigen ist als großer Bruder jener kleinen Tode anzusehen; n u r was als Bewußtseinsseele entwickelt wurde, kann dann als Unsterblichkeitsbewußtsein erhalten bleiben. O b w o h l hiermit das Geistigste i n der Seele angesprochen ist, hat die Bewußtseinsseele doch zugleich eine besonders enge Verb i n d u n g z u m physischen Leib, nämlich z u jenen Werkzeugen, die durch den K o n t a k t m i t der W e l t das Erlebnis des Gegenwärtig-St'ms vermitteln: den Sinnen. W i r d die Sinneswahrnehmung i n der Weise betätigt, daß i c h z u m bewußten Seins-Erlebnis i n einer konkreten räumlich-zeitlichen Situation k o m m e , so ist auch die Bedingung gegeben für die moralische Intuition, was i c h als Individualität i n dieser Situation t u n werde. E i n M o r a l i s c h Ideelles u n d die wahrgenommene Situation fügen sich zusam294

men. D i e Bewußtseinsseele erstreckt sich also i n die W e l t durch die Sinne u n d w i r d gleichzeitig z u m inneren O r g a n für die geistige W a h r n e h m u n g v o n Intuitionen. D e r «ethische Individualismus», wie er i n der Philosophie der Freiheit R u d o l f Steiners beschrieben w i r d , ist Bewußtseinsseelenkultur. - M i t der moralischen Intuition öffnet sich der M e n s c h für etwas, das aus der geistigen W e l t k o m m t , ausgehend von «Geistern der Persönlichkeit», die den Freiheitssinn, die Menschenwürde, die höchsten menschlichen Ideale anregen. 1 5 6 D e m steht allerdings eine polare Möglichkeit gegenüber, daß Kräfte i n der Seele auftreten, die intuitionsähnlich hereinkommen, aber nicht durch das bewußte Entgegenarbeiten, sondern durch ein passives Sich-Uberlassen. Das sind die Triebe, die ihr kräftiges Eigenleben führen u n d - böse Ideen, Eingebungen. Es ist bezeichnend, daß heute alle Aufmerksamkeit u m die Triebe kreist, insbesondere i m Sexuellen. W a r u m , k a n n m a n sich fragen? Es sei erinnert an das «Verbot, v o m B a u m des Lebens z u essen»: es hatte zur Folge, daß die Erkenntnis i m m e r weniger «nahrhaft» wurde. D e r M e n s c h würde zugrunde gehen, w e n n er nicht ein Gegengewicht hätte gegen den toten Verstand. H i e r ist n u n die Wegscheide. D e n n der oben skizzierte W e g , wie sich die Bewußtseinsseele am eigenen Schopf ergreift u n d dem T o d entreißt, ist ein sehr mühevoller, u m wieder zu innerem Leben z u k o m m e n — da m a n sich dann der Tatsache des Geistes stellen m u ß , der durch diese Ritze der Bewußtseinsseele hereinscheint. Das ist sowohl unbequem als auch furchterregend. Das reale Geistige ist beunruhigend. So ist der andere W e g viel leichter, nämlich sich einem Leben i n der eigenen Seele zu überlassen, das einen vollständig erfüllen k a n n u n d aus dem Triebhaften, Natürlichen k o m m t . So w i r d eine innere Kompensation herbeigeführt: der T o d i m Erkenntnisleben (wo m a n jede B e r ü h r u n g m i t dem schaffenden Ideellen i n der W i r k l i c h k e i t verloren hat) w i r d durch das Leben der Triebe aufgewogen. So aber entsteht i m M e n s c h e n eine ahrimanischluziferische Doppelkraft, die den passiven R a u m ausfüllt, w o sich die individualisierte Bewußtseinsseele selbst erwecken sollte. Sie

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ist aber insofern doch wirksam, als der M e n s c h i n seinem Selbstbewußtsein heute am denkbar stärksten i n sich zusammengezogen ist - bis z u m Punkt, könnte m a n sagen. Das heißt auch: der Egoismus w i r d aufs äußerste komprimiert. I n i h m besteht nach keiner R i c h t u n g mehr ein Bewußtsein von geistigen "Wesen oder Welten. D e r M e n s c h ist heute w i r k l i c h auf einem H ö h e - oder Tiefpunkt seiner Sonderung v o m Kosmos u n d v o m M i t m e n schen. N u n w i r d das Punktbewußtsein paradoxerweise d u r c h die denkbar größte Kollektivierung entwirk licht i n den sinnlichen Trieben sind doch alle M e n s c h e n gleich! A u c h hierin w i r k t aber eine Kompensation: die Verzweiflung der Ich-Isolation w i r d betäubt durch die Anheimstellung des persönlichen W i l lens an den unpersönlich-mächtigen Trieb. - Diese Situation mußte skizziert werden, u m zu verstehen, wie das Böse i n der Bewußtseinsseelenzeit Zustandekommen kann u n d welche F o r m es a n n i m m t : als «Karikatur» jenes Vorgangs, i n dem die Seele geistiges Leben empfangt. I m Trieb regt sich auch Leben, das einen erfüllt, das sich selbst bestimmt - u n d durch (böse) E i n fälle ttitt es i n Ideenform verführerisch an den Egoismus heran. W i e k o m m t es z u diesem Unterschied zur moralischen Intuition? D o r t m u ß erst ein Beet bereitet werden, v o n dem alles U n k r a u t rein egoistischer M o t i v e entfernt wurde, damit dann die als wirkliche Gnade geschenkte Idee aufgehen kann, was i n dem Lebenszusammenhang zu tun ist. I m zweiten Falle ist es das schnellwüchsige U n k r a u t selber, daß m a n ernten u n d sogleich wieder als D ü n g e r verwenden k a n n . U n d da der Verstand durch seine Raffinesse am besten für die Befriedigung der Triebe sorgen kann, entsteht eine Ehe aus diesen beiden polaren Partn e r n . 1 5 7 D i e Beschreibung mag krass, übertrieben erscheinen — aber m a n k a n n heute i n vielen F o r m e n die D o p p e l u n g der luziferisch-ahrimanischen Kräftepolarität finden. Das weit offenstehende T o r dafür ist die Sinnlichkeit, zu der durch die starke Beziehung der Bewußtseinsseele z u m physischen Leib eine N e i g u n g besteht. Daraus k ö n n t e m a n schließen, daß die Sinnlichkeit eine 296

große, z u meidende Gefahr ist, weil i n sie sofort der Egoismus einschießt. Das ist aber nicht der Fall. Es k o m m t auf die Art des Umgangs an - so wie auch durch die Art der H i n n e i g u n g z u m belebenden Geistigen (als Gegensatz z u m erstorbenen Geistigen des Intellekts) entweder die freie Aufnahme von Ideen möglich w i r d oder das passive Sich-erfüllen-Lassen m i t «Göttern» eintritt, v o m Sinnenrausch bis h i n z u F o r m e n der Besessenheit oder Bewußtseinssubstitution (hier wäre der M e d i u m i s m u s zu nennen, aber auch solche Erscheinungen, wie sie an KZ-Aufsehern auftraten, die unzweifelhaft Phasen der Bewußtseinstrübung oder -auslöschung hatten, i n denen sie nicht ihrer selbst H e r r waren). In Bezug auf Woodrow Wilsons «Inspirationen», z u denen unter anderem das unselige «Selbstbestimmungsrecht der N a t i o n e n » gehört, das seitdem i n vielen schrecklichen Kriegen eingelöst wurde, sprach R u d o l f Steiner mehrfach v o n dieser F o r m der Bewußtseinsinfiltration. - Was k a n n über die A r t des Umgangs m i t der Sinnlichkeit gesagt werden? D e r anthroposophische Schulungsweg enthält eine große Z a h l v o n Ü b u n g e n , wie man gerade durch das M i t t e l der Sinne zu i m m e r feinerer W a h r n e h m u n g des Wesenhaften gelangt. D a b e i ist das Wesentliche, daß der G e n u ß i m m e r weniger dazu dient, u m den eigenen Egoismus z u befriedigen, sondern i m m e r mehr z u m T o r w i r d , u m durch die Qualitäten z u m Erleben des Wesenhaften z u k o m m e n - i n Farben, G e r ü c h e n , F o r m e n usw. 1 5 8 U n d der erste Vortrag dieses Abschnitts (sowie der vorangegangene i m selben Zyklus) gibt als ein Kulturheilmittel gerade solche Sinnesübungen, nämlich für die Beobachtung v o n Menschen, die m a n sich bis i n weite Z u k u n f t w i r d erarbeiten m ü s s e n , wenn überhaupt n o c h ein Zusammenleben möglich sein soll. D e n n Triebhaftes w i r k t z u m Beispiel auch i n Vorurteilen, i n rassistischen, chauvinistischen A n t i p a t h i e n (die A h r i m a n i n uns heraufzaubert, weshalb sie so zwingend sind) - es könnte dieser Vortrag auch heute, angesichts der Ereignisse i n Ex-Jugoslawien, Südafrika, N o r d i r l a n d , Hoyerswerda etc. gehalten worden sein . . . Es m u ß erübt werden, sich v o m anderen M e n s c h e n ein neues, vor allem

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ein konkretes u n d nicht schematisches, nicht durch persönliche Voreingenommenheit eingefärbtes, Bild z u m a c h e n . 1 5 9 D a b e i kann durchaus das Interesse für das Absonderliche, sogar Pathologische helfen, i n diese Konkretheit h i n e i n z u k o m m e n ; auch i n Biologie u n d M e d i z i n sind die pathologischen Erscheinungen deshalb so interessant, weil sich i n ihnen sonst verborgen bleibende Bildetendenzen oder Prozesse selbst enthüllen. D a r u m interessierte sich auch Goethe für pflanzliche « M i ß b i l d u n g e n » . Es geht dabei n u r u m ein liebevoll-wissenschaftliches Interesse, nicht u m die verbreitete Freude a m K r a n k e n . D e n n hinter allem Einseitigen bis Krankhaften s i n d Luzifer u n d A h r i m a n erkennbar. M a n m u ß sich erst klargemacht haben, wie sich i m heutigen Menschen die Widersacherkräfte verdoppeln, u m verstehen z u können, weshalb der zweite Vortrag n u n über einen dreifachen Aspekt der Widersacher spricht, die uns heute begegnen. D e n n die D o p p e l u n g ist der N ä h r b o d e n , die Voraussetzung für die «dritte Kraft». D e r Ausgangspunkt dieses Bandes lag n o c h i m dualen Gegensatz v o n Egoismus u n d Selbstlosigkeit; i m nächsten Schritt wurde erkennbar, daß der Egoismus i n sich polar ist, u n d damit auch alles Böse. N u n b e k o m m t das Böse einen t r i n i tarischen Aspekt: Luzifer, A h r i m a n , Asuras. Ausgegangen w i r d i m Vortrag v o n der Dreigliederung des sozialen Organismus, die heute aus der skizzierten Bewußtseinsseelentätigkeit völlig neu zu gestalten wäre. D e n n das Soziale besteht (auch heute n o c h , wenn sich auch manche Gewichte verschoben haben m ö g e n gegenüber 1919) aus einem dreifachen Knäuel. V o n der orientalischen Urweisheit leitete sich das griechische u n d spätere D e n ken u n d Philosophieren ab bis z u m H u m a n i s m u s (auf die w o h l tätige kulturinspirierende Rolle der luziferischen Wesen i n Osten wurde hingewiesen 1 6 0 ). D o c h was davon an geistigen I n halten übrig blieb, hat sich so weit v o n seiner Quelle entfernt, daß es zur L ü g e w i r d . D a m i t w i r d es ahrimanisch. Das D e n k e n i m Rechtsleben, i n der Verwaltung usw. leitet sich wieder aus anderen Mysterienquellen ab, die längst verschüttet u n d verges298

sen sind. H i e r macht sich die Selbstsucht i m Rechtsdenken breit, die man am einseitig herrschenden Ansprücheeinfordern erkennt, w o m i t es luziferisch w i r d . I m Wirtschaftsleben aber werden die M ä c h t e wirksam, die als Asuras bezeichnet werden. H i e r m u ß n u n nach dem Charakter dieser M ä c h t e genauer gefragt werden. D a ß sie Krankheit u n d T o d i m Physischen b r i n gen, w i r d i n diesem Vortrag lapidar hingestellt. Es besteht also tatsächlich ein Zusammenhang m i t dem, was die «Hei» der germanischen M y t h o l o g i e ist. Sie wirken aber nicht n u r i m N a t ü r lichen, sondern auch i m Kulturellen: i n seinem Verfall u n d U n tergang. - Z i e h t man einen Vortrag v o m 24.6.1907 h i n z u , 1 6 1 so erfährt man, daß es solche «Geister der Persönlichkeit», des «Ich», des « E g o i s m u s » sind, die schon auf der ersten E n t w i c k lungsstufe, als der menschliche physische Leib angelegt wurde (insbesondere die Sinnesorgane), zurückblieben, sich also v o n der Weiterentwicklung absonderten. V o n ihnen geht alles aus, was selbstsüchtige I c h - E n t w i c k l u n g ist, alles «radikal U n m o r a l i sche». Dies geschah schon auf dem «alten Saturn», früher als bei den ahrimanischen Geistern (auf der alten Sonne) u n d den luziferischen (auf dem alten M o n d ) . 1 6 2 Sie stehen i n einer Bezieh u n g z u m Vatergott, so wie die beiden anderen G r u p p e n m i t dem S o h n (Ahriman) u n d dem H e i l i g e n Geist (Luzifer). M a n m u ß sie also als eine selbständige G r u p p e betrachten. A b e r wie prägt sich ihre W i r k u n g i m Menschen aus? Sie wirken da, wo sich die materialistische Abkapselung des M e n s c h e n , der v o n keinem Geistigen mehr weiß, m i t der ungeläuterten Triebnatur ausfüllt, sich m i t Sinnlichkeit verbindet, die aber «zwecklos» bleibt, die nicht fragt nach den Wesen i n der Sinneswelt. 1 6 3 Sie wirken, w o sich wüste Leidenschaften entfalten, u n d lassen gerade da eine raffinierte Intellektualität e i n s t r ö m e n . 1 6 4 Gesteigerte Formen asurischer W i r k u n g k o m m e n zustande, w e n n schwarze Magie betrieben w i r d . Sie besteht i m m e r i m M i ß brauch geistiger Kräfte, die dazu verwendet werden, dem Egoismus G e w i n n zu verschaffen, etwa als M a c h t — oft w i r d das durch Quälen oder T ö t e n von Lebewesen erreicht. D a m i t ist die 299

höchste F o r m dessen erreicht, was bereits i m allerersten Vortrag über das Wesen des Bösen überhaupt gesagt wurde: i h m liegt ein Versetzen v o n Kräften oder Gesetzen zugrunde, die aus dem Geistigen ins Physische gebracht werden - dann w i r d aus einem Wohltätigen ein ganz Schädliches. In der schwarzen M a g i e geschieht es n u n bewußt. Sie drückt i h r Wesen der «Perversion» daher auch d u r c h ein Auf-den-Kopf-Stellen des Pentagramms aus, das das Z e i c h e n des Menschen ist. 1 6 5 D i e Versuchung der Asuras tritt durch das Tor einer bestimmten F o r m von Sinnlichkeit ein, u n d damit i n die Bewußtseinsseele, als letzte Etappe des Sündenfalls m i t seiner vorangegangenen luziferischen u n d ahrimanischen Stufe, w e n n eine letzte Konsequenz des Sonderungsprozesses, der z u m Wesen des Ich doch notwendig gehört, eintritt: w e n n der Zusammenhang m i t dem Geistigen völlig vergessen w i r d . Das aus dem Geistigen ins Irdische versetzte «Ich» bleibtzxAder Stufe, die luziferischen u n d ahrimanischen « G a b e n » zu genießen: das Begierdenhafte, das an die Erde kettet, u n d den abstrakten Verstand, der tötet. In diesem inneren «Widerspruch» w i r d aber das Ich des M e n s c h e n zerrieben. D a m i t ist das eigentlich Menschliche, die W ü r d e , sich aus freier Liebe dem Geistigen i m Kosmos wieder zuzuwenden, verloren. Dieser Verlust k a n n nicht i n derselben Weise durch das K a r m a ausgeglichen werden. Das unterscheidet die asurische W i r k u n g v o n den beiden anderen W i d e r s a c h e r n . 1 6 6 Das Leben w i r d «tierhaft». M a n mag darüber erschrecken, allein, die verlockende asurische Theorie, der M e n s c h sei nichts anderes als ein durch Anpassung und Vererbung besonders intelligent gewordenes Tier, ist seit ihrer Entstehungszeit i m 19. Jahrhundert nicht nur popularisiert, sondern auch wirksam gemacht worden. D e m «Dritten Reich» lagen solche Gedanken zugrunde. D e r als « B l ü m c h e n » aus dem Wirtschaftleben des 19. Jahrhunderts aufkeimende «Sozialdarwinismus» (Vorläufer des eigentlichen Darwinismus) machte Schule. Betrachtet m a n A d o l f Hitler, so fällt auf, daß er den Egoismus i n den genannten zwei U r f o r m e n ausbildete: als Weltmachtstreben v o n n o c h nie 300

dagewesenem A u s m a ß (ahrimanisch), gepaart m i t der besonderen F o r m v o n «Weltbeglückungstheorie», wie sie i n der nationalsozialistischen Ideologie lebte (luziferisch). H i t l e r selber ist ein S y m p t o m für die luziferisch-ahrimanische D o p p e l u n g . D e r «Sozialdarwinismus» u n d die Theorie v o m intelligenten T i e r ( T h . M a l t h u s u n d H . Spencer) k ö n n e n den Menschen n u r als produzierendes u n d konsumierendes Wesen erfassen, u n d auf dem Felde findet auch der « K a m p f ums Dasein statt», die Selektion der T ü c h t i g s t e n . Geistiges Leben ist nur ein Produkt des Selektionsvorgangs. H i e r liegt die W u r z e l für die W i r k u n g asurischer Kräfte, worauf ja der zweite Vortrag hinweist. W e n n m a n die heutigen Verhältnisse anschaut, w i r d n o c h viel deutlicher, wie das Geistesleben v o m Wirtschaftsleben «verschluckt» wurde. M a n rechnet auch heute nicht m i t dem Menschen als geistigem Wesen, sondern n u r als Konsumenten, dessen Triebe durch W e r b u n g gezielt «angeregt» werden. I n die P r o d u k t i o n , W e r b u n g etc. werden w i r k l i c h ungeheure Intelligenzkräfte investiert. A b e r das Z i e l ist weniger, Bedarf z u befriedigen, als M ä r k te z u schaffen oder z u erobern, w o G e w i n n gemacht werden k a n n . D a m i t hängen all die bekannten F o r m e n des Wirtschaftsimperialismus u n d der Ausbeutung zusammen. Wirtschaft u n d Machtausübung sind vereint; es herrscht nicht Brüderlichkeit, u m die Bedürfnisse wahrzunehmen, sondern Egoismus, der durch die Bedürftigkeit anderer befriedigt w i r d : i m Profit. W i r t schaft w i r d m i t ihren Produkten aber auch z u m Übermittler einer «Weltbeglückungstheorie», i n der die typischen W o h l standsartikel zur unabdingbaren Voraussetzung eines «freien» Menschseins stilisiert werden. Was heute an K u l t u r produziert w i r d , ist i n vielem so stark v o n wirtschaftlichem D e n k e n ergriffen, daß es w i r k l i c h wie B l ü m c h e n aus diesem B o d e n herauswächst. F i l m - oder «Musikkonserven»industrie sind nur die E x trembeispiele, w o M i l l i a r d e n s u m m e n umgesetzt werden. — Es ist symptomatisch, wie sich i n den alltäglichen Sprachgebrauch i m m e r mehr A m e r i k a n i s m e n einbürgern, ausgehend v o m W i r t schaftleben, so daß es z u i m m e r stärkerer Ü b e r f r e m d u n g der 301

Sprache k o m m t . D i e Sprache stirbt. - D i e K u l t u r führt ein Scheinleben; eigentlich ist sie tot. So sehen es auch schaffende Künstler. In Theater- oder Literaturproduktionen k a n n m a n als S y m p t o m eine zwanghaft wirkende H i n n e i g u n g z u den T h e men Zerstörung, Verbrechen, Perversion, Krankheit beobachten. Solche Produktionen bekommen sogar gute K r i t i k e n , weil m a n sie als wahrheitsgetreute Kulturanalysen ansieht. Ist es möglich, hier ein H e i l m i t t e l z u finden, u m die K u l t u r v o m W ü h l e n i m Aas zu befreien, v o n der Freude an der Selbstzerstörung des Menschlichen? Es findet sich bei R u d o l f Steiner eine Anregung, die w i r k l i c h wie eine E r l ö s u n g wirken k ö n n t e . M a n m u ß lernen, bewußt m i t den luziferischen u n d ahrimanischen Einseitigkeiten umzugehen, u n d zwar, i n d e m m a n das eine m i t dem anderen «neutralisiert» oder «paralysiert». E i n faustisches A n s i n n e n ! A h r i m a n i s c h ist die ganze W e l t v o n Sinneseindrücken, die man i n der Naturwissenschaft geistlos erforscht u n d registriert, wobei sie einen innerlich nicht berührt. Dieses Gebiet m u ß m a n n u n m i t den entgegengesetzten Kräften luziferischer W ä r m e , ja, brennenden Interesses durchdringen, bis m a n zu den Ideen i n der W i r k l i c h k e i t k o m m t , wie es Goethe anstrebte. D a n n ist wieder eine Brücke z u m Geistigen geschlagen. D e m steht polar gegenüber das eigene Seelenleben, das m a n natürlich — über alle Schwächen hinwegsehend — doch für das Beste aller denkbaren Seelenleben hält; L u z i f e i w i t k t unerkannt. Welche Anstrengung m u ß hier gemacht werden? M i t der Kühle nüchterner Selbsterkenntnis, v o n A h r i m a n verliehen, m u ß das Selbst wie ein Stück Außenwelt beobachtet werden. M a n m u ß sich durch bildhafte Erkenntnis klarwerden, ebenso wie man es am M i t m e n s c h e n vorurteilslos studieren kann, i n welcher Weise die Kräfte der beiden «Weggenossen» i n der eigenen Persönlichkeit verflochten s i n d . 1 0 7 Was w i r d d u r c h diese F o r m des Umgangs m i t den Kräften Luzifers u n d A h r i m a n s erreicht? In Bezug auf sie ist es eine A r t Salzbildung, i m Salz werden Säure u n d Base neutralisiert, das heißt i n ihrem W i r k e n aneinander zur Hemmung, zur Ruhe 302

gebracht. F ü r den Menschen aber heißt dies erst: Freiheit erlangen, u n d darin i n einer selbstlosen Weise die W e l t u n d das eigene Wesen i n ihr verstehen lernen. So k a n n man vielleicht den rätselhaften Satz «ihr seid das Salz der Erde» auch einmal deuten. D u r c h diese A r t luziferisch-ahrimanischer « C h e m i e » w i r d es möglich, daß der M e n s c h z u m vollen Selbstbewußtsein k o m m t - u n d es zugleich selbstlos opfert, so daß das « N i c h t i c h , sondern der Christus i n mir!» wahr w i r d . Zugleich ist hierin etwas angedeutet, was man eine Erlösung der Widersachermächte nennen darf. — D e m steht n u n polar gegenüber, was durch die Asuras an luziferisch-ahrimanischer Amalgamierung im Menschen entstehen m u ß : «nichts als i c h selber i n m i r durch die Kraft v o n Luzifer « « ^ A h r i m a n » - aber das ist ein Paradoxon, denn dieses «Ich» ist ein U n d i n g i m Kosmos. Es kann nicht leben. - D i e Asuras sind damit auch die Gegner des Christus. Sowohl das, was durch sie aus der luziferisch-ahrimanischen Polarität entspringt, als auch das, was d u r c h den Christus m ö g lich ist, sind Steigerungen. So läßt sich das Gesetz erkennen, daß aus einer Polarität eine doppelte Steigerung hervorgeht, die selber wieder polarisch ist. D i e Asuras verführen z u m Egoismus i n höchster Steigerung. W i e sich aber gezeigt hat, ist dieser ja i n sich polar - er hat eine luziferische u n d eine ahrimanische A u s p r ä g u n g s f o r m . D a m i t sind die Asuras die «Väter» der anderen Widersachermächte, deren W i r k u n g sich wie aus einer Einheit nach zwei polaren Richtungen entfaltet, u n d sie sind die Väter alles Bösen i n seinem Kern. Sie treten i n der W e l t e n t w i c k l u n g i m allerersten A n fang auf. In der K u l t u r e n t w i c k l u n g auf der Erde wirken sie aber erst als letzte, nämlich dann, w e n n die Individualität z u ihrer stärksten «Verdichtung» k o m m t , w e n n sie den tiefsten P u n k t der Absonderung v o m geistigen U r s p r u n g erreicht hat — u n d v o n da entweder aus freiem Entschluß wieder aufsteigt, dabei sich m i t lichten Geistern der Persönlichkeit verbündend, oder aber sich ganz m i t der Erde, u n d damit m i t den Kräften des Todes, verbindet. Das ist eben i n der Bewußtseinsseele. D a m i t 303

ist auch das B ö s e , das durch sie entsteht, das stärkste, einen G r a d stärker als das ahrimanische, zwei Grade stärker als das luziferische, wie es R u d o l f Steiner einmal aussprach. 1 6 8 Das zuletzt sich Offenbarende ist also das Erste — ein tiefes Lebensgesetz, das m a n auch i n der N a t u r ausgebildet finden kann.

5. «666»

und die Zukunft der Menschheit — die Aufgabe des Manichäismus

Alles Vergängliche itf ein Gleichnis. So kann m a n das Gesetz der Polarität m i t doppelter Steigerung auch an der Pflanze entdekken. D i e Elemente zusammengezogene Sproßachse (in Internodien gegliedert) u n d ausgedehntes Blatt k o m m e n i n der Blüte z u einer höheren Verbindung: die Geste der Blüte ist eine ausdehnende (durch Farbe u n d D u f t ) , die Staubgefäße sind Produkte starker Zusammenziehung. Alles w i r d i n der Blüte nach außen gekehrt, «offenbar». U n d bald welkt sie dahin. Dagegen w i r d i m Fruchtknoten i m Verborgenen der Samen gebildet, der anatomisch v o n der Sproßachse hervorgebracht w i r d , dessen H ü l l e sich aber aus verschmelzenden Fruchtblättern formt. A l les w i r d i n eine D u r c h d r i n g u n g gebracht, u n d das Wesentliche, die Samenbildung, vollzieht sich i m Unsichtbaren. D i e M ö g lichkeit, eine zukünftige neue Pflanze z u bilden, ist veranlagt, aber zurückgehalten. H i e r herrscht «Verinnerlichung» - eine zweite Steigerung aus den M o t i v e n Blatt-Achse. Blüte u n d Frucht sind wiederum zueinander polar. Verbindendes zwischen beiden ist aber der Pollen, der auf die Narbe übertragen werden m u ß , damit die Samen reifen k ö n n e n . N i m m t m a n das als Bild allgemeiner Entwicklungsgesetze, so läßt sich daran erkennen, wie das B ö s e i n der E n t w i c k l u n g d r i n nensteht; bei der Pflanze gibt es kein G u t u n d Böse, aber Entstehen u n d Vergehen. D i e Polarität der Steigerungen liegt darin, daß die erste i n die Veräußerlichung läuft u n d i n den T o d . D i e 304

Blüte stirbt; das Pflanzenwesen hat sich i n ihr ganz i m Materiellen offenbart. W i e entsteht die Blüte? D i e Formmetamorphose des Laubes bereitet sie schrittweise vor, i n d e m das Vegetative des Laubes immer mehr verfeinert u n d z u r ü c k g e n o m m e n w i r d . D i e E n t w i c k l u n g pendelt dabei i m m e r zwischen Blatt- u n d Stengelbildung. D i e Blüte erscheint als Z i e l - oft auf langem Stengel emporgehoben. Sie ist aber i n W i r k l i c h k e i t schon an jedem K n o t e n veranlagt, an dem ein Blatt entspringt, n u r bleibt sie dort i n der Regel unausgebildet. M a n k ö n n t e genauso gut sagen, daß die Blüte die Ursache der Laubblattmetamorphose ist. So ist die Blüte ein Letztes u n d Neues, das d o c h v o n A n f a n g an wirkt.- D i e zweite Steigerungsform: die Samenbildung i n der Frucht entzieht sich der Erscheinung, bildet die Potenz für einen neuen Entwicklungszyklus. Das Wesentliche eines Samens ist das Nicht-Sichtbare. A b e r - es m u ß v o n der Blüte auf die Narbe des Fruchtknotens etwas herübergetragen werden. Versuchen w i r n u n , dieses «Gleichnis» z u lesen. Was den Uranfang bildet — die Asuras - , w i r d erst als Letztes i n Erschein u n g treten. Es w i r d vorbereitet d u r c h ein pendelndes W i r k e n der Polarität L u z i f e r - A h r i m a n , nicht n u r i m einzelnen M e n schen, auch i n der Geschichte. 1 6 9 Das Z u r - B l ü t e - K o m m e n i n der dritten Qualität ist gekennzeichnet durch den D u r c h d r i n gungszustand der Pole — luziferisch-ahrimanisch auf einer erhöhten Intensitätsstufe. Was ganz i n diese R i c h t u n g geht, w i r d dem T o d verfallen. D e n n durch die A s u r a s - W i r k u n g w i r d der M e n s c h verfuhrt, sein Wesen völlig m i t dem Materiellen z u vereinigen, v o l l k o m m e n i m Sinnlichen aufzugehen. Dabei w i r d dieses B ö s e - i n einer fernen Z u k u n f t - i n seinem wahren Wesen auch physiognomisch offenbar werden. Das ist ein Inhalt der Apokalypse. Heute ist alles B ö s e n o c h «maskiert», es liegt aber i n Anlage i n der Bewußtseinsseele, sozusagen als Auge einer Blattachsel. - Z u r G r u n d l e g u n g für eine neue Entwicklungsstufe des Planeten, auf dem w i r leben, m u ß eine Metamorphose stattfinden, sie k a n n nur durch die «Vergeistigung» geschehen. Das bedeutet: das H o c h h e b e n alles Leiblichen auf eine edlere Stufe. 305

Das ist ein Arbeiten i m Verborgenen - eine Samenbildung. Das Unsichtbare w i r d i m m e r wesentlicher. A b e r bedeutsam ist, daß es nicht einfach u m eine Scheidung der Geister geht, so daß die einen eben aufsteigen u n d sich vervollkommnen, die anderen i m m e r tiefer absteigen i n das, was der «Abgrund» genannt w i r d , i n dem die höllischen M ä c h t e w i r k e n . Dies gleichgültig h i n z u nehmen als «Vorsehung», wäre nicht christlich. V i e l m e h r w i r d m a n die Fähigkeit ausbilden müssen, «das Böse gut z u lieben», irgendwo i n einem bösen Menschen den K e r n zu finden, der gut ist. 1 7 0 Unsere Gegenwart hat eine äußerst geringe N e i g u n g zu solcher Positivität, die dazu nötig ist; aber i m siebten Vortrag dieser A u s w a h l (vom 26.10.1918) hat R u d o l f Steiner sie schon als Ü b u n g s a u f g a b e für die Menschenerkenntnis konkret formuliert. H ö c h s t e Positivität, Liebe u n d Erlösungswillen sind A u f gabe des wahren Manichäismus, v o n dem w i r uns allenfalls eine erste empfindende A h n u n g verschaffen k ö n n e n , aber k a u m eine Vorstellung über die M e t h o d e n , m i t denen er wirken w i r d . H i e r stehen w i r n u n an einem Punkt, w o m a n - nach allen Charakterisierungen des Bösen von seinen verschiedenen Seiten — auch v o n einer M i s s i o n , einem Sinn des B ö s e n sprechen k a n n . D e n n das Gute, das auf diese Weise aus einer U m w a n d l u n g u n d Erlösung des Bösen entstehen kann, w i r d gerade ein besonders h o hes Gutes sein! A b e r i n Anlagen w i r d ein solches gesteigertes Gutes schon möglich, wenn m a n versucht, nicht n u r «einfach gut» z u sein, sondern i n konkreter Weise den geschilderten U m gang m i t den Kräften der Widersacher zu üben, so daß sie aneinander z u m «Salz» werden. Indem m a n das Wertvolle n i m m t , das Luzifer u n d A h r i m a n uns verleihen, w i r d auch i m H i n b l i c k auf diese M ä c h t e ein Erlösungsprozeß i m K e i m begonnen. L u ziferisches w i r d z u m Beispiel erlöst, w e n n es als Impulsator zur Spiritualität i n den Dienst gestellt w i r d . 1 7 1 Es w i r d dadurch z u «Heiligem Geist». D i e große Gegenkraft z u m Bösen, das i n seinen verschiedenen P h ä n o m e n e n eingangs gezeigt wurde, ist die Liehe. Sie fuhrt das zurück, n i m m t das wieder auf, was i n die Absonderung 306

gefallen ist, ohne aber den Sinn der Absonderung, die Individualisierung u n d Freiheit, aufzuheben. N u r so ist es wahre Liebe, die heilt. M a n k ö n n t e sagen: sie ist die einzige Kraft, die die «Maske» der Entfremdung, der inneren Unwahrhaftigkeit, die alles B ö s e hat (da es ein am falschen O r t "Wirkendes ist) durchdringen kann u n d das wahre Wesen erkennt. U n d i n diesem Sinne ist Erkenntnis der Widersachermächte auch schon eine Tätigkeit der Liebe. — Das «zweischneidige Schwert», v o n dem n u n der letzte Vortrag spricht, ist das Ich selber — die Liebe ist seine eine Seite, die Verhärtung i m Egoismus seine andere. Beides m u ß da sein, damit Freiheit möglich ist u n d Liebe aus Freiheit, nicht aus weiser G ä n g e l u n g durch göttliche M ä c h t e . M i t der nach unten, i n die Materialität weisenden Schneide des Ichs, sind w i r wieder an den Ausgangspunkt dieser Vortragsauswahl verwiesen, w o das Wesen des Bösen aus d e m Egoismus erklärt wurde, der i n das falsche Gebiet versetzt w i r d . D i e geistige Wesenheit, die n u n als starker Verfuhrer zu dieser Verhärtung i m gesteigertsten Egoismus auftritt, ist das «zweihörnige Tier» des Apokalytikers, das er m i t dem S y m b o l « 6 6 6 » verband. Alles an diesem sicherlich furchterregenden Wesen, das auch der Sorat genannt w i r d , ist schillernd, vieldeutig. Je mehr man sich i h m durch die Geisteswissenschaft nähert, w o z u der vorletzte Vortrag eine Anregung gibt, umso mehr erscheint es wie eine Z u s a m m e n f a ß u n g , B ü n d e l u n g aller Wdersacherintentionen überhaupt. W e n n die Asuras das Prinzip der Verschmelzung von Luziferischem u n d A h r i m a n i s c h e m sind, so ist der Sorat das individuelle Geistwesen, das sich nach diesem P r i n zip «blütenartig» offenbaren w i l l . U n d unter diesem Gesichtsp u n k t w i r d auch verständlich, w a r u m er erst i n ferner Z u k u n f t seine volle Kraft entwickeln w i r d (hiervon handeln die letzten Vorträge des Zyklus über die Apokalypse), u n d zwar i m m e r dann, wenn v o n sieben kleineren oder größeren Entwicklungsstufen eine sechste vollendet ist. W e n n dann i n dritter W i e d e r h o l u n g ein « 6 6 6 » i n der E n t w i c k l u n g abgeschlossen wurde, ist der H ö h e p u n k t erreicht. A b e r unser vorletzter Vortrag zeigt, 307

daß schon i n der Vergangenheit, nämlich i m Jahre 666 n . C h r . , eine W i r k u n g dieses Wesens zumindest intendiert war, w e n n sie auch n u r abgeschwächt herauskam. D e r geschichtliche Niederschlag davon war die Akademie von Gondischapur. A u c h hier k o m m t es z u einer rhythmischen W i e d e r h o l u n g : 666-13321998 n . C h r . I m Vortrag w i r d auf die W i e d e r h o l u n g i n unserem Jahrhundert hingewiesen. D e r Sorat wirkt rhythmisch, wie an «Knoten» der Geschichtsentwicklung ausbrechend. Es w i r d deutlich gesagt, daß das geistige Ereignis v o n 666 n . C h r . einen luziferisch-ahrimanischen Charakter trug. Das könnte schon auf eine asurische Qualität deuten. Sie w i r d aber greifbarer i n der Absicht dieses Wesens, den M e n s c h e n verfrüht die Bewußtseinsseele zu bringen, m i t allen ihren Errungenschaften — u n d Gefahren. D i e N a c h w i r k u n g des Impulses v o n 666 war ein Zurückschrauben der menschlichen N a t u r i n der E n t w i c k l u n g , ein Mineralisieren. Das w i r k t sich aus als eine Veranlagung, das allgemein Göttliche, also den «Vater», z u leugnen. D i e schon auf dem Saturn dem «Vater» feindlich gegenüberstehenden Asuras sprechen hier vernehmbar h i n d u r c h . A m deutlichsten w i r d aber diese Seite des «Tieres» i n dem H i n w e i s R u d o l f Steiners, daß der Sorat zur schwarzen Magie verführt. Im Sorat sind die Asuras wie individualisiert. Zugleich hat aber das «Tier» den Charakter, dem Christus (dem Regenten der alten Sonnenentwicklung) feindlich gegenüberzustehen. Das zeigt der Vortrag an der Waage-Situation, die zwischen dem Jahr 666 u n d dem Jahr 1 u m die Mitte der vierten Kulturepoche besteht - Christus steht Sorat gegenüber, er ist aber schon vorher gekommen, u m dessen verhärtende W i r k u n g , die die Seele stärker an den Leib fesselt u n d sie an den Schicksalen v o n Geburt, Vererbung u n d Tod teilnehmen läßt, auszugleichen, i n d e m er der Seele die Kraft verleiht, sich dem Geist zuzuwenden.172 Drittens steht Sorat dem H e i l i g e n Geist feindlich gegenüber damit auch der E r l ö s u n g Luzifers. D e n n was war der «Hintergedanke» des geplanten «Geschenkes» an die Menschheit, sie ohne 308

eigene Anstrengung m i t der ganzen Weisheit der Bewußtseinsseele z u überschütten? D i e Menschen sollten gelähmtwerden i n ihrem Entwicklungswillen, so d a ß sie jene E n t w i c k l u n g s m ö g lichkeit verlieren, die die Vergeistigung genannt wurde u n d die i n der Veredelung der Wesensglieder besteht. D e r M e n s c h sollte durch Sorat dazu verfuhrt werden, Luzifer u n d A h r i m a n i n ein e m passiven Stand auf sich wirken z u lassen — als Bringer glänzender geistiger Offenbarungen, aber auch als Verführer z u r Selbstsucht, i n der die Menschen verkommen wären. Seinen schwächsten P u n k t aber hat der M e n s c h i n seinem Verstand diesem Geschenk Luzifers, das heute durch A h r i m a n z u m toten u n d tötenden Werkzeug geformt ist, das z u so viel H y b r i s verleitet u n d auch zur Leugnung des Christus-Ereignisses, weil es nicht logisch beweisbar ist - weil m a n nicht glaubt, d a ß m a n den Christus braucht. D a r u m sagt der Apokalyptiker: wer Verstand besitzt, der suche den S i n n , den die Z a h l des Tieres hat: . . . 666 ( O f f 13,18). — So steht i n Sorat eigentlich ein trinitarischer Widersacher vor uns, der i n sich alles bündelt, was W i d e r sachermächte entgegen der göttlich gewollten E n t w i c k l u n g des Menschen planen. M a n m u ß den M u t entwickeln, die gegenwärtige Zeit a u f die Symptome h i n z u untersuchen, i n denen sich die erneuerte W i r k u n g des Ereignisses v o n 6 6 6 , aber auch der Metamorphose des Ereignisses a u f Golgatha zeigt, wie es R u d o l f Steiner andeutete. E i n Nachfahre jener seelischen Passivität, die durch Gondischapur gründlich geübt werden sollte, ist jedenfalls die H a l t u n g , die i n der Naturwissenschaft z u m Ideal geworden ist: n u r ja nicht seelische Aktivität i n die äußere Beobachtung z u mischen, sondern «objektiv» w i e ein Meßgerät z u registrieren. D i e Äußerungen über das «zweigehörnte Tier», den Repräsentanten aller Entwicklungshemmung, w u r d e n v o n R u d o l f Steiner i m m e r i n den Zusammenhang gestellt, den der vorletzte Vortrag als Frage formuliert: «Wie finde i c h den Christus?». Was i n uns als hemmende M ä c h t e wirkt, k a n n als Ohnmachtbewußt werden - auch i n der Selbsterkenntnis, als jener T o d i n der 309

Seele, auf den hingewiesen wurde als Nadelöhrerlebnis der Bewußtseinsseele - oder als O h n m a c h t , die Wahrheit bis i n das gesprochene W o r t tragen zu k ö n n e n . I n der O h n m a c h t w i r d das Böse, das H e m m e n d e , bewußt! Keineswegs geht es darum, sich vorzuspiegeln, m a n k ö n n e aus eigener Kraft alles selber leisten — «frei», auf sich gestellt. Erst m i t dem Sich-Eingestehen der O h n macht w i r d auch die Auferstehung aus dem T o d i n der Seele möglich durch den Christus.

Michael

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Kaiisch

Anmerkungen

Zur Einführung des Herausgebers: 1 Hier kann nur ein willkürlicher Überblick über die Literatur aus Theologie, Psychologie, Soziologie und Biologie zum Thema des Bösen gegeben werden. Man findet z.B. in den angeführten Werken von Schroeder und Höring eine Fülle weiterer Verweise: Schroeder, H.-W. (1984): Der Mensch und das Böse. Ursprung, Wesen und Sinn der Widersachermächte. Stuttgart. Schütze, A. (1969): Das Rätsel des Bösen, Stuttgart. Colpe, C. u.a. (Hrsg., 1993): Das Böse. Eine historische Phänomenologie des Unerklärlichen. Frankfurt am Main. Häring, H. (1985): Das Problem des Bösen in der Theologie. Darmstadt. Kirchschläger., W. (Hrsg., 1990): Das Phänomen des Bösen. Beiträge zu einem theologischen Problem. Luzern/Stuttgart. Halter, H. (Hrsg., 1988): Wie böse ist das Böse? Psychologische, philosophische und theologische Annäherungen an ein Rätsel. Zürich. Haag, H. (1990): Abschied vom Teufel. Vom christlichen Umgang mit dem Bösen. Zürich. 8.Aufl. Hauser, M. (1986): Gestalten des Bösen. Phänomenologie ihres Ursprungs und Ansätze zu ihrer begrifflichen Grundlegung. Altenberge. Jung, C. G. (1978): Bewußtes und Unbewußtes. Frankfurt am Main. Beck, I. (1976): Das Problem des Bösen und seine Bewältigung. Eine Auseinandersetzung mit der Tiefenpsychologie von C. G. Jung vom Standpunkt der Theologie und Religionspädagogik. München/Basel. Lorenz, K (1974): Das sogenannte Böse. Zur Naturgeschichte der Aggression. Wien. 34.-36.Aufl. Berger, KL (1983): Aggression - das Böse. Analyse, Kritik und Orientierungshilfe eines existentiellen Problems. Berneck (Schweiz). 2 Das Entwickeln des moralischen Impulses (moralische Intuition) aus der konkreten Situation, ohne vorgeformten kategorischen Imperativ, ist auch Anliegen des grundlegenden Werkes von Rudolf Steiner, der Philosophie der Freiheit (Gesamtausgabe Bibliographie-Nr. 4 = G A Bibl.-Nr. 4). 3 Die Haltung eines nach innen gewendeten, wenn auch nicht so benannten, Manichäismus kann man als einen tiefen Grundzug in der Psychotherapie C. G. Jungs finden (Jung 1978, Beck 1976).

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Das Böse im Lichte der Erkenntnis vom Geiste (15- Januar 1914) 4 Vgl. Wahrspruchworte, G A Bibl.-Nr. 40, S. 93. 5 Der Zyklus Geisteswissenschaft als Lehensgut, GA Bibl.-Nr. 63, besteht aus 12 öffentlichen Vorträgen, die zwischen Oktober 1913 und April 1914 in Berlin gehalten wurden und eine schrittweise Fundierung der Geisteswissenschaft geben sollten. - Es ist zu berücksichtigen, daß die Nachschriften zum Teil nicht wördich und lückenhaft sind. 6 Zur griechischen Schule der Stoiker (4.-3. Jh. v. Chr.) gehörten Philosophen wie Zenon von Kition, Kleanthes, Chrysippus u.a. Sie leiteten ihren Namen von der Säulenhalle in Athen, der Stoa, ab. 7 Unter dem Titel Die Rätsel der Philosophie (1914), G A Bibl.-Nr. 18. 8 Siehe Confessiones («Bekenntnisse»), 7. Buch, Kapitel 12-16. 9 R. J. Campbell: Die neue Theolope, deutsch Jena 1910. 10 Plotin: 205-270, der bedeutendste Neuplatoniker. In Ägypten geboren, lebte später in Rom. Siehe z.B. Enneaden, Jena und Leipzig 1905, Band 1,1, S. 17, V. Enneade. 11 Nakae Toju, Der Weise von Omi, 1605-1678. Er wandelte die Lehre des chinesischen "Weisen Wang Yang-Ming in eine dem japanischen Geistesleben gemäße Form um. 12 Hermann Lotze, seit 1844 Professor der Philosophie. Mikrokosmos, Ideen zur Naturgeschichte und Geschichte der Menschheit, 1856-1864, 3. Band, 9. Buch, 5. Kapitel, S. 609-611. Über Lotze siehe auch Rudolf Steiner, Die Rätsel der Philosophie im Kapitel «Moderne idealistische Weltanschauungen», G A Bibl.-Nr. 18. 13 Gottfried Wilhelm v. Leibniz (1646-1716): Essais de thiodicie sur la bonte de dieu, la liberti de Thomme et l'origine du mal. 14 Jacob Böhme (1575-1624) 15 «Die sittliche Grundlage des Menschen», 12.2.1914, Berlin (in: G A Bibl.Nr. 63). Der Vortrag behandelt den geistigen Ursprung des Gewissens. 16 Siehe z.B. den Vortrag vom 30.10.1913: «Die geistige Welt und die Geisteswissenschaft. Ausblicke und Ziele der Gegenwart», in: G A Bibl.-Nr. 63. 17 Gemeint ist Angelus Silesius. Der von Rudolf Steiner zitierte Zweizeiler stammt tatsächlich aus Friedrich Rückerts Gedicht «Welt und Ich», und ist dem folgenden Spruch von Angelus Silesius nachempfunden: «Die Ros' ist ohn warum, sie blühet weil sie blühet, Sie acht' nicht ihrer selbst, fragt nicht ob man sie siehet.» Cherubinischer Wandersmann, 1. Buch, Spruch 289 18 «Zwischen Tod und Wiedegeburt des Menschen», 19.3.1914, Berlin, in: GA Bibl.-Nr. 63.

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Arthur Schopenhauer (1788-1860). Eduard v. Hartmann (1842-1906). Philipp Mainländer, Philosophie der Erlösung, 1876 erschienen. Max Seiling, Ein neuer Messias, 1888. J. F. A. Bahnsen, 1830-1881, lebte in Lauenburg/Holstein. Mephistopheles in Faust 1. Studierzimmer, Verse 1936-1939.

Das Gute ab schöpferisches, das Böse als todbringendes Prinzip (28. Dezember 1911) 25 Siehe 27.12.1911, 1. Vortrag des Zyklus Die Welt der Sinne und die Welt des Geistes, G A Bibl.-Nr. 134. 26 Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft (1781), 2. Buch, 2. Hauptstück der transzendentalen Dialektik. 27 Die Welt als Wille und Vorstellung, 3. Buch, § 52. (Schopenhauers sämtliche Werke, hg. und eingeleitet von Rudolf Steiner, Stuttgart o.J. Dritter Band, S. 105 ff.) 28 Siehe Goethe, Die Metamorphose der Pflanzen, S. 17 ff. in Band I von Goethes Naturwissenschaftliche Schriften (1883/97), G A Bibl.-Nr. la, 1975. 29 Siehe die weiteren Ausführungen dazu im 6. Vortrag in G A Bibl.-Nr. 134 (s.Anm. 25), sowie im 13. Vortrag von «Theosophie und Rosenkreuzertum», in Menschheitsentwickelung und Christus-Erkenntnis (22 Vorträge Kassel und Basel 1907), G A Bibl.-Nr. 100, 1967.

Über die Wesenheit des Christus, Ahriman und Luzifer in ihrem Verhältnis zum Menschen (7. Mai 1923) 30 In der Zeit zwischen August 1922 und September 1924 hielt Rudolf Steiner rund 110 Vorträge für die Arbeiter am Goetheanum, wobei die Themen alle Lebensgebiete abdeckten; oft wurden vom Publikum geäußerte Fragen direkt beantwortet. In den Monaten vor dem hier wiedergegebenen Vortrag waren Themen wie die Wesensgliederung des Menschen, Wachen, Träumen und Schlafen, Leben und Tod, Reinkarnation und christologische Fragen (GA Bibl.-Nr. 349) und Gesundheit und Krankheit an konkreten Beispielen (GA Bibl.-Nr. 348) zur Sprache gekommen. - Man wird die andersartige Ausdrucksart, die mehr bildhafte, oft auch mit mundartlichen Begriffen bereicherte Sprache im Vergleich zu anderen Vorträgen bemerken. Noch mehr als schon bei öffendichen oder

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internen Vorträgen gilt hier, daß die einzelne Äußerung immer nur im gesamten Gedankenzusammenhang, im gesamten Sprachduktus - und möglichst vor dem Hintergrund der besonderen Zuhörerschaft zu verstehen ist, nicht aber isoliert, herausgerissen. Solche isoliert genommenen «Zitate» bergen die Gefahr, zu Mißdeutungen Anlaß zu geben. 31 Vortrag vom 21.4.1923 (über die zwei Jesusknaben u.a.) in G A Bibl.-Nr. 349. 32 Für das aus Holz erbaute erste Goetheanum war eine große Holzplastik geplant, die den «Menschheitsrepräsentanten» zwischen Luzifer und Ahriman darstellt. Da sie zur Zeit des Brandes des ersten Goetheanum Silvester 1922 noch nicht aufgestellt war, ist sie erhalten geblieben und kann heute im zweiten Goetheanum besichtigt werden. 33 Letzter Vortrag, 9.5.1923, in G A Bibl.-Nr. 349

Das Verhältnis ahrimanischer und luziferischer Wesen zu den normal entwickelten Hierarchien (4. Oktober 1918) 34 Siehe die Vorträge 1-9 in: Die Polarität von Dauer und Entwicklung im Menschenleben, G A Bibl.-Nr. 184, zwischen 6. und 22.9.1918 in Dornach gehalten. 35 Siehe 3. Vortrag im selben Zyklus G A Bibl.-Nr. 184. 36 Siehe die drei Vorträge vom 27., 28. und 29. September 1918 in Band II der Geisteswissenschaftlichen Erkläuterungen zu Goethes Faust. Das FaustProblem. Die romantische und die klassische Walpurgisnacht, G A Bibl.- Nr. 273. 37 Vgl. hierzu den Aufsatz «Luziferisches und Ahrimanisches in ihrem Verhältnis zum Menschen», in: Philosophie und Anthroposophie, G A Bibl.Nr. 35 (1918). 38 Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 - 1716), Philosoph. Über die Herkunft der Anekdote konnte der Herausgeber nichts feststellen. 39 Vgl. 5. und 8. Vortrag im selben Zyklus G A Bibl.-Nr. 184.

Midgardschlange, Fenriswolfund Hei (15. Juni 1910) 40 Im vorangegangenen Vortrag waren die Bewußtseinsstufen der urindischen, urpersischen, chaldäischen, griechischen und germanischen Kultur behandelt worden, und es war in die realen geistigen Hintergründe der germanischen Göttergestalten hineingeleuchtet worden. - In «Brahma»

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verehrte der alte Inder das allem zugrundeliegende Urwesen, dessen Hauptfähigkeit das «schaffende Wissen» ist (vgl. auch «Germanische und indische Geheimlehre», 8.3.1906 in Die Welträtsel und die Anthroposophie, G A Bibl.-Nr. 54). «Atma(n)» ist das höchste Wesensglied, das der Mensch ausbilden kann, das noch über «Buddhi» (umgewandelter Ätherleib) und «Manas» (umgewandelter Astralleib) steht und dem umgewandelten physischen Leib entspricht, zugleich dem innersten, unsterblichen Wesenskern. - Rudolf Steiner prägte hierfür die Begriffe Geistesmensch, Lebensgeist und Geistselbst. 41 Zu den Begriffen der lemurischen, atlantischen usw. Entwicklungsepoche vgl. Die Geheimwissenschaft im Umriß, G A Bibl.-Nr. 13. 42 Zum Beispiel Matthäus 4,10, Lukas 22,3. 43 In den im Urtext griechischen Evangelien steht dort, wo Jesus z.B. Besessene heilt, der Begriff «Dämon», z.B. Mk 9,14, dagegen ist in der Versuchungsgeschichte in Mt 4,10 von «Satan» die Rede. 44 Zum Wesen der Devas vgl. Berlin 8.10.1905 in: Grundelemente der Esoterik, G A Bibl.-Nr. 93a. Die Devas sind «Nachkommen» der Hierarchienwesen und haben die Aufgaben von «Planetengeistern», «Engeln der Umlaufszeiren», Gruppenseelen und Volksgeistern. 45 Vgl. Vortrag vom 8. 8.1908 in Welt, Erde undMensch, G A Bibl.-Nr. 105. 46 Die Offenbarungen des Karma, G A Bibl.-Nr. 120. 47 Vortrag vom 29.2.1912 «Der Tod bei Mensch, Tier und Pflanze» in Menschengeschichte im Lichte der Geistesforschung G A Bibl.-Nr. 61. 48 Vgl. Vortrag vom 25.6.1922in Menschenfragen und Weltenantworten, G A Bibl.-Nr. 213. 49 Vgl. auch Vortrag vom 2.4.1915 in Wege der geistigen Erkenntnis und der Erneuerung künstlerischer Weltanschauung, G A Bibl.-Nr. 161; ferner Vortrag vom 24.12.1916 in «Zeitgeschichtliche Betrachtungen», G A Bibl.Nr. 173. 50 Vortrag vom 11-.8.1908 in Welt, Erde undMensch, Bibl.-Nr. 105; Vortrag vom 22.8.1911 in Weltenwunder, Seelenprüfungen und Geistesoffenbarungen, G A Bibl.-Nr. 129. 51 Vortrag vom 1.5.1909 «Alteuropäisches Hellsehen» in Wo undwie findet man den Geist, G A Bibl.-Nr. 57. 52 Vgl. Matthäus 3,2 und 4,17, sowie Markus 1,15. 53 Zur Wesenheit von Odin, Thor und anderen Göttern der germanischen Mythologie vgl. den 8. Vortrag im selben Zyklus, G A Bibl.-Nr. 121.

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Der Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen (25. Juli 1915) 54 Der vorangegangene Vortrag im selben Zyklus behandelte den Gegensatz der alten orientalischen Weisheit, die im Römertum zum «verstrohenden» Wissen erstirbt und bis ins Mittelalter in Philosophie und Theologie nachklingt, und dem in der Urbevölkerung Europas vorhandenen, jungen seelischen Leben, das noch ohne Wissen war, in dem aber bereits die IchEntwicklung wirksam war. In der Völkerwanderungszeit kam es zur Begegnung und unterschiedlichen Druchdringung beider Elemente in den Gebieten Italiens, Spaniens, Frankreichs und Englands. An diesem Gegensatz von ersterbendem Wissen und wissenlosem Leben knüpft der vorliegende Vortrag an. 55 Zu der Bedeutung der Bewußtseinszustände von Schlafen und Wachen hat sich Rudolf Steiner immer wieder geäußert, z, B. in den Vorträgen vom 21. August 1910 in Die Geheimnisse der Biblischen Schöpfiingsgeschichte, G A Bibl.-Nr. 122; vom 29. Mai 1908 in Das Johannes-Evangelium, GABibl.Nr. 103; und vom 7. Mai 1912 in Erfahrungen des Ubersinnlichen, G A Bibl.Nr. 143. 56 Jahve (Jehova) ist das führende Wesen der im letzten Vortrag des vorigen Kapitels geschilderten Exusiai (Geister der Form). 57 Im 6. Vortrag des Zyklus Die Geheimnisse der Schwelle, GA Bibl.-Nr. 147. 58 Besonders im 2. Vortrag des in Anm. 57 genannten Zyklus. 59 Zum Beispiel im 2. Vortrag des Zyklus, zu dem vorliegende gehört (GA Bibl.-Nr. 162). 60 In einem anderen Stenogramm heißt es statt «im Allgemeinen»: «im Ätherleibe». Im Minblick auf die folgenden Sätze wurde die erstere Version gewählt, obwohl im ganzen Zusammenhang auch die zweite sinnvoll wäre. 61 Vgl. Anmerkung 32 (zum Vortrag vom 7. Mai 1923).

Das übersinnliche Element in der Geschichtsbetrachtung (26. Oktober 1918) 62 Siehe die Vorträge vom 15. und 30. Oktober 1916 in Goethe und die Krisis des neunzehnten Jahrhunderts, G A Bibl.-Nr. 171, und die Vorträge vom 18., 19. und 26. November 1916 in Das Karma des Berufes in Anknüpfung an Goethes Leben, G A Bibl.-Nr. 172. 63 Der Vortrag des vorangegangenen Tages im selben Zyklus behandelte unter anderem die Rolle des Bürgertums im 19. Jahrhundert bei der Entwicklung liberaler Ideen, von dem aber die Aufgabe eines nicht nur

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abstrakten, sondern in die Wirklichkeit eindringenden Verständnisses verschlafen wurde. 64 Siehe Die Geheimwissenschaft im Umriß, S.186f. (Taschenbuchausgabe 1962) 65 Vgl. Anm. 40 (zum Vortrag vom 15. Juni 1910). 66 Der Vortrag fällt genau in die Zeit des Weltkriegendes. Die Donaumonarchie hatte sich kurz vorher aufgelöst; Anfang Oktober war ein WafFenstillstandsangebot der deutschen Regierung an den amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson (1856-1924), ergangen, und zwar auf Grundlage seiner «14 Punkte», die er am 8.1.1918 proklamiert hatte (in Die Reden Woodrow Wilsons, engl, und dt., Bern 1919). In ihnen ist unter anderem auch der Satz vom «Selbstbestimmungsrecht der Völker» enthalten. 67 Siehe die Vorträge vom 31. August bis 2. September 1918 in Die Wissenschaft vom Werden des Menschen Das Walten der kosmischen Vernunft im Sprachentstehen, G A Bibl.-Nr. 183. 68 Zum Beispiel im öffendichen Vortrag vom 14. März 1918, Berlin, «Das geschichtliche Leben der Menschheit und seine Rätsel», in Das Ewige in der Menschenseele. Unsterblichkeit und Freiheit, G A Bibl.-Nr. 67, und im Vortrag vom 30. März 1918 in Erdensterben und Weltenleben. Anthroposophische Lebensgaben. Bewußtseinsnotwendigkeiten für Gegenwart und Zukunft, G A Bibl.-Nr. 181, und im in Anm. 71 genannten Vortrag. 69 Herman Grimm, 1828-1901, Kunsthistoriker. 70 Woodrow Wilson, 1856-1924, der von 1912-20 Präsident der USA war. 71 Vortrag in Zürich vom 17. Oktober 1918 «Die Geschichte der Neuzeit im Lichte der geisteswissenschaftlichen Forschung» in: Die Ergänzung heutiger Wissenschaften durch Anthroposophie, G A Bibl.-Nr. 73. 72 Siehe Anm. 62. 73 Ernst Horneffer, geb. 1871, Nachfolger von Dr. Fritz Kögel als Herausgeber im Nietzsche-Archiv.

Die drei Strömungen der materialistischen Zivilisation (15. Dezember 1919) 74 Siehe hierzu vor allem die in der Gesamtausgabe erschienenen Bände der Reihen: «Kosmische und menschliche Geschichte», Bibl.-Nrn. 170 - 174b; «Die geistigen Hintergründe der sozialen Frage», Bibl.-Nrn. 189 - 191; sowie weitere Vortragsbände aus den Jahren 1917-1919. 75 Vgl. Die Kernpunkte der sozialen Frage Bibl.-Nr. 23; Aufsätze über die Dreigliederung des sozialen Organismus und zur Zeitlage 1915 - 1921, G A Bibl.-Nr. 24. 76 Vgl. die Schilderungen über die verschiedenen Einweihungsstätten (Ora-

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kel) der Atlantis, besonders die Vulkan-, Merkur- und Venusorakel, in: Die Geheimwissenschaft im Umriß, S. 194f. (Taschenbuchausgabe 1962) 77 Der Ausdruck «Arier» mag Anstoß erregen. Es muß aber genau beachtet werden, in welcher Form der Begriff der «Rasse» bei Rudolf Steiner, anknüpfend an theosophische Terminologie, verwendet wurde, nämlich als Entwicklungsstadium. So entspricht die gesamte nachatlantische Zeit der «fünften Wurzelrasse», der arischen {Aus der Akasha-Chronik, 2. u. 3. Kapitel, G A Bibl.-Nr. 11). Die Wurzelrassen sind wiederum in «Unterrassen» = entwicklungsmäßige Epochen gegliedert. Eine Wertung von individuellen Menschen ist mit einer Aussage über die Entwicklungshöhe einer «Rasse» niemals verbunden, denn Rassen- und Seelenentwicklung sind zweierlei. 78 Plato, Phaidros 242 Af. 79 Die im Jahre 1875 in New York begründete Theosophical Society verlegte wenige Jahre später ihr Hauptquartier nach Adyar bei Madras in Indien. Ihre Gründerin H . P. Blavatsky, in ihrem ersten Werk Isis Unveiled noch dem abendländischen Okkultismus verbunden, folgte immer mehr der indischen Weisheit. Vgl. hierzu Rudolf Steiners Ausführungen in Die okkulte Bewegung im 19. Jahrhundert und ihre Beziehung zur Weltkultur, GA Bibl.-Nr. 254. 80 John Locke, 1632-1704, englischer Philosoph. - David Hume, 17111776, schottischer Philosoph und Historiker. - John Stuart Mill, 18061873, englischer Philosoph und Politiker. - Herbert Spencer, 1820-1903, englischer Philosoph. - Charles Robert Darwin, 1809-1882, englischer Naturforscher, Begründer der nach ihm benannten Abstammungslehre. 81 Georg Friedrich Wilhelm Hegel, 1770-1831, Immanuel Kant 17241804, Johann Gotdieb Fichte, 1767-1814, Wilhelm Joseph von Sendling, 1775-1854; die großen deutschen Philosophen des 18./19. Jahrhunderts. Vgl. Rudolf Steiner, Die Rätsel der Philosophie in ihrer Geschichte als Umriß dargestellt, G A Bibl.-Nr. 18, sowie Vom Menschenrätsel. Ausgesprochenes und Unausgesprochenes im Denken, Schauen, Sinnen einer Reihe deutscher und österreichischer Persönlichkeiten, G A Bibl.-Nr. 20. 82 Friedrich Nietzsche, ein Kämpfer gegen seine Zeit (1895), G A Bibl.- Nr. 5. 83 Herman Grimm, in dem Aufsatz «Heimich von Treitschkes Deutsche Geschichte» in: Beiträge zur Deutschen Kulturgeschichte, Berlin 1897. 84 Wilhelm von Humboldt, 1767-1835. - Zum Urphänomen siehe R. Steiner: Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung G A Bibl. Nr. 2. 85 Ludwig XTV: Louis le Grand, 1638-1715. 86 Thomas Woodrow Wilson, 1856-1924, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika von 1913-1921 (s. Anm. 66). 87 Herman Grimm, Goethe, Vorlesungen, gehalten an der königlichen Uni-

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versität zu Berlin, 2 Bände, 1877. 8. Auflage, Stuttgart und Berlin 1903, 2. Band, 23.Vorlesung, Seite 171 f. 88 Nietzsche, Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik, 1871. 89 Siehe hierzu den Vortrag in Berlin, 22. März 1909 in Geisteswissenschaftliche Menschenkunde, 19 Vorträge in Berlin 1908/09, G A Bibl.-Nr. 107.

Wie finde ich den Christus? (16. Oktober 1918) 90 «Was tut der Engel im Astralleib?», Zürich, 9.10.1918 im selben Zyklus Der Tod als Lebenswandlung, G A Bibl.-Nr. 182. 91 Das Christentum als mystische Tatsache (1902), G A Bibl.-Nr. 8. 92 Adolf von Harnack, 1851-1930, sagt wörtlich: «Unsere Quellen für die Verkündigung Jesu sind - einige wichtige Nachrichten bei dem Apostel Paulus abgerechnet - die drei ersten Evangelien. Alles übrige, was wir unabhängig von diesen Evangelien über die Geschichte und Predigt Jesu wissen, läßt sich bequem auf eine Quartseite schreiben, so gering an Umfang ist es», in Das Wesen des Christentums, Leipzig 1901, S. 13. 93 Siehe z.B. «Drei Wege der Seele zu Christus», 16./17.4.1912, in: Erfahrungen des Ubersinnlichen. Die Wege der Seele zu Christus, G A Bibl.Nr. 143. 94 la Die Erziehung des Menschengeschlechts, 1780. 95 Tertullian, um 160 bis um 220, Kirchenschriftsteller. Sein Werk zur Verteidigung der Christen: «Apologeticum.» 96 Tertullian in De carne Christi (laut Willmann Geschichte des Ldealismus Bd. 2, S. 133). 97 Vgl. Kap. 13, Vers 18 der Apokalypse. 98 Justinian, 527-565, oströmischer Kaiser. 99 Zeno Isauricus, Kaiser von 474 bis 491. Hatte die Schule von Edessa durch ein Edikt 489 geschlossen. 100 Vgl. dazu 13. - 15. Vortrag in Die Polarität von Dauer und Entwickelung, GA Bibl.-Nr. 184, Anthroposophische Leitsätze, S. 273ff., G A Bibl.-Nr. 26, 7 1976, sowie H . H . Schöffler, Die Akademie von Gondishapur, 2. Aufl. Stuttgart 1980. 101 Mohammed, um 570-632. 102 Mit dem «Zarathustra-Impuls zur Unzeit» könnte die Wiederbelebung altpersischer Feuerkulte in dieser Zeit gemeint sein. Es könnte aber auch mit den Impulsen der Zarathustra-Individualität in Zusammenhang gebracht werden, die hier vielleicht entstellt auftraten. 103 Paulus sagt in 2. Kor 12,7: «Damit ich mich darin nicht selbst überhebe, ist mir in meinem physischen Leibe ein Stachel gegeben. Ein Engel der satani-

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sehen Macht ist da wirksam, dessen Schläge mich treffen, damit ich mich nicht zu hoch versteige.» (Übers. Emil Bock). - So hat dieser «Stachel» der Gottesleugnung, von dem Rudolf Steiner spricht, auchtmtn guten Aspekt. 104 In den Canones contra Photium wird in diesem gegen den Patriarchen Photius veranstalteten Konzil unter Can. 11 festgelegt, daß der Mensch nicht «zwei Seelen», sondern «unam animam rationabilem et intellectualem» habe. Der von Rudolf Steiner sehr geschätzte katholische Philosoph Otto Willmann schreibt in seinem dreibändigen Werk Geschichte des Idealismus, 1. Auflage, Braunschweig 1894, 5 54: Der chrisdiche Idealismus als Vollendung des antiken (Band II, Seite III): «Der Mißbrauch, den die Gnostiker mit der paulinischen Unterscheidung des pneumatischen und des psychischen Menschen trieben, indem sie jenen als den Ausdruck ihrer Vollkommenheit ausgaben, diesen als den Vertreter der im Gesetze der Kirche befangenen Christen erklärten, bestimmte die Kirche zur ausdrücklichen Verwerfung der Trichotomie.» Vgl. dazu auch die Erwähnung des Konzils von Konstantinopel durch Rudolf Steiner in den G A Bibl.-Nrn. 174a, 174b, 191, 194, 203. 105 Angelus Silesius (Johann Scheffler), 1624-1677. Aus dem Cherubinischen Wandersmann. 106 Harnack: Siehe Anm. 92. 107 Johannes Müller, 1864-1949, «Lebensphilosoph», Leiter einer «Freistatt persönlichen Lebens für Suchende jeder Richtung und Herkunft» auf Schloß Elmau in Oberbayern. Verfasser zahlreicher Schriften über religiöse und soziale Probleme. 108 Friedrich Schiller in Tabulae votivae (Sprache). 109 Siehe dazu Rudolf Steiner, Eurythmie. Die Offenbarung der sprechenden Seele (Ansprachen zu Eur^hrrue-Aufführungen), G A Bibl.-Nr. 277. 110 Im Vortrag vom 17. Oktober 1918, «Die Geschichte der Neuzeit im Lichte geisteswissenschaftlicher Forschung» in Die Ergänzung heutiger Wissenschaften durch Anthroposophie, 8 Öffentliche Vorträge Zürich 1917/ 18, G A Bibl.-Nr. 73, wo der Gegenstand in der Fragenbeantwortung wieder aufgegriffen wird. 111 Mere Literature and Other Essays, deutsche autorisierte Übertragung von Hans Winand, München 1913 unter dem Titel Nur Literatur. Betrachtungen eines Amerikaners. 112 Herman Grimm, 1838-1901, Kunsthistoriker. Vergleich von Herman Grimm und W. Wilson siehe auch den 7. Vortrag dieser Sammlung oder den Vortrag vom 30. März 1918, Berlin, in Erdensterben und Weltenleben. Anthroposophische Lebensgaben. Bewußtseins-Notwendigkeiten für Gegenwart und Zukunft, G A Bibl.-Nr. 181. 113 2. Korintherbrief, Kap. 3, 6.

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Die Zukunft der Menschheitsentwicklung (25. Juni 1908) 114 Siehe auch 4. und 7. Vonrag im selben Zyklus Die Apokalypse des Johannes, G A Bibl.-Nr. 104. Der «Krieg aller gegen alle» wird erst nach der siebten Kulturepoche stattfinden, also in ca. 5900 Jahren. 115 Das «zweischneidige Schwert»: Off 1,16. - Siehe auch 3. Vortrag im selben Zyklus. 116 In der Ausgabe des Zyklus Die Apokalypse des Johannes von 1979 sind die sieben Apokalyptischen Siegel abgebildet. 117 Die «Gemeinde Philadelphia» (Bruderliebe): die sechste Kulturepoche. 118 Die «slawische» und die «amerikanische» Kulturepoche. 119 Zu den sieben «Rassen» der Atlantis siehe Aus der Akasha-Chronik, G A 11, 2. Kap. Die fünfte atlantische Rasse war die der «Ursemiten»; man denke an die drei Söhne Noahs, Sem, Harn und Japhet. 120 Zum Manichäismus siehe auch 9. Vortrag in: Der Orient im Lichte des Okzidents, G A Bibl.-Nr. 113, und 9. Vortrag in: Okkultes Lesen und okkultes Hören, G A Bibl.-Nr. 156; ferner H . Reimann: Manichäismus das Christentum der Freiheit. Dornach 1980, in dem der innere Zusammenhang urchristlicher Strömungen incl. des Manichäismus, späterer «Ketzerbewegungen» wie Bogumilen, Katharer, der Bauhütten des ausgehenden Mittelalters und der Rosenkreuzer gezeigt wird. All dies wurde von der Kirche in den Untergrund gedrängt bzw. verketzert. Der Ursprung der drei Ideale der Französischen Revolution ist aber bis zu diesem «Christentum der Freiheit» der frühen Jahrhunderte zurückzuverfolgen. 121 122 123 124 125 126

Vgl. den 4. Vortrag desselben Zyklus G A Bibl.-Nr. 104, und Off 5-8. Siehe Off 8,6-11,19. Vgl. den 6. Vortrag desselben Zyklus G A Bibl.-Nr. 104. Siehe Off 16. Siehe Off 10,8-11. Siehe Rudolf Steiner, Bilder okkulter Siegel und Säulen. Der Münchner Kongreß Pfingsten 1907 und seine Auswirkungen, G A Bibl.-Nr. 284/85, 1977, Textheft Seite 70 im Vortrag vom 21. Mai 1907. Ferner Weltwesen und Ichheit, sieben Vorträge in Berlin zwischen dem 6. Juni und 18. Juli 1916, G A Bibl.-Nr. 169, 1963.

127 Zum «siebenköpfigen, zehnhörnigen Tier» siehe 9. Vortrag, zum «zweihörnigen Tier»: 11.-12. Vortrag im selben Zyklus G A Bibl.-Nr. 104.

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Nachwort des Herausgehers 128 Dieser Weg wird in dem hier nicht wiedergegebenen vorangegangenen Vortrag beschrieben (GA Bibl.-Nr. 134, 1. Vortrag). 129 Siehe Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? G A Bibl.-Nr. 10, 7. u. 8. Kapitel. 130 Siehe Die Evolution vom Gesichtspunkt des Wahrhaftigen, G A Bibl.-Nr. 132, 4. Vortrag. 131 Siehe Anmerkung 130. 132 Siehe 10. Vortrag in: Geistige Hierarchien und ihre Wiederspiegelung in der physischen Welt, G A Bibl.-Nr. 110. 133 5. Vortrag in G A Bibl.-Nr. 132 (siehe Anmerkung 130). 134 Ergänzende Literatur. - Erfahrungen auf dem Schulungsweg: Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? G A Bibl.-Nr. 10, 2., 6. und 7. Kapitel; «Der Hüter der Schwelle. Kain und Abel», 27.3.1913, 8. Vortrag in: Welche Bedeutung hat die okkulte Entwicklung des Menschen für seine Hüllen und sein Selbst? G A Bibl.-Nr. 145. Weltentwicklung: Aus der Akasha-Chronik, G A Bibl.-Nr. 11; 4. Vortrag in: Die Welt der Sinne und die Welt des Geistes, G A Bibl.-Nr. 134. - Thematisch verwandte Vorträge: «Der Ursprung des Bösen», Berlin 22.11.06 in: Die Erkenntnis des Ubersinnlichen in unserer Zeit, G A Bibl.-Nr. 55; Dornach 3.10.1914, 3. Vortrag in: Okkultes Lesen und okkultes Hören, G A Bibl.-Nr. 156. - Zum Problem der göttlichen Liebe, Macht und Weisheit: «Die Liebe und ihre Bedeutung in der Welt», Zürich 17.12.1912, in: Erfahrungen des Übersinnlichen. Die Wege der Seele zu Christus, GA Bibl.-Nr. 143. 135 Siehe 12. Vortrag in: Geisteswissenschaftliche Menschenkunde, G A Bibl.-Nr. 107. 136 Im öffentlichen Vortrag vom 22.2.06 über «Luzifer» (Die Welträtsel und die Anthroposophie, G A Bibl.-Nr. 54) wurde bereits Ahriman als böser Gott und Gegner des Ormuzd (Ahura Mazdao) erwähnt, ebenso Satan als Prinzip der lebenszerstörenden, herabziehenden Macht, aber eine Polarität von Luzifer und Ahriman/Satan wurde noch nicht deutlich ausgesprochen. 137 Siehe 1. Vortrag in: Die Sendung Michaels, G A Bibl.-Nr. 194. 138 Der Christus in der Mitte einer Dreiheit: das erscheint auch als tief bewegendes Bild des Christus auf Golgatha, zu dessen rechter und linker Seite noch zwei andere Gekreuzigte hängen; der eine lästert ihn, der andere bittet ihn, seiner zu gedenken, wenn er in die geistige Welt eingeht (Luk 23/32-43). 139 Vergleiche hierzu: Fragenbeantwortung vom 21.4.09 in GA Bibl.-Nr. 110 (s. Anm. 132). 140 Die luziferischen Wesen werden hier als Geister der Weisheit bezeichnet,

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die sich aber als Geister der Form (Exusiai) «maskieren», also im Gewände von Wesen wirken, die zwei hierarchische Stufen tiefer stehen. Andernorts werden aber auch luziferische Engel beschrieben {Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit, GA Bibl.-Nr. 15, 2. Kapitel). Die ahrimanischen Wesen werden hier als Geister der Form beschrieben, die in der Maske der darunterstehenden Stufe der Archai (Geister der Persönlichkeit) wirksam werden (Satan ist ein solcher Geist der Form, der auf dem alten Mond auf der Archai-Stufe stehenblieb, s. auch Das Hereinwirken geistiger Wesenheiten in den Menschen, GA Bibl.-Nr. 102, 7. Vortrag). - An anderen Stellen wird man finden, daß z.B. von ahrimanischen Thronen, Cherubim, Seraphim gesprochen wird (Die Verantwortung des Menschen für die Weltentwicklung... G A Bibl.-Nr. 203, 14. Vortr.), oder daß gesagt wird, es gäbe in jeder Hierarchie das Phänomen eines Zurückbleibens, aber auch eines Vorauseilens gegenüber der normalen Entwicklungsströmung {Die Impulsierung des weltgeschichtlichen Geschehens durch geistige Mächte, G A Bibl.-Nr. 222, 5. Vortrag). Das zeigt, wie kompliziert das Problem der «Widersachermächte» ist. Im hier abgedruckten Vortrag scheint eine Art Urphänomen, was der luziferische und ahrimanische Grundimpuls ist, geschildert zu sein. 141 Zu den Naturwirkungen der luziferisch-ahrimanischen Polarität und ihrem Ausdruck in Anpassung und Vererbung siehe den Vortrag vom 24.11.1924 in: Mysteriengestaltungen, G A Bibl.-Nr. 232. 142 Der Zusammenhang des Menschen mit der elementarischen Welt, G A Bibl.Nr. 158, 5. Vortrag. 143 5. Vortrag in: Innere Entwicklungsimpulse der Menschheit, GA Bibl.-Nr. 171. 144 Zur Abrundung dieses Kapitels seien auswahlweise weitere Stellen zur Polarität von Luziferischem und Ahrimanischem genannt, um die weitere Beschäftigung anzuregen. - Zum Problem des falsch verstandenen GutBöse-Dualismus: Die Sendung Michaels, G A Bibl.-Nr. 194, 1., 2. Vortrag; eine Vielzahl von Aspekten behandelnd: der gesamte Zyklus Die Polarität von Dauer und Entwicklung im Menschenlehen (GA Bibl.-Nr. 184) mit den ersten 11 Vorträgen, zu denen auch der zweite dieses Kapitels gehört, oder der 14. Vortrag in Anthroposophie als Kosmosophie, 2. Teil / G A Bibl.Nr. 208; über die zwei Grundphänomene des Bösen «sich an die Welt verlieren - der Welt verloren gehen»: Vortrag vom 30.5.12 in: Christus und die menschliche Seele ... G A Bibl.-Nr. 15 5; die Beziehung von luziferischer Wirkung zum Willen, ahrimanischer zum Denken: «Luziferisches und Ahrimanisches in ihrem Verhältnis zum Menschen», GA Bibl.-Nr. 35 (Aufsätze, 1918); das Zusammenwirken der Polarität in der menschlichen Gestalt, in Denken, Fühlen und Wollen: Der Zusammenhang des Menschen mit der elementarischen Welt, G A Bibl.-Nr. 158, 4.-6. Vortrag; Luzi-

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fer, im Seelischen wirkend (Leidenschaften), Ahriman als rechtmäßiger «Herr des Todes» in der Natur: Die Geheimnisse der Schwelle, G A Bibl.-Nr. 147, 2. Vortrag; zur Wirkung in der Natur: Das Miterleben des Jahreslauß in vier kosmischen Imaginationen, G A Bibl.-Nr. 229/7.10.23; die Beziehung von Luzifer und Ahriman zu Gedächtnis- und Gewohnheitsbildung; Luzifer, Verführer zur Leidenschaft, Ahriman, Verfuhrer zur Lüge: Das Rätsel des Menschen, G A Bibl.-Nr. 170, 11. Vortrag; die zwei Inkarnationen von Luzifer und Ahriman, die Vorbereitung der zweiten in der Gegenwart: Soziales Verständnis aus geisteswissenschaftlicher Erkenntnis, G A Bibl.-Nr. 191, 11., 15 .Vortrag, und Der innere Aspekt des sozialen Rätsels. Luziferische Vergangenheit und ahrimanische Zukunft, G A Bibl.-Nr. 193, 9., 10. Vortrag. 145 Siehe die drei Vorträge «Die Welt als Ergebnis von Gleichgewichtswirkungen», Dornach 20.-22.11.14, in G A Bibl.-Nr. 158(vgl.Anm. 142). 146 Vgl. Die Welt der Sinne und die Welt des Geistes, G A Bibl.-Nr. 134, 3. Vortrag. 147 Das Problem des Sündenfalls und der Erbsünde wird in dem Vortrag «Erbsünde und Gnade», München 3.5.1911, in Die Mission der neuen Geistesoffenbarung, G A Bibl.-Nr. 127, behandelt. 148 Vgl. zum Beispiel Aus der Akasha-Chronik, G A Bibl.-Nr. 11. 149 Lebendiges Naturerkennen - Intellektueller Sündenfall und spirituelle Sündenerhebung, 12 Vorträge, G A Bibl.-Nr. 220. 150 Vgl. Häring (1985), der als Beispiel hierfür die Staatstheorie von Hobbes (1588-1679) anführt (s.Anm. 1). ' 151 Vgl. Die Offenbarungen des Karma, G A Bibl.-Nr. 120, 4. Vortrag. 152 Im Vortrag «Germanische und indische Geheimlehre», Berlin 8.3.06, in: Die Welträtsel und die Anthroposophie, G A Bibl.-Nr. 54, wird die Hei als schwarz und weiß bezeichnet, da sie Geburt und Tod umfaßt. Sie hat damit Doppelnatur. - Vgl. auch «Die Hölle», Berlin 16.4.08, in: Die Erkenntnis der Seele und des Geistes, G A Bibl.-Nr. 56. 153 Als «Scharen Ahrimans» werden die Asuras im 12. Vortr. in G A Bibl.Nr. 107 (Anm. 135) bezeichnet. - An dieser Stelle muß einmal gefragt werden, wie eigentlich geistige Wesenheiten zu denken sind. Das eine Mal wird von Ahura Mazdao so gesprochen, daß er dem Christus als kosmischer Wesenheit entspricht (Das Lukas-Evangelium, G A Bibl.-Nr. 114, 7. Vortrag). Hier wird der Name Ahura - Asuras so gewendet, daß er auf diese Engelwesen (Geister der Persönlichkeit) deutet. Der Verstand rebelliert, da doch nicht beides dasselbe ist. Künstlerisches Erleben kann hier eine große Hilfe sein: in der Musik ist es möglich, z.B. in einem Dominantseptakkord, vier verschiedene Töne zu unterscheiden. Einer kann als Grundton empfunden werden, die anderen stehen in einem unterschiedlichen Verhältnis zu ihm. Geistige Wesen leben nicht

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wie Gegenstände getrennt, sondern eher ineinanderwirkend wie Töne. 154 Zum Problem des «Lebensbaumes»: Norrköping 16.7.14, in: Christus und die menschliche Seele, G A Bibl.-Nr. 155. Es besteht auch ein enger Zusammenhang zum Problem der vier Ätherarten. Der «Baum des Lebens» entspricht den beiden Formen des Klangäthers und Lebensäthers, von denen der Mensch nur Schattenbilder wahrnehmen kann im äußeren Ton und Wort, im äußeren Leben. Als innere Kräfte weisen das Denken und der Sinn auf diese Ätherarten. In sie kann der Mensch nicht frei eingreifen, während ihm der Wärmeäther und Lichtäther - als Wille und Gefühl frei zur Verfügung stehen (Basel 21.9.09, in: Das Lukas-Evangelium, G A Bibl.-Nr. 114). 155 Siehe 3. Vortr. in G A Bibl.-Nr. 155 (vgl. vorige Anmerkung). 156 5. Vortr. in: Die Impulsierung des weltgeschichtlichen Geschehens durch geistige Mächte, G A Bibl.-Nr. 222. 157 Im 9. Vortrag von Die Polarität von Dauer und Entwicklung... (GA Bibl.Nr. 184) wird dieses Gesetz einer inneren, von alleine sich einstellenden luziferisch-ahrimanischen «Ehe» in zwei polaren Formen dargestellt. 158 Siehe die Übungen und Erläuterungen in Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? GA Bibl.-Nr. 10. 159 « D u sollst dir ein Bild machen!»: dieses neue «Gebot» wird wirklich durch die Zeit geschrieben. Davon wird auch in dem Zyklus Ln geänderter Zeitlage — Die soziale Grundforderung unserer Zeit, G A Bibl.-Nr. 186, gesprochen (5. Vortrag). 160 Siehe die angegebenen Vorträge in G A Bibl.-Nr. 191 und 193 (Anm. 144). 161 «Der Durchgang der Erde durch ihre früheren planetarischen Zustände», 9. Vortrag in: Menschheitsentwicklung und Christus-Erkenntnis. Theosophie und Rosenkreuzertum, G A Bibl.-Nr. 100. Verwiesen sei auch auf den Vortrag vom 1.10.1911 in Das esoterische Christentum ... G A Bibl.-Nr. 130, der über Naturwirkungen der Asuras spricht. 162 Vgl. den 7. Vortrag in: Die Offenbarungen des Karma, G A Bibl.-Nr. 120. 163 Siehe den 16. Vortrag in: Geisteswissenschaftliche Menschenkunde, G A Bibl.-Nr. 107 (auch enthalten in Band 14 der «Thementaschenbücher»: Rudolf Steiner, Christologie: Anthroposophie — ein Weg zum Christusverständnis). 164 Vortrag vom 17.10.1905 in: Grundelemente der Esoterik, G A Bibl.-Nr. 93a 165 «Der Zugang zum Christentum durch die Geisteswissenschaft», 27.4.07, in: Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft ... G A Bibl.-Nr. 96; ferner: «Weiße und schwarze Magie», 21.10.07 in: Mythen und Sagen. Okkulte Zeichen und Symbole, G A Bibl.-Nr. 101. 166 16. Vortrag in G A Bibl.-Nr. 107 (s. Anm. 163).

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167 Siehe 12. Vortrag in: Soziales Verständnis G A Bibl.-Nr. 191 (s. Anm. 144). 168 Fragenbeantwortung vom 21.4.1909, G A Bibl.-Nr. 110 (s. Anm. 132). 169 Siehe 11. Vortrag in: Die Polarität von Dauer und Entwicklung, G A Bibl.Nr. 184. 170 Siehe Die Geheimwissenschaft im Umriß, S. 305 f. (Taschenbuchausgabe 1962). 171 Siehe 16. Vom. in G A Bibl.-Nr. 107 (s. Anm. 163). 172 In alten Anschauungen war der Mensch trinitarisch. Erst durch das Konzil von Konstantinopel (869) ist der Dualismus Leib-Seele zum Dogma geworden (auch der neue Katechismus der katholischen Kirche von 1993 behält ihn unverändert bei). In ihm liegt der Ansatz entweder für ein Zerreißen des Menschen oder eine Vereinigung der Seele mit dem Leibe. Im Leibe wirkt Ahriman, in der Seele haust Luzifer - beide unerkannt. Dieser Dualismus ist im Sinne Sorats, «869» einer seiner Teilerfolge. Erst durch die Anerkennung, daß der Christus-Impuls den Geist als vollwertiges Drittes — nicht nur als Attribut der Seele — umfaßt, wird der Christus wirklich gewürdigt: der Mensch steht zwischen Luzifer und Ahriman.

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Quellennachweis

Das Böse im Lichte der Erkenntnis vom Geiste, Berlin, 15.1.1914, 7. Vortrag in: Geisteswissenschaft als Lebensgut, 12 Vorträge, G A Bibl.-Nr. 63. Dornach 2 1986. Das Gute als schöpferisches, das Böse als todbringendes Prinzip: Hannover, 28.12.1911, 2. Vonrag in: Die Welt der Sinne und die Welt des Geistes, 6 Vorträge, GA Bibl.-Nr. 134, Dornach41979. Über die Wesenheit von Christus, Ahriman und Luzifer in ihrem Verhältnis zum Menschen: Dornach, 7.5.1923, 13. Vortrag in: Vom Leben des Menschen und der Erde. Uber das Wesen des Christentums, 14 Vorträge, G A Bibl.Nr. 349 (Vorträge fiir die Arbeiter am Goetheanumbau, Band 3), Dornach 2 1980. Das Verhältnis ahrimanischer und luziferischer Wesen zu den normal entwikkelten Hierarchien: Dornach, 4.10.1918, 10. Vortrag in: Die Polarität von Dauer und Entwicklung im Menschenleben, 15 Vorträge, G A Bibl.-Nr. 184, Dornach 21983. Midgardschlange, Fenriswolf und Hei: Oslo, 15.6.1910, 9. Vortrag in: Die Mission einzelner Volksseelen im Zusammenhang mit der nordisch-germanischen Mythologie, 11 Vorträge, G A Bibl.-Nr. 121, Dornach 51982. Der Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen: Dornach, 25.7.1915, 9. Vortrag in: Kunst- und Lebensfragen im Lichte der Geisteswissenschaft 13 Vorträge, G A Bibl.-Nr. 162, Dornach 1985. Das übersinnliche Element in der Geschichtsbetrachtung: Dornach, 26.10.1918, 5. Vortrag in: Geschichtliche Symptomatologie, 9 Vorträge, G A Bibl.-Nr. 185, Dornach 31982. Die drei Strömungen der materialistsichen Zivilisation, Dornach, 15.12.1919, in: Die Sendung Michaels, 13 Vorträge, G A Bibl.-Nr. 194, Dornach 31983. Wie finde ich den Christus?, Zürich, 16.10.1918, in: Der Tod als Lebenswandlung, 7 Vorträge, G A Bibl.-Nr. 182, Dornach 31986. Die Zukunft der Menschheitsentwicklung: Nürnberg, 25.6.1908, 8. Vortrag in: Die Apokalypse des Johannes, 13 Vorträge, G A Bibl.-Nr. 104, Dornach 7 1985.

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